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Harfenklang und zarte Küsse
Harfenklang und zarte Küsse
Harfenklang und zarte Küsse
eBook257 Seiten3 Stunden

Harfenklang und zarte Küsse

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Über dieses E-Book

Behutsam nimmt Charles, Earl of Wytham, die zarte Fremde in die Arme: Verletzt und ohne Erinnerung hat er sie gefunden! Lediglich ihren Namen - Elaine - meint sie noch zu wissen. Liebevoll auf seinem Landsitz umsorgt, kommt sie allmählich wieder zu Kräften. Doch ihre Vergangenheit liegt weiterhin im Dunkeln … Nur eins ist gewiss: Mit jedem Tag fühlt Charles sich zärtlicher zu ihr hingezogen. Und nicht nur ihr einfühlsames Harfenspiel versetzt sein Herz in Unruhe! Bis Elaines Erinnerung zurückkehrt und alle romantischen Hoffnungen zerstört: Sie glaubt, verheiratet zu sein …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum29. Dez. 2009
ISBN9783862953783
Harfenklang und zarte Küsse

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    Buchvorschau

    Harfenklang und zarte Küsse - Elizabeth Bailey

    Elizabeth Bailey

    Harfenklang und zarte Küsse

    IMPRESSUM

    HISTORICAL LORDS & LADIES erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

    20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

    © 2001 by Elizabeth Bailey

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL LORDS & LADIES

    Band 17 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

    Fotos: George Goodwin Kilburne/Fine Art Photographic Library, London

    Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 978-3-86295-378-3

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    1. KAPITEL

    Bilder/003-258_cut-Acro_img_0.jpg

    Als die junge Frau zu sich kam, lag sie allein an einem ihr fremden Ort. Der Anblick der Bäume, deren ausladende Zweige riesenhaften Stämmen entwuchsen und ein dichtes Schattendach über ihr bildeten, löste kein Wiedererkennen in ihr aus. Wo war sie? Mühsam richtete sie sich in eine sitzende Position auf und schaute sich um.

    Matte Sonnenstrahlen, die zwischen den Blättern hindurchdrangen, malten dunkle Flecke auf ihr weißes Musselinkleid. Sie erschauerte, rieb sich die Arme und fühlte unwillkommene Feuchtigkeit auf dem schwarzen Samtjäckchen, das sie trug. Ihre Füße in den knöchelhohen Stiefeletten aus weichem blauen Glacéleder, die kaum geeignetes Schuhwerk für einen solch taufeuchten Morgen waren, fühlten sich eiskalt an.

    Wie um alles in der Welt war sie nur hierhergekommen? Mit wackligen Beinen erhob sie sich und nahm ihre Umgebung mit wachsender Verwirrung in sich auf. War sie verrückt geworden, sich so leicht bekleidet in derart unwegsames Gelände zu wagen?

    Sie führte ihre bebende Hand zu der dumpf schmerzenden Stelle an ihrer Schläfe und bemerkte undeutlich, dass sie keinen Schutenhut trug. Sie spürte etwas Klebriges, und ein plötzlicher stechender Schmerz ließ sie scharf Luft holen. Im nächsten Moment starrte sie voller verständnisloser Verwunderung auf ihre blutigen Finger.

    Panik wallte in ihr hoch, und sie wandte den Blick entsetzt ab. Was war ihr zugestoßen? Unsicher machte sie ein paar Schritte vorwärts und verfing sich in dem Gestrüpp, das sie am Knöchel festzuhalten schien, als wollte es ihr Entkommen vereiteln.

    Als sie unter den Bäumen hervortrat, spürte sie die Wärme der Sonne. Wieder schaute sie sich suchend um. Vor ihr erstreckte sich eine von niedrigen Hecken durchzogene Wiesenlandschaft, der sich hügelan ein Baumgürtel anschloss.

    Ihr Herz begann heftig zu pochen. Wo war sie? Was hatte sie hier zu suchen?

    Doch die Fragen verstärkten nur den Schmerz, der von ihrer Kopfverletzung herrührte. Sie durfte jetzt nicht nachdenken, sie musste etwas tun! Sie musste Hilfe suchen – aber wo in dieser Wildnis? In welche Richtung sollte sie sich wenden?

    Als sie an sich hinabschaute, um ihre Röcke zu raffen, erstarrte sie. Was sie für Schatten gehalten hatte, entpuppte sich in hellerem Licht als Schmutzflecken. Am Saum wie auch an ihren Stiefeletten klebte Erde, und die Musselinfalten ihres Kleides, die unordentlich unter dem Jäckchen hervorquollen, wiesen Risse auf. Der Stoff war außerdem feucht. Kein Wunder, dass sie fror. Wie lang hatte sie dort gelegen?

    Kalte Angst stieg in ihr auf, und sie begann am ganzen Leib zu zittern. Ihr Verstand fand keine Erklärung für ihren erbärmlichen Zustand. Fast wie in Trance begann sie auf die freie Fläche vor ihr zuzugehen.

    Sich völlig allein an einem solchen Ort wiederzufinden erschien ihr wie ein Albtraum. Und dies umso mehr, als der einzige Erfolg ihres verzweifelten Nachdenkens eine erinnerungslose Leere war, die das Kopfweh in einem stechenden Schmerz explodieren ließ und sie zwang, mitten auf der Wiese stehen zu bleiben und mit geschlossenen Augen beide Hände gegen die Stirn zu pressen.

    Einen Augenblick lang war sie überzeugt, ohnmächtig zu werden. Doch die schwindelerregende Pein ließ nach. Kurz darauf wurde sie sich bewusst, dass ihr ein Geräusch von außen ins Bewusstsein drang. Es waren Stimmen!

    Sie riss die Augen auf und entdeckte menschliche Gestalten, die zwischen den Bäumen auf dem Hügel auftauchten. Eine innere Stimme riet ihr, vorsichtig zu sein, und ehe sie noch begriff, wie sie es geschafft hatte, so schnell dorthinzugelangen, lehnte sie keuchend und bebend an der hohlen Rückseite einer mächtigen alten Eiche, an der sie Augenblicke vorher vorbeigekommen war.

    Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder mehr als ihr eigenes heftiges Atmen hören konnte. Doch dann vernahm sie lauter werdendes Sprechen. Mit Erleichterung erkannte sie neben einer Männerstimme auch die von Frauen.

    Verstohlen spähte sie um den Baum, der ihr Schutz gewährte. Drei Personen kamen den Hügel herab: Zwei Frauen folgten in kurzem Abstand einem hochgewachsenen Mann, der zielstrebig ausschritt. Selbst auf diese Entfernung vermittelte die Gruppe einen Eindruck von Vornehmheit, der sowohl vom Klang ihrer Stimmen als auch vom Schnitt ihrer Kleidung ausging. Dies war kein einfaches Landvolk.

    Die junge Frau hielt den Atem an. Irgendetwas in ihr verlieh ihr die Sicherheit, gleich gerettet zu sein. Gleichzeitig jedoch spürte sie deutlich, dass sie auf keine einzige ihr gestellte Frage eine Antwort würde geben können.

    Die Stimmen wurden deutlicher, sie konnte einzelne Gesprächsfetzen ausmachen, aber die auf Streit hindeutende Lautstärke ließ sie in ihrem Versteck verharren, während sie um den Mut rang, die Spaziergänger anzusprechen.

    „Du hältst mich nicht zum Narren, Margaret, hörte sie den Mann trocken bemerken. „Ich weiß ganz genau, was dich und Harriet hierher bringt.

    „Was stellst du dir vor, Charles?, ließ eine der beiden Frauen, die ihre Musselinröcke sorgfältig vor Stechginsterästen in Sicherheit brachte, scharf und kritisch vernehmen. „Jedes Jahr am Ende der Saison erwarten wir zu hören, dass du verlobt bist.

    „Und jedes Jahr werden wir enttäuscht, ergänzte die andere Begleiterin, die mit einem grünen Reitkleid und robusten Lederstiefeletten vernünftig gekleidet war. Ihre Stimme klang etwas wärmer, und die junge Frau in ihrem Versteck entspannte sich ein wenig. „Du musst zugeben, Charles, dass dein an Widerspenstigkeit grenzendes Zaudern schändlich ist.

    Der Mann trat nach einer unschuldigen Wurzel, die ihm zufällig im Weg war. „Ich gebe nichts dergleichen zu. Ganz im Gegenteil, ich verdiene Glückwünsche, dass es mir Jahr für Jahr gelingt, den mir gestellten Fallen auszuweichen."

    „Wenn du dich endlich mit Belinda verloben würdest, hätte dieser ganze Unsinn ein Ende."

    Der Gentleman blieb abrupt stehen, und die Frauen taten es ihm gleich, während er sich zu ihnen umdrehte. „Wie kommt ihr nur auf die Idee, ich könnte Belinda heiraten? Habe ich in dieser Richtung jemals auch nur eine Andeutung gemacht?"

    „Nein, Charles, das hast du nicht. – Er hatte fünf Jahre Zeit, Harriet, um sich ihr zuzuwenden, und da er es nicht getan hat …"

    „Umso schlimmer!"

    „… wird er es jetzt wohl auch kaum tun."

    „Das wäre mir ja gleichgültig, wenn er die leiseste Neigung zeigen würde, eine andere zu heiraten."

    „Findet eine Frau für mich, die mich nicht mit überschwänglichem Charme zu Tode langweilt, und ich werde bereitwillig um ihre Hand anhalten."

    Der Gentleman wandte sich um und setzte seinen Weg in Richtung des Baumes fort, hinter dem sie hervorlugte. Hastig zog die junge Frau den Kopf zurück. Immer noch waren die erhobenen Stimmen der beiden Damen zu hören. Entweder sie zeigte sich nun, oder die Gelegenheit ginge ungenutzt vorüber. Sie versuchte vorzutreten, doch eine undeutliche Befürchtung ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben.

    Vom Äußeren des Mannes hatte sie wenig mehr aufgenommen als seine Größe und die Kleidung, die man von einem Herrn bei einem Landspaziergang erwartete. Kniehosen und ein dunkler Gehrock, das Haar unter einem breitkrempigen Biberfilzhut verborgen. Seine Stimme hatte kultiviert geklungen. Selbst in seinem offenkundigen Ärger über die Frauen in seiner Begleitung hatte in ihr nichts Beängstigendes mitgeschwungen. Diese Erkenntnis gab der jungen Frau Mut.

    Sie holte tief Luft, löste sich von dem Baum und trat aus ihrem Versteck hervor dem Gentleman direkt in den Weg.

    Er blieb unvermittelt stehen und wich dann mit einem erschrockenen Ausruf zurück.

    Es entging Charles Clevedon, Earl of Wytham, dass seine Schwestern ebenso erstaunt waren wie er, als die gertenschlanke Erscheinung plötzlich vor ihnen auftauchte.

    Sie war jung und schön und, nach dem Schnitt ihrer Garderobe zu schließen, vornehm. Doch ihr Kleid war zerrissen und schmutzig, ihre blassen Züge schmutzverschmiert, und sie zitterte erbärmlich. In demselben Moment, in dem er ihren unglücklichen Zustand erfasste, erkannte Charles auch, dass keine noch so große Ungepflegtheit den außerordentlichen Liebreiz ihres Gesichts verbergen konnte.

    „Bitte helfen Sie mir, brachte sie schwach hervor. „Ich weiß nicht, wo ich bin.

    Charles stand immer noch schweigend da, er konnte den Blick nicht von ihren blauen Augen losreißen. Etwas in seiner Brust schien zu schmelzen. Doch dann wurde er sich seiner guten Erziehung bewusst.

    „Selbstverständlich helfen wir Ihnen, Madam, erwiderte er und trat vor. „Was fehlt Ihnen?

    „Du liebe Güte!", ließ sich Harriet hinter ihm vernehmen.

    „Sind Sie verletzt?", fragte Margaret, während sie an ihm vorbei an die Seite der jungen Frau eilte.

    „Mein Kopf. Die Unbekannte führte die Finger zu einer Stelle in der Nähe ihrer Schläfe. Als sie sie auf die kurzen blonden Locken legte, die ihre Züge umspielten, zuckte sie zusammen. „Es blutet und tut schrecklich weh.

    „Was ist Ihnen zugestoßen?"

    Die junge Frau wandte Margaret das Gesicht zu. Ein Muskel zuckte in ihrer blassen Wange. „Ich … weiß nicht."

    „Sie wissen es nicht? Aber …"

    „Ich kann mich nicht erinnern." Die gertenschlanke Gestalt schwankte ein wenig.

    „Stützen Sie sich auf mich", erbot Charles sich rasch. Er trat neben sie und fasste sie unter dem Ellbogen.

    „Merci." Sie nahm seine Hilfe dankbar an, und er hielt sie fest. Undeutlich nahm er das französische Wort wahr, beachtete es aber nicht. Ihre Kleidung war feucht und fühlte sich kühl an, sodass eine bestürzende Ahnung in seinem Geist aufkeimte. Nach ein, zwei Momenten schien die Unbekannte Kraft gesammelt zu haben, holte tief Atem und straffte sich.

    „Was heißt das, Sie können sich nicht erinnern?", wollte Harriet wissen, und der Klang ihrer Stimme ließ Charles seiner Schwester einen warnenden Blick zuwerfen. Worauf wollte sie hinaus?

    „Wie sind Sie hierhergekommen?", fragte Margaret.

    Charles fühlte die junge Frau an seinem Arm erzittern. Als er sie anschaute, sah er ihre Wimpern flattern.

    „Auch daran erinnere ich mich nicht."

    „Aber Sie sind allein?" Harriets Tonfall drückte Missbilligung aus.

    „Es scheint so."

    „Es scheint so? Du lieber Himmel!"

    „Harriet, sei still!, fuhr Margaret sie an. „Siehst du denn nicht, dass das arme Mädchen nicht in der Lage ist, Fragen zu beantworten? Charles, kann sie sich nicht irgendwo hinsetzen?

    Ihr Bruder schaute sich um und entdeckte ein Stück des Wegs zurück einen Baumstumpf. Ohne Vorwarnung hob er die Unbekannte auf die Arme und trug sie dorthin. Seine Schwestern folgten ihm.

    Die Welt schien zu schwanken, die junge Frau schloss die Augen und klammerte sich an seine Schultern. Ihre Angst war bei den Fragen wieder aufgeflackert. Sie hatte sie erwartet, und keine Antworten zu wissen beunruhigte sie trotz der Erleichterung über ihre Rettung. Ihre Kopfschmerzen quälten sie.

    Vorsichtig setzte der Gentleman sie auf dem Baumstumpf ab. Sie fühlte seine starken Hände auf ihren Schultern und bemerkte, dass er sich über sie beugte und sie musterte.

    Sie sah hoch und blickte in haselnussbraune Augen in einem markanten Gesicht mit festen Linien, einer geraden Nase und einem Kinn, das verriet, dass sein Besitzer keinen Widerspruch duldete. Das kastanienbraune Haar unter dem Biberfilzhut schien durch den modischen Haarschnitt nicht völlig gezähmt. Eine Sorgenfalte war zwischen kräftigen Brauen erschienen. Seine Stimme klang angenehm, aber trocken.

    „Können Sie allein sitzen?"

    „Ja, danke." Dennoch hielt sie sich an der borkigen Kante fest, als der Gentleman seinen Griff löste und einen Schritt zurücktrat. Sie war froh, sich einigermaßen wohlauf zu fühlen, und seufzte erleichtert.

    „Nun, also", kam es von der Dame im grünen Reitkleid, die als Erste herankam.

    Der Gentleman ergriff sie am Arm. „Plage das Mädchen nicht, Margaret."

    „Ich möchte nur herausfinden, was passiert ist."

    „Wenn sie sich nicht daran erinnert, hat es keinen Sinn zu fragen", erwiderte er.

    „Sie muss sich den Kopf schlimm gestoßen haben", meinte die als Margaret Angesprochene.

    Die junge Frau sah eine sorgenvoll-stirnrunzelnde Miene auf dem rundlichen Gesicht, dessen Züge Ähnlichkeit mit denen des Mannes hatten. Sie waren jedoch sanfter und von dichteren Locken umrahmt, die unter einem hübschen Hut mit einem Federbusch in der Farbe ihres Reitkleides festgesteckt waren. Ihr Lächeln verriet Wärme.

    „Sie müssen sich ziemlich benommen fühlen, armes Ding. Wahrscheinlich wird Ihnen alles sehr bald wieder einfallen."

    Sie fühlte sich in der Tat nicht fähig, über den Augenblick und den Trost, nicht mehr allein zu sein, hinauszudenken. Nur zu gern überantwortete sie sich den Händen ihrer Retter.

    Der Earl blickte stirnrunzelnd auf sie hinab und fragte sich, was ihr wohl durch den Sinn ging. Noch nie hatte er jemanden so blass und verstört erlebt.

    Harriet, die ebenfalls herangekommen war, brach das Schweigen. „Wie heißen Sie?"

    Charles beobachtete, wie eine nachdenkliche Linie zwischen den Brauen der jungen Frau auftauchte.

    „Mein Name …", begann sie zögernd.

    „Ja, Ihr Name", wiederholte seine Schwester ungeduldig.

    „Harriet!"

    „Wenn dir das nicht eigenartig vorkommt, Margaret, dann halte ich dich für ziemlich begriffsstutzig."

    „Ich weiß nicht, wovon du sprichst."

    „Seid still, alle beide!, befahl der Earl, der den schmerzhaft konzentrierten Ausdruck auf den Zügen der Unbekannten sah. „Ihr quält sie.

    Noch während er sprach, zuckte die junge Frau zusammen und griff sich an die Stirn. Ihr Blick verdunkelte sich.

    „Ich erinnere mich nicht an meinen Namen."

    Charles sah sie an und war gebannt von dem entsetzten Ausdruck, der ihre Worte begleitete. Sie unterdrückte ein Schluchzen und ballte die schlanken Finger zur Faust, während sie um Fassung rang. Eine tapfere Bemühung unter den gegebenen Umständen, dachte er.

    Er wandte sich seinen Schwestern zu und sah, dass selbst Harriet von dem Jammer des Mädchens gerührt war. Margaret war unübersehbar erschrocken. Da begann die junge Frau zu sprechen. Ihre Stimme klang rau, aber beherrscht.

    „Verzeihen Sie mir … ich kann mich an gar nichts erinnern. Ich kam eben erst zu mir, unter den Bäumen dort drüben. Ich habe keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen bin, ebenso wenig, wie lang ich dort gelegen habe. Vor Kopfschmerzen konnte ich nicht denken, und die Umgebung war mir fremd. Und jetzt, als Sie mich fragten, wurde mir klar … ich weiß nicht einmal, wer ich bin!"

    Mit einem Ausdruck des Entsetzens sah sie den Earl und seine Schwestern an. Charles fühlte den eigenartigen Wunsch in sich aufsteigen, sie tröstend in die Arme zu nehmen. Welch absurder Gedanke! Er schob ihn beiseite, und die unvermeidliche Frage drang in den Vordergrund: Was sollten sie mit dem Mädchen anfangen?

    „Na, Sie kommen besser mit uns nach Hause", bestimmte Margaret, als hätte sie seine Frage gehört.

    Die Unbekannte wirkte erleichtert. Dennoch widersprach sie aus Höflichkeit.

    „Ich möchte mich nicht aufdrängen."

    „Hier können Sie kaum bleiben", widersprach Harriet sichtlich widerstrebend.

    „Das meine ich auch, sagte Margaret. „Sie braucht einen Arzt. Charles, hör auf, das arme Kind derart hoffnungslos anzustarren, und tu etwas!

    Der Earl nickte. Er war in der Tat geistesabwesend gewesen. Natürlich mussten sie die Unbekannte mitnehmen. In sein Haus. Aber ein irritierender Gedanke war ihm in den Sinn gekommen.

    War das möglicherweise ihr Ziel?

    „Erinnern Sie sich denn an gar nichts?", fragte er sie.

    Sie schüttelte den Kopf. „Nichts."

    „Vielleicht wird es besser, wenn Sie sich ausgeruht haben."

    Ihre Lippen bebten. „Das hoffe ich."

    Charles wurde geschäftsmäßig. „Dann wollen wir Sie mal nach Hause bringen. Denken Sie, dass Sie laufen können? Bis zur Kutsche ist es etwa eine halbe Meile."

    Die Unbekannte nickte. Er half ihr auf, ohne auf Margarets unnötige Anweisungen zu achten. Die junge Frau stützte sich schwer auf seinen Arm, und er war versucht, sie zu tragen, da sie nur langsam vorankamen. Nur war der in ihm aufgekeimte Verdacht, so er denn begründet war, derart ärgerlich, dass er sich keinesfalls übermäßig bemühen wollte.

    Mit jedem Schritt wuchs die Verwirrung der jungen Frau. Zunächst war sie froh gewesen, die Dinge anderen überlassen zu können, doch wurde ihr sehr rasch ihre Situation bewusst. Zu gehen war schwierig genug, und der Kopfschmerz beeinträchtigte ihre Sehschärfe ein wenig. Aber das Schlimmste war ihr versagendes Gedächtnis. Eine Erklärung für ihre Notlage fand sie nicht, doch blieb eine beunruhigende Frage: Hatte sie sich selbst in diese Lage gebracht, oder war sie von einem übelwollenden Menschen hier ausgesetzt worden? Der letzte Gedanke erschreckte sie dermaßen, dass sie stolperte.

    „Nur ruhig!"

    Fast hätte sie den Besitzer des stützenden Arms vergessen. Sie erkannte, dass sie ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte.

    „Dürfte ich wissen, wem ich zu danken habe?", wandte sie sich an ihn.

    Sie glaubte einen eigenartigen Ausdruck über seine Züge huschen zu sehen, als er sich zu ihr drehte, doch konnte sie die Ursache nicht benennen. Er antwortete freundlich.

    „Ich bin Wytham."

    „Charles Clevedon, Earl of Wytham", warf die eine der Damen hinter ihnen ein. Der scharfe Klang ihrer Stimme ließ die junge Frau aufhorchen.

    „Wir sind seine Schwestern. Zweifellos werden Sie uns jetzt sagen, dass Ihnen der Name unbekannt ist."

    „Harriet, worauf willst du hinaus?", wollte die Freundlichere der beiden wissen.

    „Ich glaube, das sollte man zu einem geeigneteren Zeitpunkt besprechen", warf der Earl ein.

    Die junge Frau sah, wie er seinen

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