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6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023
6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023
6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023
eBook743 Seiten9 Stunden

6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023

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Über dieses E-Book

von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Frank Rehfeld
(599)



Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt.


Dieses Buch enthält folgende Romane:

Frank Rehfeld: Der Hass eines Toten

Alfred Bekker: Jägerin der magischen Winde

Ann Murdoch: Brich den Fluch oder stirb!

Ann Murdoch: Eine Braut des Teufels

Ann Murdoch: Geheime Wege ins Verderben

Alfred Bekker: Wolfsmagie



Eigentlich könnte die Welt so schön sein. Tom hält um die Hand von Patricia Vanhelsing an, doch das Glück wird überschattet von bösen Vorahnungen. Meldungen über Wölfe und grauenvolle Morde im schottischen Hochland machen die Runde, und immer wieder wird Patricia von Vorahnungen gequält. Sie reist mit Tom nach Schottland, und die mysteriösen Wölfe setzen bereits einen ganzen Ort in Schrecken. Was hat die junge Lady Arwenna Strachan mit den Mörderbestien zu tun? Die Lösung dieses Rätsels ist gefährlich und fordert den Tod!
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum12. Sept. 2023
ISBN9783753210568
6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023 - Alfred Bekker

    von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Frank Rehfeld

    6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023

    UUID: 92d699d4-6cfe-4a9c-9bcb-239221032903

    Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023

    Copyright

    Der Hass eines Toten

    Copyright

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    Jägerin der magischen Winde

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    Eine Braut des Teufels

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    Geheime Wege ins Verderben

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    WOLFSMAGIE

    6 Unheimliche Romantic Thriller September 2023

    von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Frank Rehfeld

    Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt.

    Dieses Buch enthält folgende Romane:

    Frank Rehfeld: Der Hass eines Toten

    Alfred Bekker: Jägerin der magischen Winde

    Ann Murdoch: Brich den Fluch oder stirb!

    Ann Murdoch: Eine Braut des Teufels

    Ann Murdoch: Geheime Wege ins Verderben

    Alfred Bekker: Wolfsmagie

    Eigentlich könnte die Welt so schön sein. Tom hält um die Hand von Patricia Vanhelsing an, doch das Glück wird überschattet von bösen Vorahnungen. Meldungen über Wölfe und grauenvolle Morde im schottischen Hochland machen die Runde, und immer wieder wird Patricia von Vorahnungen gequält. Sie reist mit Tom nach Schottland, und die mysteriösen Wölfe setzen bereits einen ganzen Ort in Schrecken. Was hat die junge Lady Arwenna Strachan mit den Mörderbestien zu tun? Die Lösung dieses Rätsels ist gefährlich und fordert den Tod!

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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    Alles rund um Belletristik!

    Der Hass eines Toten

    Romantic Thriller von Frank Rehfeld

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 109 Taschenbuchseiten.

    Nach sieben Jahren grausamer Ehe kommt es zwischen der jungen Caroline und ihrem brutalen Ehemann Norman zu einem schweren Streit, bei dem Norman durch einen Unfall stirbt. Caroline spürt von nun an nicht nur die geballte Schuldzuweisung ihres Dorfes, sondern muss auch erfahren, dass die schreckliche Vergangenheit eine ernsthafte Bedrohung ihrer Zukunft darstellt.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Der siebte Juli war der Tag, an dem Caroline Meadow endgültig beschloss, sich nicht mehr länger quälen zu lassen.

    Die Sieben hatte schon immer eine besondere Bedeutung für sie gehabt. Früher hatte sie die Zahl für ihre Glückszahl gehalten. Immerhin war sie an einem siebten Juli zur Welt gekommen. In letzter Zeit jedoch war es für sie eher eine Schicksalszahl, denn die Sieben hatte ihr nicht mehr allzu viel Glück gebracht - so wie es insgesamt in ihrem Leben nicht mehr allzu viel Glück gab.

    Dafür hatten die sieben Jahre Ehe mit Norman gesorgt. Sieben Jahre der Hölle. Sieben Jahre der Demütigungen, Schmerzen, Beschimpfungen und blauen Flecke. Sieben Jahre, die kein Ende zu nehmen schienen - bis zu diesem Tag.

    Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen. Als Neunzehnjährige hatte Caroline ihre Eltern bei einem Unfall verloren. Die folgende Zeit, in der sie sich um die Beerdigung und die diversen Erbschaftsangelegenheiten hatte kümmern müssen, war schlimm für sie gewesen. Ihre Eltern waren nicht reich gewesen, hatten ihr aber doch ihr Haus in Southampton und etwas Geld hinterlassen. Ein Fehler, den ein neuer Angestellter in der Stadtverwaltung gemacht hatte, hatte zu zahlreichen Behördengängen und bürokratischem Ärger geführt. Nachdem sie endlich alles geregelt hatte, waren Carolines Nerven so angegriffen gewesen, dass sie erst einmal ausspannen musste. Um sich zu erholen, war sie nach Gorlwingham gefahren, einem ruhigen kleinen Ort an der Küste von Cornwall.

    Hier hatte sie Norman Meadow kennengelernt, einen stattlichen, gutaussehenden Mann mit Charme, Charisma und viel Selbstbewusstsein. Während sie selbst zu dieser Zeit unsicher und verängstigt gewesen war, war er stark und schien genau zu wissen, was er wollte.

    Mittlerweile war ihr bewusst, dass er genau diese Schwäche bei ihr sofort erkannt und sich deshalb wie ein Raubtier auf sie gestürzt hatte. Er war aufmerksam und hilfsbereit gewesen und sie hatte sich auf Anhieb in ihn verliebt. Nur ein Vierteljahr später war sie nach Gorlwingham gezogen und hatte ihn geheiratet.

    Das war der Moment gewesen, in dem er seine Maske fallengelassen hatte. Statt als liebevoller Ehemann, hatte er sich als selbstsüchtiger Despot entpuppt, der sie quasi als sein Eigentum betrachtete. Sie hatte ihm den Haushalt ordentlich zu führen und ihm zu Willen zu sein, alles andere interessierte ihn nicht. Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse waren ihm völlig egal. Dazu kam, dass er sie fast von Anfang an mit anderen Frauen betrogen hatte, wie sie jedoch erst später erfuhr.

    Damals war sie eine junge, hübsche Frau mit langen dunklen Haaren und einem Gesicht gewesen, von dem andere ihr oft gesagt hatten, es sähe wie das eines Engels aus. Die langen Haare hatte sie behalten, doch der Glanz war aus ihren Augen verschwunden und all das Leid, das Norman ihr zugefügt hatte, hatte unübersehbare Kummerfalten in ihr Gesicht gegraben, als ob sie während ihrer Ehe um zwei Jahrzehnte gealtert wäre.

    Während der ersten Zeit hatte sie sich ein paar Mal gegen ihn aufgelehnt und sie hatte erkennen müssen, wie er eheliche Konflikte zu lösen pflegte. Norman Meadow redete nicht. Er schlug.

    Richtig schlimm war das Zusammenleben mit ihm jedoch erst geworden, als er nach knapp einem Jahr seinen Job verloren hatte. Fortan hing er fast jeden Tag mit seinen Freunden im Wirtshaus herum und kam abends oft betrunken nach Hause. Mindestens einmal die Woche reagierte er seine Unzufriedenheit mit seinem Leben an ihr ab. Der kleinste Vorwand genügte ihm in solchen Phasen, um sie zu schlagen, und sie war froh, wenn es nur bei ein paar Ohrfeigen blieb.

    Sieben Jahre lang hatte Caroline alles ertragen, obwohl sich ihre Liebe zu Norman schon nach kurzer Zeit von Liebe in Hass verwandelt hatte. Aber sie hatte nie einen besonders starken Willen gehabt, hatte nie gelernt, wirklich selbstständig zu sein. Sah man von gelegentlich trotzigen Aufwallungen ab, hatte Norman ihr ohnehin geringes Selbstbewusstsein noch zusätzlich untergraben. Stets hatte er ihr das Gefühl vermittelt, sie wäre nichts wert und ohne ihn völlig verloren - so lange, bis sie schließlich selbst daran zu glauben begonnen hatte.

    Das war jedoch nur der eine Grund, weshalb sie trotz allem bei ihm geblieben war. Der andere war schlicht und ergreifend Angst. Einmal, als er ziemlich betrunken gewesen war, hatte Norman ihr gesagt, dass er sie umbringen würde, wenn sie ihn jemals verlassen sollte. Möglich, dass es nur ein im Suff dahergeredeter Spruch gewesen war, doch sie glaubte nicht daran.

    In einem kleinen, abgeschiedenen Ort wie Gorlwingham galten vielfach noch Moralbegriffe wie im vorigen Jahrhundert. Eine Scheidung, vor allem, wenn sie von der Frau eingeleitet wurde, wurde hier noch als Schande angesehen. So würde es auch Norman betrachten - als eine Schande, die ihn in den Augen seiner Mitbürger mit einem Makel behaften und in denen seiner Freunde bis auf die Knochen blamieren würde.

    Er würde niemals freiwillig einer Trennung zustimmen und eine Scheidung gegen seinen Willen durchzusetzen, würde einen langen und schrecklichen Kampf bedeuten. Norman Meadow würde jedes Mittel nutzen, um ihr das Leben noch mehr als bisher zur Hölle zu machen. Bei seiner gewalttätigen Veranlagung würde er möglicherweise sogar so vollends ausrasten, dass er sie tatsächlich im Affekt totschlug. Nach außen hin trug er die Maske eines freundlichen, normalen Bürgers. Caroline jedoch kannte ihn besser. Er war verrückt. Ein wandelndes Pulverfass, das durch jeden noch so kleinen Funken hochgehen konnte, und vor allem, wenn er getrunken hatte, war er vollkommen unberechenbar und unzurechnungsfähig.

    Dennoch war Caroline entschlossen, ihn zu verlassen. Viel schlimmer konnte es nicht mehr kommen und wenn er sie umbrachte, dann war sogar das besser, als für den Rest ihres Lebens seine Misshandlungen zu ertragen.

    Es würde die vielleicht wichtigste und folgenreichste Entscheidung ihres Lebens sein, doch wie so viele bedeutsame Ereignisse war sie durch eine Kleinigkeit ausgelöst worden.

    An diesem Tag hatte sie Geburtstag, doch Norman schien sich nicht einmal an das Datum zu erinnern. Wie an jedem normalen Tag war er erst gegen Mittag aufgestanden, hatte etwas gegessen und war anschließend wie üblich ins Wirtshaus gegangen, ohne ihr zu gratulieren oder ihr gar etwas zu schenken.

    Angesichts der unzähligen Schrecken, die das Zusammenleben mit ihm bereithielt, war dies wirklich nur eine Kleinigkeit, aber der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

    Dazu kam, dass es sich um ihren siebenundzwanzigsten Geburtstag handelte. Wieder eine Sieben, und es war auch noch das verflixte siebte Jahr ihrer Ehe. Als Schicksalszahl würde sie ihrem Namen also alle Ehre machen, doch Caroline hoffte, dass sie sich auch endlich wieder als Glückszahl für sie entpuppen würde.

    Den ganzen Nachmittag saß sie schon herum und grübelte über alles nach. Ihre Nervosität war so groß, dass sie nicht in der Lage war, irgendetwas zu tun, um sich abzulenken. Nicht einmal zu einfachen Handarbeiten war sie fähig, mit denen es ihr normalerweise recht gut gelang, ihre Nerven zu beruhigen. An diesem Tag jedoch war das anders.

    Ihre Entscheidung war unumstößlich und nachdem sie sie einmal gefällt hatte, fühlte sie sich fast erleichtert. Dennoch wohnten in ihrer Brust zwei grundverschiedene Seelen.

    Die eine war von Entschlossenheit und wildem Trotz erfüllt, von dem Stolz darüber, dass sie endlich genug Mut aufgebracht hatte, die Konsequenzen aus Normans Verhalten zu ziehen und ihm die Stirn zu bieten. Trotz allem, was ihr deshalb noch bevorstehen mochte, war es ein geradezu berauschendes Gefühl. Caroline fühlte eine Stärke in sich, wie sie sie noch nie zuvor verspürt hatte.

    Die andere Seite in ihr hingegen empfand das genaue Gegenteil. Diese Seite wurde beherrscht von düstersten Vorahnungen und einer panischen Angst, von der sie wusste, dass sie nur zu berechtigt war. Jahrelang hatte sie alle Kränkungen ertragen können und diese Seite in ihr, die das gedemütigte Mauerblümchen verkörperte, sagte ihr, dass sie es dabei bewenden lassen und sich in ihr Los fügen sollte. Diese innere Stimme schrie fast, schrie ihr voller Entsetzen zu, dass sie vernünftig sein sollte, statt das Schicksal herauszufordern.

    Ein paar Mal hatte sie im Laufe des Nachmittags über einen Kompromiss nachgedacht. Sie hatte überlegt, einfach wegzugehen, in einen Zug zu steigen und ihre Scheidung aus der Ferne zu betreiben. Wohin sie fuhr, war völlig egal, nur weg von hier, in irgendeine andere Stadt, die ihr Sicherheit vor Norman bieten würde.

    Natürlich würde er trotzdem ausrasten, wenn er zurückkehrte und feststellte, dass sie ihn verlassen hatte, aber dann würde sie wenigstens nicht mehr da sein und seinen Wutausbruch miterleben. Er würde sie nicht beschimpfen und schlagen und ihr drohen können.

    Dennoch hatte sie diese Idee verworfen. Die verschiedenen Seelen in ihrer Brust waren beide damit nicht einverstanden. Der eine Teil behielt seine Angst und malte sich aus, wie Norman sie trotz ihrer Flucht finden würde, denn irgendwie musste sie sich wegen der Scheidung ja mit ihm ihn Verbindung setzen.

    Der andere, plötzlich erst ganz neu in ihr erwachte Teil, hingegen empfand es als zu feige, einfach wegzulaufen. Diese Seite von ihr wollte in geradezu selbstzerstörerischer Manier die offene Konfrontation mit Norman, wollte die Wut und den Schrecken in seinen Augen sehen, wenn sie ihm ihren Entschluss mitteilte. Mochte er sie schlagen, mochte er schlimmer als jemals zuvor auf sie einprügeln, sie musste sich dieser Auseinandersetzung stellen. Es gab nur die beiden Möglichkeiten: Sieg oder Untergang. Wenn sie dies überstand und sich gegen ihn behauptete, würde er ihr nie wieder wehtun können.

    Das war der Hauptgrund, weshalb sie sich dagegen entschieden hatte, sich einfach wegzuschleichen. Hätte sie es getan, würde sie ihre Furcht niemals verlieren. Nicht nur die Furcht vor Norman, sondern vor allem. Dies war ein entscheidender Wendepunkt in ihrem Leben, und sie musste die Wende ganz oder gar nicht vollziehen. Nur so würde sie lernen, das nötige Selbstvertrauen aus sich selbst heraus zu entwickeln, um genügend Kraft zu schöpfen, ein neues Leben beginnen zu können.

    Sie musste sich Norman stellen, mit allen Konsequenzen, die das nach sich ziehen mochte. Jetzt war es zum Weglaufen ohnehin zu spät. Sie hörte, wie er den Schlüssel nach mehrmaligen Versuchen ins Schloss steckte und die Haustür öffnete.

    Gott hilf mir, flüsterte sie. Mach, dass er nicht allzu sehr betrunken ist. Lass ihn vernünftig sein.

    Mit den Händen umklammerte sie so fest die Lehnen des Sessels, in dem sie saß, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

    2

    Carolines Gebet wurde nicht erhört.

    Ihre Hoffnungen, dass Norman nicht zu viel getrunken hätte und sie vernünftig mit ihm reden könnte, zerstoben, kaum dass er ins Wohnzimmer kam. Er torkelte nicht, denn das tat er nie, ganz egal, wieviel er getrunken hatte, aber sein Gang war schwerfällig vom Alkohol. Außerdem stank er, als hätte er in Bier gebadet.

    Das schlimmste aber war sein Gesichtsausdruck. Sie kannte diese Miene, die hängenden Mundwinkel, das leichte Flackern seiner Augen, während er sie anstarrte. So sah er aus, wenn er nicht nur getrunken, sondern sich auch über irgendetwas furchtbar geärgert hatte. Das wiederum bedeutete zwangsweise Schläge für sie. Er reagierte sich immer an ihr ab, wenn er auf andere wütend war.

    An diesem Abend jedoch würde er kein ergebenes, unterwürfiges Opferlamm vorfinden. Zu lange schon hatte sie sich von ihm schikanieren lassen.

    Du bist noch auf. Das ist gut, murmelte er mit vom Bier schwerer Zunge. Ich habe etwas mit dir zu klären. Oben, im Schlafzimmer. Ich glaube, du brauchst wieder mal eine deiner Lektionen.

    Nein, das glaube ich nicht, entgegnete Caroline. Es war das erste Mal, dass sie es wagte, ihm so offen Widerworte zu geben. Trotz ihres Entschlusses war sie sich bis zuletzt nicht sicher gewesen, ob sie den Mut dazu aufbringen würde, wenn es soweit war. Jetzt hatte sie es getan und es gab kein Zurück mehr. Ich bin noch auf, weil ich auf dich gewartet habe. Ich muss mit dir reden.

    Was?, er blinzelte und starrte sie verständnislos an. Was hast du gesagt?

    Du hast mich ganz richtig verstanden, sagte Caroline und stand auf. Ihre Stimme klang fest und sicher, obwohl sie sich innerlich nicht so fühlte. Du wirst mich nicht schlagen. Niemals wieder. Ich verlasse dich. Ich hoffe, du bist noch nüchtern genug, um zu begreifen, was ich dir zu sagen habe. Ich verlange von dir die Scheidung.

    Einige Sekunden starrte er sie weiterhin nur reglos an. So lange dauerte es wohl, bis sein vom Alkohol benebeltes Gehirn ihre Worte richtig aufgenommen und verarbeitet hatte. Dann plötzlich zerbröckelte die Maske der Gelassenheit. Wut verzerrte sein Gesicht, aber es erschien auch ein lauernder Ausdruck darin, der Caroline mehr als alles andere erschreckte.

    Du willst mich wohl verarschen, wie?, stieß Norman mit heiserer Stimme hervor. Aber dafür hast du dir einen äußerst schlechten Zeitpunkt ausgesucht, Baby. Das ist es doch wohl, oder? Nicht mehr als ein dummer, schlechter Scherz?

    Nein, es ist kein Scherz, erwiderte Caroline. Ich bin fest entschlossen. Einen Koffer mit meinen wichtigsten Sachen habe ich bereits gepackt. Ich werde dich noch heute Abend verlassen und in ein Hotel ziehen.

    Sie erwartete, dass er explodieren und sich auf sie stürzen würde, aber nichts dergleichen geschah. Er stand einfach nur da, eine bullige, fast zwei Meter große Gestalt mit einer Figur, die einmal sportlich durchtrainiert gewesen war, in den letzten Jahren durch Faulheit und übermäßigen Bierkonsum immer dicker und unförmiger geworden war. Lediglich seine schaufelartigen Hände ballten sich zu Fäusten und entspannten sich wieder.

    Dann tat er etwas, was Caroline niemals erwartet hätte: Er begann zu lachen. Es fing mit einem leisen Kichern an und steigerte sich rasch zu einem dröhnenden Gelächter.

    Du willst die Scheidung?, rief er und presste sich die Hände auf den Bierbauch. Du willst mich verlassen? Du kämst doch nicht mal einen einzigen Tag ohne mich zurecht. Du brauchst mich, Baby. Und jetzt mach es nicht noch schlimmer, sondern geh nach oben, dann vergesse ich diesen Unsinn vielleicht wieder.

    Nein, sagte Caroline, wich jedoch unwillkürlich zurück, als er einen Schritt auf sie zu machte. Ich meine es wirklich ernst, Norman.

    Urplötzlich war es mit seiner Ruhe vorbei.

    Mit einem wütenden Schlag fegte er eine Lampe und eine Topfpflanze von einem Beistelltischchen.

    Was glaubst du eigentlich, wer du bist, du miese kleine Schlampe!, brüllte er. Wie kannst du es wagen, überhaupt nur so mit mir zu reden? Ich werde dir zeigen, wer hier der Herr im Haus ist, und danach wirst du diesen Blödsinn nicht nur vergessen haben, sondern dich auch wochenlang nicht mehr auf die Straße trauen!

    Es wird die Scheidungsverhandlungen sehr erleichtern, wenn ich so gezeichnet bei einem Anwalt auftauche, antwortete Caroline. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein leichtes Zittern in ihre Stimme schlich, wodurch sie nicht mehr ganz so stark und entschlossen klang, wie sie es wollte. Bei der Gelegenheit kann ich dann direkt Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. Ich werde deine Misshandlungen nicht mehr länger stillschweigend hinnehmen, das schwöre ich dir, und wenn es das letzte ist, was ich tue.

    Kann gut sein, dass es das wirklich sein wird, wenn du es darauf anlegst!, stieß Norman bebend vor Wut hervor und kam weiter auf sie zu. Kann aber auch sein, dass du es dir noch anders überlegst, wenn ich dich erst einmal windelweich geprügelt habe.

    Caroline sah ein, dass mit ihm nicht mehr zu reden war. In seiner momentanen Stimmung und seinem Zustand würde er sie nicht nur verprügeln, wenn er sie zu fassen bekam, sondern sie so brutal zusammenschlagen, wie noch nie zuvor. Dabei würde es nicht mit ein paar blauen Flecken und Prellungen abgehen, sondern sie würde möglicherweise bleibende Schäden davontragen. Vorausgesetzt, er erwachte überhaupt rechtzeitig aus seiner Raserei und brachte sie nicht sogar wirklich um.

    Sie musste weg, raus aus dem Haus, doch Norman befand sich zwischen ihr und der Tür, sodass er ihr den einzigen Fluchtweg versperrte.

    Sie packte eine handgroße Porzellanfigur, die auf einer Kommode hinter ihr stand, und warf sie nach ihm. Die Figur traf ihn am Kopf und fügte ihm eine Platzwunde zu, ehe sie zu Boden fiel und zerbarst. Norman brüllte vor Wut und Schmerz.

    Wahllos griff Caroline nach weiteren Gegenständen und schleuderte sie in seine Richtung. Norman fluchte wild, hob schützend die Hände vor das Gesicht und versuchte, die Wurfgeschosse abzuwehren.

    Als letztes schleuderte Caroline einen mittelgroßen Blumentopf mit einer Zimmerpflanze darin nach ihm. Der Topf zerplatzte an seinen Armen und überschüttete ihn mit einem Hagel aus Scherben, Erde und Pflanzenteilen.

    Gleichzeitig rannte Caroline los. Sie versuchte, den Wohnzimmertisch zu umrunden und so an Norman vorbeizukommen, doch trotz seiner Trunkenheit reagierte er schneller, als sie erwartet hatte. Blitzartig beugte er sich über den Tisch vor und griff nach ihr.

    Sie schrie vor Schreck auf, als Norman ihren Arm packte. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen seinen Griff. Zum Glück hatte er ihren Arm nicht richtig zu fassen bekommen, sondern hauptsächlich den Ärmel ihrer Bluse. Dieser war dem gegensätzlichen Zug nicht gewachsen und riss knirschend entzwei.

    Norman behielt nur einen Stofffetzen in der Hand zurück. Durch den plötzlichen Ruck taumelte er nach hinten. es gelang ihm nicht, das Gleichgewicht zu halten, sodass er zu Boden stürzte.

    Caroline nutzte ihre Chance und rannte zur Tür. Noch bevor Norman sich wieder aufrappelte, hatte sie die Tür bereits aufgerissen und stürmte ins Freie.

    Ihr Haus stand rund einen Kilometer außerhalb von Gorlwingham fast direkt am Meer, was tagsüber bei schönem Wetter wundervoll war. Nur einen Steinwurf entfernt fielen die zerklüfteten Klippen fast lotrecht mehr als zwanzig Meter tief ab. Das unablässige Rollen der Wellen war in den letzten sieben Jahren zu einem so vertrauten Hintergrundgeräusch geworden, dass sie es kaum noch wahrnahm. Bei einem heftigen Sturm, wenn das Meer mit elementarer Wucht gegen die Klippen donnerte, spritzte die hochgeschleuderte Gischt manchmal fast bis zu ihren Fenstern.

    Caroline hastete über den schmalen, fast unmittelbar an den Klippen entlang verlaufenden Pfad zum Dorf. Nur dort konnte sie Hilfe finden. Der Nachthimmel war wolkenfrei und das Licht des Mondes reichte aus, dass sie ihre Umgebung einigermaßen erkennen konnte, genug wenigstens, um zu sehen, wohin sie trat.

    Als sie sich umblickte, sah sie, wie Norman ebenfalls aus dem Haus kam. Seine dunkle Silhouette hob sich gegen das helle Rechteck des Eingangs ab. Sofort nahm er die Verfolgung auf.

    Caroline rannte, so schnell sie konnte, doch sie musste erkennen, dass Norman rasch aufholte. Zwar hatte er in den letzten Jahren nicht mehr viel für seine Kondition getan, aber früher hatte er viel Sport getrieben. Mit Schrecken begriff Caroline, dass er sie einholen würde, noch bevor sie den halben Weg zurückgelegt hätte.

    Verstecken konnte sie sich auch nirgendwo. Das Land hier in der unmittelbaren Nähe der Küste war karg und kaum bewachsen. Abgesehen von Gras gab es nur vereinzelte Büsche und einige wenige verkrüppelte Bäume.

    Bei Tag hätte sie es vielleicht gewagt, zu dem kleinen Streifen Strand hinunterzusteigen, der bei Ebbe frei lag, und sich in die Höhlen zu flüchten, die das Wasser im Laufe der Jahrmillionen in die Steinküste gegraben hatte. Aber bei Nacht wäre eine Kletterpartie auf dem steilen Strandweg ein selbstmörderisches Unterfangen und ohne eine Lampe würde sie sich im niemals richtig erforschten Labyrinth der Höhlen hoffnungslos verirren. Die Einheimischen mieden die Höhlen, aber manchmal wagten sich Touristen dort hinein. Schon mehr als einer von ihnen hatte den Rückweg nicht mehr gefunden oder war von der Flut überrascht worden und jämmerlich ertrunken. Zurzeit aber herrschte ohnehin Flut, sodass sie gar nicht erst an die Höhlen herankäme.

    Caroline spürte heftige Seitenstiche. Ihr Atem ging schwer und keuchend und ihre Lunge brannte, als ob sie glühende Lava einatmen würde. Lange würde sie dieses Tempo nicht mehr durchhalten. In der Dunkelheit übersah sie einen kleinen Felsbuckel, kam aus dem Gleichgewicht und stürzte der Länge nach hin. Sie schürfte sich die Knie und Ellbogen auf, doch in ihrer Panik spürte sie den Schmerz kaum.

    Gleich darauf hatte Norman sie eingeholt. Breitbeinig stand er über ihr. Sein Gesicht war von Triumph und Wut gleichermaßen verzerrt. Er sah aus wie ein aus der Hölle heraufgestiegener Dämon.

    Habe ich dich endlich, du Miststück, keuchte er. Hast du wirklich geglaubt, vor mir davonlaufen zu können?

    Zwar verspürte Caroline eine schreckliche, lähmende Angst, aber zugleich auch Trotz. Nachdem sie es nun einmal geschafft hatte, sich gegen ihn aufzulehnen, würde sie sich nichts mehr kampflos von ihm gefallen lassen. Deshalb war sie entschlossen, ihre Gesundheit und vielleicht sogar ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, selbst wenn gerade das ihn noch mehr in Rage bringen und noch schlimmere Schmerzen für sie bedeuten würde.

    Scher dich zum Teufel!, stieß sie hervor.

    Norman grinste gehässig.

    Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du glauben, dass ich der Teufel persönlich bin, erwiderte er.

    Mit der Hand fegte Caroline etwas lockeres Erdreich zusammen und schleuderte es ihm ins Gesicht. Er brüllte auf und begann, wie wild seine Augen zu reiben. Gleich darauf ertasteten ihre Finger einen fast faustgroßen Stein, den sie ebenfalls nach ihm warf.

    Der Stein traf ihn an der Stirn. Wiederum brüllte er vor Schmerz und Wut auf. Benommen und von dem Sand in seinen Augen halb blind taumelte er ein paar Schritte zurück, bis sein animalisches Brüllen mit einem Mal in einen entsetzten Schrei überging. Wild begann er mit den Armen zu rudern und war im nächsten Moment plötzlich verschwunden. Nur sein rasend schnell leiser werdender Schrei war noch ein, zwei Sekunden lang zu hören, ehe er abrupt abbrach.

    Stille kehrte ein.

    Alles war so schnell gegangen, dass es ein paar Sekunden dauerte, bis Caroline überhaupt begriff, was geschehen war. Beim Zurückweichen musste Norman dem Klippenrand zu nahegekommen sein und war abgestürzt.

    Langsam und wie betäubt richtete sie sich auf Hände und Knie auf, kroch auf die Kante zu und starrte in den Abgrund. Tief unter ihr stürmte das Meer mit Urgewalt gegen die Felsküste an und riss alles mit sich, was es zu packen bekam.

    Norman war tot, daran gab es für Caroline keinen Zweifel. Niemand konnte in einem solchen Hexenkessel überleben.

    Die Ehe mit ihm war die reinste Hölle gewesen, aber ein solches Ende hätte sie ihm trotzdem nicht gewünscht. Sie hatte ihn nicht mit Absicht in den Abgrund getrieben, sondern sich nur verteidigen wollen. Dennoch trug sie die Verantwortung für seinen Tod und das war eine schwere Schuld.

    Obwohl sie keinerlei Mitleid für Norman Meadow empfand, spürte Caroline, wie Tränen über ihre Wangen liefen.

    3

    Obwohl ihre Flucht in einem so grausamen Unglück geendet hatte, war Caroline immerhin davon überzeugt, dass mit Normans Tod die schlimmsten Zeiten hinter ihr lagen.

    Sie sollte sich irren.

    Noch in der gleichen Nacht hatte sie die Polizei verständigt. Rückblickend musste sie eingestehen, dass alles viel einfacher und günstiger für sie gewesen wäre, wenn sie gelogen hätte. Es gab zahlreiche Zeugen dafür, dass Norman an diesem Abend viel getrunken hatte und wahrscheinlich hätte jeder vermutet, dass er auf dem Heimweg vor Trunkenheit über die Klippen gestolpert wäre, wenn sie nur behauptet hätte, dass er nicht nach Hause gekommen wäre.

    Stattdessen erzählte Caroline die Wahrheit und damit fingen die Probleme für sie erst richtig an.

    Die Einwohner von Gorlwingham bildeten eine verschworene Gemeinschaft. Zwar verhielten sie sich Touristen gegenüber natürlich freundlich, aber im Inneren begegneten sie allen Fremden mit Misstrauen. Diesbezüglich hatte sich auch Caroline nie Illusionen gemacht. Obwohl sie seit sieben Jahren hier lebte, war sie immer eine Fremde geblieben, die man zwar duldete, mehr aber auch nicht.

    Norman hingegen war ein Einheimischer, den man schon von Kindheit an kannte und sein Tod wirbelte beträchtlichen Staub auf. Wieder und wieder wurde Caroline von der Polizei vorgeladen, musste ihre Geschichte ungezählte Male in allen Details wiederholen und eine Vielzahl peinlicher und entwürdigender Fragen über sich und ihre Ehe ergehen lassen.

    Sie war sich sicher, dass man sie nicht so behandeln würde, wenn sie hier geboren und Norman ein Fremder gewesen wäre. So jedoch schien es fast so, als ob man sich auf diese Art an ihr für seinen Tod rächen wollte. Manchmal hatte sie sogar den Eindruck, als ob die Beamten, von denen einige Normans Freunde gewesen waren, darauf hofften, dass sie sich bei ihren Aussagen in Widersprüche verwickeln würde, damit man ihr doch noch ein Verfahren wegen Totschlag oder gar Mord an den Hals hängen konnte.

    Vor Normans Tod, als sie eine verängstigte, unterwürfige Frau fast ohne Selbstbewusstsein gewesen war, hätte sie diese Tortur gar nicht durchgestanden. Mittlerweile hatte sie sich verändert. Sie war härter geworden, seit sie sich allein gegen eine feindliche Außenwelt behaupten musste, und mit jedem Stein, den man ihr in den Weg legte, wuchs ihre Entschlossenheit, alle Probleme zu meistern.

    Trotzdem war sie mehrmals einem Nervenzusammenbruch nahe und weinte fast jeden Abend still vor sich hin.

    Sie war sich keiner Schuld bewusst. Was sie getan hatte, war reine Notwehr gewesen. Sie hatte Norman nicht töten wollen. Sicherlich war sie für seinen Tod verantwortlich und das Wissen darum raubte ihr oft den Schlaf oder ließ sie mitten in der Nacht aus Alpträumen hochschrecken, an deren Inhalt sie sich nach dem Aufwachen meist nicht mehr erinnern konnte. Aber es gab einen großen Unterschied zwischen Verantwortung und Schuld. Was geschehen war, hatte Norman sich allein zuzuschreiben. Er hätte sie bloß gehen zu lassen brauchen, dann wäre er noch am Leben.

    Beinahe schlimmer als die Schikanen der örtlichen Polizei war das Verhalten, das die anderen Einwohner ihr gegenüber an den Tag legten. Sie interessierten sich nicht für rechtliche Grundlagen, für sie zählte nur, dass Caroline ihren Gatten umgebracht hatte. Eine Ehefrau hatte sich nach der Meinung der Menschen in Gorlwingham ihrem Mann zu fügen und ihm ergeben zu sein. Für sie war es bereits ein Verbrechen, dass Caroline Norman überhaupt hatte verlassen wollen, weshalb man ihr die alleinige Schuld für alles, was geschehen war, gab. Unterstützung gewährte man ihr in dieser schweren Zeit keine.

    Erstmals bekam Caroline das bei der Trauermesse für ihn zu spüren, die eine Woche nach seinem Tod stattfand. Eine richtige Beerdigung konnte es nicht geben, weil die Leiche nicht gefunden worden war. Sie war vom Meer mitgerissen worden. Vielleicht würde sie irgendwann mal irgendwo angeschwemmt werden, aber auch das war mehr als fraglich.

    Nahezu alle Einwohner des Ortes waren zu der Messe gekommen und zwar schon so frühzeitig, dass sämtliche Plätze in der kleinen Kirche besetzt gewesen waren, als Caroline eintraf. Als Normans Witwe hätte sie eigentlich in der ersten Reihe sitzen sollen, aber niemand hatte einen Platz für sie freigehalten, sodass sie stehen musste. Niemand drückte ihr sein Beileid aus, die Menschen ignorierten sie schlichtweg, als die Messe vorbei war und strömten an ihr vorbei ins Freie.

    Auch im Alltagsleben setzten sich diese Schikanen fort. Wann immer sie ins Dorf kam, wurde sie von verächtlichen Blicken fast aufgespießt. Sie bekam mit, dass hinter ihrem Rücken über sie getuschelt wurde, aber wenn sie ein Geschäft betrat, verstummten sämtliche Gespräche sofort. Man bediente sie zwar, aber ohne jede Freundlichkeit und ohne ein Wort mehr zu sagen, als unbedingt nötig.

    Am liebsten wäre Caroline so schnell wie möglich aus Gorlwingham weggezogen, um sich anderswo ein neues Leben aufzubauen. Das jedoch erwies sich als gar nicht so einfach. Bis auf das Haus hatte Norman ihr nichts von Wert hinterlassen. Auch das Geld, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, hatte er längst durchgebracht.

    Durch den Tod ihrer Eltern und die frühe Ehe mit ihm fast direkt nach der Schule hatte sie nie eine Ausbildung gemacht. Die Aussichten, unter diesen Voraussetzungen angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftslage einen auch nur halbwegs gut bezahlten Job zu bekommen, waren miserabel, ganz egal, wo sie hinzog.

    Ihr erster Plan war gewesen, das Haus zu verkaufen. Der Erlös würde ihr woanders wenigstens einen Start verschaffen und ihr über die erste schwere Zeit hinweghelfen.

    Nur leider erwies sich das schon bald als unüberwindliche Hürde, denn niemand zeigte das geringste Interesse daran, das Haus zu kaufen, obwohl sie es zu einem äußerst günstigen Preis anbot. Es war eine weitere Schikane der Einwohner von Gorlwingham. Es war in gewisser Hinsicht ein schizophrenes Verhalten. Einerseits tat man alles, um ihr das Leben unerträglich zu machen und sie von hier zu vertreiben, anderseits aber war niemand bereit, ihr wenigstens dabei auch nur im Geringsten entgegenzukommen, damit sie tatsächlich wegzog. Nicht ein einziger Kaufinteressent meldete sich auf ihre Annonce in der regionalen Zeitung hin. Vielleicht wartete man darauf, dass sie aus Finanznot gezwungen sein würde, für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes zu verkaufen.

    Ohne finanzielle Rücklagen jedoch konnte sie nicht wegziehen. Sie besaß gerade noch genug Geld, um sich bei äußerster Sparsamkeit zwei, drei Monate lang Lebensmittel und die wichtigsten Dinge zum Leben zu kaufen. Wenn sie sich anderswo eine Wohnung nahm, wäre dieses Geld bereits mit der ersten Miete aufgebraucht. Da es keine Hypotheken auf das Haus gab - Norman hatte es stets verabscheut, irgendwelche Schulden zu haben -, konnte sie hier wenigstens umsonst wohnen, sodass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als vorläufig in Gorlwingham zu bleiben.

    Die ganze Zeit über dachte sie verzweifelt darüber nach, wie sie ihre Kasse ein wenig aufbessern könnte. Im Ort würde ihr niemand Arbeit geben und woanders konnte sie nicht hin. Der nächste Ort lag mehr als fünfzehn Kilometer entfernt. Sie besaß kein Auto und nur dreimal am Tag fuhr zu ungünstigen Zeiten ein Bus durch Gorlwingham, sodass ein Pendelverkehr ausschied.

    Es musste sich um eine Arbeit handeln, die sie von zuhause aus erledigen konnte. In den großen, überregionalen Zeitungen wurde eine ganze Menge derartige Nebenbeschäftigungen angeboten und sie investierte einen Teil ihres Geldes in Briefmarken, um genauere Angebote einzuholen, doch auch dabei kam nichts heraus.

    Carolines Situation wurde immer verzweifelter, als sie schließlich Paul Whitfield traf und sich alles änderte.

    4

    Häufig hielt Caroline sich in der folgenden Zeit im Freien auf und sammelte in den fruchtbareren Tälern etwas weiter landeinwärts Beeren oder andere Früchte, mit denen sie ihren Speiseplan bereicherte und zugleich Geld sparte. Vor ein paar Tagen erst hatte sie eine Stelle entdeckt, an der ausgedehnte Brombeersträucher voller saftiger schwarzer Beeren wuchsen.

    Es war nicht einfach, sie zu pflücken. Nachdem sie die Randbereiche abgegrast hatte, musste sie immer tiefer ins Gestrüpp vordringen. Die Dornen zerkratzten ihr die Haut, sodass sie schon bald aussah, als hätte sie einen Kampf mit einer wildgewordenen Katze hinter sich. Zudem war das Gelände stark abschüssig, und sie musste höllisch aufpassen, wohin sie trat.

    Als sie sich gerade vorbeugte, um einige besonders verlockend aussehende Beeren zu pflücken, hörte sie plötzlich ein lautes Rascheln. Etwas bewegte sich fast unmittelbar vor ihr, ein Hase, den sie aus seinem Versteck aufgescheucht hatte. Rasend schnell schoss das kleine Tier davon, jagte Caroline dabei aber einen solchen Schrecken ein, dass sie unwillkürlich zurückwich und auf dem abschüssigen Gelände den Halt verlor.

    Der halbvolle Eimer mit den Beeren entglitt ihren Händen. Hilfesuchend griff sie um sich, bekam aber nur Dornenranken zu packen, die sich tief und schmerzhaft in ihre Finger bohrten, sodass sie rasch wieder loslassen musste.

    Sie fiel, kugelte sich überschlagend mehrere Meter den abschüssigen Hang hinunter. Dornen zerrissen ihr die Haut, doch sie spürte es kaum, weil plötzlich ein scharfer Schmerz durch ihren linken Fuß zuckte und sie aufschreien ließ.

    Schließlich stoppte ein dichteres Brombeergebüsch ihren Fall. Ein paar Sekunden lang blieb Caroline reglos liegen, dann machte sie erste vorsichtige Bewegungen, um sich aus dem Gebüsch zu befreien. Gleich darauf schrie sie erneut auf. Ihr Fuß tat bei jeder Bewegung höllisch weh, vermutlich war er umgeschlagen und sie hatte sich den Knöchel verstaucht.

    Das war es jedoch nicht allein. Hunderte, wenn nicht Tausende von Dornen hatten sich in ihre Haut gebohrt, nicht nur an ihren freiliegenden Armen und Beinen, sondern auch durch ihr dünnes Sommerkleid hindurch. Bei jeder Bewegung, egal in welche Richtung, drangen sie tiefer ein und trieben Caroline die Tränen in die Augen. Der Schmerz war so schlimm, dass sie sofort wieder reglos verharrte.

    Erst nach Minuten wagte es Caroline, sich erneut zu bewegen, ganz langsam diesmal und wesentlich vorsichtiger als beim ersten Mal. Wie in Zeitlupe hob sie ihre Hände bis zum Kopf. Es tat immer noch höllisch weh und sie brauchte fast eine Viertelstunde, bis sie schließlich eine Dornenranke packen und zur Seite schieben konnte, die sich besonders schmerzhaft über ihrem Gesicht spannte.

    Wieder musste sie eine Pause einlegen. Sie wollte nicht weinen, aber der Schmerz war so schlimm, dass ihr immer noch Tränen aus den Augen quollen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.

    Sie hing in einer extrem ungünstigen Lage, halb mit dem Kopf nach unten in dem Gestrüpp, sodass sie nicht einmal festen Boden unter sich hatte.

    Mit Schrecken wurde ihr bewusst, dass sie voraussichtlich Tage brauchen würde, um sich aus dem Gebüsch zu befreien, wenn sie in diesem Tempo weitermachte. Falls es ihr überhaupt gelang. Sie hatte sich so tief in den Ranken verstrickt, dass sie wie Fesseln wirkten. Fesseln aus Stacheldraht noch dazu.

    War das ihr Schicksal? War sie dazu verdammt, hier in diesem Dornengebüsch gefangen zu sein und elendig zu sterben?

    Die Vorstellung mutete so banal an, dass sie beinahe lächerlich wirkte. Caroline hatte noch nie gehört, dass jemand bei einer anscheinend so harmlosen Tätigkeit wie dem Pflücken von Beeren gestorben war. Und doch war dies tödlicher Ernst.

    Ihr entging auch nicht die grausame Ironie, die darin steckte. Norman war durch einen Sturz von den Klippen ums Leben gekommen und nun würde sie das ihre womöglich verlieren, nur weil sie in einen Brombeerstrauch gestürzt war.

    Ohne sonderliche Hoffnung begann sie um Hilfe zu rufen. Die Einwohner von Gorlwingham waren nicht gerade als sonderlich große Spaziergänger berühmt. Sie konnte höchstens das Glück haben, dass sich ein paar spielende Kinder in diese Gegend verirrten oder jemand, der wie sie Beeren pflücken wollte, aber auch diese Chance war nur minimal. Erwartungsgemäß antwortete auch niemand auf ihre Rufe.

    Irgendwie musste es ihr gelingen, sich zu befreien. In ein paar Stunden würde es dunkel werden, und bereits die bloße Vorstellung, die Nacht hilflos hier draußen verbringen zu müssen, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.

    Wieder begann Caroline, vorsichtig einige Ranken zur Seite zu schieben. Wenn es ihr gelang, wenigstens einen Arm freizubekommen, würde alles danach wesentlich leichter gehen. Das allein aber stellte schon ein fast unüberwindliches Problem dar, da gerade ihre Arme besonders fest von den Ranken umschlossen und von den Dornen geradezu aufgespießt wurden.

    Nur langsam und fast unmerklich kam sie voran. Die Schmerzen waren so grauenvoll, dass sie immer wieder innehalten und kurze Pausen einlegen musste. Sie hätte nie gedacht, dass ein paar Dornen so wehtun konnten und gerade dieses Gebüsch schien besonders stachelig zu sein. Sie hatte fast den Eindruck, als ob die Ranken ein Eigenleben besäßen und wie Tentakel sofort wieder nach ihr griffen, sobald sie es geschafft hatte, sich aus einigen von ihnen zu befreien.

    Ein paar Mal war Caroline nahe dran, einfach zu resignieren und sich in ihr Schicksal zu ergeben. Dann aber erwachte ihr Trotz sofort wieder. In den vergangenen Wochen hatte sie sich gegen so viele Widerstände behauptet, dass kaum noch etwas von der verängstigten, schwachen Frau in ihr steckte, die sie viele Jahre lang gewesen war. Stattdessen war sie schneller, als sie es selbst jemals für möglich gehalten hatte, zu einer Kämpfernatur geworden. Ihr war gar nichts anderes übriggeblieben, um nicht unterzugehen. Deshalb kam ein Aufgeben auch jetzt für sie nicht in Frage. Sie hatte es nicht so weit gebracht, um hier ein ruhmloses und qualvolles Ende zu finden.

    Immer wieder rief sie zwischenzeitlich um Hilfe. Auch wenn sie Chancen gering waren, bestand doch immerhin die Möglichkeit, dass irgendjemand sie hörte.

    Ob einer der Einwohner von Gorlwingham ihr tatsächlich helfen würde, stand auf einem anderen Blatt. Aber so sehr die Menschen sie auch für das, was sie getan hatte, verachten und verabscheuen mochten, sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der sie hier entdeckte, sie einfach ihrem Schicksal überlassen würde. Falls es ihr nicht gelingen sollte, sich aus eigener Kraft zu befreien, dann wäre das kaltblütiger Mord und den traute sie trotz der Verachtung für sie niemandem zu.

    Aber das Wunder geschah.

    Caroline wagte selbst schon kaum noch darauf zu hoffen. Sie steckte bereits seit mindestens drei Stunden in dem Gebüsch fest, als einer ihrer verzweifelten Hilferuf plötzlich erwidert wurde.

    Hallo?, hörte sie eine männliche Stimme von nicht allzu weit entfernt. Hallo, wo sind Sie?

    Ich bin hier!, schrie sie aus Leibeskräften. Ich stecke in einem Gebüsch fest. Bitte helfen Sie mir. ich komme allein nicht mehr hier raus.

    Rufen Sie weiter, damit ich mich an Ihrer Stimme orientieren kann!, forderte der Unbekannte sie auf. Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.

    Es dauerte nur kurze Zeit, bis Caroline ihn auf der Kuppe des Hügels sah. Es handelte sich um einen etwa sechzigjährigen Mann mit grauen Haaren und einem sympathischen Gesicht. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, vermutlich handelte es sich um einen Urlauber.

    Als er sie sah, musste er unwillkürlich lächeln. Caroline konnte sich vorstellen, wie lächerlich sie wirkte, wie sie in dieser völlig verdrehten Haltung in dem Dornengebüsch hing.

    Ich komme zu Ihnen hinunter, sagte der Mann und begann mit dem Abstieg.

    Seien Sie vorsichtig, der Boden ist sehr abschüssig, warnte Caroline ihn. Das habe ich am eigenen Leib erfahren müssen.

    Es wäre leichter, mich irgendwo festzuhalten, wenn hier nicht alles voller Dornen wäre, entgegnete er, während er mit dem Abstieg begann.

    Bald darauf hatte er sie erreicht. mit vereinten Kräften dauerte es nicht allzu lange, bis Caroline aus den Ranken befreit war, zumal er beide Hände frei bewegen konnte.

    So, das wäre geschafft, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. Ich heiße übrigens Paul Whitfield. Bin für ein paar Tage zum Ausspannen nach Gorlwingham gekommen.

    Caroline Meadow. Sie wollte seine Hand ergreifen, musste dafür aber einen Schritt auf ihn zu machen. Als sie ihren linken Fuß belastete, zuckte sofort wieder ein greller Schmerz durch ihren Knöchel. Um ein Haar wäre sie erneut gestürzt, wenn Whitfield nicht sofort zugegriffen und sie aufgefangen hätte. Mein Fuß, stöhnte sie. Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht.

    Lassen Sie mal sehen. Setzen Sie sich am besten hin.

    Vorsichtig ließ Caroline sich zu Boden sinken. Er griff nach ihrem Fuß und tastete behutsam an dem Knöchel herum. Dabei ging er so sanft vor, dass sie nicht einmal Schmerz verspürte.

    Tja, das Gelenk ist ziemlich geschwollen. Sieht ganz so aus, als hätten Sie recht. Am besten warten Sie hier und ich hole aus dem Dorf Hilfe.

    Nein!, entgegnete Caroline heftig und senkte gleich darauf verlegen den Blick. Das ist... schwer zu erklären, aber niemand dort wäre bereit, mir zu helfen. Die Menschen in Gorlwingham hassen mich. Niemand würde auch nur einen Finger für mich rühren.

    Aber warum denn bloß?

    Ach, das ist eine lange und unschöne Geschichte.

    Sie haben mich neugierig gemacht. Wie wäre es damit: Ich helfe Ihnen nach Hause und Sie erzählen mir dafür, was ihre merkwürdigen Andeutungen zu bedeuten haben. Was halten Sie von diesem Handel?

    Einverstanden, antwortete Caroline sofort. Sie sprach zwar nicht gerne über ihre schreckliche Ehe mit Norman und seinen Tod, aber schließlich war sie ihrem Retter zu Dank verpflichtet. Außerdem machte Whitfield einen äußerst sympathischen Eindruck auf sie und er schien ernsthaftes Interesse an ihrer Geschichte zu haben. Viel zu lange hatte sie schon kein normales Gespräch mehr geführt und vielleicht würde es ihr guttun, sich ihren Kummer einem Außenstehenden gegenüber von der Seele zu reden.

    Whitfield bot ihr an, sich auf seine Schulter zu stützen, damit sie gehen konnte, ohne den verletzten Fuß allzu stark zu belasten. Auf diese Art kamen sie nur langsam vorwärts, aber das machte nichts. Nachdem sie schon befürchtet hatte, die Nacht im Freien verbringen zu müssen, war Caroline über jeden Schritt glücklich, der sie ihrem Haus näherbrachte.

    Unterwegs erzählte sie Whitfield, was sich in den letzten Wochen ereignet hatte. Anfangs blieb sie nur vage und berichtete stockend, aber nach und nach schließlich immer flüssiger und unbefangener.

    Sie hatte ihr Vertrauen zu den Menschen weitgehend verloren, hatte gelernt, allen und allem mit Misstrauen zu begegnen. Paul Whitfield jedoch gelang es schnell, ihr die Scheu zu nehmen und ihr Vertrauen zu erlangen. Das lag nicht allein daran, dass er sie befreit und ihr damit möglicherweise sogar das Leben gerettet hatte. Er besaß nicht nur eine sympathische Ausstrahlung, sondern auch Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Charme. Letzteres hätte Caroline allerdings vielleicht sogar ein wenig abgeschreckt, wenn er nicht so alt gewesen wäre, dass sie sich keine Sorgen über eventuelle Absichten machte, die er in Bezug auf sie hegen mochte. Nichts an ihm deutete darauf hin. Er war einfach nur freundlich und hilfsbereit und hörte ihr geduldig zu.

    Ein paar Mal kamen Caroline die Tränen, als sie die schmerzhaften Erinnerungen aufwühlte, aber auch darauf reagierte er verständnisvoll und reichte ihr sofort ein Taschentuch.

    Das ist kaum zu glauben, sagte er, als sie schließlich geendet hatte. Ich bin zwar schon alt, aber ich stamme aus Plymouth und das ist immerhin eine größere Stadt, in der man freizügiger denkt. Jüngere Leute mögen manche meiner Ansichten auch für altmodisch halten, vor allem mein Sohn hat mir das schon öfter vorgeworfen. Aber hier herrschen ja fast noch Zustände wie im Mittelalter. Einfach unglaublich, dass es heutzutage noch Menschen gibt, die so denken und sich so verhalten.

    Leider aber trotzdem wahr. Caroline lächelte schmerzhaft. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Irgendwie schaffe ich es schon. Sie deute nach vorne, wo das Dach ihres Hauses bereits hinter einer Hügelkuppe zu sehen war. Da vorne wohne ich. Zum Glück etwas außerhalb von Gorlwingham, sodass ich nicht viel Kontakt mit den anderen Einwohnern habe.

    Dann haben wir es ja nicht mehr weit. Ich weiß nur nicht, ob ich mich darüber freuen oder es bedauern soll.

    Ich würde Sie gerne noch zu einer Tasse Tee und einem Stück Kuchen einladen, wenn Sie möchten.

    Gerne, stimmte Whitfield zu. Bevor ich mich auf den Rückweg mache, muss ich mich selbst erst etwas ausruhen.

    Was hat Sie denn gerade nach Gorlwingham verschlagen?, erkundigte sich Caroline.

    Die Ruhe, antwortete er. Ich liebe diese kleinen Küstendörfer. Für jemanden in meinem Alter ist es genau das Richtige zum Erholen. Ausspannen, ein bisschen Spazierengehen, keinerlei Stress, die frische Seeluft... Bislang habe ich das hier für ein kleines Paradies gehalten.

    Das habe ich auch mal gedacht, murmelte Caroline und musste wieder daran denken, wie sie nach dem Tod ihrer Eltern damals hergekommen war. Einfach nur ein fast wahllos ausgesuchter romantischer Ort, der ihr genug Ruhe bieten würde, um wieder zu sich selbst zu finden. Es hätte ebenso gut irgendein anderes Dorf sein können, dann wäre ihr viel erspart geblieben.

    Sie erreichten das Haus und sie führte Whitfield ins Wohnzimmer.

    Nehmen Sie doch schon mal Platz, forderte sie ihn auf. Ich mache mich nur etwas frisch und versorge meinen Fuß, dann kümmere ich mich um den Tee.

    Sie humpelte ins Badezimmer hinüber und erschrak über ihr eigenes Aussehen, als sie einen Blick in den Spiegel warf. Ihre gelockten braunen Haare waren zerzaust und standen wild in alle Richtungen ab, ihre Haut war überall zerkratzt, und sie blutete aus unzähligen kleinen Wunden. Auch ihr Kleid war an zahlreichen Stellen eingerissen. Von den vielen Tränen waren ihre Augen rot und verquollen.

    Am liebsten hätte sie geduscht, aber so lange wollte sie ihren Gast nicht warten lassen. So beschränkte sie sich darauf, sich den ganzen Dreck und das zum größten Teil bereits getrocknete Blut gründlich abzuwaschen. Danach trug sie eine Salbe auf ihren geschwollenen Knöchel auf und legte einen festen Verband um das Gelenk an. So tat ihr sogar das Auftreten nicht mehr ganz so weh, solange sie den Fuß nicht voll belastete.

    Nachdem sie sich anschließend ein frisches Kleid angezogen hatte, kümmerte sie sich um den Tee. Mit einem Tablett, auf dem neben der Kanne auch der Kuchen, Geschirr, Besteck, Zucker und Sahne standen, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück.

    Kaum zu glauben. Unter der Maske der schmutzigen Wilden steckt ja eine richtig bezaubernde junge Dame, lobte Whitfield.

    Caroline errötete vor Verlegenheit. Komplimente war sie schon seit vielen Jahren nicht mehr gewöhnt. Rasch stellte sie das Tablett auf dem Tisch ab und sortierte die Teller und Tassen.

    Greifen Sie zu. Den Kuchen habe ich selbst gebacken, sagte sie. Brombeertorte, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.

    Gleich, erwiderte Whitfield. Eins möchte ich Sie noch fragen. Während sie im Bad waren, habe ich mich ein wenig umgeschaut, Sie haben hoffentlich nichts dagegen. Dabei sind mir die vielen hübschen Stickdeckchen überall aufgefallen. Darf ich fragen, wo Sie sie gekauft haben?

    Nirgendwo, antwortete Caroline. Ich habe sie selbst gestickt. Meine Mutter hat es mir vor langer Zeit beigebracht, sie hatte ein gutes Händchen dafür.

    Sie aber auch, das lässt sich nicht abstreiten. So sorgsam hergestellte Sachen findet man heutzutage selten. Das meiste wird industriell angefertigt, kaum jemand nimmt sich noch die Zeit und macht sich die Mühe mit solchen Handarbeiten.

    Ich hatte viel Zeit an den endlosen Abenden, an denen ich auf Norman gewartet habe, erklärte Caroline bitter. In den Schränken liegen noch ganze Stapel davon.

    Whitfields Augen leuchteten vor Begeisterung auf, wie sie mit Verwunderung feststellte, denn sie konnte sich keinen Reim auf sein Interesse machen.

    Wie ich vorhin aus Ihren Worten heraushören konnte, haben Sie zurzeit gewisse finanzielle Probleme, sagte er. "Wären Sie eventuell bereit, einige dieser Deckchen

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