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ANA AVILA: eine kluge Frau verschafft sich Freiheit
ANA AVILA: eine kluge Frau verschafft sich Freiheit
ANA AVILA: eine kluge Frau verschafft sich Freiheit
eBook218 Seiten3 Stunden

ANA AVILA: eine kluge Frau verschafft sich Freiheit

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Über dieses E-Book

Hanna Schaffmann verliebt sich und heiratet ihre große Liebe. Schon nach einer kurzen Ehezeit beginnt ihr Ehemann, sie zu misshandeln, zu schlagen und zu quälen, wie immer es ihm gerade einfällt. Hanna kann sich nicht wehren, doch instinktiv wächst in ihr der Plan, sich für all die Qualen zu revanchieren. Sie beginnt seine Aktivitäten zu überwachen und stellt fest, dass er nicht nur gewalttätig, sondern auch betrügerisch in der Welt des Immobilienhandels tätig ist. Sie findet gehortete Gelder in seinem Safe sowie auf verschiedenen Konten, und ihr Plan beginnt zu reifen. Die portugiesische Putzfrau im Haus, auch eine der Betrogenen, wie sich herausstellt, wird zu ihrer Freundin und schließlich zu ihrer Komplizin. Eine gute Portion Glück, ihre wachsende Kraft und die dumme Selbstherrlichkeit dieses Mannes machen es möglich, diesen Ehemann zu demontieren, ihm alles zu nehmen, und letztlich selbst unauffindbar zu sein. Als veränderte Frau mit neuer Nationalität geht sie mit ihrer Freundin nach Portugal und genießt fortan ihre Freiheit.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Aug. 2023
ISBN9783347993907
ANA AVILA: eine kluge Frau verschafft sich Freiheit
Autor

Jutta Kindler

JUTTA KINDLER ist 1952 in Berlin geboren und lebt in dieser bunten, überaus lebendigen und vielschichtigen, seit 1990 wiedervereinten Stadt. Die Diplom Ingenieurin und Architektin erzählt Geschichten über das Leben, das immer alles für und gegen jeden bereithält. "Freundinnen" ist ihr zweiter Roman nach zwei Erzählungen. Die erste „Liebe in Grenzen“ ist 2017 im lulu Verlag erschienen und erzählt von dem Südbadener Jungspund, den es 1964 nach Westberlin verschlägt, um sein Glück zu finden. Die zweite „EIN MANN EIN ZEBRA EINE UMARMUNG“ ist 2020 im tredition Verlag erschienen und handelt von dem Augsburger Tour d‘ Afrique Teilnehmer, der mit dem Rad in 120 Tagen von Kairo nach Kapstadt fährt, diese Tour trotz eines schweren Unfalls beendet und sich von diesem Kontinent umarmen lässt. Der erste Roman "WOHL und ÜBEL", ebenfalls 2020 im tredition Verlag veröffentlicht, handelt von einem Mädchen, einem Untermieter in der elterlichen Wohnung und einem Kommissar. Missbrauch und Schweigen lassen alle einen langen Weg gehen, um sich schließlich aus den bösen und nachhaltigen Zwängen zu befreien.

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    Buchvorschau

    ANA AVILA - Jutta Kindler

    Der satte Sound eines Boxermotors ist auf der Avenida do Brasil zu hören. Jeder, der diesen Ton schon aus der Ferne im Ohr hat, weiß mittlerweile, dass das Ana sein muss, die wieder einmal einen ihrer Ausflüge lebt und dabei so sanft lächelt. Sie bleiben stehen bis sie an ihnen vorbeirauscht, winken ihr zu und schauen ihr und dem Schweif aus wehenden Haaren und feiner Stoffumhüllung nach. Sie hasst die Motorradkluft, die sie so sehr einengt. Jeder hier kennt und schätzt die freundliche und herzliche junge Frau, die vor einigen Jahren in der Altstadt von Porto, nahe der Avenida dos Aliados, eine Boutique eröffnet hat, in der sie nicht nur Mode aus der eigenen Werkstatt, sondern auch ihre eigenen Bilder präsentiert.

    Und alle Nachbarn wissen, dass ein Plausch mit dieser bezaubernden Ana stets mit dem Genuss eines köstlichen Espressos verbunden ist, oder auch ein Gläschen Portwein in den Sesseln vor ihrem Laden ausgeschenkt wird. Sie wissen auch, dass das mit ihr gemeinsam nur dann möglich ist, wenn deren imposante Maschine davor geparkt ist. Ana liebt diese kurzen Trips zwischendurch und nimmt sich die Zeit, wann immer es möglich ist, um mit ihrer BMW am Atlantik entlang zu brausen oder die Gegend in und um Porto herum noch intensiver kennenzulernen. Man soll sie schließlich für eine Einheimische halten.

    Die Weite des Meeres ist für Ana der Inbegriffe von Freiheit und sie genießt jede Sekunde, in denen sie ihren Blick bis zum Horizont schweifen lassen kann. Es gibt eine Stelle, an der ein dicker Fels im flachen Wasser steht. Ein malerisches Bild.

    Auf jedem ihrer Ausflüge steuert sie ihre Maschine über den Strand dorthin, bockt sie davor auf, klettert auf den Gesteinsbrocken und setzt sich obenauf. Dieses Bild ist noch malerischer, denn hier hält Ana inne und thront eine Zeit lang bewegungslos auf der Steinwölbung, wie von einem Bildhauer erschaffen. Von der kühlen Meeresbrise umweht lässt sie ihren Gedanken freien Lauf, schaut nur übers Wasser, genießt die Sonne auf der Haut und dieses Gefühl von Freiheit, das immer noch so neu für sie ist.

    Nach einiger Zeit fährt sie zurück in den Laden, begrüßt Kunden, freut sich auf die gemeinsamen Espressos mit ihnen oder mit den wieder einmal dahockenden Nachbarn. Noch mehr jedoch auf das Gläschen mit ihrer vertrauten Geschäftspartnerin und Freundin Joana Silva.

    Joana ist der Fels in ihrem Geschäft. Eine kleine zarte Portugiesin, fünfundvierzig, die trotz heftiger Nackenschläge im Leben überaus freundlich ist. Sie stammt aus Porto und kennt sich auch nach langer Abwesenheit in ihrer Heimatstadt sehr gut aus. Die Familie lebt hier seit Generationen. Heute hat sie nur noch ihren alten Vater, in dessen Restlaufzeit sie es sich beide so richtig gut gehen lassen.

    Die beiden Frauen verbindet seit sehr vielen Jahren eine innigliche Freundschaft. Joana kümmert sich um den Verkauf, um Bestellungen von Materialien und Stoffen, um die Buchhaltung und sonst noch im Geschäft zu Erledigendes. Diese Aufgaben lassen sie förmlich aufblühen und – sie hat ein besonderes Händchen für alles, was diesen Laden und ihre Ana betrifft.

    Irgendwann im Laufe des Tages, wenn das Licht im Atelier gut ist, bringt Ana neue Ideen zu Papier und staunt immer wieder aufs Neue, wie verlässlich diese Hände ihre Gefühle auf die Leinwand bringen. Dann wieder näht sie an einem bestellten Kostüm oder zeichnet den Entwurf eines neuen Kleides, je nach Lust und Laune und natürlich den Ansprüchen der Kundschaft entsprechend. Manche Tage sitzt sie bis in den späten Abend an den Maschinen, um den Wünschen ihrer Damen so schnell wie möglich gerecht zu werden. Die glänzenden Augen und das befriedigte Lächeln der Frauen, wenn sie ihr fertiges Stück betrachten und ein letztes Mal anprobieren, machen Ana sehr glücklich.

    Es gibt kaum noch betrübliche Gedanken in ihrem Leben, obwohl sie die Vergangenheit wohl nie ganz verlassen wird. Sie denkt so manches Mal, dass sie noch immer auf der Hut sein müsste. Jedoch läuft das Geschäft gut, die Gelder aus dem alten Leben sind sicher eingelagert und ihr Wohlbefinden ist nahezu unumstößlich.

    Ana Avila ist eine Frau Mitte Dreißig, sehr schlank, wohlgeformt und von stattlicher Größe. Ihr langes dunkelbraunes Haar trägt sie grundsätzlich offen, manchmal aber, meist während ihrer Arbeit, bindet sie es zu einem Knoten ganz oben auf dem Kopf zusammen.

    Ihr Gesicht ist zart, ihr Teint immer leicht gebräunt. Die braunen Augen sind wach und aufmerksam, ihnen entgeht kaum etwas. Ihre portugiesischen Nachbarn mögen dieses anteilnehmende Wesen und deren Aufmerksamkeit, hilft Ana doch jedem, der ihr ein Problem anvertraut, wann und wie es nötig und möglich ist. Sie selbst nimmt es als oberstes Gebot anderen zu helfen oder einfach zuzuhören. Sie weiß nur zu gut, wie es ist, dringend Hilfe zu benötigen und die dann auch verlässlich zu bekommen.

    Jeden Tag, wenn sie sich im Spiegel betrachtet, spürt sie das unendliche Glücksgefühl, diesen Stolz und diese Zufriedenheit. Sämtliche Blessuren aus alten Zeiten sind gänzlich verschwunden und ihr Äußeres, zwar immer noch manchmal etwas fremd, ist perfekt und ohne sichtbare Anzeichen erneuert. Bei jedem Blick freut sie sich diebisch über dieses andere Spiegelbild, ist sie doch nicht wirklich mehr wiederzuerkennen.

    Heute sitzt José auf einem der Sessel, als Ana von ihrer Rundfahrt zurückkommt. Er wirkt amüsiert und lächelt, während er an seinem Gläschen Portwein schlürft, sein wohliges Gefühl steht ihm ins Gesicht geschrieben. Der warme und herzliche Blick, als er Ana kommen sieht, berührt sie sehr. Joana ist unterdessen mit einer Kundin beschäftigt, die mit einem gut verpackten Bild dabei ist, das Geschäft zu verlassen. Joana sieht Ana schon vor dem Laden und ruft etwas auf Portugiesisch zur Tür hinaus, was die Nationalität der Frau beschreibt und ein Stichwort darüber gibt, welches der Bilder die Dame gekauft hat. Eine deutsche Touristin mit dem gerade erworbenen Werk unter ihrem Arm lacht fröhlich, als sie beim Gehen vor der Tür auf Ana trifft. Die Malerin begrüßt sie und stellt sich in ihrem erlernt gebrochenen Deutsch vor. Ein Handschlag, kurz eine Erzählung über das Motiv der Malerei, im Gegenzug eine Information über die Stadt, aus der die Deutsche kommt, über die leider schon morgige Abreise und die damit verbundene Traurigkeit. Zum Schluss schwört sie noch, sie würde ganz sicher wiederkommen, weil es ihr so gut gefallen habe. Mit diesen Worten und der neuen Errungenschaft im Gepäck geht sie in Richtung Haltestelle der Linie1, der alten Tram aus den 1940er Jahren, mit der sie ein letztes Mal in diesem Urlaub entlang des Douro bis zum Hotel fahren möchte.

    Nach dieser Verabschiedung nimmt Ana ihren José in den Arm, der sofort aufgestanden ist und auf sie zu tritt. Sie verharren lange so umarmt. Obwohl sie sich oft sehen, ist diese körperliche Begrüßung immer dieselbe, überaus herzlich, dankbar, mit tiefer Zuneigung und ohne viele Worte.

    José Silva ist ein Mann mit fünfundsiebzig Jahren. Ein hübsch anzusehender Kerl, nicht sehr groß, schlank, ja immer noch drahtig, mit kurzen schwarz grauen Haaren, buschigen grauen Augenbrauen und sehr gutmütigen dunklen Augen, ganz Joanas Vater.

    Er ist Uhrmacher. Ein Handwerk, das schon seit Generationen von den Vätern der Familie betrieben wurde. Josés Geschäft für Uhren und Schmuck liegt ganz in der Nähe. Defekte Uhren repariert er noch, doch muss er heute nicht mehr ständig im Laden sein.

    Er hatte ein sehr schönes Leben gemeinsam mit seiner geliebten Frau, die ihn viel zu früh verlassen musste. Die beiden bewohnten ein feines altes, einst dekoratives aber nicht sehr großes Haus am Rande von Ribeira, das noch aus der vorherigen Generation stammte. Jeden Morgen verabschiedete ihn seine Frau an der Gartentür mit vielen Küssen auf Mund und Stirn, und er machte sich auf ins Geschäft.

    Seit er dieses sinnliche Gefühl nicht mehr haben durfte, spürte er nur noch wenig Lebenswertes in sich. Zumal seine einzige Tochter auch nicht bei ihm sein konnte, und die dazu nicht wirklich Gutes aus dem fernen Deutschland zu berichten hatte. Zutiefst betrübt und sorgenvoll ließ er alles um sich herum schleifen, um Haus und Garten kümmerte er sich kaum noch. Seine Evita, die immer so liebevoll und umsichtig gewesen war, fehlte ihm sehr. Nur das Geschäft musste wohl oder übel in Gang bleiben, halbwegs einträglich, denn er brauchte die Einnahmen. Trotz Niedergeschlagenheit schaffte er das, allerdings hatte er darüber hinaus keine Kraft für Neues oder gar für Verschönerndes, weder im Haus, noch im Geschäft.

    Beides hatte schon längst einen alten, verstaubten und muffigen Geruch angenommen. Kunden kamen nur noch, wenn sie ihre Lieblingsuhr reparieren lassen wollten. Kein Wunder, war doch das Äußere des Ladens nur wenig einladend und schon gar nicht so verführend, dass auch kauflustige Touristen ins Geschäft gelockt wurden. Selbst die vielen Freunde und Bekannten – er verstand sich einfach mit jedem in seiner Stadt, mit den Guten genauso wie mit den etwas Anrüchigen – schafften es nicht, ihm wieder neuen Lebensmut einzureden.

    Das änderte sich deutlich, als seine Tochter wieder nach Hause gekommen war. Mit ihr lernte er von neuem, wie sich Fröhlichkeit anfühlt, wie gut lachen tut, und wie genüsslich seine Restlaufzeit sein kann. Und dann auch noch zusammen mit dieser Ana, die er nie zuvor gesehen hatte, für die er aber einmal einen seiner eher fragwürdigen Kontakte aktiviert hatte, um einen portugiesischen Pass möglich zu machen.

    Die Frauen waren nach ihrer Ankunft in Porto mit je einem Rollkoffer in das alte Haus gezogen und alles wendete sich zum Guten. Joana hatte ihren Vater gebeten Ana auch aufzunehmen. Er hatte nichts dagegen, denn die Freundin seiner Tochter war ihm selbstverständlich ebenso willkommen. So viele Nächte hörte er den Erzählungen der beiden zu und erfuhr auch Anas unter allen Umständen zu bewahrendes Geheimnis.

    Ana hatte ihrer Freundin versprochen, ihr wieder ein gutes Leben in der Heimat zu verschaffen, wenn sie nur immer akribisch aufeinander hören und nie zu viel über den anderen erzählen würden. Dieses von beiden gegebene Versprechen sollten sie für immer halten.

    Mit Josés Einverständnis beauftragte Ana Avila die Renovierung und Instandsetzung des alten Hauses, sorgte für die Neugestaltung des Gartens und bezahlte die von José ausgesuchten Handwerker, Techniker und Gärtner gut. Es dauerte nur vier Monate, und Haus und Garten erstrahlten in neuem Glanz. Es waren zwei getrennte Wohnungen für Vater und Tochter mit einem gemeinsamen Platz in dem wieder wunderschönen Garten entstanden.

    Gleich nach Abschluss aller Arbeiten hier hatte Ana die Handwerker in Josés Laden weiterbeschäftigt. Umsichtig verpackten die beiden Frauen Uhren und Schmuck, schafften alles ins Haus und leiteten die Renovierung in die richtigen Bahnen. Neue Vitrinen wurden angeschafft und mit hochwertigen Uhren bestückt. Der echte Schmuck aus altem Bestand bekam einen eigenen Schaukasten aus Glas, edler Modeschmuck für die Damen wurde eingekauft und von den beiden Frauen auf den Glasböden im Schaufenster dekoriert. Daneben schmückten sie die Auslage mit den Uhrenkollektionen international bekannter Werke. Die installierte Technik erlaubte schließlich die dezente Überwachung der wertvollen Stücke.

    Joana wurde nach dem zwangsweisen Auszug aus dem ehelichen Haus in Norddeutschland von einer portugiesischen Freundin Unterschlupf gewährt, bei der sie geraume Zeit bleiben musste, weil sie keine erschwingliche Wohnung in der Umgebung finden konnte.

    Luciana Mendès hatte ihr ganz selbstverständlich geholfen. Sie hatte Joana nicht ein einziges Mal gedrängt wieder auszuziehen. Zu dieser Zeit ging es allen nicht besonders gut, und so war es völlig klar sich gegenseitig zu helfen. Joana blieb, obwohl das Zusammenleben nur auf engem Raum möglich war. Als Dank dafür half sie mit den Kindern und im Haushalt.

    Luciana und ihr Mann Henrique waren vor fünfzehn Jahren nach Deutschland ausgewandert, um ihr Glück zu suchen. Mittlerweile hatte Henrique seine Arbeit verloren, außer Gelegenheitsarbeiten fand er nichts Festes. Drei Kinder im Alter von drei, fünf und zwölf Jahren waren zu versorgen, das Geld vom Arbeitsamt und die wenigen Cents, die Luciana in einer Putzkolonne verdiente, reichten kaum. Auch Luciana konnte nur eine Arbeit als Reinigungskraft finden, obwohl sie eine kompetente Verkäuferin bei einem renommierten Juwelier war. So war das Glück in Deutschland dann wohl nicht wie erträumt zu finden.

    Nach Joanas Rückkehr in die Heimat erzählte ihr Luciana In jedem Telefonat, wie liebend gern sie ihr folgen wollte, aber dass es dafür am nötigen Geld und an geeigneten Möglichkeiten fehlte. Dazu die Kinder und der arbeitslose geliebte Ehemann, der sich zutiefst für die Unfähigkeit schämt, der Familie kein Glück beschert zu haben.

    „Welch eine vortreffliche Fügung", hatte sich Ana gedacht, als Joana ihr den Wunsch der Freundin erzählte, und sie hatte sofort einen Vorschlag parat. Sie würden in Porto eine Wohnung für die Familie finden, die Schule für den Großen, die Betreuung für die beiden Kleinen organisieren und eine gut bezahlte Festanstellung in Papa Josès Uhren- und Schmuckgeschäft garantieren. Ana würde ihnen das nötige Geld schicken, damit sie die Rückkehr in die Heimat und alles damit Verbundene in die Wege leiten könnten.

    Eine Arbeit für Henrique würde sicher auch bald gefunden, wenn er zum Beispiel sein Hobby der Informationstechnik intensiv erweitern könnte und damit zur Haupterwerbsmöglichkeit werden lassen würde.

    So war rasch alles spruchreif, die Umsiedlung nach Porto vorbereitet, eine familiengerechte Wohnung gefunden, die Kinder untergebracht und die Stelle bei José angetreten. Nichts Besseres hätte ihnen einfallen können. Luciana hegt und pflegt Josés Geschäft wie ihr eigenes, Henrique hat eine gut bezahlte Aufgabe in einer IT-Firma gefunden, die Kinder fühlen sich wohl, Geld ist jetzt ausreichend vorhanden und die Familie ist wieder in der Heimat. Zu guter Letzt ist auch Joanas Vater entlastet, ohne sein Geschäft aufgegeben zu haben.

    Heute steht José jeden Morgen auf der Terrasse und betrachtet sein ansehnliches Haus dankbar und zufrieden. Dann frühstückt er mit seiner Tochter und nimmt sie auf dem Weg zu ihrem Tagewerk am Gartentor noch einmal in den Arm. „Amo-te", haucht er ihr jedes Mal ins Ohr, und seine Tochter küsst ihn auf die Wange.

    Macht er sich dann langsam selbst auf den Weg zu seinem Geschäft, und kommt er mit etlichen Stopps bei Freunden endlich an, bleibt er auch hier vor der neuen, heute so ansprechenden Front des Ladens stehen und schaut sie sich lange an.

    „S I L V A" thront mit bronzenen Lettern über der bogenförmigen Schaufensterfront. Ein paar Minuten beobachtet er noch die geschäftige Luciana durchs Fenster. Wie gut sie sich macht – sein Glück ist kaum fassen.

    Unterdessen hatte José für Ana einen Laden mit Wohnung hintendran ganz in der Nähe in derselben Straße aufgetan. Er kannte den Besitzer schon Jahrzehnte und wusste, wie händeringend der seine Immobilie verkaufen musste. José feilschte mit ihm um den Preis, und das machte er geschickt. Ana hatte sich das Objekt angesehen. Sie war begeistert von der Lage, von der Größe und von der gut geschnittenen Wohnung direkt hinter dem Geschäft. Erst recht von diesem durch José ausgehandelten Preis. Sie hatte sich sofort verliebt und konnte gar nicht anders, als zu kaufen.

    Der Laden bestand aus einem Verkaufsraum mit großen Schaufenstern zur Rua do Bonjardim, einer belebten Geschäftsstraße. Die dahinter befindlichen Räume ließ Ana so umbauen, dass eine Teeküche, ein Kunden-WC, eine Anprobe und eine kleine Schneiderwerkstatt entstanden. Über einen kurzen Flur gelangte sie in die anschließende Wohnung, die nach Südwesten ausgerichtet hell und freundlich erschien.

    Zwei große Zimmer, ein Nebenraum, Küche und Bad waren zwar renovierungsbedürftig, doch Ana gefiel sehr, was sie gekauft hatte.

    Sie ließ Küche und Bad umbauen, die Fenster mit gesicherter Terrassentür zu dem kleinen Innenhof innerhalb der alten Bebauung erneuern und eine Wohnungseingangstür zwischen Ladenfläche und Wohnung einbauen. Nach der Restaurierung von Wänden und Decken malerten sie selbst, Joana und José die Flächen mit weißer Latexfarbe. Hiernach strahlten ihr neues Geschäft und ihr neues Zuhause noch heller, noch freundlicher.

    Der Nebenraum wurde zu ihrem Atelier, obwohl sie sich an das Licht für ihre Malerei erst gewöhnen musste. Nach Einrichten von Laden und Wohnung erstand sie noch vier zierliche Metallsessel und einen passenden Tisch für alle, die sie besuchen wollten. Sie nähte die Kissenbezüge aus auffällig farbenfroh bedrucktem Leinen, dazu die Hüllen zur Aufnahme der weichen Polyesterflocken, drapierte die fertigen Kissen und schmückte den Tisch mit einer blühenden Pflanze, farblich passend zu den Kissen. Dieses einladende Plätzchen vor ihrem Geschäft ist bis heute jeden Tag gern besucht.

    Ana ließ Flyer mit der Einladung zur Eröffnung drucken und verteilte sie zusammen mit José in der gesamten Stadt. Die Feier für Nachbarn, potentielle Kunden und für jeden hier entlang schlendernden Touristen wurde ein großer Erfolg. Fröhlich und immerzu plaudernd schnabulierten alle von dem üppigen Buffet und tranken den aus einer der besten Kellereien kredenzten Wein.

    Ana lauschte zudem zufrieden den Werbungen der Nachbarn. Was könnte belebender sein.

    Seither ist es amtlich, sie ist bekannt wie ein bunter Hund, diese Ana Avila aus Faro, dieses kraftvolle Weib mit dem dicken Motorrad vor der Tür, die Freundin von Josés Tochter, die sich mit ihrer wohl nicht unerheblichen Erbschaft eine neue Existenz in

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