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Kurzes und Längeres: Geschichten, die das Leben schreibt
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eBook153 Seiten2 Stunden

Kurzes und Längeres: Geschichten, die das Leben schreibt

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Über dieses E-Book

In meinem Buch geht es um kurze und längere Geschichten, die das Leben schreibt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum6. Sept. 2022
ISBN9783347647749
Kurzes und Längeres: Geschichten, die das Leben schreibt
Autor

Jutta Kindler

JUTTA KINDLER ist 1952 in Berlin geboren und lebt in dieser bunten, überaus lebendigen und vielschichtigen, seit 1990 wiedervereinten Stadt. Die Diplom Ingenieurin und Architektin erzählt Geschichten über das Leben, das immer alles für und gegen jeden bereithält. "Freundinnen" ist ihr zweiter Roman nach zwei Erzählungen. Die erste „Liebe in Grenzen“ ist 2017 im lulu Verlag erschienen und erzählt von dem Südbadener Jungspund, den es 1964 nach Westberlin verschlägt, um sein Glück zu finden. Die zweite „EIN MANN EIN ZEBRA EINE UMARMUNG“ ist 2020 im tredition Verlag erschienen und handelt von dem Augsburger Tour d‘ Afrique Teilnehmer, der mit dem Rad in 120 Tagen von Kairo nach Kapstadt fährt, diese Tour trotz eines schweren Unfalls beendet und sich von diesem Kontinent umarmen lässt. Der erste Roman "WOHL und ÜBEL", ebenfalls 2020 im tredition Verlag veröffentlicht, handelt von einem Mädchen, einem Untermieter in der elterlichen Wohnung und einem Kommissar. Missbrauch und Schweigen lassen alle einen langen Weg gehen, um sich schließlich aus den bösen und nachhaltigen Zwängen zu befreien.

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    Buchvorschau

    Kurzes und Längeres - Jutta Kindler

    Der rote Pulli

    Winterlich dunkel ist’ s noch. Sophie ist wie an jedem der letzten Tage viel zu früh hellwach und in aufgeregter Erwartung. Sie reibt sich die Augen, um sie auch so wach zu bekommen und springt putzmunter aus ihrem Bett. Ungelenk versucht sie in die Hausschuhe zu schlüpfen, die wie immer falsch herum stehen. Heute ist es endlich so weit, heute ist ein so besonderer Tag!

    Kaum in den Schuhen, ist sie auch schon an der Tür und zieht vorsichtig und so lautlos wie möglich die Türklinke herunter. Ihr kleiner Körper ist in völliger Anspannung und ihre Ohren lauschen in den Flur – nichts zu hören.

    Sophie huscht hin zur Wohnzimmertür, alles ist ruhig. Hinter dieser Tür werden sieben Kerzen auf ihrem Lieblingskuchen auf sie warten, einem Nusskuchen, noch etwas klietschig, so, wie sie ihn besonders liebt. Der Duft hängt noch im Flur.

    Hinter dieser Tür wird ein Tisch nur für sie gedeckt sein. Kleine Päckchen in buntes Papier gewickelt und mit Schleifen hübsch verziert, werden um den Kuchen herum liegen, und was erst drinnen zu finden sein wird? Wahrscheinlich ist alles wie immer noch mit Tüchern abgedeckt. Das macht die Mutter so, um vor verfrühten Blicken zu schützen, doch das ist egal! Sophie kann nicht warten, sie muss es wenigsten ein Mal sehen können. Ein Mal schauen, ob es wirklich wieder so ist, wie jedes Jahr.

    Mutter mag es nicht, wenn ihre Tochter so neugierig ist und nicht abwarten kann. Sie kann sehr böse werden. Also muss sie jetzt ganz vorsichtig sein.

    Das Bewegen der Klinke gibt ein so lautes Geräusch von sich, das ein heftiger Schreck ihren Körper durchfährt. Sekundenlang ist sie wie erstarrt. Doch sie wagt noch einen zweiten Versuch. Das Knarren ist ohrenbetäubend und ihr Körper wie gelähmt. Entmutigt lässt Sophie von ihrem Vorhaben ab, flitzt lautlos in ihr Zimmer und ist mit einem Satz zurück in ihrem Bett. Ihr Herzschlag wetteifert mit dem Ticken der Uhr, doch alles sonst um sie herum ist still.

    Sie weiß sehr wohl, wie viel besser es ist, geduldig auf die Überraschung zu warten. Es wird ja auch nicht mehr lange dauern, bis die Mutter aufsteht und den Geburtstag ihrer Tochter ganz in deren Sinne vorbereitet. Es wäre nicht gut, ihrem Ungehorsam freien Lauf zu lassen, das weiß Sophie nur allzu gut!

    Sie ist ein kleines zierliches Mädchen, aufgeweckt und lebhaft, immer voller Frohsinn. Sie weiß schon gut, dass es in diesem Leben zwar viel Anlass zur Freude gibt, aber auch Traurigkeit oft nicht lange auf sich warten lässt. Sie geht schon ein halbes Jahr in die Schule, und dem macht sie wirklich gerne! Sie liebt alle um sich herum und ist selbst sehr beliebt, weil sie ein so frohes Gemüt hat.

    Ihre lustvolle Neugierde verbunden mit einem großen Maß an Tollpatschigkeit treibt die Mutter allerdings oft in den Wahnsinn. Und wenn sie genervt ist, wird sie sehr streng – jedenfalls mit Sophie.

    Markus, Sophies Bruder, ist schon groß, sie sieht ihn meist nur beim Frühstück, bevor er zur Arbeit geht. Er macht eine Lehre als Modellbauer. Sophie verehrt ihn, denn die kleinen Häuser, die er aus Holz, Pappe und Glas baut, sind wunderhübsch.

    Markus sieht sie kaum, hat er doch wenig Interesse für die kleine Schwester. Zudem spricht er überhaupt nur wenig.

    Der Vater ist vor kurzem weg. Sie haben so viel gestritten.

    „Aber heute wird er kommen, denkt Sophie und zieht ihre Decke bis unter die Nasenspitze. Eine Träne kullert unmerklich über ihre Wange. „Was wird Papa mir mitbringen? Wird er bleiben? Bestimmt wird er das! Bestimmt hat er ein wunderschönes Geschenk für mich. Die Gedanken sausen ihr durch den Kopf, während die Augenlider schon wieder schwerer werden – es ist so schön warm unter der Decke.

    „Happy birthday, Sophie, trällert es durch die gerade aufgestoßene Zimmertür. „Aufstehen! Willst du denn gar nicht sehen, was dich erwartet?

    Natürlich will sie! Tagelang schon wartet Sophie auf diesen Moment. Wie immer hat Mutters Ton etwas Bedrohliches, etwas Einschränkendes. Sophie ist ein wenig zögerlicher als noch vor zwei Stunden. Doch endlich kann sie das Wohnzimmer betreten.

    Jedes Jahr an diesem Tag glaubt Sophie, niemals zuvor etwas so Schönes gesehen zu haben. Es ist nur für sie, es ist ihr Geburtstagstisch! Diese Pracht! Dieses Glitzern im Kerzenlicht! Ein wundersames Glücksgefühl durchströmt ihren Körper, sie ist den Tränen nahe. Die flackernden Lichter auf dem Lieblingskuchen, sie verschwimmen vor ihren feuchten Augen.

    Eine Puppe, ein Schal, ein Schlafanzug, alles legt sie nach dem Auspacken behutsam wieder auf den Tisch. In einem Päckchen ist eine rote Federtasche mit Buntstiften. Mit einem dicken Radiergummi, Bleistiftspitzer aus Metall und einem Füllfederhalter. Sophies Aufregung ist unbändig!

    „Da ist noch etwas für dich!" Die Mutter zeigt auf ein Päckchen hinten an der Wand. Jetzt erst sieht sie hinter all den ausgepackten Geschenken den Karton, eingewickelt in rotes Papier mit goldenen Sternen und einer großen glänzend gelben Schleife. Sie muss aufpassen, dass das schöne Papier nicht zerreißt, Gleich ist es geschafft!

    Sophie hebt den Deckel an, und zum Vorschein kommt ein wunderschöner Pullover. Knallrot, mit Muster und einem riesigen gerippten Rollkragen. Gedankenversunken schaut sie in den Karton und streichelt die weiche Wolle. Plötzlich erinnert sie sich an das leise monotone Ratschen von Papas Strickmaschine. Bis in die Nacht war es zu hören, rhythmisch und langanhaltend. Die Geduld bei seiner Arbeit konnte Sophie sogar durch die Wand erspüren, und diese Verlässlichkeit des Vaters hatte ihr oft beim Einschlafen geholfen.

    „Wann kommt Papa denn?" – und sie schaut ihrer Mutter ins Gesicht.

    „Wir wollen frühstücken, du kannst den neuen Pullover anschließend anprobieren!"

    Auch auf dem Frühstückstisch brennen Kerzen. Es gibt Nusscreme und frische Brötchen. Zur Feier des Tages darf Sophie schon ein Stück von ihrem Geburtstagskuchen essen. „Wenn Papa nur hier wäre – der Kuchen würde ihm auch schmecken. Er muss ihn heute Nachmittag gleich als erstes kosten!" Die Mutter macht ein ernstes Gesicht und beginnt eifrig die Pausenbrote für Markus herzurichten, weiß sie doch sehr genau, dass er nicht kommen wird! Schließlich sind sie getrennt, da wird er hier wohl nicht aufschlagen, selbst wenn heute der Geburtstag seiner Tochter ist!

    „Was möchtest du drauf haben? „Egal, antwortet Markus genervt und verschwindet auch gleich in sein Zimmer, um sich fertig zu machen. Sophies Appetit lenkt erst einmal von den Geschenken ab, doch dauert es nicht lange und sie wird zappelig. „Darf ich schon aufstehen?"

    In Windeseile ist sie wieder an ihrem Tisch. Es wird anprobiert, kontrolliert, jedes Detail begutachtet. Sie saust hin und her zwischen Tisch und Flurspiegel und staunt mit großen Augen, wie hübsch sie aussieht mit den neuen Sachen von der Mutter.

    Doch Papas Pullover ist der Schönste! Sophie zieht ihn an, dreht sich vor dem Spiegel, streichelt über die Arme, zeichnet mit dem Zeigefinger liebevoll und mit stolzer Bewunderung das schöne Muster nach und beschließt, dieses wunderbare Geschenk nie wieder auszuziehen.

    Es ist schnell Nachmittag geworden. Sophie sitzt auf ihrem Bett. Der dicke Pulli hat kleine Schweißperlen auf ihre Nase gezaubert, doch sie will ihn unbedingt anbehalten. Sie malt mit den neuen Buntstiften.

    Onkel Wilhelm und Tante Helma sind schon da, sie haben all die Utensilien zum Malen für ihr kleines Mädchen mitgebracht. Jetzt sitzen sie im Wohnzimmer mit der Mutter, trinken Kaffee, tratschen und essen Nusskuchen. –

    Das Telefon klingelt. Sophies Herz fängt an zu rasen.

    „Papa! Sie flitzt aus ihrem Zimmer, sie ist die erste am Telefon und reißt den Hörer von der Gabel, „Papi?

    „Nein, aber du bist sicherlich Sophie, kann ich bitte deine Mama sprechen?"

    Dumme Konsequenz

    Endlich sind die Schulaufgaben erledigt und Mara hat ihren Schreibtisch ordentlich aufgeräumt. Die Mutter ruft zum Essen – es schmeckt hervorragend. Mara ist ein kleines rundliches Mädel, das so gerne isst, zumal die Mutter kocht wie eine Zauberin. Sie liebt es, ihr bei den Zubereitungen zuzuschauen, doch heute gab es keine Zeit dafür. Es waren zu viele Aufgaben, die Mara unbedingt für den morgigen Schultag zu erledigen hatte.

    Sechs Personen sitzen um den Küchentisch herum, und sobald die Mutter allen Hungrigen aufgetan hat, wird es mucksmäuschenstill. Gulasch mit Rotkohl und Klößen, das schmeckt jedem am Tisch. Gern überlegt sich die Mama, aus den Resten noch ein weiteres Essen für den nächsten Tag zu kreieren. So würde aus dem Rest Gulasch mit neuen Zutaten wie Pfeffergürkchen, Kartoffelstücken, Staudensellerie und Brühe eine deftige Kartoffelsuppe, die wiederum eine Mahlzeit für alle ausmacht. Doch heute hat sie sich verrechnet – alles wird alle. So ist es manchmal, wenn alle sechs nach einem anstrengenden Tag so Köstliches serviert bekommen.

    Mara schlingt beinahe, wenn auch genießend, beeilt sich aber dennoch, möchte sie doch noch auf die Straße. Sie hat die Nachbarskinder schon vor dem Essen beim Rollschuhlaufen durchs Fenster beobachtet und – solange es noch hell draußen ist, darf sie auch noch raus.

    Alles fertig, die Turnis übergestreift, die Jacke gegriffen und los. Sie wählt die Strickjacke, die die Mutter gestrickt hat und die sie so gerne trägt. Es ist eine rosafarbene Jacke aus vielen verschiedenen Mustern. Ein großes Muschelmuster ist hauptsächlich in Front und Rücken zu sehen und macht die Jacke sehr attraktiv. Der Kragen umschmeichelt den Hals in Wellen, halb stehend, halb liegend. In der Taille gibt es eine Kordel, hergestellt aus der gleichen Wolle, die durch Löcher gefädelt ist und vorn zu einer Schleife gebunden wird. Der Schoß fällt dadurch wie eine breite Rüsche und zeigt am Rand eine kunstvoll gehäkelte Borte, die gleiche übrigens wie am Kragen und an den Ärmelbündchen. Die Ärmel sind im Schulterbereich weiter gestrickt, als es für den Armausschnitt notwendig wäre und daher wie Puffärmel eingesetzt. Die Manschetten sind im Patentmuster gestrickt und schmiegen sich eng an die Handfesseln. Mit dieser Jacke kann es Mara nicht kalt werden. Sie liebt sie und fühlt sich mit ihr wie eine kleine Prinzessin. Sie springt drei Stufen auf einmal hinunter. Mara hat keine Lust auf die Rollschuhe, schließt sich lieber dem Versteckspiel an.

    Das Nachbarhaus wird gerade neu gebaut und ist erst im Rohbau fertig. Die Baustelle ist überall zugänglich, wenn man nur ein paar verhalten hergestellte Absperrungen überwindet. In so einem Bau herumzuturnen ist für Mara sehr aufregend! Alle Räume sind durchgängig, es gibt keine Türen, keine Fenster, nur Rüstungen vor den Fassaden und improvisierte Geländer an den Treppen. Alles Fertige ist ausschließlich zu erahnen.

    Bastian von nebenan ist auch draußen. Ein komischer Vogel, aber sehr lustig. Er wippt so ulkig auf und nieder beim Laufen, weil er sich bei jedem Schritt in seine Zehenspitzen

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