Sommergras 141: Vierteljahreszeitschrift der DHG
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Über dieses E-Book
Die SOMMERGRAS-Ausgabe 141 (Juni 2023) enthält wieder ausgewählte Haiku, Tanka, Haibun, Kettengedichte und Haiga unserer Mitglieder.
In der Rubrik KreAktiv wird aufgerufen, ein Haiku mit einem Sommer-Kigo zu schreiben.
In zwei Beiträgen wird zum ersten Mal das Thema "künstliche Intelligenz" behandelt.
Dir Redaktion bittet um viele Zuschriften der Mitglieder zu allen Rubriken.
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Buchvorschau
Sommergras 141 - Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.
Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.
Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.¹ unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter untereinander und pflegt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden.
¹Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNE-SCO), der Haiku International Association, Tokio, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New York.
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
auch in dunkel gewandeten Büchern kann bisweilen Erhellendes funkeln, und so fand ich zwischen den beinahe ganz schwarzen Buchdeckeln des „Haiku-Jahrbuchs 2022 einen Satz, der mich innehalten ließ und der als Überschrift dienen könnte für unsere Zeit, er lautet: „Die Welt des Menschen, unsere Welt, kommt aus den Krisen nicht mehr heraus, die Veilchen aber blühen trotzdem.
Schön, nicht wahr? Wir verdanken diese besondere Sentenz dem Herausgeber des Jahrbuchs, Volker Friebel, dem wir dafür danken wollen, danken für den Trost und die Weisheit und Klarheit seiner Worte. Denn so ist es: Während um uns herum die Welt, oder doch weite Teile von ihr, aus den Fugen geraten und zentrifugale Kräfte auseinander zwingen, was zusammenfinden sollte, gibt es sie doch, die Inseln von Ruhe und Einkehr, von Klarheit und Reinheit, auch Anmut.
Die Dichtung, insbesondere auch die Haiku-Dichtung, kann in diesen Kontext gestellt werden. Sie kann die Flüchtigkeit eines Augenblicks verbinden mit dem Blick darüber hinaus in eine größere Welt und so Wahres, auch Weises, vermitteln, ohne es selbst auszusprechen. Auch das macht diese Kunst besonders.
In diesem Heft finden Sie viele kleine Werke solcher Art, sprachliche Kleinodien, die wir für Sie eingesammelt haben. Einer Blumenlese gleich, die erfreuen und anregen möge auch in dunkleren Stunden …
in meinem Garten
alles in Blüte
im Licht, im Schatten
Kommen Sie gut durch den Sommer, achten Sie auf Blühendes und Schönes, das sich jeden Tag finden lässt. Wir, die Redaktion, hoffen, auch in diesem Heft.
Herzlich,
Ihr Horst-Oliver Buchholz
Inhalt
Editorial
KreAktiv
Haiku-Kaleidoskop
Klaus-Diether Wirth: Haiku – das besondere Kurzgedicht
Foto-Tanka: Claudia Brefeld und Paul Bernhard
Eleonore Nickolay: Französische Ecke
Volker Friebel: Kreativität und Künstliche Intelligenz
Conrad Miesen: Porträt und Würdigung von Joachim Grünhagen
Moritz Wulf Lange: Haiku schreiben mit Kindern
Hartmut Fillhardt: Mundart-Lyrik: Wie Übersetzen Freude trüben kann
Kompakt
Claudia Brefeld: Karumi
Auswahlen
Haiku-Auswahl
Tanka-Auswahl
Sonderbeitrag von Brigitte ten Brink
Mitgliederseite
Haiga: Angelika Holweger
Haibun
Tan-Renga
Kettengedichte
Bücher
Thomas Opfermann: Haiku – Epigramm – Kurzgedicht. Kleine Formen in der Lyrik Mittel- und Osteuropas, herausgegeben von Christine Gölz et al.
Rüdiger Jung: Angle Heiterkeit. Haiku von Roswitha Surber
Claudia Brefeld: Keine besonderen Vorkommnisse. Haiku von Gerd Haag, Heiner Legewie, Alf Trojan
Moritz Wulf Lange: Der Einfluss des Haiku auf Imagismus und jüngere Moderne von Sabine Sommerkamp
Brigitte ten Brink: KONTAKTAUFNAHME von Norbert Flem-ming: Haibun 2023
Georges Hartmann: komm lass uns küssen von R. G. Mohnnau
Reinhard Dellbrügge: Unplugged von Jacob D. Salzer
Haiga: Sonja Raab
Berichte
Frank Sauer: Tanka Wettbewerb der DHG 2023
Brigitte ten Brink: Ein Haiku-Spaziergang über den Hoppenlaufried-hof in Stuttgart
Peter Rudolf: Bericht zu einer Haiku-Schreibwerkstatt in Speicher-schwendi/Schweiz
Haiga: Gabriele Hartmann
Beate Wirth-Ortmann: 10. Haiku-Workshop Wiesbaden-Bierstadt
Mitteilungen
KreAktiv
Im vorausgegangenen Heft hatten wir Ihnen ein Foto von der Küste, der Nordsee, angeboten und um ein Haiku dazu gebeten, sodass wir ein Haiga daraus fertigen können. 28 Einsendungen haben uns erreicht, vielen Dank! Und wieder haben wir gelesen, gewertet und gewichtet, leicht war es nicht. Am Ende bekam ein Haiku von Angelica Seithe die höchste Punktzahl, 13 von 16 möglichen. Wir gratulieren! Und dieses Haiga ist daraus entstanden.
Haiku: Angelica Seithe, Foto: Horst-Oliver Buchholz
Und hier weitere Haiku, die die Juroren als gut gelungen gelesen haben. Alle übrigen Einsendungen finden Sie wie immer im Internet auf der Website der DHG unter www.haiku.de/sommergras-141
Sonntagspicknick
schenke meinen Standpunkt
dem Horizont
Bernadette Duncan
Windstille -
wir hören
unsere Herzen
Silvia Kempen
Frontmeldungen
sie wartet
auf eine Nachricht
Ingrid Meinerts
Zwischen den Buhnen
der Geruch von Seetang
Warten auf die Flut
Udo Zielke
Aufbruch.
Ich folge ihr
über den Horizont
Boris Semrow
Aufruf: ein Haiku mit Sommer-Kigo
Der Sommer ist da! Wir laden Sie deshalb herzlich ein: Dichten Sie ein Haiku, das ein Jahreszeitenwort (kigo) zum Sommer enthält. Lassen Sie uns teilhaben an Ihren Gedanken, Gefühltem und Geschautem und schicken Sie uns Ihr Sommer-Haiku an
redaktion@sommergras.de
Stichwort: Haiku KreAktiv
Einsendeschluss: 15. Juli 2023
Haiku-Kaleidoskop
Klaus-Diether Wirth
Haiku – das besondere Kurzgedicht
Natürlich ist das Haiku zunächst dem Oberbegriff „Kurzgedicht zuzuordnen. Und doch nimmt es nicht nur bezüglich der Form, sondern auch bezüglich des Inhalts eine Sonderstellung ein. So hat es fast nichts zu tun mit den Kriterien, die die verschiedenen Gedichtarten in der westlichen Literaturtradition hervorgebracht und charakterisiert haben, etwa mit der Richtlinie „Prodesse et delectare
(Nützlich sein und Freude bereiten), die schon der römische Autor Horaz aufstellte und die dann fortgeführt wurde mit der Forderung nach einem Dichtertypus, den man gemeinhin als „po-eta doctus bezeichnete, wie er sich etwa in den sogenannten „Gelehrtendichtern
des Humanismus und Barock wiederfand. Entsprechend vertrat noch der englische Frühaufklärer Francis Bacon (1561–1626) in seiner Schrift „De dignitate et augmentis scientiarum (Über die Würde und den Fortgang der Wissenschaften) die Maxime: „Poesis est genus doctrinae
(Dichtung ist eine Art von Belehrung). Die französische Klassik (1660–1715) differenzierte diese Grundauffassung mit ihrer Doktrin der „Clarté de la langue, vraisemblance et bienséance (Klarheit der Sprache, Glaubhaftigkeit und Wohlanständigkeit). Das folgende Zeitalter der Aufklärung modifizierte die Orientierung am „Verstand, guten Geschmack, Schöngeist
(Raison, bon goût et bel esprit), während die Epoche der Romantik sich kontrapunktisch am Gefühl, an der Begeisterung und Inspiration ausrichtete.
Das Haiku dagegen will weder belehren noch zerstreuen,