Lumpen und Leichen: G.F. Barner 270 – Western
Von G.F. Barner
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Über dieses E-Book
G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität.
Schlampiger Leichenbestatter von eigenen Gnaden, brummköpfiger Junggeselle mit Vorliebe für Zylinder, Schlitzohr vom Scheitel bis zur Sohle, ein undurchsichtiger Kauz in allen Lebenslagen, Weiberfeind und Weiberfreund. Da soll sich jemand auskennen. Und ausgerechnet diesem Typ heften die Bürger von Jerome eines Tages den Stern an die schwarze Joppe. Ob sie sich und ihrem kleinen Nest damit einen Gefallen getan haben, das weiß nur der liebe Himmel. Aber in Jerome steht Pokern hoch im Kurs. Ein Undertaker als Marshal – das schlägt dem Faß die Krone aus dem Gipfel. Jane, das Stubenmädchen von Price, sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Mrs. Mabel Price blickte mit dem Ausdruck des Entsetzens auf die schmale Tür und hielt den Hals umklammert, als müßte sie einen Schrei unterdrücken. Von irgendwoher – schlecht bestimmbar wegen der Länge des oberen Flures im Hotel von Price – kam eine schrille Männerstimme. Sie überschlug sich beinahe, und Mrs. Price gab ein Röcheln von sich, das David Jericho Graves an das eines Sterbenden erinnerte. »Da – da, hören Sie es, Marshal?« David Jericho Graves, der Townmarshal, Undertaker, Sargmacher und Posaunenkünstler von Jerome in Arizona, hörte es. Der Mann mit der schrillen Stimme schien wirklich nahe daran zu sein, jemanden zu töten. »Er bringt sie alle um!« wimmerte Mabel Price, als Jericho nickte. »Um Gottes willen, Marshal, tun Sie etwas! Er tötet meinen Mann und all die anderen im Saloon. Der Kerl ist wahnsinnig.«
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Lumpen und Leichen - G.F. Barner
G.F. Barner
– 270 –
Lumpen und Leichen
G.F. Barner
DAVID JERICHO…
Schlampiger Leichenbestatter von eigenen Gnaden, brummköpfiger Junggeselle mit Vorliebe für Zylinder, Schlitzohr vom Scheitel bis zur Sohle, ein undurchsichtiger Kauz in allen Lebenslagen, Weiberfeind und Weiberfreund. Da soll sich jemand auskennen. Und ausgerechnet diesem Typ heften die Bürger von Jerome eines Tages den Stern an die schwarze Joppe.
Ob sie sich und ihrem kleinen Nest damit einen Gefallen getan haben, das weiß nur der liebe Himmel. Aber in Jerome steht Pokern hoch im Kurs.
Ein Undertaker als Marshal – das schlägt dem Faß die Krone aus dem Gipfel.
Jane, das Stubenmädchen von Price, sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Mrs. Mabel Price blickte mit dem Ausdruck des Entsetzens auf die schmale Tür und hielt den Hals umklammert, als müßte sie einen Schrei unterdrücken.
Von irgendwoher – schlecht bestimmbar wegen der Länge des oberen Flures im Hotel von Price – kam eine schrille Männerstimme. Sie überschlug sich beinahe, und Mrs. Price gab ein Röcheln von sich, das David Jericho Graves an das eines Sterbenden erinnerte.
»Da – da, hören Sie es, Marshal?«
David Jericho Graves, der Townmarshal, Undertaker, Sargmacher und Posaunenkünstler von Jerome in Arizona, hörte es. Der Mann mit der schrillen Stimme schien wirklich nahe daran zu sein, jemanden zu töten.
»Er bringt sie alle um!« wimmerte Mabel Price, als Jericho nickte. »Um Gottes willen, Marshal, tun Sie etwas! Er tötet meinen Mann und all die anderen im Saloon. Der Kerl ist wahnsinnig.«
»Oder betrunken«, sagte Jericho gelassen. »Wieviel hat Bateshoe intus, Mrs. Price?«
»Hm, das weiß ich nicht«, antwortete Mrs. Price. »Ich weiß nur, daß dieser Mensch hereinkam und sofort abgedrückt hat, als sich mein Mann ihm in den Weg stellen wollte. Er hat Alan in den Fuß geschossen und dann auf die anderen gezielt. Marshal, hören Sie doch…«
»Ich bin nicht taub«, gab Jericho sanft wie ein Lamm zurück. Er stand an der Tür, warf einen Blick auf die beiden Flurlampen und die käsig-bleiche Jane, deren Busen auf und nieder wogte. Ohne Zweifel besaß Jane außer diesem Riesenbusen noch andere Vorzüge, die Alan Price zu schätzen wußte. Und Jericho war nicht sicher, ob Jane oder Mrs. Price mehr Angst um das Leben des Hotel- und Storekeepers Alan Price hatten. »Jane, löschen Sie die Lampen!«
»Die – die Lampen?« kam das Echo von Mabel Price und Jane zurück. Die beiden Frauen blickten den Townmarshal von Jerome verwirrt an.
»Ja, die Lampen«, wiederholte Jericho eindringlicher. Er hatte erst den einen und danach den zweiten Schuß gehört, als er gerade auf dem Weg von seiner Werkstatt in die Küche zu seinem wohlverdienten Abendessen gewesen war. »Mabel, Sie haben gesagt, daß auf der Galerie kein Licht brennt. Richtig?«
»Ja, ja, aber was hat das mit dem Licht hier zu tun?«
»Mabel, wenn ich die Tür öffne, dann fällt das Licht aus diesem Flur über die dunkle Galerie, nehme ich an«, erklärte Jericho leicht ungeduldig. »Und wenn Bateshoe nicht völlig betrunken ist, muß er den plötzlichen Schein bemerken. Er dürfte hochsehen und dasselbe tun, was er getan hat, als sich Ihr Waiter nach der Schrotflinte unter dem Tresen bücken wollte: schießen.«
»Allmächtiger!« stieß Mabel Price hervor.
»Gütiger Himmel!« ließ sich das Busenwunder Jane vernehmen. »Madam, schnell die Lampe ausblasen!«
»Das weiß ich selbst«, zischelte Mabel Price. »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
Ihr Tonfall verriet Jericho, wie das Verhältnis von Mabel Price zu Jane war. Wenngleich Mabel bisher sechs Stubenmädchen hinausgeekelt hatte, war Jane sozusagen unkündbar. Sie war die vierte Tochter jenes Mannes, der Alan Price zu Vorzugspreisen mit Whisky und Brandy belieferte und sollte sich hier im Haushaltswesen weiter ausbilden. Jane hinauszuwerfen wäre gleichbedeutend mit dem Verlust von mindestens 100 Dollar im Monat gewesen. Und wenn Mabel etwas konnte, dann rechnen. Man sagte allerdings, sie hielte sich ständig tagsüber in Janes Nähe auf und schlösse zur Nachtzeit die Tür des Schlafzimmers ab. Angeblich sollte sie es aus Furcht vor Einbrechern tun. Die Lästermäuler in Jerome behaupteten jedoch, sie hätte Alan einmal erwischt, als er sich barfuß aus dem Schlafzimmer schleichen wollte.
David Jericho grinste erst, als sich Mabel Price abwandte und zur Wandlampe eilte. Von dort aus blickte Mabel Price zu Jericho hinüber und zuckte zusammen, als er seinen Revolver aus dem Hosenbund zog.
»Großer Gott, Marshal, wenn Sie schießen müssen, treffen Sie auch gleich«, stöhnte Mabel Price, die Waffe wie ein giftiges Reptil anstarrend. »Bekommt dieser schreckliche Bateshoe auch nur die geringste Chance, schießt er meinen guten Alan über den Haufen.«
»Ich glaube nicht, daß ich Bateshoe eine Chance lassen werde«, sagte Jericho, obwohl er gar nicht sicher war, was der Bursche tun würde, wenn er ihn auf der Galerie entdeckte. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mabel, ich denke doch, daß ich mit ihm fertig werde.«
»Gott gebe es«, seufzte Mabel Price. »Nun los, Jane, blas die Lampe endlich aus.«
David Jericho Graves hielt den Colt in der Rechten und hatte die Linke auf den Drücker der schmalen Tür gelegt. Er kannte Bateshoe Franklin und wußte, wie schnell der Bursche schießen konnte. Ein Mann wie Franklin machte selten einen Fehler, und wenn, dann nur den, daß er sich zu gern reden hörte.
Bateshoe redete nun, aber seine Stimme hatte sich gesteigert. Er konnte jede Sekunde jemanden umbringen. Franklin dachte immer an alles. Er hatte die Eingangstür des Saloons hinter sich verschlossen und auch die zum unteren Flur führende Seitentür von innen verriegelt, nachdem er Mrs. Price durch diese Tür hatte davonstürmen sehen. Niemand kam in den Saloon, denn auch die Fenster waren geschlossen.
An die Galerie schien Bateshoe Franklin nicht gedacht zu haben. Kein Mensch hatte dort gesessen, der Bate-shoe gefährlich werden konnte. Der Saloon war 18 Fuß hoch. Die Galerie zog sich entlang der einen Seitenwand und der halben Stirnwand und war über eine geschwungene Treppe zu erreichen. Die Tür zum oberen Flur, durch den man in den Hotelbau gelangte, war immer verschlossen, aber Bateshoe wußte, daß es diese Tür gab.
Du großer Geist, dachte Jericho, ab und zu blickt der Bursche bestimmt nach oben. Es kommt darauf an, wo er steht. Und dann muß ich auch noch an die Dielen der Galerie denken. Wenn die knarren sollten, sobald ich darüber gehe, schießt der Kerl sofort.
Die beiden Flurlampen erloschen. Nun schien nur noch etwas Licht jene breite Treppe herauf, die zum Haupteingang des Prachtbaues von Alan Price führte.
David Jericho drückte die Türklinke sacht herunter. Schlimmer als eine Katastrophe konnte es nicht werden.
*
»Friß, Archie!«
Die Stimme kam von links und ließ David Jericho wie gelähmt stehenbleiben. Gleichzeitig tauchte unter ihm die Hand auf. Er sah sie durch die verschnörkelten Geländersprossen der Galerie. In der Hand lag der Revolver, ein Fünfundvierziger mit überlangem Lauf, und der pendelte ruckend wie der Kopf einer wütenden Schlange hin und her.
Wäre Jericho auch nur einen Schritt weiter nach vorn gegangen, hätte ihn Franklin gesehen. Der große, bärenstarke Frachtwagenfahrer stand unmittelbar neben einer Säule, die die Galerie stützte. Die nächste war drei Schritte entfernt, und der Tisch stand zwischen den Säulen wie in einer Nische. Rechter Hand lehnte Landsky, der Waiter von Alan Price, auf dem Tresen. Der Mann hatte beide Arme ausgestreckt und schien die Tresenplatte festzuhalten. Links vor dem Tresen und in Richtung Tür kauerte Alan Price mehr liegend als sitzend auf einem Stuhl. Price umklammerte seinen linken Fuß. Blut war jedoch nicht zu sehen.
»Archie!« grollte Bateshoe Franklin finster und zielte auf jemand, dessen Rücken Jericho gerade noch sehen konnte. »Auffressen, habe ich gesagt. Du Höllenfürst und Kartentrickser, verschlinge sie, auf daß sich dein Magen füllt, und die Würmer genug zu futtern finden, denn Blei vertilgen sie nicht. Hände ruhig halten, Tom! Mensch, zucke noch mal mit deinen Betrügerfingern, dann hast du eine Unze Blei im Schädel!«
»Um Gottes willen, Bateshoe…«
Jemand röchelte, verstummte dann aber, denn Bateshoe knurrte wild:
»Halt die Klappe, Tom, oder ich blase dir dein Betrügergehirn auseinander. Niemand spricht hier! Wird es bald, Archie?«
Etwas ratschte, als zerrisse jemand ein Stück Karton.
»So ist es gut«, stellte Franklin befriedigt fest. »Und nun schlinge es herunter, Archie, oder der Teufel holt dich vierspännig. Es steht geschrieben, du sollst nicht betrügen und falsch Zeugnis reden, Archie, du Sünder. Ah, was würgst du, schmeckt es dir nicht?«
Jericho glitt zurück an die Wand und schob sich dann nach links. Es war die einzige Chance für ihn, nicht von Franklin gesehen zu werden. Er mußte erst an ihm vorbei, aber das hieß, daß er beinahe die ganze Länge der Galerie hinter sich bringen mußte.
»Bateshoe, sei doch vernünftig, du hast dein Geld und…«
»Du sollst still sein!« fauchte Bate-shoe grimmig. »Noch mal sage ich dir das nicht, Tom. Ihr Ottern und Schlangengezücht, ihr Roßtäuscher und Kartenhaie, euch soll die höllische Verdammnis verschlingen. Sie lügen und betrügen, aber wenn man sie erwischt, jammern und heulen sie. Niemand betrügt Bateshoe Franklin!«
»Aber, es hat dich niemand…«
Jericho fuhr zusammen, denn er sah noch, daß Franklin die Hand mit dem Colt jäh schwenkte und nun auf Alan Price zielte.
»Du lügnerische Beutelratte!« entfuhr es Franklin, während Price schreckerstarrt in den Revolver blickte. »Du Besitzer einer Spielhölle, du hast den letzten Mann von deinem Kartenhai hereinlegen lassen. Noch ein Wort, dann hast du ein Loch zwischen den Augen. Du bist jetzt ruhig! Und du, Archie, auf dich wartet die nächste Karte. Nimm sie!«
Jericho erreichte die Wand. Er war froh, daß Franklin so viel redete. Der Frachtwagenmann sprach so laut, daß seine Stimme das leise Knarren der Dielen übertönen mußte.
»Ich kann nicht mehr«, ächzte Archie Talbot. Er würgte schrecklich. »Hör auf, Bateshoe, bitte.«
»Du vertilgst sie, oder du stirbst!«