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Der Mörder wohnt im selben Haus: Authentische Kriminalfälle
Der Mörder wohnt im selben Haus: Authentische Kriminalfälle
Der Mörder wohnt im selben Haus: Authentische Kriminalfälle
eBook268 Seiten2 Stunden

Der Mörder wohnt im selben Haus: Authentische Kriminalfälle

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Über dieses E-Book

Unser „Oberkommissar ehrenhalber“ Bernd Kaufholz ermittelt wieder! Die zehn Fälle trugen sich zwischen 1978 und 1988 zu. Der Band beginnt mit der Ermordung einer Frau in Dessau, deren Leiche erst nach Tagen in der Elbe im damaligen Kreis Burg angeschwemmt wurde. Der Mord an einer jungen Frau in Wittenberg im Jahr 1986 endet zwanzig Jahre später mit dem Suizid des Täters in der Haftanstalt von Cottbus-Dissenchen. Warum ein Mörder zweimal zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt werden konnte, schildert der Fall aus Weißenfels 1987. Bei neun der recherchierten Straftaten handelt es sich um Tötungsverbrechen. Eine Ausnahme bildet der Fall des „Klo-Königs“ von Halle, der mit seinen zehn Pachttoiletten zwischen 1979 und 1988 in etwa 90 Fällen mehr als eine halbe Million DDR-Mark in die eigene Tasche steckte.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum28. Feb. 2023
ISBN9783963118227
Der Mörder wohnt im selben Haus: Authentische Kriminalfälle
Autor

Bernd Kaufholz

Bernd Kaufholz, geb. 1952 in Magdeburg, studierte Maschinenbau und später Journalistik. Seit 1976 ist er Reporter bei der »Volksstimme« in Magdeburg und ab 1993 als Chefreporter in vielen Kriegs- und Krisengebieten der Welt unterwegs. Seine Bücher trugen ihm den Titel »Ehrenkommissar des Landes Sachsen-Anhalt« (2002) und eine Beförderung zum »Oberkommissar ehrenhalber« (2011) ein. Kaufholz lebt im Jerichower Land.

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    Buchvorschau

    Der Mörder wohnt im selben Haus - Bernd Kaufholz

    CODEWORT „EXITUS"

    Am Abend des 28. November 1978 betritt ein 25 Jahre alter Mann das Volkspolizeikreisamt in Dessau. Er fragt den Diensthabenden: „Wo kann man hier eine Vermisstenanzeige machen? Meine Frau ist seit dem 23. November verschwunden. Das heißt, sie ist nicht nach Hause gekommen …"

    Der Polizist an der Pforte unterbricht ihn: „Das erzählen Sie bitte dem Genossen, der dafür zuständig ist, und verlangt den Personalausweis. Er notiert: „Ronald Honig*, Geburtsjahr 1953, wohnhaft in Dessau. Dann weist er dem jungen Mann den Weg. Kurze Zeit später sitzt er einem Kripo-Oberleutnant gegenüber.

    „Erzählen Sie bitte, wann Sie ihre Ehefrau zuletzt gesehen haben", bittet der Polizist.

    Und Honig erzählt: „Also, am Donnerstag ab 16.30 Uhr waren mein Bruder Dieter, meine Ehefrau Ursula und ich in der Gaststätte in der Kornhausstraße hier im Ort. Ich möchte gleich sagen, dass meine Frau sehr gerne trinkt – Bier, aber auch Schnaps. So war das auch am 23. November. Zuletzt hat sie nur noch teilnahmslos auf dem Stuhl gesessen. Kurz vor 22 Uhr habe ich bezahlt, und wir sind raus aus dem Lokal. Doch meiner Frau hat das nicht gefallen. Sie wollte unbedingt noch ein Bier trinken. Ich habe auf sie eingeredet, dass sie genug hat – aber umsonst. Wenn Ursula betrunken ist, kann sie sehr ausfallend werden. Sie hat mich lautstark beschimpft. Da habe ich ihr eine geklebt."

    „Dann hau doch ab und geh allein!", habe er geschimpft.

    „Mein Bruder hatte ja extra noch eine 0,7-Liter-Flasche ‚Goldbrand‘ gekauft. Da hätte meine Frau doch zu Hause noch etwas trinken können."

    Uschi habe ihm einen Vogel gezeigt und sei dann die Kornhausstraße in Richtung Sieben Säulen entlanggeschwankt.

    „Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört oder gesehen."

    Er habe sich in der Brauerei erkundigt, in der seine Frau im Flaschenkeller arbeite. „Dort hat man mir gesagt, dass Ursula weder am 27. November noch heute im Betrieb war. Die Pflegeeltern meiner Frau habe ich schon am Freitag, dem 24. November, aufgesucht. Doch die wussten auch nicht, wo Ursula ist."

    Die Konsum-Gaststätte in der Dessauer Kornhausstraße

    Im Bezirkskrankenhaus, in dem er nachgefragt habe, habe er ebenfalls keinen Erfolg gehabt.

    „Haben Sie sich sonst noch bei jemandem erkundigt?", will der Kriminalist wissen, der die Vermisstenanzeige aufnimmt.

    „Ja, beim geschiedenen Mann meiner Frau, Rainer Wolff*. Er hat mir erzählt, dass sie sich mit bestimmten Personen herumtreibt, die er jedoch nur vom Sehen kennt."

    Dann kommt Honig darauf zu sprechen, dass er vom 25. September bis 13. Oktober in Leipzig einen Lehrgang besucht hat und abends immer erst spät nach Hause gekommen sei. „Der Wolff hat mir erzählt, dass Ursula öfter bei ihm gewesen ist, als ich in Leipzig war. Und er hat gesagt, dass in Kühnau ganz schön was los gewesen ist. Er meinte damit bestimmt die Sauferei meiner Frau. Sie soll oft am Kiosk Wasserwerkstraße getrunken haben."

    „Können Sie sich vorstellen, dass sich Ihre Frau etwas angetan hat?", fragt der Kriminalist.

    Honig überlegt einen Augenblick: „Ich habe ihr angedroht, sie zu verlassen, wenn sie sich nicht ändert. Da hat sie sinngemäß geantwortet, dass sie sich dann umbringen würde. Ich habe ihr deshalb öfter Rasierklingen weggenommen. Auch Tabletten habe sie geschluckt, und als sie drei Wochen zuvor betrunken war, sei sie von zu Hause weggelaufen. „Ich habe sie dann gemeinsam mit meinem Bruder aus dem Beckerbruch-Teich rausgezogen.

    Nachdem der 25-Jährige seine Frau beschrieben und aufgelistet hat, womit sie in der Nacht ihres Verschwindens bekleidet war, sagt der Polizist: „Bitte teilen Sie uns umgehend mit, wenn Ihre Frau wieder auftaucht."

    Dass er mit seinen Worten unbewusst ins Schwarze getroffen hat, ahnt der Oberleutnant da noch nicht.

    Die üblichen Nachforschungen beginnen. Die Nachfrage im Betrieb der Vermissten am 1. Dezember ergibt, dass sie zuletzt am 23. November zur Arbeit gekommen ist. Am Tag darauf hatte sie arbeitsfrei – einen sogenannten Haushaltstag.

    Schnell ergeben die Ermittlungen, dass die Vermisste und ihr Ex-Ehemann keine unbeschriebenen Blätter für die Polizei sind. Rainer Rutz*, der erste Ehemann, hatte eine Strafe wegen Raubes abgesessen. Und auch Ursula Honig* kennt eine Haftanstalt von innen. Aus der Akte geht hervor, dass sie „nicht arbeitete, ihre zwei Kinder vernachlässigte und sich herumtrieb". Nach der Scheidung wurde dem Ehepaar das Erziehungsrecht abgesprochen. Die Kinder wurden adoptiert. Aus der zweiten Ehe gingen ebenfalls zwei Kinder hervor. Sie wurden nach der Scheidung Rainer Wolff zugesprochen.

    Die Kriminalpolizei erkundigt sich bei den Pflegeeltern der Vermissten, und Ernst Gütschow* hält mit seinen Sorgen nicht hinterm Berg. „Mein Schwiegersohn und sein Zwillingsbruder hängen laufend in der Wohnung von Wolff herum, zechen dort. Außerdem komme es zu „sexuellen Ausschreitungen.

    Der Pflegevater bestätigt die Aussage seines Schwiegersohnes, dass die Vermisste des Öfteren Selbstmordabsichten geäußert habe und schon einmal aus dem Teich gezogen werden musste.

    Die Schwiegermutter der Vermissten sagt am 10. Dezember aus, dass sie die Frau ihres Sohnes am 22. November zum letzten Mal gesehen hat. Zwei Tage später habe sie von Ronald erfahren, was sich am Abend zuvor vor der Kneipe zugetragen hat.

    Bei der Befragung von Helga Klaus* nimmt auch Dieter Honig* teil. Er bestätigt die Angaben, die sein Bruder bei der Vermisstenanzeige gemacht hat.

    Am 20. Dezember ermittelt die Polizei im Wohnhaus der Honigs. Zuerst wird Nachbarin Erika Blume*, die parterre links wohnt, befragt. „So richtigen Kontakt mit Frau Honig hatte hier keiner. Das habe wohl auch daran gelegen, dass das Ehepaar sehr viel trinkt. „Sie waren oft in Ziebigk in Gaststätten und kamen betrunken nach Hause. Von lauten Streitereien oder Tätlichkeiten habe ich nichts mitbekommen. Nachdem sie einige Tage Ursula Honig nicht gesehen hat, habe sie deren Ehemann gefragt, wo sie sei. „Er hat geantwortet: ‚Die ist weg.‘" Wenig später habe sie von Helga Klaus erfahren, was nach dem Kneipenbesuch vorgefallen ist.

    Aufmerksam wird der Kripo-Leutnant, als Erika Blume erzählt, dass Honig „komisch sei, seitdem seine Frau verschwunden ist. „Wenn er angesprochen wird, stottert er und macht einen unsicheren Eindruck.

    Die Leiterin der Konsumgaststätte in der Kornhausstraße und ihr Stellvertreter erkennen die Zwillingsbrüder und Ursula Honig auf den Fotos, die ihnen am 14. Dezember vorgelegt werden. Die drei seien Stammgäste. Gemeinsam sei das Trio das letzte Mal am 23. November da gewesen, am 24. November die Brüder allein.

    „An diesem Tag habe ich ihnen Lokalverbot ausgesprochen, weil die Zwillinge eine Schlägerei angezettelt haben", sagt Margot Kleisterkamp*.

    Konkreter wird eine 44 Jahre alte Dessauerin, die am betreffenden Abend Gast war: „Die beiden Männer sind sich an den Kragen gegangen. Die Gaststättenleiterin wollte den Streit der Betrunkenen schlichten und wurde von dem Verheirateten angegriffen. Sofort sind Stammgäste dazwischengegangen."

    Auch Waltraud Kühnau erkennt auf den Fotos die Zwillinge und Ursula Honig. Am 23. November hätten die drei am Personaltisch zwischen Ofen und Wand gesessen und geknobelt. Die Frau sei so betrunken gewesen, dass sie kaum vom Stuhl aufstehen konnte und auf dem Weg zur Toilette gegen die Theke gestürzt ist. Als das Trio etwa um 22 Uhr gegangen sei, sei die Frau gegen den Türpfosten gefallen. „Meiner Meinung nach konnte sie nicht mehr allein laufen. Sie brauchte Unterstützung."

    Der Eintrag des Lokalverbots im Kalender aus der CDU-Zeitung „Neue Zeit" durch den stellvertretenden Gaststättenleiter am Freitag, den 24. November 1978

    Der stellvertretende Gaststättenleiter Hans-Jürgen Blühmel* erinnert sich ebenfalls an die Schlägerei und zeigt dem Ermittler einen Kalender aus der CDU-Zeitung „Neue Zeit, auf dem er das Lokalverbot für den „Schwarzen, wie er Ronald Honig nennt, vermerkt hat. „Vier Tage später tauchte er aber wieder auf und tat so, als ob nichts vorgefallen wäre. Ich habe ihn sofort rausgeworfen."

    Ein Gaststättenbesucher, der gemeinsam mit dem Trio die Kneipe verlassen hatte, gibt etwas zu Protokoll, das die Ermittler stutzig macht. Es steht im Widerspruch zu den Aussagen von Ronald Honig, die er bei seiner Vermisstenanzeige gemacht hat. „Alles ging in Ruhe. Es fielen keine Schimpfworte. Wir gingen über den Parkplatz vor der Konsumgaststätte, durch die Rheinstraße und trennten uns an der Ecke Rheinstraße/Straßburger Straße. Das Ehepaar Honig ging eingehakt nebeneinander und der Zwillingsbruder, der sein Fahrrad schob, die Straßburger Straße entlang, in Richtung ihrer Wohnung", berichtet Siegfried Hohlbein*.

    Helga Klaus korrigiert am 29. Dezember ihre Aussage: „Nachdem mir Ronald erzählt hatte, dass seine Frau am 23. November von der Gaststätte fortgelaufen ist, habe ich mir gedacht, dass sich Ursula herumtreibt. Aber ich habe auch daran gedacht, dass sie sich vielleicht das Leben genommen hat. Vor „acht oder zehn Tagen sei ihr Sohn Ronald zu ihr gekommen und habe ihr in der Küche gebeichtet, dass sich alles etwas anders zugetragen habe. Uschi sei in seiner und der Gegenwart seines Bruders ins Wasser gelaufen. Sie habe sterben wollen, und sie hätten nichts unternommen, um sie zu retten. „Ich war schockiert und außer mir. Ich habe nur eine Frage gestellt: Warum habt ihr sie nicht rausgeholt?, so die 49-Jährige. „Ronald hat geantwortet: ‚Wenn sie doch sterben wollte …‘

    Als der Kripo-Oberleutnant sie fragt, ob sie wisse, wo sich das alles abgespielt habe, zuckt die Mitarbeiterin der Dessauer Volkssolidarität nur die Schultern: „Irgendwo an der Elbe. Ich wollte nichts mehr davon hören."

    Für die Kriminalpolizei ist die Aussage von Helga Klaus ein gewichtiger Grund, Ronald Honig mit dem Verschwinden seiner Ehefrau in Verbindung zu bringen. Kripo-Hauptmann Adamski ordnet deshalb die vorläufige Festnahme des Hebezeugwarts beim VEB Getränkekombinat Dessau an. Noch am selben Tag wird der 25-Jährige in die Haftanstalt überstellt. Auch sein Zwillingsbruder Dieter kommt in Dessau hinter Gitter. Aus Sicht der Ermittler liegt der dringende Tatverdacht vor, dass die Brüder Ursula Honig getötet haben.

    Beim Verhör wird Ronald Honig zuerst gefragt, wie viel im Lokal getrunken wurde und wie er den Alkoholisierungsgrad einschätze: „Meine Ehefrau hatte vier, fünf Glas Bier und die gleiche Anzahl Doppelte getrunken. Sie war angetrunken, aber in der Lage, allein zu laufen. Dass sie am Tisch eingeschlafen war, sei der verqualmten Kneipe geschuldet gewesen. Sein Bruder habe sechs, sieben Bier und zwei Schnäpse getrunken. „Er kann eine Menge ab und war keinesfalls betrunken. Ich selbst hatte auch sechs Bier, aber keinen Schnaps. Ich spürte keinerlei Einfluss des Alkohols.

    Ronald Honig bittet um A4-Papier und einen Stift. Er wolle schriftlich niederlegen, was sich am 23. November abgespielt hat.

    Nachdem die Zwillinge und Ursula Honig die Konsumgaststätte gegen 22 Uhr verlassen haben, schlägt Dieter Honig vor, noch einen Spaziergang zu machen, damit seine Schwägerin „wieder einen klaren Kopf bekommt. Die Betrunkene beschimpft auf dem Weg fortwährend ihren Mann. Die drei gehen von der Rainstraße zum Georgengarten. Vom Park aus wollen sie über den Becker-Bruch zum Kornhaus und von dort nach Hause. Die 31-Jährige brabbelt vor sich hin. Als das Trio am Becker-Bruch ist, läuft sie plötzlich los und schreit dabei: „Ich will sterben! Ich will sterben!, und rennt in den Karpfenteich. Die beiden Männer holen sie heraus. Doch die Frau reißt sich los und läuft wieder ins Wasser. Die Brüder müssen sie mit Gewalt aus dem Teich zerren.

    Nachdem sich Ursula Honig etwas beruhigt hat, gehen sie weiter um die Gärtnerei herum zum Bootshafen. Dort rennt sie in Richtung Elbe. Direkt am Ufer macht sie halt und wiederholt, dass sie sterben will. Die Zwillinge, die ihr hinterhergelaufen sind, bleiben etwa fünf Meter vor ihr stehen. Ihr Ehemann ruft ihr zu: „Wenn du nicht vernünftig bist, geh doch ins Wasser! Dann warten sie ab, was die Frau tun wird. Langsam geht sie bis zu den Knien in den Fluss. Das Brüderpaar bewegt sich nun auf sie zu und versucht, ihr „den Blödsinn auszureden. Dieter Honig greift nach seiner Schwägerin, taucht sie kurz mit dem Kopf ins Wasser und holt sie ans Ufer. Die Männer reden auf sie ein und versuchen, sie vom Suizid abzubringen. Doch vergeblich. Sie dreht sich um und läuft erneut in die Elbe, diesmal steht sie bis zur Brust im eiskalten Wasser. Ronald Honig will sie an Land bringen und auch Dieter streckt seine Arme nach der Lebensmüden aus. Doch als sie bis auf ein paar Zentimeter an sie herangekommen sind, fällt sie um, und das Wasser schlägt über ihr zusammen. Die Männer sehen sie in fünf, sechs Metern noch einmal auftauchen und zur Flussmitte treiben. Dann ist von ihr nichts mehr zu sehen.

    Als Ronald Honig zum zweiten Mal angehört wird, schildert er das Vorgefallene konkreter, allerdings in einigen Details anders als zuvor.

    Auf dem Nachhauseweg habe man sich auf eine der Bänke neben dem Karpfenteich gesetzt. Da habe Uschi wieder begonnen, „Zirkus zu machen".

    „Kurz darauf sprang sie in den Karpfenteich. Wir haben sie da gewaltsam rausgeholt."

    Auf dem weiteren Weg habe sie sich bis hinter dem Postenhaus der Wasserschutzpolizei ruhig verhalten. Doch in Höhe der Bootshäuser „hat sie erneut Krawall gemacht". Sie sei plötzlich in Richtung Wallwitzburg, der künstlichen Burgruine, gelaufen, dann zur Elbe.

    „Wir sind hinterhergemacht. Sie hat immer etwas von Selbstmord geschrien und ist in den Fluss gerannt. Wir konnten sie aus dem Wasser ziehen. Ich habe sie belegt, sie soll nicht solchen Mist machen und habe ihr eine Ohrfeige gegeben. Mein Bruder hat dann ihren Kopf ganz kurz unter Wasser gedrückt. Ich habe ihm noch zugerufen: ‚Da hast du sie wohl mal das Elbwasser schmecken lassen.‘ Und er brüllte Uschi an: ‚Hast du nun endlich die Schnauze voll?‘"

    Doch seine Ehefrau habe sich wieder losgerissen und sei in den Fluss gelaufen. Dort habe sie etwa eineinhalb Meter vom Ufer entfernt im Wasser gestanden, sei zu Fall gekommen und zur Flussmitte abgetrieben. „Sie ging unter. Meine Frau war Schwimmerin. Ich weiß nicht, warum sie nicht versucht hat, das Ufer zu erreichen. Er selbst habe nicht versucht, sie zu retten. „Ich habe gedacht: Wenn es so ist, dann ist es eben so.

    Zu Hause hätten er und sein Bruder ihre Sachen getrocknet, Grog getrunken und sich bis 5.30 Uhr über die gemeinsame Glasmalerei unterhalten.

    „Wir haben uns abgesprochen, was wir bei der Volkspolizei zum Verschwinden meiner Frau sagen wollen. Anschließend holte ich mein Motorrad von den Eltern und bin zur Arbeit gefahren."

    Zur selben Zeit wird sein Zwillingsbruder Dieter verhört. Fast gleichlautend, lediglich in einigen Details konkreter als Ronald, schildert er den Gaststättenaufenthalt und die spätere Tragödie. Nachdem sie gemeinsam die lebensmüde Frau aus dem Teich gezogen hätten, habe Ronald auf seine Frau „eingeschlagen. Er habe den Streit geschlichtet, so Dieter Honig. Nachdem sie an der Elbe erneut ins Wasser gerannt sei, sei er hinterher, habe sie zu fassen bekommen und ans Ufer gezogen. Gemeinsam mit seinem Bruder habe er sie an den Armen auf die angrenzende Wiese gezerrt. Sein Bruder habe sie nun wieder gegen Kopf oder ins Gesicht geschlagen. „Ich habe mir meine Hosenbeine ausgewrungen, da habe ich gesehen, dass Uschi schon wieder in den Fluss lief und der Länge nach hinfiel. Er sei in den Fluss gestiegen, habe sie aber nicht mehr gesehen. „Ich habe ins Wasser gefasst und ihren Arm greifen können. Nachdem ich sie ins Flache gezogen habe, kam mein Bruder Ronald dazu. Uschi hat sich nicht mehr bewegt. Ich hatte Angst und bin über die Wiese losgerannt, quer durch den Busch. Da bemerkte ich, dass Ronald hinter mir herlief. Als Dieter Honig den Blick des Kripo-Leutnants bemerkt, fügt er an: „Es war alles so durcheinander. Ich weiß auch nicht richtig, wie alles kam.

    Eine Vermisstenanzeige zu machen, sei ihre gemeinsame Idee gewesen. „Aber wir wollten damit noch ein paar Tage warten."

    Im Nebenzimmer geben sich die Vernehmer mit der „Geschichte, die Ronald Honig erzählt hat, nicht zufrieden. „Das ist doch nicht die ganze Wahrheit. Was ist wirklich passiert?, fühlt der Oberleutnant dem Ehemann der Vermissten auf

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