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Hexen Wahn-Sinn
Hexen Wahn-Sinn
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eBook314 Seiten3 Stunden

Hexen Wahn-Sinn

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Über dieses E-Book

Ein Kommissar wird am 2. November in die Gerichtsmedizin gerufen, weil die Feuerwehr am Tag davor bei einem Brand die Leiche einer Frau gefunden hat, die auf ihren Brüsten und der Scham Brandzeichen trägt, die sie als Hexe markieren.
Es stellt sich heraus, dass sie nicht die einzige ist. Mit der Zeit finden sie noch fünf weitere Frauen, wo der Verdacht besteht, dass sie auf dieselbe, grausame Weise an einem Hexenfeiertag gebrandmarkt wurden und danach bei lebendigem Leib qualvoll verbrannt wurden.
Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, dass vor dem nächsten Hexenfeiertag - zur Wintersonnenwende - der oder die Täter gefunden werden.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum10. Juni 2020
ISBN9783752961881
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    Buchvorschau

    Hexen Wahn-Sinn - Franz Pamminger

    für meine Frau Heidrun (Heidi),

    die in der Walpurgisnacht 1971

    als Hexe (?) geboren wurde

    &

    im Gedenken an Pfarrer Martin Schrems,

    der mich auf die Idee brachte und ermutigt hat,

    mich auch einmal als Krimi-Autor zu versuchen.

    Leider bekam er nur die ersten 30 Seiten davon zu lesen,

    da er am 6. September 2013 mit seinem Motorrad tödlich verunglückt ist.

    Manchmal vermisse ich ihn sehr,

    die Ideen, die er in mir weckte,

    wozu er mich ermutigte und vor allem:

    dass wir uns - wie früher so oft -

    gemeinsam und „lust- voll"

    Gedanken über die Zukunft der Kirche machten

    und das in unserem kleinen Bereich,

    wo wir Verantwortung trugen, auch umsetzten!

    Danksagung

    Dank darf ich vor allem meiner lieben Freundin Kathleen Rainer sagen,

    die sehr viele Stunden aufgewendet hat, um - wieder einmal - meine Lektorin zu sein. Sie hat mich zum Teil „gezwungen, „Gefühl und „Lebendigkeit in dieses Buch zu bringen und auch dafür gesorgt, dass es keine „Predigt oder eine wissenschaftliche Abhandlung wird.

    Schlussendlich ermutigte sie mich auch, Eigenschaftswörter zu verwenden und bestand darauf, dass ich in meinen Sätzen einen Punkt fand.

    Tausend Dank, Kathleen!

    Diese Geschichte ist reine Fiktion,

    die meinem Kopf entsprungen ist.

    Auch wenn viele Orte und manche Personen,

    die im Buch genannt sind,

    real existieren,

    ist das, was ich dort geschehen lasse

    oder Menschen zuschreibe,

    nichts als Fiktion.

    Es ist nicht meine Absicht,

    dabei jemanden oder einen bestimmten Ort

    in ein schlechtes Licht zu rücken

    oder in Verruf zu bringen.


    Wien, Samstag, 2. November 2019

    Brigadier Dr. Alois Pichler, M.A., stellvertretender Landespolizeidirektor von Wien, denkt gerade daran, ins Bett zu gehen. Es ist Allerseelen, kurz vor 2 Uhr früh, als sein Diensthandy klingelt. Als er schlaftrunken auf sein Display sieht, wundert er sich: es ist der Leiter der Gerichtsmedizin Univ. Prof. Dr. Johannes Schumhart. Der liebe Professor tat normalerweise nicht um 2 Uhr früh Dienst. Überrascht darüber hebt er ab.

    „Hallo Hannes! Planst du zu Allerseelen um 2 Uhr früh ein Totengedenken? Wollen wir uns gemeinsam aller Toten erinnern, die ich dir die letzten 20 Jahre zukommen habe lassen?" fragt er scherzhaft. Über die Jahre waren sie fast so etwas wie Freunde geworden.

    „Lois, mir ist gar nicht zum Scherzen! Kannst du bitte sofort zu mir in die Gerichtsmedizin kommen, ich muss dir was zeigen!" war seine ernste Antwort.

    „Ok, ich komme! - Gib mir 40 Minuten! - Willst du mir nicht sagen, worum es geht?"

    „Nein, nicht am Telefon! - Komm einfach - dann siehst du, warum!- „Stell dich aber darauf ein, dass es länger werden kann fügt der Gerichtsmediziner noch hinzu, bevor er auflegt.

    Lois hat so etwas befürchtet. Er schreibt eine kurze Notiz: „Musste noch mal weg - weiß nicht, wann ich heimkomme! - Frühstücke ohne mich - ich bin aber rechtzeitig zurück für die Fahrt zu meinen Geschwistern" und pickt das Post It für seine Frau Andrea auf die Kühlschranktür.

    Andrea war so etwas gewohnt. Es war Teil seines Berufes. Nicht zum ersten Mal hatte er mitten in der Nacht das eheliche Bett verlassen müssen. Trotzdem hat er immer wieder ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Seine erste Frau Ulli hatte genau deswegen vor 4 Jahren die Scheidung eingereicht. Sie wollte nicht mehr akzeptieren, dass sie als Ehefrau nie so wichtig gewesen war wie sein Beruf.

    Er nimmt seine Autoschlüssel und seinen Mantel vom Haken, steigt ins Auto und fährt von seinem Haus, einer alten, aber erst vor kurzem renovierten Villa in Baden nach Wien hinein. Um diese Uhrzeit geht das Gott sei Dank problemlos und schnell. Kurz nach halb drei Uhr früh betritt er halb verschlafen schon die Gerichtsmedizin.

    Der Pförtner nickt ihm - auch schläfrig - zu: „Der Herr Universitätsprofessor erwartet Sie schon im Obduktionssaal 1." Dann widmet er sich wieder seinem Buch. Alois geht die Treppe zum Obduktionssaal hinunter. In der Nacht ist dieses Gebäude noch düsterer als sonst. Er kann gar nicht anders als an den Leitspruch des Hauses denken:

    „Taceant colloquia. Effugiat risus.

    Hic locus est ubi mors gaudet succurrere vitae"

    („Das Reden verstumme, das Lächeln entfliehe,

    denn dies ist der Ort,

    wo der Tod sich erfreut, beizustehen dem Leben")

    (Giovanni Battista Morgagni (1682 - 1771)

    Anatom und Begründer der modernen Pathologie)

    Im Obduktionssaal erwartet ihn schon Hannes und sagt nur: „Hallo! Entschuldige, dass ich dich aus dem Bett holen musste, aber schau dir das bitte an!"

    Hannes weist auf den großen Bildschirm im Saal und ein Foto erscheint: Das erste zeigt eine Frau, ca. 30 Jahre alt, blond, vollkommen nackt, auf ihren Brüsten sind mit Kreis umrandete Pentagramme eingebrannt, die ein Teufelskopf ziert. Die Brustwarzen ragen zwischen den Augen des Teufels hervor; auf der rechten Brust ist „M A L E" zu lesen und der fünfte Zwischenraum des Pentagramms ist mit einem verkehrten Kreuz gefüllt.

    Male

    Auf der linken Brust ist im Pentagramm „F I C A" eingebrannt.

    fica-Ebook

    Male - fica war die klassische Bezeichnung für eine Hexe im Mittelalter, auch wenn Alois sich immer über diese ungenaue Übersetzung des Lateinischen ärgerte, weil „Übel-Täterin" die bessere Übersetzung gewesen wäre. Alois konnte seine humanistische Bildung nicht leugnen, sie war irgendwie Teil seiner selbst geworden. Er hatte gelernt, dass das mittlerweile selten gefragt war, aber er liebte einfach die alten Sprachen und ärgerte sich, wenn Dinge falsch übersetzt wurden. Solche Irrtümer gaben ihm immer noch einen Stich in sein humanistisch geprägtes Sprachenherz.

    Damit aber noch nicht genug, neben der Schändung der Brüste war auch auf dem blank rasierten Venushügel der Frau ein Schlangenkopf eingebrannt, aus dem eine gespaltene Zunge hing.

    zunge

    Alois stellt sich die Schmerzen, die das verursacht haben musste, höllisch vor und schaut Hannes fragend an.

    „Hannes reicht ihm eine noch dünne Akte und sagt: „Die Frau wurde am 1. November um 1.32 Uhr früh von der Feuerwehr gefunden. Es handelt sich um eine gewisse Maria Frauscher, 32 Jahre alt. Sie arbeitete als Mental-Trainerin und Kräuterpädagogin. Sie hatte in der Leopoldstadt, Nähe Nestroyplatz, eine kleine Wohnung. Im Kleingartenverein Rosental-Satzberg Alt hat sie ein früheres Schrebergartenhaus zu ihrem Arbeitsplatz umgestaltet, wo sie mitunter auch gerne übernachtete. Ein Nachbar, der zufällig etwas in seinem Schrebergarten holen wollte, sah Rauch aus dem Häuschen aufsteigen und alarmierte die Feuerwehr. Die Feuerwehr löschte den Brand und fand darin die Leiche der Frau, und es wurde sofort die Kripo verständigt. Wäre die Feuerwehr eine halbe Stunde später gekommen, wäre das Holzhaus völlig abgebrannt und von der Leiche nicht viel mehr als ein verkohlter Klumpen übriggeblieben. Die Frau ist an Rauchgasvergiftung gestorben, die Brandzeichen, die du da siehst, wurden ihr bei lebendigem Leib zugefügt, es scheint so, dass der Vorgang sehr lange - ich vermute über drei Stunden - gedauert hat. Die einzelnen Eindrücke mit dem glühenden Eisen erfolgten so in etwa im Abstand von einer Stunde. Ich gehe davon aus, dass sie bei der Brandmarkung ohnmächtig geworden ist, der Täter - ich glaube nicht, dass es eine Täterin war -aber das ist deine Aufgabe das herauszufinden, hat ihr dann Effortil intravenös gespritzt - du kannst hier die Einstichstellen an der Vene erkennen" - Johannes zeigt Alois vier Einstichstellen an der rechten Armbeuge und zwei weitere an der linken. „Das Effortil konnte ich auch neben hohen Mengen von Morphin in ihrem Blut nachweisen. Als sie wieder bei Bewusstsein war und miterleben konnte, was er ihr angetan hat, ging die Folter weiter und das nächste Brandzeichen wurde gesetzt. An den Armen und Beinen weist sie Abdrücke auf, die darauf schließen lassen, dass sie gefesselt war. Dort fanden sich Spuren von Anglersilk und im Mund Stofffasern. Sie wurde mit ihren eigenen Strümpfen geknebelt. Weiters sind keine Spermaspuren an oder in ihr und auch kein Hinweis, dass sich der Täter an ihr vergangen hätte. Ich fand überhaupt keine Fremd-DNA an ihr. Der Täter war da überaus gewissenhaft. Nach dem letzten Brandmal lag die Frau gefesselt auf ihrer Bett-Liege und jemand hat den offenen Kamin des Schrebergartens so präpariert, dass die stark harzenden Scheite des Kamins das Bettzeug in Brand setzten, dann die Einrichtung und schließlich das Haus, aber das konnte die Feuerwehr zum großen Teil verhindern.

    Lois, kannst du mir bitte sagen, was das soll? Und versprichst du mir bitte, dass ihr das Schwein, das das getan hat, findet! - Ich habe in meinen gut 30 Jahren als Pathologe viel gesehen, aber das gehört zum Ärgsten, was bisher bei mir auf meinem Tisch gelandet ist."

    Alois schaut Hannes verblüfft an und fragt: „Hast du noch deine Flasche irischen Whisky da - ich glaube ich brauch jetzt einen." Hannes geht wortlos zu einem Schrank holt seinen Bushmills Rare 21 Jahre heraus, gießt zwei Gläser halbvoll und reicht eines davon Alois. Sie trinken ihn gemeinsam wortlos mit einem Schluck aus. Das, was Alois gesehen hat, war sogar für ihn ein Schock. In seiner Laufbahn hat er schon viele Leichen gesehen, aber noch nie eine, die derart - mit Präzision und als rituelle Tat - verunstaltet wurde.

    Als Alois ausgetrunken hat, verabschiedet er sich von dem Pathologen. Er will nicht mehr heim. Nachdem er das gesehen hat, ist ihm die Lust aufs Schlafen vergangen. Er hat jetzt einen Fall zu lösen und macht sich gleich auf den Weg ins Büro.

    Dort angekommen lässt er sich die Akte zu der Frau geben und liest sie gewissenhaft durch, erkundigt sich, was die Diensthabenden bis jetzt unternommen haben.

    Nachdem er sich selbst ein Bild gemacht hat, macht er sich auf dem Heimweg. So wie jedes Jahr wollte er mit seiner ganzen Familie zu Allerseelen zum Grab seiner Eltern ins Salzkammergut fahren, wo er sich mit seinen Geschwistern immer traf und sie danach noch bei seinem Bruder am elterlichen Hof beisammensaßen. Er hoffte, dass er dabei die Bilder vergessen oder zumindest soweit zur Seite schieben konnte, dass er ihnen nicht den gemeinsamen Nachmittag verderben würde.

    Wien, Montag, 4. November 2019

    Als Alois am Montag früh ins Büro kommt, liegt ein Stapel Papiere auf seinem Tisch. Eines bereitet ihm Sorgen, das neue System, das sie vor einem halben Jahr installiert haben, das mehr oder weniger automatisch Todesfälle in ganz Österreich vergleicht, hat eine Nachricht ausgeworfen.

    Im letzten halben Jahr sind zwei weitere Frauen in ihren Holzhäusern verbrannt bzw. verkohlt.

    Die Erste in Vorarlberg. Eine gewisse Maria Oberegger, 22 Jahre alt, die als Escort-Dame gemeldet war. Sie verbrannte am 30. April in ihrer Berghütte im Montafon, die sie sich als Liebesdomizil und Arbeitsstätte eingerichtet hatte.

    Als Brandursache waren Kerzen angegeben: Die Feuerwehr und Polizei gingen davon aus, dass die Hütte in Brand geriet, weil die Frau vergessen hatte, die Kerzen zu löschen, als sie zu Bett ging. Sie erstickte im Schlaf. Die Hütte brannte vollständig nieder und der Leichnam der Frau verkohlte darin.

    Die zweite Frau war eine gewisse Maria Brandstätter, 41 Jahre alt. Sie arbeitete als Kinesiologin und Heilpraktikerin und hatte vor allem, was Heilpflanzen und Kräuter betrifft, einen gewissen Bekanntheitsgrad.

    Sie verbrannte, weil am 21. Juni zwei Propangasflaschen explodiert sind, die sie in ihrem Seehaus am Attersee lagerte und deshalb das Seehaus explodierte. Die Feuerwehr und Polizei fanden nichts, was auf Fremdverschulden hinwies und so wurde das Wenige, was von ihr übrig blieb, schnell freigegeben, Man ging von einem klassischen Unfall aus. Die Frau wurde eingeäschert und ihre Urne in Weyregg am Attersee beigesetzt.

    Das Ende des Computerausdrucks waren fünf Zeilen:

    30. April: Beltane - Walpurgisnacht

    21. Juni: Litha - Sommersonnenwende

    31. Oktober: Samhain - Beginn des keltischen Jahres

    Diese Tage markieren Festtage im Jahreskreis der Kelten

    und gelten auch als Hexenfeste bzw. Hexen-Feiertage!

    Der Brigadier ist auf einmal hellwach. Er mag dieses neumodische Zeug zwar nicht wirklich, er sehnt sich nach der alten Polizeiarbeit, wo alles noch von Hand gemacht wird, aber wenn er den Computerausdruck richtig liest, lässt sich erkennen, dass es da Zusammenhänge geben könnte. Also steht er auf und macht sich auf dem Weg zum Staatsanwalt. Er will ihn um die Exhumierung der Prostituierten im Montafon bitten. Schließlich hat ja vor allem die Staatsanwaltschaft die Installation dieses neuen Computersystems gefordert, weil sie der Meinung war, die „alten" ermittelnden Beamten können keine großflächigen Vergleiche anstellen, dafür wäre das neue Computerprogramm für sie dann sehr hilfreich.

    Alois denkt an Bartholomäberg, den kleinen Ort im Montafon, wo alle reden würden, weil irgendeiner – er, ein Wiener - sich das so einbildete, das Grab der jungen Frau unbedingt öffnen und die Totenruhe der armen Frau damit stören will. Aber er hatte keine andere Wahl.

    Wieder zurück in seinem Büro schickt er Hannes eine Mail in die Pathologie, in der er ihm mitteilt, dass er bald – wahrscheinlich morgen - eine Leiche aus Vorarlberg auf seinem Tisch haben wird. Er bittet ihn darin, sich die genau anzuschauen und nach Merkmalen zu suchen, die mit der obduzierten Frau vom Wochenende in Zusammenhang stehen könnten.

    Alois liest sich die Fallakten noch einmal genau durch. drei Frauen, verteilt auf ganz Österreich: Vorarlberg – Oberösterreich – Wien, jede verbrannte an einem Tag, der für Hexen eine gewisse Bedeutung hat.

    Es klingt für ihn fantastisch und unwirklich, aber zumindest nachgehen will er dem, was ihm da der Computer vorschlägt.

    Wien, Dienstag, 5. November 2019

    Brigadier Alois Pichler sitzt sehr früh am Morgen nachdenklich in seinem Büro. Im Laufe des Vormittags würde die Leiche aus Vorarlberg bei Hannes auf der Pathologie landen und er hat die Fallakten zu den anderen beiden Opfern vor sich. Sie gaben wirklich nicht viel her. Sie waren - und dafür gab es durchaus gute Gründe - als „Unfall" klassifiziert worden. Er fand keine Hinweise auf Schlampereien der zuständigen Behörden. - Das hatte er auch nicht vermutet.

    Gegen neun Uhr läutet sein Telefon. Alois schaut aufs Display. Die Nummer ist unterdrückt. Dennoch hebt er ab. Auch wenn er es nicht wirklich will, sitzt er auf einmal ganz stramm. Es ist der Innenminister.

    Er kennt den derzeitigen Innenminister nicht persönlich.

    Der Innenminister erzählt ihm von seinem Gespräch, das er gestern mit dem Staatsanwalt geführt hat und dass beide zur Überzeugung gekommen sind, es sei notwendig, in dem Fall eine Sonderkommission (SOKO) einzusetzen. Der Innenminister betraut Brigadier Dr. Alois Pichler hiermit mit der Leitung und Zusammenstellung dieser SOKO. Räume und Infrastruktur dafür bekäme er direkt im Innenministerium. Die entsprechenden Bescheide und Unterlagen würden im Laufe des Tages bei ihm eintreffen, aber er solle sich schon einmal überlegen, wen er aller in seiner SOKO haben möchte. Der Innenminister teilt noch mit, dass er sich rasche Ergebnisse erwartet und regelmäßige Berichte über den Fortgang der Ermittlungen. Er wünscht ihm noch viel Glück dabei und damit ist das Telefonat beendet.

    Also ist er nun erstmals Leiter einer SOKO [i]. Alois muss innerlich lachen, weil er an all die Kriminalfilmserien denken muss, die sich SOKO nennen - SOKO Kitzbühl und SOKO Donau schaute er selbst auch ganz gerne an, auch wenn er weiß, dass diese Serien mit der Realität einer SOKO wenig gemeinsam haben:

    Und jetzt darf, nein muss er die nun leiten und denkt dabei an seine Frau Andrea. Sie wird sicher wenig Begeisterung, aber – wie immer – Verständnis zeigen. Er nimmt sich deshalb fest vor, dass bis zur Geburt ihres zweiten Kindes – im April - der Fall gelöst sein muss. Er überlegt sogar, sich Väterkarenz zu nehmen. Andrea wünschte sich das so sehr von ihm.

    Den Rest des Tages verbringt er mit der Durchsicht von Personalakten und Telefonaten zum Fall. Am späten Nachmittag hat er sein Team beisammen, auch alles andere Wichtige in die Wege geleitet und die benötigte Infrastruktur organisiert. Er staunt, wie schnell manches geht, wenn man ein Schreiben bzw. eine Order des Innenministers in den Händen hält. Morgen, spätestens übermorgen würden die Räume im Innenministerium für sie adaptiert und die Computer installiert sein. Für Freitag, neun Uhr früh hatte er seine erste Team-Sitzung festgelegt.

    Es ist schon fast 18 Uhr als Alois wieder in die Pathologie geht. Hannes hatte ihn angerufen und er ahnt Schlimmes: Er denkt an die verkohlten Leichen der Frauen und was sie durchgemacht haben mussten. Er fragt sich, „Warum ist sie gebrandmarkt worden? Weiters: „Wer ist fähig, so etwas Schreckliches nicht nur zu tun, sondern akribisch zu planen? Ja vielleicht auch noch Freude daran zu haben, ihr stundenlang dabei zuzusehen, wie sie leidet und dann qualvoll stirbt?

    Hannes zeigt ihm am Bildschirm ein Bild der verkohlten und teilweise auch schon verwesten Leiche der Frau aus dem Montafon. Daneben das von Frau Frauscher, mit den Brandzeichen.

    Er legt über das Bild ein anderes, das der Pathologe in Bregenz am 2. Mai gemacht hatte. Es zeigte Reste eines Brandeindrucks auf der Brust - bei der ersten Obduktion war der Pathologe davon ausgegangen, dass es durch ein Metallstück verursacht worden war, das während des Brandes auf sie fiel. Hannes stellt fest: „Bei der Untersuchung der damals gemachten Bilder und nach der Exhumierung kann ich beweisen, dass dieser Eindruck genau einem Teil des Pentagramms unserer Wienerwald-Leiche entspricht: ein Teil des Kreises und ein Teil des Jota vom Siegel lassen sich klar rekonstruieren." Das kann auch Alois erkennen, als am großen Bildschirm die Abdrücke übereinandergelegt werden.

    Hannes: „Alois, ich sage dir gleich, der Kollege in Bregenz war nicht schlampig. Ich an seiner Stelle hätte exakt den gleichen Bericht geschrieben wie er. Nun, da wir unsere Leiche aus dem Wienerwald haben, die nicht vollkommen verbrannt ist, wissen wir aber, wovon der Abdruck auf ihrer Brust stammt. Ich hatte ein Vergleichsstück und kann dir versichern, so wie du es eben gesehen hast - der Abdruck auf der Brust der Maria aus Vorarlberg stammt vom gleichen Eisen wie der bei unserer Maria aus dem Wienerwald.

    Alois, da ist jemand unterwegs, brandmarkt Frauen als Hexen und verbrennt sie dann anschließend?"

    Alois Gehirn beginnt zu arbeiten. Er denkt sich:

    Drei Frauen: eine Prostituierte, eine Kinesiologin bzw. Heilpraktikerin und eine Mentaltrainerin und Kräuterpädagogin.

    Zwei unverheiratet, eine zweimal geschieden.

    Alle mit dem Vornamen Maria.

    Alle drei waren zu ihrem Todeszeitpunkt anscheinend allein und verbrannten.

    Er musste dringend einen alten Schulkollegen anrufen und sich mit ihm unterhalten. Plötzlich hat er so viele Fragen an ihn.

    Er bedankt und verabschiedet sich - fast geistesabwesend - von Hannes, greift zu seinem Handy und wählt die Nummer, die er normalerweise nur zweimal im Jahr wählt. Es ist die Nummer seines alten Schulfreundes P. Martin, mit dem ihn über die Jahrzehnte so vieles verbindet.

    Rohr im Kremstal, Dienstag, 5. November 2019

    P. Martin sitzt wieder einmal auf seinem Stammplatz beim Kirchenwirt. Es ist Anfang November. Er genießt wie üblich sein dunkles Weißbier und die Stimmung im Wirtshaus. Neben der Stiftsbibliothek ist das sein Lieblingsort, er kann hier seinen Gedanken freien Lauf lassen. Gerne hört er auch zu, was so im Ort getratscht wird und wenn wer mit ihm reden will, kann er sich einfach zu ihm setzen. Dann waren sie mehr oder weniger ungestört. Die Leute setzten sich nun mal viel lieber zu ihm in seine Ecke im Wirtshaus, um ihre Sorgen los zu werden als dass sie ihm im Beichtstuhl besuchen. Hier im Wirtshaus hört er deshalb viel mehr von den Sorgen seiner „Schäfchen" als in Beichtstuhl oder der Kirche. Gut 15 Jahre war er schon Pfarrer in dieser kleinen 1.250 Einwohner zählenden Gemeinde nahe des Benediktinerstiftes Kremsmünster, wo er vor 30 Jahren eingetreten war. Jetzt unterrichtete er dort im Stiftsgymnasium an der Oberstufe Geschichte und bei den Pubertierenden in den dritten und vierten Klassen Religion. Insgesamt eine halbe Lehrverpflichtung, die er jeweils Dienstag und Donnerstag hält. Die diesjährige Maturklasse hat ihm heute gesagt, wer aller bei ihm maturieren will.

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