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Die Rohrleiche von Graben 13: Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973–1988
Die Rohrleiche von Graben 13: Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973–1988
Die Rohrleiche von Graben 13: Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973–1988
eBook166 Seiten1 Stunde

Die Rohrleiche von Graben 13: Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973–1988

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Über dieses E-Book

Neun Bücher über authentische Kriminalfälle hat Bernd Kaufholz seit 1999 inzwischen verfasst, und mit jedem davon seine Leserschaft immer wieder gefesselt, zuletzt mit dem »Leichenpuzzle von Anhalt« (2018). Anlass genug, die spektakulärsten davon in einer Best-Of-Ausgabe erneut zu präsentieren. Der Autor hat dafür die spannendsten 60 Fälle herausgesucht, die sich über einen Zeitraum von 386 Jahren spannen, angefangen mit einem historischen Kriminalfall von 1602 über Delikte in der sowjetischen Besatzungszone bis hin zu Schwerverbrechen in der DDR im Jahr 1988. Alle neu aufgelegten Fälle entstammen den nicht mehr lieferbaren Kaufholz-Bänden der Reihe »Spektakuläre Kriminalfälle«.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Sept. 2019
ISBN9783963112911
Die Rohrleiche von Graben 13: Die spektakulärsten Kriminalfälle der DDR 1973–1988
Autor

Bernd Kaufholz

Bernd Kaufholz, geb. 1952 in Magdeburg, studierte Maschinenbau und später Journalistik. Seit 1976 ist er Reporter bei der „Volksstimme“ in Magdeburg und ab 1993 als Chefreporter in vielen Kriegs- und Krisengebieten der Welt unterwegs. Seine Bücher trugen ihm den Titel „Ehrenkommissar des Landes Sachsen-Anhalt“ (2002) und eine Beförderung zum „Oberkommissar ehrenhalber“ (2011) ein. Kaufholz lebt im Jerichower Land.

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    Buchvorschau

    Die Rohrleiche von Graben 13 - Bernd Kaufholz

    Die Todesschüsse auf den ABV

    28. August 1973, Alfred-Kästner-Straße in Leipzig-Connewitz – Hinrichtungsgefängnis der DDR. Kurz vor Morgengrauen wird ein 24-Jähriger in den Todestrakt geführt. Dort wird ihm erklärt, dass das Urteil nun vollstreckt wird. Wenige Minuten später fassen zwei Begleiter Klaus Jemanke* links und rechts am Arm und bringen ihn in einen Nebenraum. In dem Moment, als er das leere Kellerzimmer betritt und wie alle Todeskandidaten vor ihm nicht damit rechnet, dass der Henker schon auf ihn wartet, fällt ein leiser Schuss. Der Verurteilte bricht nach dem Genickschuss tot zusammen.

    Der Schütze mit der Schalldämpfer-Pistole im toten Winkel hinter dem Häftling hat den Schlussstrich gesetzt unter den Seehäuser Polizistenmord, der von Anfang an auch ein politischer Fall war.

    Eineinhalb Jahre zuvor, 12. Februar 1972, gegen 23 Uhr. Klaus Jemanke hat im Seehäuser „Ratskeller" acht Bier und drei Kaffeelikör getrunken. Mit drei Bekannten verlässt er das Lokal. Unter ihnen Rudi Galle*. Auf dem Heimweg zum Breiten Weg im Zentrum der Bördestadt kommt es wegen Nichtigkeiten zur Rangelei zwischen den Angetrunkenen. Dabei zerreißt Jemanke den Anorak von Galle.

    Kurz darauf geht Jemanke die 15 Stufen zur Küche des Fachwerkhauses mit Anbau hinauf, in dem er mit seiner Mutter wohnt. Wenig später steht auch Galle in dem Raum. Er beschwert sich lautstark über die kaputte Jacke. Wieder braust Jemanke auf, nimmt zwei Messer aus dem Küchenschrank und dringt auf sein Gegenüber ein. Die Mutter des 22-Jährigen, Lucie Jemanke*, schreit laut auf. Das stoppt den Sohn. Der Hilfsarbeiter aus dem Hydraulikwerk Seehausen lässt sich die Messer entwinden.

    Der Hinterhofanbau in Seehausen, in dem Klaus Jemanke mit seiner Mutter wohnte

    Nachdem Galle wütend und mit der Drohung: „Dich zeig ich an!, die Wohnung verlassen hat, nimmt Klaus Jemanke eine Flasche „Hydropur-Fleckenwasser aus dem Regal und stürzt die scharfe Flüssigkeit in einem Zug herunter. Er greift nach einer zweiten Flasche. Im selben Augenblick krümmt er sich: „Mutti, Mutti, ich verbrenne!"

    Der junge Mann will sich umbringen, weil er weiß, dass ihn eine Anzeige hinter Gitter bringen wird. Denn er gilt in der Kleinstadt als Rowdy. Acht Monate zuvor ist er gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.

    Der von Jemanke in seiner Küche niedergeschossene Abschnittsbevollmächtigte Karl Laue. Der vorbestrafte Täter hatte Angst, von diesem wieder ins Gefängnis gebracht zu werden.

    Lucie Jemanke gibt ihrem Sohn Kondensmilch zu trinken. Nachdem er sich übergeben hat, geht es ihm wieder etwas besser.

    Jemanke hatte am 21. Februar 1971 in Seehausen zwei Rentnerinnen überfallen und misshandelt und danach in einer Gaststätte des Ortes randaliert, dabei den Leiter mit einem Messer bedroht. Als der ABV Ekkehard Hagel* eintraf, bedrohte der Schläger den Polizisten mit einer Schere und entriss ihm die Dienstwaffe. Erst als ein VP-Helfer eingriff, gelang es, den angetrunkenen Wüterich zu bändigen.

    Am 30. Juni 1971 erhielt der Seehäuser wegen vorsätzlicher „Körperverletzung und Beschädigung sozialistischen Eigentums einen Strafbefehl über 600 Mark. Das war jedoch nicht das erste Mal, dass der Bohrmaschinist negativ aufgefallen war. Ein Ordnungsstrafverfahren, weil er mit einem Luftgewehr auf Passanten geschossen hatte, weitere wegen ruhestörenden Lärms und ein Ordnungsgeld wegen „Missachtung eines Verkehrsschildes. Zumeist war es der Orts-ABV, Polizei-Unterleutnant Karl Laue*, der den jungen Mann am Kanthaken nahm. In Seehausen war es bald herum: Laue hat einen Rochus auf den Rowdy. Er sehe den Unruhestifter am liebsten hinter Gittern.

    Und genau das befürchtet Jemanke, als der ABV am 13. Februar 1972, kurz vor 11 Uhr, in der Küche steht. Noch in der Nacht hätten seine drei Trinkkumpane bei ihm die Sache mit dem Anorak angezeigt, erfährt er von Laue.

    Die Tatortskizze. Von Anfang an hatte der Fall eine politische Dimension.

    Jemanke empfängt den Mann in der grünen Uniform mit den Worten: „Was willst du blödes Schwein hier? Das macht das Maß beim ABV voll: „Was war gestern nach der Kneipe los? So geht das mit dir nicht weiter, schreit Laue, dreht sich um und will wieder gehen. „Die Sache habe ich sowieso schon dem Kreis gemeldet", fügt er an, da bekommt der 59-Jährige den ersten Schlag. Er wehrt sich, wird jedoch nieder geschlagen. Jemanke reißt ihm die Makarow aus der Pistolentasche.

    Der Polizist versucht sich am Arm des jungen Mannes hochzuziehen. Der schleudert ihn mit dem Rücken gegen den Küchentisch. Dann drückt er aus etwa einem Meter Entfernung ab.

    Da der ABV keine Reaktion zeigt, schießt er in die Wand, um zu testen, ob Platzpatronen in der Waffe sind. Als der 22-Jährige noch interessiert das Einschussloch im Mauerwerk betrachtet, hört er Laue stöhnen: „Frau Jemanke, ich sterbe, Hilfe, Hilfe, jetzt hat er mich in den Bauch geschossen."

    Die Dienstpistole „Makarow" des ABV Laue wurde zur Mordwaffe

    Der Polizist taumelt durch die Küche, hält sich den Bauch. Da schießt der Mörder ein zweites Mal – aus eineinhalb Metern in den Rücken. Der Grauhaarige fällt auf die Türschwelle. Weil das Opfer ein Polizist ist und somit nach DDR-Rechtsprechung ein „Angriff auf den Staat" vorliegt, übernimmt die Ermittlungsabteilung (IX) der MfS-Bezirksverwaltung sehr schnell die Untersuchungen. Wer der Täter ist, liegt auf der Hand. Zustellerin Lucie Jemanke, die dabei war, als ihr Sohn schoss, hat Alarm geschlagen.

    Während die Großfahndung läuft, werden im Breiten Weg Spuren gesichert. Der Tote in Polizei-Winteruniform liegt zwischen Flur und Küche auf der rechten Seite. Die MfS-Ermittler finden auf dem Fußboden ein Pistolenmagazin ohne Patronen, eine 9-Millimeter-Hülse, zwei graue Lederhandschuhe, eine Pelzmütze.

    Bei den Verletzungen handelt es sich um einen Durchund einen Steckschuss. Das erste Projektil blieb im vierten Lendenwirbel stecken, das zweite zerriss die Körperschlagader und verletzte das Rückenmark. Der Tod durch Verbluten, ergibt die Obduktion am 14. Februar, trat nach wenigen Minuten ein.

    Klaus Jemanke ist auf der Flucht. Zuerst will er sich irgendwo in Magdeburg verstecken und abwarten, bis sich alles wieder beruhigt hat. Doch weil er in der Bezirksstadt keinen Unterschlupf kennt, überlegt er sich die Sache wieder. Er geht zu Fuß über die Straße „Am Grauen Tor" zum Ortsrand Seehausens, in Richtung Dreileben, nimmt dann den Pfad über die Bahnlinie Eilsleben– Dreileben bis nach Dreileben, Kolonie. Um 11.45 Uhr steht er auf dem Grundstück von Familie Schnabs*. Otto Schnabs ist sein ehemaliger Sportlehrer und der Mörder weiß, dass der Dreileber ein Motorrad besitzt.

    Vor dem letzten Haus in der Kolonie am südlichen Ortsrand trifft er auf Walter Schnabs und Ehefrau Erika. „Fahr mich zur Autobahn!, fordert er. Inzwischen glaubt der Seehäuser, dass seine letzte Rettung die Flucht in den Westen ist. Doch Schnabs lehnt kategorisch ab. Da zieht Jemanke die Makarow, die er seinem Opfer abgenommen hat. „Ich habe jemanden erschossen, muss schnell weg, droht er, steckt die Pistole wieder in die Tasche seiner Kutte, behält jedoch den Finger am Abzug. Erika Schnabs bestärkt ihren Mann darin, nicht nachzugeben, und versucht den 22-Jährigen hinzuhalten. Da schießt der Seehäuser aus der Tasche. Das Projektil geht zwischen Erika und Walter Schnabs, die 1,30 Meter auseinander stehen, hindurch. „Mir war es egal, ob ich einen treffe", sagt der Täter später bei der Vernehmung.

    Otto Tramm*, Nachbar von Familie Schnabs, kommt herbeigelaufen. Als er noch zehn Meter vom Schützen entfernt ist, ruft er: „Schnabs fährt dich nicht. Ich hole die Polizei. Jemanke brüllt: „Stehen bleiben oder ich schieße! Diesen kurzen Moment der Unaufmerksamkeit nutzt das Ehepaar Schnabs, um ins Haus zu fliehen.

    Jemanke nimmt sich das Motorrad und rast an den acht Doppelhäusern der Kolonie vorbei, in Richtung Hauptstraße. Dort leiht er sich bei einer Bekannten einen Sturzhelm, damit er nicht von der Verkehrspolizei angehalten wird.

    Die Ermittlungen hat derweil der Bezirksstaatsanwalt, Abteilung I A/B, zuständig für Straftaten mit politischem Hintergrund, übernommen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass das Verbrechen nicht allein als Mord eingestuft wird. Doch davon weiß der Flüchtende nichts.

    Klaus Jemanke fährt auf der 150er ES, Kennzeichen HT 14-68, von Dreileben über Bergen nach Groß Rodensleben. Dann weiter über Klein Rodensleben, Niederndodeleben, Irxleben und Olvenstedt bis Magdeburg. Dort nimmt er den Weg über die Innenstadt, die Berliner Chaussee, Biederitz im Kreis Burg, Gerwisch und Möser bis zur Autobahnauffahrt Schermen.

    Zwanzig Meter hinter der Auffahrt nach Berlin stellt er das Motorrad am Waldrand ab. Er weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Eine knappe halbe Stunde zermartert sich Jemanke das Gehirn, doch er ahnt, dass er keine Chance hat. Er will sich erschießen. Um zu überprüfen, ob die Waffe noch funktioniert, drückt er in Richtung Wald ab. Doch sich selbst den Lauf an die Schläfe zu setzen, fehlt ihm dann der Mut.

    Der 22-Jährige fährt zurück nach Schermen. Fünfhundert Meter neben der Autobahn an einem Feldweg im sogenannten Karlshof trifft er auf Klaus Niemann*. Der ihm völlig Unbekannte wird zum „Beichtvater für den Mörder. Er gesteht dem Mann seine Tat und sagt zum Schluss: „Da läuft noch so ’n Schwein rum, das ich abknallen möchte, der zweite ABV in Seehausen, Hagel. Niemann ist geschockt, behält jedoch die Nerven. Er redet ruhig mit dem jungen Mann. Es gelingt ihm, Jemanke zu überreden, sich zu stellen. Gegen 13.50 Uhr

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