Die Tote im Abteiwald: Ein Eppertshausen-Krimi
Von Günter Fanghänel
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Über dieses E-Book
Bei der Obduktion stellte sich heraus, dass die Frau erdrosselt wurde und schwanger war.
Die Ermittlungen leitet Kriminalhauptkommissar Lutz Waski.
In mühevoller Kleinarbeit gelingt es den Vater des ungeborenen Kindes zu ermitteln. Daneben werden auch andere Spuren verfolgt, wobei einem in Alters- und Pflegheimen sein Unwesen treibenden Serienmörder das Handwerk gelegt werden konnte. Zum Schluss gelingt es auch den Mord an der jungen Frau aufzuklären.
Günter Fanghänel
Günter Fanghänel, geb. 1935 in Zeulenroda/Thür., ist promovierter und habilitierter Mathematikdidaktiker. Auf seinem Fachgebiet hat er in diversen Fachzeitschriften zahlreiche Beiträge veröffentlicht. Er ist Mitautor von Lehrbüchern und Schülermaterialien. 2009 hat er das populär-wissenschaftliche Buch Zauberlehrlinge und Zahlen heraus-gebracht (ISBN 9783-8370-8327-9). Günter Fanghänel ist seit über 65Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Mit seiner Frau lebt er seit vielen Jahren in Eppertshausen/Hessen. Er hat bisher sechs Kriminalromane geschrieben. Es sind dies: Der Tote vom Teufelstal. ISBN 978-3-8448-1229-9 Der Tote auf Gleis 2 ISBN 978-3-7322-8496-6 Die Tote in Kabine 8032 ISBN 978-3-8391-4764-1 Die Tote im Abteiwald ISBN 9783739249032 Der Tote in der Dreieichbahn ISBN 9783739249032 Die Toten bei der Thomashütte ISBN 9783754332412
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Buchvorschau
Die Tote im Abteiwald - Günter Fanghänel
Kapitel
1.
Der kleine beschauliche hessische Ort Eppertshausen liegt inmitten des Dreieckes Aschaffenburg – Darmstadt – Frankfurt.
An drei Seiten von schönen Wäldern umgeben, öffnet sich nur nach Süden der Blick über die Nachbargemeinde Münster bis zu den Hängen des Odenwaldes.
Die Geschichte von Eppertshausen ist wechselvoll. Bei der vom 5. bis zum 8. Jahrhundert erfolgten Landnahme durch die Franken wurden nur Felder und Wiesen Privateigentum, Wälder, Weiden, Gewässer und Bodenschätze blieben gemeinsames Eigentum aller und wurden durch sogenannte Markgenossenschaften verwaltet.
Eppertshausen, das im Jahre 836 erstmals als Ecgiharteshuson in einer Zinsliste der Benediktinerabtei Seligenstadt erwähnt wurde, gehörte zur Mark Babenhausen, heute eine kleine Stadt mit sehenswerten Resten der ehemaligen Befestigung und alten Fachwerkhäusern. Diese, sowie das gesamte Waldgebiet, genannt DIE ABTEI, waren im frühen Mittelalter im Besitz der Grafen von Hanau. Nach Westen und Norden erstreckte sich der WILDBANN DREIEICH. Zu dessen Schutz wurde an der Südflanke eine Turmburg errichtet, um die herum sich der Ort Eppertshausen entwickelte.
Als Vögte waren die in Dieburg ansässigen Herren von Groschlag eingesetzt. Dieburg gehörte fast im gesamten Mittelalter zum Erzbistum bzw. Kurfürstentum Mainz und ist heute bekannt durch seine Wallfahrtskirche, durch viele schöne Fachwerkhäuser und durch seinen jedes Jahr am Fastnachtsdienstag stattfindenden Umzug, einen der größten in Hessen. Bis 1799 hatten die Herren von Groschlag in Eppertshausen das Sagen, wobei gegenseitige Ansprüche zwischen den Erzbischöfen von Mainz einerseits und den Grafen von Hanau andererseits der Entwicklung des Ortes keineswegs förderlich waren. Dieser Streit gipfelte in einer Entscheidung des Reichstages zu Konstanz von 1507, wonach die wirtschaftlichen Belange durch das Märkergericht Babenhausen, also den Hanauern, entschieden wurden, politische Belange aber durch das Zentgericht Dieburg, also den Mainzern.
Ab 1806 gehörte Eppertshausen dann zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt und damit nach 1945 zum Bundesland Hessen.
Im 19. Jahrhundert waren Töpfereien, Ziegelhütten und später auch Lederwarenfabrikationen neben der nach wie vor dominierenden Landwirtschaft wichtige Erwerbsquellen für die Bevölkerung. Als dann 1905 die Dreieichbahn zwischen Dieburg und Dreieich-Buchschlag ihren Betrieb aufnahm, waren die Städte Darmstadt und Frankfurt leichter erreichbar. Viele Pendler nutzten nunmehr den Bahnhof Eppertshausen, was wesentlich zu einem weiteren Aufschwung des Ortes beitrug. Bei der 1974 in Hessen vorgenommenen Gebietsreform, die im Norden die künstliche Stadt Rödermark hervorbrachte und im Osten viele Dörfer nach Babenhausen eingemeindete, gelang es Eppertshausen, seine Selbständigkeit zu bewahren.
Dies, sowie die zentrale geografische Lage zusammen mit einer recht guten Verkehrsanbindung über Schiene und Straße, vor allem aber die sehr kluge und vorausschauende Kommunalpolitik der vergangenen 15 Jahre, geführt von einem jungen, sehr engagierten Bürgermeister, waren ursächlich, für die sehr positive Entwicklung des Ortes. So wurde 2007 das Gewerbegebiet Park 45 seiner Bestimmung übergeben und in den Neubaugebieten Im Eichstumpf und Am Abteiwald sind in den letzten Jahren zahlreiche Neubauten, meist Einfamilienhäuser, entstanden, womit die Lücke zum vorher etwas abseits gelegenen Ortsteil Failisch nahezu geschlossen wurde. Heute wohnen etwa 6.500 Frauen, Männer und Kinder in Eppertshausen.
Ursula Schreiner war eine von ihnen. Sie war mit ihren 67 Jahren immer noch eine sehr attraktive Frau. Vor sechs Jahren hatte sie über das Internet einen verwitweten ehemaligen Bauunternehmer kennengelernt und zwei Jahre später geheiratet. Ihr Mann verstarb allerdings wenig später an einem durch langjährigen starken Alkoholkonsum verursachten Leberversagen. Sein schönes Zweifamilienhaus in der im Ortsteil Failisch liegenden Vogelsbergstraße hatte er vorher seinen beiden Söhnen überschrieben. Die erste Etage wurde durch die Söhne vermietet. Für die Erdgeschosswohnung und den Garten hat aber Ursula Schreiner notariell beglaubigtes lebenslanges Wohnrecht.
Die ersten Jahre nach dem Tod ihres Mannes waren für sie recht einsam. Da sie aus Franken zugezogen war, hatte sie kaum Kontakte im Ort und nur ihre Labradorhündin Stella sorgte dafür, dass sie in Bewegung blieb. Dann engagierte sich Ursula in der Seniorenhilfe, einem 1998 gegründeten Verein, der nach dem Motto
Alt hilft Jung und Jung hilft Alt arbeitet und übernahm dort einmal wöchentlich Bürostunden. Auch wurde sie Mitglied im Seniorenturnverein und ging oft zu den immer dienstags stattfindenden Übungsstunden. Gut war auch, dass sie nach wie vor mit ihrem acht Jahre alten Golf unterwegs sein konnte. Stella fuhr gern mit im Auto und war schon immer ganz aufgeregt, wenn ihr Frauchen den Autoschlüssel vom Haken nahm.
Ein glücklicher Umstand war es, dass Ursula Schreiner vor drei Jahren ihre Nachbarin Else Niendorf, die zwei Häuser weiter wohnte, näher kennenlernte. Diese war mit ihrer Mischlingshündin unterwegs gewesen und es stellte sich schnell heraus, dass beide Frauen in nahezu gleichen Verhältnissen lebten. Else Niendorf war ebenfalls verwitwet und wohnte in ihrem Einfamilienhaus allein. Ihr Auto war ein Opel Corsa. Beide Frauen wurden rasch gute Freundinnen und gingen bei fast jeder Wetterlage dreimal täglich mit ihren Hunden spazieren. Meist führte sie ihr Weg in den Abteiwald, der gleich hinter dem Failisch begann und sich bis zum östlichen Nachbarort Hergershausen erstreckte. Da der gesamte Wald Wassereinzugsgebiet ist, führen zahlreiche, gut begehbare Wege hindurch und an vielen Stellen sind Brunnen zu sehen, die alle eine Nummer tragen.
Beide Frauen hatten es sich zur Angewohnheit gemacht, nach der Nachmittagsrunde noch bei einer Tasse Kaffee zusammen zu sitzen.
Auch übernahm jede gern den Hund der anderen, wenn diese Dinge zu erledigen hatte, bei denen ein solches Tier nicht erwünscht war.
Am 29. März, einem Freitag, musste Ursula Schreiner den Nachmittagsspaziergang allein mit ihrer Stella unternehmen, da ihre Freundin mit ihrem Hund einen Tierarzttermin hatte.
Es war ein schöner Frühlingstag. Das erste Grün zeigte sich an den Büschen, die das Unterholz im Abteiwald bildeten. Ursula ging einen gewohnten Weg und Stella, die recht gut erzogen war, lief bei Fuß. Plötzlich aber rannte sie davon, sprang über einen kleinen Graben am Wegesrand, blieb vor einer kleinen Kuhle neben dem Brunnen 25 stehen und bellte lauthals. Ihr Frauchen, der ein solches Verhalten völlig unerklärlich war, eilte herbei, um zu sehen, was der Hund entdeckt hatte. Sie sah sich die Kuhle genauer an und ihr Herz stockte. Seitlich aus dem Erdreich ragte deutlich das Skelett einer Hand hervor. Ursula Schreiner rief ihren Hund, leinte ihn an und griff zum Handy, das als Uhrzeit 13:37 Uhr anzeigte. Der Notruf 110 wurde sofort entgegen genommen. Ursula schilderte ihren Fund und konnte dank der am Brunnen angebrachten Bezeichnung auch eine genaue Lagebeschreibung geben. Man bat sie um ihre Personalien und forderte sie auf, das Eintreffen eines Streifenwagens abzuwarten.
Polizeiobermeister Philip Martin von der Polizeistation Dieburg war mit seiner Kollegin gerade auf routinemäßiger Streifenfahrt im östlichen Teil des Landkreises Darmstadt/Dieburg unterwegs. Die beiden hatten gerade Münster passiert als sie der Anruf der Zentrale zum Brunnen 25 im Abteiwald beorderte. Eine Eingabe in ihr Navi zeigte den beiden Polizisten, dass sie die von Eppertshausen nach Hergershausen führende L 3095 kurz nach dem linker Hand liegenden Waldfriedhof nach links verlassen und den Waldweg noch etwa 400 Meter folgen mussten.
Ursula Schreiner hatte etwa 10 Minuten gewartet, als der Streifenwagen bei ihr eintraf. Sie schilderte, wie ihr Hund plötzlich losgelaufen sei und seinen Fund lauthals verbellt habe. Philip Martin sprang über den kleinen Graben und sah sich die Sache genauer an, während seine Kollegin inzwischen die Personalien der Hundebesitzerin aufnahm. Polizeiobermeister Martin kam zurück und wollte wissen, ob Ursula Schreiner irgendwas am Fundort verändert habe oder ob ihr Hund vielleicht dort gescharrt haben könnte. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass Frau Schreiner den Graben überhaupt nicht überquert habe und ihr Hund so erzogen sei, dass er Funde lediglich verbelle. „Ich denke, hier liegt nicht nur das Skelett einer Hand, sagte er zu seiner Kollegin. „Wir müssen hier absperren und die Zentrale verständigen. Fährst du bitte zur L 3095 zurück, rufe die Zentrale an und sorge dafür, dass niemand den Waldweg nach hier befahren oder betreten kann. Ich warte solange hier.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis von der Dieburger Polizeistation Oberkommissar Uwe Krause eintraf. Er ließ sich von Ursula Schreiner die Situation nochmals schildern und schaute dann in die Kuhle. An seinen Kollegen Martin gewandt sagte er: „Das hier ist sicher eine Sache für die MUK, ich werde Darmstadt verständigen
, und griff zum Handy. Dann wandte er sich Frau Schreiner zu: „Sie werden sicher gern nach Hause wollen. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen. Ihre Adresse haben wir. Aber bleiben Sie bitte zuhause, wir oder Kollegen von uns werden nachher sicher noch mal bei Ihnen vorbei kommen und bitte bewahren Sie über die Sache hier vorerst Stillschweigen."
Mit den Worten: „Komm Stella, wir gehen heim, verabschiedete sich Ursula Schreiner und dachte so bei sich: „Das mit dem Stillschweigen ist ja gut und schön, wenn aber nachher Else vom Tierarzt zurück ist und wie verabredet zum Kaffeetrinken kommt, werde ich ihr natürlich alles erzählen.
2.
Freitag; 13:00 Uhr
Im geräumigen Beratungsraum der Regionalen Kriminalinspektion Darmstadt (RKI) gleich neben dem Büro der Leiterin, Polizeioberrätin Juliane Weißgerber, hatten sich, wie an jedem Freitag um diese Zeit die Leiterinnen bzw. Leiter der einzelnen Kommissariate versammelt. Es galt, sich gegenseitig über die Ergebnisse der vergangenen Woche zu informieren und die Planungen für die nächsten Tage abzustimmen.
Abweichend von der üblichen Reihenfolge forderte Juliane Weißgerber zuerst Markus Borgert, den Leiter des Kommissariates K 21/22 Bandenmäßige Eigentumskriminalität, Kraftfahrzeugdiebstahl, Wohnungseinbruch mit folgen Worten zu einem Lagebericht auf: „Markus, ich weiß, dass ihr an einer ziemlichen großen Sache dran seid, würden Sie uns bitte alle auf den neuesten Stand bringen."
Hauptkommissar Borgert nahm das Wort. „Ihr wisst, dass wir es in der letzten Zeit mit einer Serie von Wohnungseinbrüchen zu tun hatten, bei denen mit außerordentlicher Dreistigkeit nicht nur einzelne Wohnungen das Ziel waren, sondern meist alleinstehende Häuser, besser sollte ich wohl sagen Villen, regelrecht leer geräumt wurden. Bisher waren es fünf Objekte im westlichen Kreisgebiet, die alle von ihren jeweiligen, stets ziemlich gut betuchten, Besitzern durch recht moderne Alarmsysteme geschützt waren – oder besser – sein sollten. Interessant ist, dass diese alle von der gleichen Firma konzipiert und eingebaut wurden.
Wir vermuten, dass hinter dieser Einbruchserie eine gut organisierte Bande steckt und arbeiten deshalb ganz eng mit Hauptkommissar Volker Matthes zusammen, der ja die Abteilung Bandenmäßige Eigentumskriminalität leitet. Volker, vielleicht kannst du jetzt weiterreden."
Kommissar Matthes übernahm: „Ich will mich kurz fassen. Wir haben einen Tipp erhalten von einem Mitglied der Bande, die hauptsächlich aus Osteuropäern, vorwiegend Russen, besteht, aber höchstwahrscheinlich von Deutschen geführt wird. Nach dessen Aussage, die natürlich mit aller Vorsicht bewertet werden muss, ist in den nächsten Tagen ein Einbruch in die Villa des Unternehmerehepaares Reutersheim in Eberstadt geplant. Wir haben uns mal ein bisschen schlau gemacht. Die Villa liegt in einem kleinen Park und wird nur vom Ehepaar Reutersheim bewohnt. Die Kinder sind aus dem Haus, die Tochter arbeitet als Ärztin in Hamburg, der Sohn ist Mitinhaber einer Rechtsanwaltskanzlei in Konstanz. Beide haben Familie und Kinder. Im Haus gibt es zwei Angestellte, die auch zeitweise dort wohnen, aber auch eigene Wohnungen hier in der Stadt haben. Am Eingang des Parks steht ein kleines Häuschen. In dem lebt seit langem ein älteres Ehepaar. Er ist so um die sechzig und als Hausmeister, Gärtner und Fahrer bei den Reutersheims beschäftigt. Sie ist etwas jünger und fungiert praktisch als Mädchen für alles. Gestern nun hatten Maria und Egon Reutersheim Goldene Hochzeit. Ihre Anteile an einer gut gehenden Firma für Autoteile hatten sie gewinnbringend verkauft und derzeit ist die ganze Familie auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Die Kinder fliegen von dort zurück. Das goldene Hochzeitspaar wird aber noch mindestens ein halbes Jahr auf Weltreise bleiben. Die Villa steht also leer. Den beiden Angestellten wurde für diese Zeit bezahlter Urlaub gewährt, eine Security-Firma schaut zweimal täglich nach dem Rechten. Die Alarmanlage ist mit der Zentrale dieser Firma verbunden. Bei Alarm wird von dort die Polizei informiert und spätestens nach 10 Minuten sind Securitymitarbeiter sowie ein Streifenwagen von uns vor Ort. Weil die Einbrecherbande aber den Alarm bisher jedes Mal umgehen konnte, denke ich, dass sie dieses Objekt ideal findet. Wir sollten unserem Informanten glauben und dort eine Falle aufbauen. Bisher sind nur wenige Kollegen informiert und das sollte bis auf weiteres auch so bleiben, damit keine Warnung herausgehen kann, falls wir irgendwo einen Maulwurf haben. Dennoch müssen wir umfangreiche Vorbereitungen treffen und brauchen