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Memorial der Laura Prochaska: Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945
Memorial der Laura Prochaska: Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945
Memorial der Laura Prochaska: Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945
eBook91 Seiten1 Stunde

Memorial der Laura Prochaska: Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945

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Über dieses E-Book

Am Ende des Zweiten Weltkriegs flieht die verwitwete Laura Prochaska vor den anrückenden Russen, muss aber nach einer sechswöchigen Irrfahrt in ihre Brünner Wohnung zurückkehren. Den nachfolgenden tschechisch-russischen Todesmarsch in Richtung Wien kann sie überleben.
Im Brünn der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn 1880 als Kind der angesehenen Familie Swadosch geboren, wird sie nach dem Ersten Weltkrieg mit Ehemann und drei Kindern tschechoslowakische Staatsangehörige und ist danach im Nazi Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Ihre Ruhestätte findet sie in einem Massengrab in Wien.
Selbstbewusst und lebenslustig trotzt sie ihrem Schicksal.
Eine deutsch-tschechische Geschichte, ein authentisches Kaleidoskop des Sudetenlands und einer Brünner Bürgerfamilie über zwei Generationen.
Das handschriftliche Memorial der Laura Prochaska über ihre Flucht und Vertreibung 1945 aus Brünn ist eine ergreifende Schilderung des Kriegsunrechts. Es wurde von ihr unmittelbar nach der Vertreibung niedergeschrieben und ist als seltenes Zeitdokument wörtlich wiedergegeben.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum13. Feb. 2017
ISBN9783743108547
Memorial der Laura Prochaska: Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945
Autor

Gerfrid Arnold

Gerfrid Arnold hat seit seiner ersten Veröffentlichung über Dinkelsbühl 1988 die Stadtgeschichte erforscht. Als langjähriger Stadtarchivar und Schriftleiter des Periodikums "Alt-Dinkelsbühl" verfasste er zahlreiche Beiträge. Zu wichtigen Themen konnte er Neues publizieren, u.a. zur Stadtbefestigung und ein vierbändiges Hauslexikon. In der Reihe "Dinkelsbühl Geschichte light" fasst er seine Kenntnisse in den Bänden "Die Stadtgeschichte", "Die Judenschaft", "Der Hexenwahn", "Die Kinderzeche" und "Die Stauferstadt" zusammen.

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    Buchvorschau

    Memorial der Laura Prochaska - Gerfrid Arnold

    AM 30. MAI 1945

    MUSSTEN DIE DEUTSCHEN

    AUS BRÜNN UND DER SPRACHINSEL

    IHRE HEIMAT VERLASSEN.

    MÖGEN IN ZUKUNFT ALLE MNSCHEN IN EUROPA

    IN FRIEDEN UND UNTER ACHTUNG

    DER MENSCHENRECHTE LEBEN.

    ERRICHTET VOM HEIMATVERBAND

    DER BRÜNNER BRUNA

    IM MAI 1995

    (Gedenkstein in Deutsch und Tschechisch am Eingang zum Mendelanium im Altbrünner Klostergarten)

    Dank

    gilt meiner Frau Elisabeth.

    Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden.

    Sie führte mich zu den meisten

    der hier genannten Orte

    in Tschechien und nach Brünn.

    Laura Prochaska, zwanzigjährig, aufgenommen 1900.

    Hochzeitsbild von Franz und Laura Prochaska 1909.

    Erste Seite des Memorials.

    Letzte Seite des Memorials.

    *

    Sie saß einfach da, fühlte sich zu erschöpft, um herumzugehen und etwas zu tun, damit sie zur Ruhe käme.

    Sie hatte die Schuhe von den Füßen gestreift, die Ärmel ihres Kleides nach oben gekrempelt, saß einfach da am Küchentisch. Der Spätjuni hatte regelrechte Hitzetage gebracht und schwüles Wetter. Sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog, ihre erregte Nervosität.

    Vertrieben, heimatlos, arm. Sie war verbittert, sie wollte nie mehr in ihr einst so geliebtes Brünn zurück, nie mehr durch die Straßen wandern.

    Mühsam stützte sie ihre Hände auf die Tischkante und zog sich hoch, schlurfte über den kühlen Steinboden ins Zimmer.

    Sie suchte nach Schreibpapier, sie musste sich die Sache von der Seele schreiben, sich beruhigen, wieder klar denken.

    In der Kommodenschublade fand sie einen Füllfederhalter, halbleer, und ein kleines Haushaltsheftchen mit blau karierten Rechenkästchen, in dem einige Zahlenkolonnen mit Ausgaben für Lebensmittel standen.

    „Das will eh keiner mehr wissen, alles bedeutungslos geworden, dachte sie, „ohne Sinn, wer weiß, wo die Hilde ist.

    Vorsichtig riss sie die Heftpappe mit dem Titel „Haushaltung" herunter, löste sorgsam die benützten Seiten von den beiden Heftklammern.

    Über zwei Kästchenreihen hinweg schrieb sie auf das erste Blatt, gut leserlich in lateinischen Buchstaben:

    Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende!

    1945

    Empört setzte sie ein Ausrufungszeichen. Darunter das Jahr 1945. Gedankenverloren starrte auf den Titel, dann rappelte sich auf und begann energisch in deutscher Schrift, die ihr geläufiger war, ihr Memorial zu schreiben.

    Anfangs wollte ich immer zur Hilde nach Roggendorf, aber ich bekam keinen Durchlassschein, weil die Bahnen nur für Militär waren, und nachher, als ich den Schein bekam, konnte ich nicht mehr zur Hilde.

    So entschloss ich mich am 16. April mit einem Auto gegen Iglau zu flüchten.

    *

    „Wie konnte es nur soweit kommen mit dir, Laura Josefa Swadosch?"

    Im Jahr 1880 in Brünn geborene Swadosch – in Brünn, der Hauptstadt von Mähren, Teil der großen kaiserlichen und königlichen Monarchie Österreich-Ungarn, k.u.k.!

    Und jetzt saß sie in Niederösterreich, im Bauerndörfchen Roggendorf, sechzig, siebzig Kilometer von Wien entfernt, im russisch besetzen Gebiet. Sie lebte hier im nicht benötigten Ausgedinge eines Hofes, die alten Bauersleute waren verstorben. Ihre Tochter Hildegard war im Januar 1944 aus Wien evakuiert worden und hatte es angemietet.

    Immerhin hatte sie den berüchtigten Brünner „Todesmarsch" überlebt. Eine ausgesprochene Kämpfernatur wie sie gab nicht auf. Sie war beherzt, hart im Nehmen, packte zu, war noch jeder Situation in ihrem Leben gewachsen gewesen.

    In ihren Adern floss unverkennbar slawisches Blut. Das herabgezogene Mongolenlid, die schmalen Augen, braungrün gesprenkelt, eine hakige Nase und die hoch angesetzten Backenknochen ließen Zähigkeit und Willenskraft erkennen.

    Heute bin fünfundsechzig Jahr alt und bin ohne Wohnung, ohne Pension, hab nichts als ein paar Habseligkeiten in einem Kofferl, von meinen Kindern weiß ich nichts.

    Wie lange ich das aushalten werde, weiß ich nicht. Es muss doch endlich anders werden.

    Wo werde ich mein müdes Haupt endlich in Ruhe niederlegen? Wohl nur im Grabe.

    Anfang des Monats war sie fünfundsechzig geworden. Ihr immer noch langes, dichtes Haar, einst schimmerndes Kastanienrot, war von grauen Strähnen durchzogen.

    Sie sah an sich herab und betrachtete ihre Kleidung. Sie, die sich ihre Kleider auch in schlechtesten Zeiten von der Schneiderin hatte nähen lassen; sie, die Schmuck über alles liebte, ihre Ohrgehänge stets farblich passend zur Kleidung wählte, sich für Bälle, Konzerte und Theater mit auffälligem Schick anzog, trug nicht einmal ihr eigenes Gewand. Alles war zu weit, hing an ihr wie ein Sack. Von einer Verstorbenen genommen. Sie, die immer großen Wert auf Benehmen und Erziehung gelegt hatte, saß da ohne Schuhe und Strümpfe, mit bloßen Füßen.

    „Was werden nur die Leute sagen!", war ihr geflügeltes Wort gewesen.

    *

    Eine geborene Swadosch, verheiratete Prochaska. Sie hatte ihr Leben in Brünn verbracht, zwei Generationen lang! In Brünn war sie auf die Welt gekommen, wie schon ihr Vater, Rudolf Johann Swadosch, und auch dessen Eltern hatten in Brünn gewohnt.

    Als junger Mann war ihr Vater in der kaiserlichen Wiener Hofburg Gendarm gewesen, da musste er Junggeselle sein und bleiben. Als er dann ihre Mutter heiratete, die ernste Josefa Onderka aus Köhlersdorf (Kylesovice) bei Troppau (Opava) in Mährisch-Schlesien, war er zur Brünner Stadtpolizei gewechselt. So einfach war das in der Doppelmonarchie gewesen, im Kaiser- und Königreich Österreich-Ungarn.

    „Und jetzt sind die Russen in Wien und ruinieren alles, dachte sie, „und über die Grenzen kommt man nur mit Passierscheinen. Für alles und überall braucht man Scheine.

    Damals,

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