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Heilige Drachen Band II: Korea und Japan
Heilige Drachen Band II: Korea und Japan
Heilige Drachen Band II: Korea und Japan
eBook397 Seiten4 Stunden

Heilige Drachen Band II: Korea und Japan

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Über dieses E-Book

Ein Wanderung durch die alten Religionen in Korea und Japan vom Schamanismus und esoterischen Buddhismus bis zum Zen mit dem Schwerpunkt auf die Mythologie der glückbringenden Drachen.
Überlieferung, Volksglaube und Buddhismus gesehen aus alten Schriften und persönlichen Begegnungen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Dez. 2022
ISBN9783347779938
Heilige Drachen Band II: Korea und Japan
Autor

Gerhardt Staufenbiel

Der Autor blickt auf eine Jahrzehnte lange Erfahrung als Philosophie Dozent zurück. Aber auch die japanischen Übungswege des Zen, der Teezeremonie haben sein Denken geprägt. Langjähriger Lehrer, Gründer und Leiter des Myōshin An, Dōjōs für Zenkünste und der Zen Shakuhachi . Er ist Verfasser einer ganzen Reihe von Büchern über die Zenkünste, Hölderlin und Zenmeister Dōgen, die immer aus dem Dialog zwischen dem Abendland und dem fernen Osten geprägt sind. Sein Bemühen gilt dem Dialog zwischen dem abendländischen Denken und dem Denken und der Praxis des japanischen Zen und des chinesischen Denkens im Daoismus.

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    Buchvorschau

    Heilige Drachen Band II - Gerhardt Staufenbiel

    Drachen in den fünf Farben

    Diejenigen Wesen, welche im Dunkel verborgen leben oder sterben können sind: Die Schafgarbe, die Schildkröte und die Drachen.

    Der Drache im Wasser verbirgt sich durch die fünf Farben. Deshalb ist er göttlich (shen 神).

    Wenn er klein sein möchte, nimmt er die Gestalt eines Seidenwurms an. Wenn er groß sein möchte, verbirgt er sich in der gesamten Welt.

    Wenn er zu erscheinen wünscht, streicht er durch die Wolken, wenn er verschwinden möchte, verbirgt er sich in tiefen Brunnen.

    Er, dessen Erscheinungen nicht durch die Tage begrenzt ist, und dessen Erscheinen oder Verschwinden nicht durch die Zeit beschränkt wird, wird ein Gott (shen 神) genannt.

    Aus dem Guan Zhong Zi

    Drachen verbergen sich in den fünf Farben der fünf Elemente.

    So sind sie überall und Alles. Aber nur wer sie mit dem Herzen sieht, kann sie erkennen. Für alle Anderen sind es einfach Berge und Täler, Bäche und Felsen, Bäume und Gräser, Tiere und Menschen.

    Nirgendwo sind Drachen zu sehen, aber sie sind überall!

    Guan Zhong lebte um 650 vor unserer Zeit in China.

    Er war Kanzler und enger Berater des Herzogs von Qi.

    Er war nicht nur ein hochrangiger Politiker,

    sondern auch ein Daoistischer Denker.

    Politisches Handeln und besinnliches Leben waren für ihn eine Einheit.

    Gesang der Drachen

    Draußen vor dem Fenster liegt dichter Nebel. Alles versinkt im undurchdringlichen Grau des Herbstabends. Auch die Kirche ist im Grau verschwunden. Kein Laut dringt herauf vom kleinen Dorf im Tal.

    Die Welt ist still geworden und hält den Atem an.

    Der goldene Wind hat schon längst die bunten Blätter zu Boden geweht. Drunten war der Grund herbstlich leuchtend aufgeblüht, aber nun sind alle Farben verschwunden.

    Droben am Waldrand liegt nun weißer Raureif auf den Wiesen. Kahl und dürr ragen die Zweige der Bäume in den verhangenen Himmel. Scheinbar ist alles Leben geschwunden und die Welt versinkt schweigend und still im farblosen Grau. Aber dies ist die Zeit, in der man die Drachen singen hören kann.

    Ein Mönch fragte den Meister:

    „Was ist der wahre WEG?"

    „In einem kahlen Baum singt ein Drache!"

    Sie singen zwar immer, aber der Lärm des Alltags übertönt ihren Gesang und der bunte Sturm der Blüten verbirgt die Drachen im rauschhaften Frühling und Sommer.

    Ein Mönch fragte seinen Meister:

    »Ich wundere mich, ob es auch nur einen Menschen gibt, der das Singen des Drachen hören kann!«

    Der Meister antwortete:

    »Auf der ganzen Erde gibt es niemanden, der es nicht hört!«

    »Was ist das Singen des Drachen in einem kahlen Baum?«

    »Das Blut des Lebens versiegt niemals!«

    Einleitung

    1. Korea und Japan

    Im ersten Band über die ‚Heiligen Drachen‘¹ wurden die Drachen in der Alten Welt, in Indien und China betrachtet. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf die Geschichten von Drachen in Korea und Japan. Man kann unmöglich über koreanische oder japanische Drachen sprechen, ohne die chinesischen Ursprünge zu kennen. Und Korea war der Vermittler der chinesischen Kultur nach Japan. Später haben dann japanische Mönche China besucht, aber die chinesische Kultur kam zunächst von Korea aus nach Japan.

    Die meisten westlichen Menschen haben kaum eine Vorstellung von Korea. Wir haben höchsten vom Korea-Krieg gehört, aber das ist auch schon lange her. Dann gibt es dort in Nordkorea einen dicklichen Diktator, der Raketen starten lässt und mit Atomwaffen spielt. Damit ist unser Wissen über Korea in der Regel schon zu Ende.

    Auch die Wissenschaft hat Korea und die koreanische Kultur bei weitem nicht so untersucht wie die japanische Kultur. Deutschland hatte schon seit langem ein besonderes Verhältnis zu den Japanern, den ‚Preußen Ostasiens‘. Aber Korea kam im deutschen Bewusstsein kaum vor.

    Deshalb wird in diesem Buch nicht nur von den Drachen in Korea die Rede sein. Erlebnisse von Reisen durch Südkorea und Begegnungen mit Mönchen, Schamanen und Literaten lassen Südkorea und seine Kultur lebendig werden. Es gibt in Korea durchaus auch eine starke christliche Bewegung. Es gibt sogar mehr Christen als Buddhisten in Korea. Aber in diesem Buch wird vom viel älteren Buddhismus und vom ursprünglichen Schamanismus berichtet, denn das Thema sind die Drachen in Korea. Drachen aber kamen durch den Buddhismus aus China nach Korea und auch nach Japan.

    In Korea gibt es weitaus ältere buddhistische Tempel als in Japan. Manche der alten Buddha-Figuren erinnern noch sehr stark an die hellenistischen Vorbilder.

    Auf der Karte des alten Korea erkennt man die geografische Lage von China, Japan und Korea im Mittelalter. Korea im Zentrum der Karte wird gebildet durch die „Drei Königreiche" Goguryeo im Norden, Baekje und Silla im Süden. Das Gebiet von Gaya wurde Teil des Königreiches Silla. Im späteren Verlauf der Geschichte wurden die drei koreanischen Königreiche zum Vereinigten Königreich Silla zusammengefügt. Die restliche große Landmasse ist China, das direkt an Korea angrenzt.

    Bild 1 China - Korea - Japan

    Das Reich WA im Südosten ist das alte Japan mit der südlichen Insel Kyūshū und dem lang gestreckten Zentral-Honshū im Nordosten, das nur noch zum Teil auf der Karte zu sehen ist. Der Name WA, der wörtlich „Harmonie" bedeutet, stammt aus einem Schreiben eines chinesischen Kaisers an den Herrscher von Japan. Der Herrscher des Landes Yamato - die alte einheimische Bezeichnung für Japan, deren Bedeutung wir heute nicht mehr kennen, weil es aus einer alten Sprachschicht stammt - hatte gehört, dass es weit im Westen eine Provinz gab, die noch keinen Tribut an ihn zahlte. Also forderte er den chinesischen Herrscher zur Tributzahlung auf. Der war recht verdutzt darüber, dass es offenbar so weit im Osten im Meer noch ein Land gab. Er stellte nun seinerseits fest, dass dieses Land keinen Tribut an ihn zahlte, obwohl es doch offenbar wesentlich kleiner war als China. Also forderte er den Herrscher von Yamato auf, sich zu unterwerfen und seinerseits Tribut an China zu zahlen.

    In seiner Botschaft an das Land Yamato benutzte er das Schriftzeichen 和 - Wa, Harmonie, um das Land zu benennen. Das führt nun zu der vollkommen irritierenden Situation, dass dieses Schriftzeichen als Wort für Harmonie als „WA ausgesprochen wird. Wenn es aber das Gebiet um die alte japanische Hauptstadt Nara bezeichnet, muss es als „Yamato gelesen werden. Da soll sich nun noch einer auskennen! Das ist ja fast so wie in München, wo an dem berühmten Platz ein Schild mit dem Namen Karlsplatz steht, aber das wird in München immer als Stachus ausgesprochen.

    In Yamato realisierte man nun allmählich, dass China so groß war, dass man sich besser nicht mit dessen Herrscher anlegen sollte. So behandelte man das Problem auf typisch japanische Art: Einfach Schweigen über die Angelegenheit breiten. Dann erledigt sich alles von selbst! Schließlich lag das Inselland Japan fast unerreichbar weit entfernt im Osten, im Bereich der ‚aufgehenden Sonne‘ oder der ‚Wurzel der Sonne‘ Ni-hon oder Ji-pon oder modern in westlichen Sprachen - Japan.

    Das nördliche Goguryeo - zum Teil das heutige Nordkorea - erstreckte sich bis weit in Gebiete des heutigen China hinein. Korea bildet also eine ganz natürliche Brücke zwischen China und Japan. Das wurde mir einmal ganz klar, als ich an der Küste in Südkorea stand, südlich der Stadt Pusan, auf der Karte im Gebiet von Gaya. Man hat geradezu das Gefühl, als ob man fast zu Fuß von Insel zu Insel wandern könnte, um nach Japan zu gelangen. Mit dem Schnellboot ist man kaum eine Stunde bis Japan unterwegs.

    Später versuchten japanische Mönche, ohne den Umweg über Korea direkt nach China zu gelangen. Aber das war eine weite und gefährliche Überfahrt, wenn man es nicht vorzog, an der koreanischen Küste entlang zu fahren. Die Nordroute nach China wurde deshalb nie versucht, weil der Norden Japans nur sehr dünn besiedelt war und das Nordmeer viel zu gefährlich für Überfahrten ist. Außerdem kam man dann so weit nördlich auf das Festland, dass man schon in Sibirien landete. Auch auf der Südroute, bei der man Korea umschiffen musste, war das Meer sehr oft stürmisch und nur wenige der Schiffe erreichten schließlich China.

    Um das Jahr achthundert versuchte der japanische Mönch Ennin¹ mit einer offiziellen Gesandtschaft in das China der Tang-Zeit zu gelangen, um dort den Buddhismus zu studieren. In seinem Tagebuch der Reise schildert er die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten.² Von vier Schiffen kamen nur zwei bis zur chinesischen Küste. Das Schiff mit dem Gesandten des Tennō wurde abgetrieben und zerschellte schließlich am Ufer. Das Schiff Ennins lief auf Felsen und wurde langsam von der Brandung zerstört. Mit Mühe gelang es der Besatzung, das Land zu erreichen. Er konnte nicht chinesisch sprechen, aber er beherrschte die chinesische Schrift. So unterhielt er sich ‚mit dem Pinsel‘. Das heißt, dass beide Parteien ihre Fragen und Antworten mit dem Pinsel schrieben, ohne dass sie jeweils die andere Sprache sprechen konnten. Ennin musste sich meistens als Koreaner ausgeben, denn die Chinesen hielten es einfach nicht für möglich, dass jenseits des Meeres weiter östlich von Korea noch ein Land existieren sollte. Für sie war das Ostmeer unendlich weit und ohne Grenze. Ennin traf viele Koreaner, die seit Jahrzehnten in China lebten, denn das koreanische Reich Silla stand unter starkem Einfluss der Tang. Zeitweise wurden auch heftige Kriege geführt und Silla versuchte, unabhängig vom chinesischen Tang-Reich zu werden. Manche der Koreaner, die Ennin in China traf, beherrschten nicht nur die chinesische, sondern auch die japanische Sprache und konnten als Übersetzer helfen. So war Korea in der frühen Zeit immer die Brücke zwischen China und Japan.

    Ennin blieb achtzehn Jahre in China und brachte schließlich viele Schriften und neue Ideen des chinesischen Buddhismus direkt nach Japan ohne den Einfluss Koreas mit.

    Das Königreich Silla, das schon 57 v. Chr. gegründet wurde, existierte als eigenständiges Reich bis ins Jahr 935, als Silla ein Teil des Reiches Goguryeo wurde. Silla hatte einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der japanischen Kultur. Zum Teil war die herrschende Klasse durch verwandtschaftliche Verhältnisse mit Korea verbunden. Ganz besonders der frühe Buddhismus kam aus Silla nach Japan. So soll der Überlieferung nach der koreanische Mönch Sim - Sang den Kegon - Buddhismus nach Japan gebracht haben, der sich auf das Kegon-Sutra oder Blumengirlanden-Sutra stützt.

    Vermutlich hat der japanische Tennō Shōmu (701 - 756) eine Statue des Vairocana-Buddha, von dem im Kegon-Sutra die Rede ist, in einem Tempel in der Region von Osaka gesehen, die vorwiegend von koreanischen Einwanderern bewohnt war. Der Vairocana Buddha wurde also eigentlich nicht von den einheimischen Japanern, sondern von den Koreanern in Japan verehrt.

    Diese Statue gefiel dem Tennō so sehr, dass er beschloss, den Kegon Buddhismus zur japanischen Staatsreligion zu machen und einen riesigen Vairocana Buddha errichten zu lassen. Der Vairocana Buddha - der ‚alles erleuchtende‘ - hieß fortan in Japan Dai-nichi-Nyorei, der ‚ehrwürdige große Sonne Buddha‘. So wurde er zu einem Japaner im Land der ‚Wurzel der Sonne‘ in Ni-hon 日本. Der Kegon Buddhismus war offenbar schon längst in Japan angekommen, bevor er offiziell eingeführt wurde. Aber manchmal braucht man eine große Gestalt, die eine wichtige Tat vollbringt, damit die Ereignisse im Bewusstsein der Allgemeinheit ankommen. Es ist wenig spektakulär, wenn kleine Leute - wie Handwerker oder Kaufleute - ihre Religion in ein fremdes Land bringen.

    Der Vairocana Buddha ist keine wirkliche historische Gestalt, sondern die Verkörperung des Prinzips „Eins Alles - Alles Eins". Er strahlt mit seinem hellen Licht in allen Sphären des gesamten Kosmos und wird deshalb auch mit der Sonne verglichen. Kein Wunder also, dass Shōmu Tennō diesen Sonnen-Buddha als Symbol des Landes der aufgehenden Sonne sah. Shōmu Tennō ließ dann in Nara den Tōdaiji Tempel - den großen Tempel des Ostens – bauen und eine riesige Statue des Vairocana aus Bronze gießen, die eine absolute Herausforderung an das technische Können der damaligen Zeit war. Ja, bis heute kann man noch nicht nachvollziehen, wie diese gewaltige Statue gegossen worden ist. Der Bau des Großen Buddha ruinierte die Staatskassen völlig, aber zur Einweihung kamen Abordnungen aus der ganzen buddhistischen Welt von Persien über Indien und aus der gesamten Seidenstraße und brachten ihre Ideen und Kulturgüter mit nach Japan.

    Die Schätze aus dem Westen wurden in einem eigens errichteten Schatzhaus aufbewahrt. Noch heute werden sie im Herbst für einige Zeit in Nara ausgestellt und ungeheure Menschenmassen drängen sich, sie zu sehen. Aber es sind so viele Schätze, dass sie nur im Turnus von 12 Jahren gezeigt werden.

    So wurde der indische Vairocana über die Vermittlung Koreas zum Dainichi – Kyorei und geradezu zum Symbol für Japan.

    Bild 2 Kūkai auf der Überfahrt nach China

    ¹ Heilige Drachen, Bd. 1; Alte Welt – Indien – China

    ¹ Ennin (japanisch 圓仁 / 円仁; geboren um 794, gestorben 864)

    ² Übersetzung des Tagebuches mit ausführlichen Anmerkungen: Edwin O. Reischauer: Ennin’s Diary. The Record of a Pilgrimage to China in Search of the Law. Nachdruck 2020

    Drachen in Korea

    2. Drachen in Korea

    Im ersten Band über die ‚heiligen Drachen‘ war die Rede von Drachen in der Alten Welt, in Indien und im letzten Teil ausführlich über die Drachen in China. Im chinesischen Denken erscheinen Drachen bereits in der ältesten Frühzeit. Sie sind tief in der chinesischen Kultur verankert. Im Daoismus und in der chinesischen Medizin verkörpern sie die Lebenskraft des Menschen. Es war das Ideal des weisen Menschen, selbst zu einem Drachen zu werden. In der chinesischen Schrift des Zhuangzi wird erzählt, wie Konfuzius den alten Weisen Laotse besuchte. Zurückgekehrt erzählt er seinen Schülern, dass er einen wahren Drachen gesehen hatte. Als sein Schüler ebenfalls den Laotse besucht, sieht er nur einen alten Mann, der sich gerade die Haare gewaschen hat, der mit wirren Haaren am Boden hockt und über Schmerzen in seinen Gliedern klagt. Drachen sehen eben nicht immer so aus, wie man sich Drachen gemeinhin vorstellt.¹

    Als wir vor einigen Jahren von chinesischen Zenmönchen als Gäste durch die Zentempel Südchinas geführt wurden, waren überall Drachendarstellungen zu sehen. Nicht nur in den Tempeln, auch in den Dörfern waren Tore über die Wege gespannt, auf denen zwei Drachen und die Perle kämpfen. Auf meine Frage, was denn diese Drachen bedeuten, zuckten die Mönche nur die Schultern. „Das sind irgendwelche Fabelwesen ohne Bedeutung! Ich war ein wenig überrascht, denn im Gepäck hatte ich mein Buch „Heilige Drachen Bd 1 mit ausführlichen Darstellungen der Drachen in China. Leider ist das Buch nur in deutscher Sprache, sodass die Mönche es nicht lesen konnten. Das alte Wissen um die tiefe Bedeutung der Drachen ist offenbar – wenigsten bei den Zenmönchen – während der Kulturrevolution völlig verloren gegangen. Immer wieder in der chinesischen Geschichte wurden die alten Traditionen und das alte Wissen zerstört, wenn eine neue Dynastie an die Macht kam. So handelte Mao mit seiner Kulturrevolution in alter Tradition. Die daoistischen Weisen Chinas dagegen zogen sich in die Einsamkeit zurück und gaben die alten Traditionen im Verborgenen ungebrochen weiter. Aber sie sind vorsichtig mit der Weitergabe ihres Wissens. Es könnte sein, dass sich wieder einmal die politische Richtung ändert und sie verfolgt würden. Also bleiben sie lieber eher im Verborgenen.

    Bei unseren Reisen durch Korea sind uns ebenfalls die Drachen auf Schritt und Tritt begegnet.¹ Schon die offizielle Flagge Südkoreas hat - wenn auch nur für Kenner sichtbar – eine Beziehung zu Drachen. Der Hintergrund der Flagge ist weiß und steht für die Reinheit. Häufig tragen Koreaner weiße Kleidung, um die Reinheit zu symbolisieren.

    In der Mitte ist liegend das Yin – Yang Symbol dargestellt. Das rote Yang liegt oben, das blaue Yin - oder koreanisch Eum - liegt unten. In den diagonalen Ecken sind die vier Haupt-Trigramme des chinesischen Bagua dargestellt, der Grundlage des I Ging.² Links oben der Himmel , in der Diagonale gegenüber die Erde . Rechts oben steht das Zeichen für Wasser und diagonal gegenüber ist das Feuer . Das ursprüngliche Bagua,¹ das den Menschen von dem Drachenpferd aus dem Gelben Fluss offenbart worden war, besteht aus acht Zeichen. Es gibt die Einteilung des ‚frühen Himmels‘ , die zur Grundlage der koreanischen Flagge diente. Es zeigt die Ordnung der Welt, bevor der Mensch in die natürliche Ordnung eingreift und die ursprüngliche Ordnung der Dinge stört. Dort steht der Himmel oben und die Erde unten. In der Horizontalen sind rechts das Wasser und links das Feuer. Das ist die ‚natürliche‘ Ordnung am Beginn der Schöpfung. Der Himmel – entsprechend in der Menschenwelt der Herrscher - steht oben, die Erde – oder das Volk – steht unten. Das Wasser strebt nach unten, das Feuer nach oben. Damit entsteht eine gewisse kreisende Spannung, denn Wasser und Feuer in der Horizontalen erzeugen eine Drehrichtung im Uhrzeigersinn, die aber durch die stabil stehenden Himmel und Erde wieder aufgehoben ist. Die Anordnung in der koreanischen Flagge wirkt der Rechtsdrehung entgegen, denn der Himmel neigt sich nach links unten, aber er gehört nach oben. Damit wird gezeigt, dass es das Ideal des Landes ist, ein Gleichgewicht der Kräfte im gesamten Kosmos anzustreben. Der Herrscher neigt sich dem Volk zu und das Volk strebt empor nach oben, aber in Harmonie mit dem Herrscher.

    Südkorea ist ein Land zwischen den Welten geworden. Die neuen Städte, die nach den Zerstörungen der Kriege, zuletzt nach dem unerbittlichen Koreakrieg wieder neu aufgebaut wurden, sind ein Musterbeispiel der modernen Architektur. Aber direkt neben den Hochhäusern und Glaspalästen sind noch ganze Stadtviertel etwa in Seoul erhalten mit einer Vielzahl der traditionellen Hanok, der Häuser, wie sie während der Joseon-Dynastie üblich waren. Dort finden sich viele Wandmalereien, Metallarbeiten oder Keramiken mit Drachenmotiven. Auf der einen Seite ist Korea ein Hightech-Land geworden. Internet ist selbst in den entlegensten Winkeln des Landes mit enormer Geschwindigkeit vorhanden. In den Schulen, die wir besucht haben, waren schon längst alle Schulkinder mit Computern versorgt, als man in Deutschland noch darüber nachdachte, ob man einzelnen Lehrer nicht einen PC zur Verfügung stellen sollte. Selbstverständlich waren in den Lehrerzimmern alle Lehrkräfte mit PC und Internetanschluss versorgt. Immer wieder hatten wir das Gefühl, dass wir in Deutschland fast noch in der datentechnischen Steinzeit leben.

    Aber auf der anderen Seite ist Korea tief im Inneren noch mit den alten Traditionen verbunden. Uns wurde erklärt, dass Korea über eine hervorragende medizinische Versorgung verfügt. Aber wenn man ernsthaft krank wird, geht man lieber zum Schamanen oder der Schamanin, den Mu. Aber auch das Verhältnis zu den Mu ist gespalten. Lange Zeit wurde der Muismus offiziell eher unterdrückt und an den Rand der Gesellschaft geschoben. Die Mu wurden auf die Dörfer abgedrängt und lebten am Rande der Ortschaften in Tempeln, die Himmel-Sohn-Tempel heißen. Schließlich sagt der Mythos, dass der Schamane Dangun Wanggeom im Jahr 2333 v.u.Z das erste koreanische Reich gründete und als König herrschte. Der Muismus reicht also - mindestens in den Mythen - bis in die Anfänge Koreas zurück.

    Bei einer Reise brachte uns der Gastgeber in ein abgelegenes Dorf in den Bergen. Dort war ein Tempel, in dem eine alte Schamanin lebte. Den ganzen Tag über wurde gefeiert. Am Vormittag waren buddhistische Mönche dort und rezitierten das Herzsutra Maha-banya-paramida-simgyeong, das die Japaner als Maka-hannya Shin-gyo nennen. Nach den Zeremonien hatten die Dorfbewohner ein üppiges Essen für alle Gäste und Teilnehmer des Festes vorbereitet. Wir wurden außerordentlich freundlich aufgenommen und aufgefordert, weiter mit zu feiern, weil ja nur selten Fremde ins Dorf kommen. Auch die Mönche forderten uns auf, zum Fest zu bleiben. Ungeheure Menschenmassen strömten allmählich herbei. Aber plötzlich hatte es unser Gastgeber sehr eilig und wir mussten weiter fahren, weil nun das Fest vorbei sei. Als wir fast zwei Autostunden entfernt waren, sagte er, dass nun das eigentliche schamanische Fest begonnen hatte. Ich bat ihn, dass wir wieder zurückfahren sollten, weil ich sehr interessiert an diesem Fest war. Aber mit ein paar fadenscheinigen Ausreden wurde unsere Teilnahme an dem Fest verhindert. Bei solchen schamanischen Festen wird viel Alkohol getrunken und in lockerer bis frivoler Atmosphäre gefeiert. Unserem Gastgeber war es sichtlich peinlich, uns ein solches Fest erleben zu lassen. Der Schamanismus scheint tief in der Bevölkerung verwurzelt, aber die gehobenere Gesellschaftsschicht schämt sich für diesen „primitiven Aberglauben".

    2.1 Drachen-Trommeln

    In der Hauptstadt Seoul gibt es ein Viertel mit den alten traditionellen Hanok-Häusern, das Bukchon Hanok Village. Dort fanden wir öfter auch Darstellungen von Drachen als Wandmalerei an einer Mauer aus Lehmziegeln. In chinesischer Manier steigt der Drache inmitten von (fünf-)farbigen Wolken aus dem Wasser auf zum Himmel.¹ Er versucht, die flammende Perle zu ergreifen. Unten im Wasser versucht ein springender Karpfen ebenfalls die Perle zu erhaschen. In China sagt man, dass die Karpfen aus dem gelben Meer zum Laichen zurück in den Ursprung an die Quellen des Gelben Flusses ziehen. Dabei müssen sie viele Hindernisse überwinden. Der Karpfen, der das schafft, wandelt sich zum Drachen. Wenn ein Beamter die Prüfungen für den Dienst am Kaiserhof bestanden hatte, sagte man, dass sich der Karpfen in einen Drachen verwandelt hat.

    Am alten königlichen Palast Deoksugung kann man heute wieder das farbenprächtige Ritual des Wachwechsels beobachten. Das Ritual wurde aus der Zeit der Joseon Dynastie von 1392 bis zum Ende des Kaiserreichs Korea im Jahr 1910 durchgeführt. Danach war Korea bis 1945 eine japanische Kolonie und die alten Traditionen wurden verboten. Erst nach der Kapitulation Japans 1945 war Korea wieder ein eigenständiger Staat.

    Bei neueren historischen Forschungen wurden Dokumente entdeckt, in denen die alte Zeremonie der Wachablösung genau beschrieben ist. Die prächtigen Farben der einzelnen Abteilungen von

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