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Größer als das Universum: Das Margenon
Größer als das Universum: Das Margenon
Größer als das Universum: Das Margenon
eBook856 Seiten11 Stunden

Größer als das Universum: Das Margenon

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Über dieses E-Book

In der fantastischen Welt Roel ist ein dramatischer Wettlauf entbrannt. Nach Jahrhunderten sind wieder Hinweise auf das sagenumwobene Artefakt Margenon aufgetaucht, das einst die Welt erschaffen haben soll. Nun wollen die Völker und ihre Götter das magische Buch um jeden Preis in ihre Gewalt bekommen, um über die Geschicke der Welt zu entscheiden. Erenor und seine Abenteurer treten eine Jagd um Leben und Tod an, denn mächtige Gegner lassen nichts unversucht, um ihnen zuvorzukommen. Ein spannendes Epos um Macht, Intrigen und Freundschaft beginnt, das den Leser nicht mehr loslässt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum8. Apr. 2020
ISBN9783347037397
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    Buchvorschau

    Größer als das Universum - David Betzing

    Helden kommen nicht aus dem Nichts oder Die Insel

    14. Xyr 1766 n.d.g.W. (nach der großen Wende)

    Am Morgen ging die Sonne auf und die beiden Monde verschwanden im Wasser. Es war das Jahr 1766 nach der großen Wende im Monat des Xyr. Auf einer Insel im ewigen Meer entstand das größte Wunder, das die Welt bot. Leben. Erenor erblickte das Licht der Welt. Seine Eltern, der Kapitän Haifuron und eine Hausfrau, schauten stolz auf den kleinen Jungen, der in ihren Armen lag.

    Erenors Eltern waren wohlhabend. Er wuchs von den Göttern behütet auf und konnte sich allen Freuden hingeben, die das Leben in Antaliss bot. Wasser hatte man reichlich und so ging er schon als kleiner Junge gerne schwimmen und tauchen. Die unterirdischen Grotten boten ausreichend Raum für Erkundungen. Erenor liebte das Gefühl, etwas Unberührtes zu entdecken. Ständig veränderte die Natur die Umgebung und so gab es stets Neues zu sehen. Oft kam es ihm vor, als sei er der erste Antalisser, der diese Orte betrat. Mit seinen Freunden spielte er in den Höhlen der Inseln Verstecken. Wenn sie zu müde waren und vom Toben im Nass trocknen mussten, dann legten sie sich an den Strand und schliefen in der warmen Sonne des Südens ein. Die Möwen waren ihre Begleiter. Die Kinder hatten jedes Mal Brotkrumen dabei, um sie damit zu füttern. Seinen Eltern erzählte er davon nichts, sie sahen in den Vögeln vor allem eine Plage, die ihr Haus verunstaltete. Es waren schöne und leichte Tage damals.

    In der Schule war Erenor immer gut genug. Er brauchte sich nicht anzustrengen, um zu bestehen, und mehr tat er daher auch nicht. Stattdessen war er viel lieber mit seinem Vater auf dessen Schiff unterwegs. Schon früh verspürte Erenor den Wunsch, es ihm gleichzutun.

    Er war gerade 14 Jahre alt geworden, als er das Haus seiner Eltern verließ, um in die Welt aufzubrechen. Er ging an die königliche Akademie der Marine. Nach nur vier Jahren schloss er seine Ausbildung als Jahrgangsbester ab. Erenor hatte seinem Land viel zu verdanken. Der Hang zum Patriotismus war etwas, das von seinem Vater auf ihn übergegangen war. Erenor vergötterte ihn und hinterfragte nichts, was sein Vater tat.

    Aber da gab es noch ein Ereignis, das ihm nie mehr aus dem Kopf gehen sollte.

    Es war ein hoher Feiertag von Antaliss gewesen. Die Eroberung der Weltmeere wurde gefeiert. Einst hatten die Urahnen der antalischen Seefahrer alle Inseln Roels entdeckt und besiedelt. Noch immer beherrschten sie einen Großteil davon. Erenor war sechs Jahre alt und leicht zu beeindrucken.

    Seine Eltern hatten ihn zum ersten Mal zur großen Parade mitgenommen, die sich vom Hafen der Hauptstadt bis zum Königspalast hochzog. Unzählige bunt ausstaffierte Soldaten und Seeleute marschierten an ihm vorbei. Er war zutiefst ergriffen von den Massen, die den Edlen zujubelten. Erenor und seine Eltern standen oben auf dem Hügel, nicht weit vom Palast entfernt. Von dort hatten sie einen spektakulären Blick auf alle Wagen und auf die farbenfroh geschmückte Stadt unter ihnen. Erenor aber wollte einen noch besseren Blick haben. Seine Hand löste sich von der seiner Mutter und er verschwand nach hinten in die Menge. Zu seiner Linken sah er den Königspalast.

    Von den Stufen hatte man bestimmt eine eindrucksvolle Aussicht. Er erspähte ein Tor zum Palast, das gerade aufgegangen war. Ein Schatten huschte hinein und ehe die Tür wieder ins Schloss fallen konnte, war auch Erenor drin. Die Person, die vor ihm den Raum betreten hatte, drehte sich zu ihm um.

    Erenor erstarrte. Ein Gott war ihm erschienen. Das Licht fiel durch die großen Fenster und blendete ihn. Der Gott hatte lange weiße Haare und einen dichten Bart. Die dunkle Haut glänzte im Lichtstrahl. Er war genau so, wie sich Erenor ihn immer vorgestellt hatte. Das musste Mague sein, der höchste Gott von Antaliss.

    Ihm stand der Mund offen. Er brachte kein Wort hervor.

    Der Mann beugte sich zu ihm hinunter und lächelte.

    »Na, mein Junge. Wie heißt du kleiner Einbrecher denn?«, fragte er lachend.

    »Erenor«, brachte der Angesprochene stammelnd hervor.

    Der Mann brummte wissend, als er ihm über die Haare strich.

    »Erenor, ja, von dir habe ich schon viel Gutes gehört. Du wirst es einmal weit bringen.«

    Erenor strahlte. Ein Gott hatte ihm eine goldene Zukunft prophezeit.

    Der Mann hob mahnend einen Zeigefinger.

    »Damit das aber auch geschieht, musst du ein rechtschaffenes Leben führen. Ehrlichkeit und Treue sind die wichtigsten Tugenden. Enttäusche deine Liebsten nicht, dann wird dir Vieles gelingen.«

    Der kleine Erenor nickte eifrig.

    An der Tür hinter ihnen klopfte es. Der Mann stand auf und öffnete sie. Draußen stand Erenors Mutter, die völlig aufgelöst war.

    Als sie den Mann sah, erschrak sie und machte eilig einen Knicks.

    »Der König«, murmelte sie. »Welch eine Ehre.«

    Nein, das war ein Gott, wusste es Erenor besser.

    »Ist das Ihr Sohn?«, fragte der Gott.

    Erenors Mutter nickte.

    »Dann will ich Ihnen den Jungen nicht länger vorenthalten. Komm, Erenor, geh zu deiner Mama. Sie wartet schon auf dich.«

    Er lief zu seiner Mutter, die ihn in die Arme schloss. Zusammen verließen sie den Palast. Diese Begegnung sollte Erenor nie wieder vergessen.

    9. Juvena 1809 - 7:30

    »Land in Sicht! Land in Sicht!«, rief der Matrose aus dem Krähennest.

    Es war ein herrlicher Tag. Erenor sonnte sich auf dem Achterdeck. Mittlerweile war er zu einem stattlichen Seemann herangewachsen. Es war warm, der Geschmack der Freiheit lag ihm auf der Zunge und der salzige Geruch des Meeres umspielte seine Nase. Es herrschte klare Sicht. Nichts deutete auf die Abenteuer hin, die sein Leben schlagartig verändern würden.

    Der Ruf gellte über das Deck der Königin Marena. Er brachte das geschäftige Treiben zum Erliegen. Jedes Geräusch verstummte. Die Mannschaft schaute sich verwundert an, da die Nachricht zu früh kam. Erenor blickte hinauf.

    »Jetzt schon?«, rief er.

    Seit Tagen waren sie auf hoher See. Sie waren von Samoron, der Hauptinsel von Antaliss, gestartet und hatten seitdem die halbe Welt umsegelt. Das Ziel ihrer Reise war Kartén. Nach seinen Berechnungen lag es aber noch mehr als einen Tag entfernt.

    Der Matrose beugte sich aus dem Ausguck hinab. Seine Kette baumelte im Wind.

    »Aye, Käpt’n. Eine kleine grüne Insel. Sie ist zu weit weg, als dass ich mehr erkennen könnte.«

    Das konnte nicht sein. In diesen Breitengraden gab es weit und breit keine Insel. Die letzte, die sie passiert hatten, war Zeru gewesen. Das war mittlerweile drei Tage her.

    Der Matrose hatte ein Fernrohr angelegt und versuchte, mehr zu sehen.

    »Es scheint so, als gebe es einen Berg. Ich kann eine helle Abbruchkante erkennen.«

    Das klang nicht nach ihrem Ziel. Kartén war eine enorme Vulkaninsel. Durch die regelmäßigen Ausbrüche war sie grau gefärbt. Man überbot sich geradezu in Erzählungen über ihre abstoßende Landschaft.

    Erenor selbst war zum ersten Mal und hoffentlich auch zum letzten Mal auf dem Weg dorthin. Er war lange genug Seefahrer gewesen. Nicht, dass er zu alt gewesen wäre, das nicht. Nein, Erenor wollte endlich tun und lassen, wonach ihm der Sinn stand.

    Als begnadetster Kapitän seines Landes hatte er sich früh einen Ruf von Weltrang erarbeitet. Das und eine großzügige Spende seines Vaters hatten es ihm ermöglicht, sich bereits in jungen Jahren ein eigenes Schiff zu kaufen. Bis heute war die Königin Marena die größte Galeone auf den sieben Weltmeeren. Er nannte sie Prinzessin.

    Erenor hatte gedacht, dass er dadurch unabhängig geworden wäre. Aber wirklich frei war er erst, wenn sein Vermögen groß genug war. Das versuchte er mit der Reise zu erreichen. Sobald er das Geld in seinen Händen halten würde, wäre er so ungebunden, wie er es sich stets gewünscht hatte. Er wäre der König der Meere. Davon hatte er bereits als kleines Kind geträumt, wenn er seinen Vater an Bord von dessen Schiff begleitet hatte.

    Erenor war im Auftrag der Krone unterwegs. Von allen Auftraggebern war ihm seine Königin, die Herrscherin von Antaliss, am liebsten. Die Hingabe zu seinem Land war fast so groß wie die zum Wasser. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass er das vollste Vertrauen Ihrer Majestät genoss. Und so flatterte im Moment die Algenkrone am Hauptmast.

    »Wie weit ist die Insel entfernt?«, fragte er mit lauter Stimme. Sie war tief und übertönte das Rauschen des Meeres ohne Probleme.

    Theoretisch konnte man vom Großmast 180 Meilen weit blicken. Die Krümmung Roels machte aber einen Strich durch die Rechnung.

    »Vielleicht 40 Meilen. Ich bin erst spät darauf aufmerksam geworden«, ertönte es von oben.

    Der Himmel heute war wolkenlos. Der Wettergott Jurev war ihnen gewogen. Es wehte eine leichte Brise, die Sonne schien warm herab und es war keine Regenfront zu sehen.

    Die Männer mussten unter Deck rudern. Wenn man leise war, konnte man das regelmäßige Platschen im Wasser hören. Kreisförmig gingen die Wellen vom Schiff ab in Richtung Unendlichkeit. Der Wind sorgte für sanfte Schaumkrönchen.

    Aktuell hatten sie ein Tempo von 10 Knoten. Für eine Galeone diesen Ausmaßes war das enorm schnell. Erenor konnte sich auf seine Männer verlassen.

    Wenn alles glatt lief, würden sie die Insel in vier Stunden erreichen.

    Sein Entdeckergeist war geweckt. Er hatte nie zuvor von einer Insel an dieser Stelle gehört. Auf keiner Karte war sie verzeichnet. Es gab noch nicht einmal Legenden oder Seemannsgarn rund um ein verschollenes Eiland in dieser Region.

    Erenor lächelte in sich hinein. Er hatte einen beeindruckenden Lebenslauf vorzuweisen, eine Entdeckung fehlte ihm jedoch.

    Er ging hinüber zum Steuermann der Königin Marena.

    »Terd, wir werden die Insel ansteuern. Ich will wissen, was es mit ihr auf sich hat. Möglicherweise haben die Kartén verschwiegen, dass sie sich ausgebreitet haben. Zuzutrauen wäre es ihnen.«

    Erenor war Kartén gegenüber sehr misstrauisch. Es waren Glaswesen mit durchscheinender Haut. Man hörte die schlimmsten Gerüchte über sie. Wäre ihm nicht so viel Geld geboten worden, hätte er die Insel auch weiterhin gemieden. Außerdem wartete in Sansiran, der Hauptstadt Karténs, bereits der nächste Auftrag auf ihn, das hatte ihm die Königin versprochen. Danach wollte er Zeit für seine Frau und seine beiden Söhne haben. Er war Mitte 40, das Leben lag noch vor ihm. Er hatte genug fremde Länder gesehen und wollte zur Ruhe kommen. Es sollte seine letzte Reise sein.

    »Aye, Käpt’n«, erwiderte Terd.

    Der alte Steuermann war ein kauziger Kerl. Sein ganzes Leben hatte er auf den Ozeanen verbracht. Seine Haut war voller Falten, er war schlank, um nicht zu sagen abgemagert, und sah ungepflegt aus. Das zerrissene Hemd war lange nicht mehr gewaschen worden. Eine weite Seemannshose bauschte sich im Wind. Terd war keine Schönheit, aber er war Erenors treuster Begleiter und bester Freund. Zusammen hatten sie viele Abenteuer erlebt. Darauf war Terd stolz.

    Er sagte: »Kann sein, dass die Kartén was damit zu tun haben. Wenn ich an die Probleme mit Zeru denke.«

    Erenor nickte.

    Zeru lag eigentlich außerhalb des Hoheitsgebiets jedes Reiches. Daher stritten sich seit Jahren verschiedene Nationen um den Anspruch auf die Insel, obwohl sie keine große wirtschaftliche Bedeutung hatte. Es ging um den symbolischen Wert.

    Erenors Land, Antaliss, hätte sie ebenso gerne besessen. Einst war es die größte Seefahrernation überhaupt gewesen. Heutzutage zeugte davon nur noch Erenors Ruhm.

    Deswegen war er entsandt worden. Er sollte in Sansiran eine wertvolle Fracht abliefern. Nichts war zerbrechlicher als lebendiges Gut, insbesondere wenn es das Reisen auf hoher See nicht gewohnt war.

    Für die vier Passagiere wurde ein enormer Aufwand betrieben. Es waren Berühmtheiten, das schon, aber trotzdem konnte Erenor es nicht verstehen. Letztlich war es ihm auch egal, denn er hinterfragte sein Land nicht und erfüllte seine Aufgabe zuverlässig. Außerdem wurde er anständig bezahlt, da fragte man nicht nach, warum diese Leute so bedeutend waren.

    Gerade befand sich lediglich ein Gast auf dem Hauptdeck, denn die anderen vertrugen den Seegang nicht. Es war Iave Raja, eine Künstlerin. Erenor hätte gerne gewusst, was ausgerechnet sie auf Kartén zu suchen hatte. Vermutlich ging es um Diplomatie. Aber warum hatte man bloß eine Malerin wie sie dafür auserkoren? Sie war unnahbar und sagte nie ein Wort zu viel. Er hatte bislang nichts aus ihr herausbekommen.

    »Noch etwa 30 Meilen«, erscholl es von oben.

    Erenor selbst hatte Erfahrung als Diplomat. Einst war er zu den Y-Ŕoaĺ-Kel geschickt worden, ausgerechnet in die Berge. Alles war gut gelaufen, bis ihm ein oder zwei Missgeschicke unterlaufen waren. Seitdem hatte er Landesverbot. Damals hatte er beschlossen, dass die Politik nichts für ihn war. Stattdessen hatte er die Marena erworben und war fortan glücklich.

    Sein Blick wanderte weiter zur restlichen Mannschaft. Die Seemänner standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich angeregt. Er stützte sich am Geländer des Oberdecks ab.

    Ärgerlich rief er: »Was ist das denn, Männer? Habt ihr noch nie Land gesehen? Zurück an die Arbeit, aber sofort.«

    Einige Schiffsjungen zuckten zusammen. Sogleich fingen sie an, mit Sand und Wasser die Planken zu reinigen. Durch diese Kombination blieb das Deck rutschfest und behielt seinen schönen Farbton bei. Seit über 20 Jahren besaß Erenor die Königin Marena und sie strahlte wie am ersten Tag. Wenn sie im Hafen einlief, drehten sich alle Leute zu ihr um. Der weinrote Rumpf und die goldbestickten Segel machten Eindruck. Der Kapitän investierte so gut wie jede freie Minute in die Pflege des Schiffes.

    Erenor lachte dröhnend, als er die emsigen Arbeiter beobachtete.

    Er meinte es mit seiner Mannschaft nicht böse. Sie war seine zweite Familie. Er sorgte sich um ihre Gesundheit und bezahlte sie gut. Gemeinsam hatten sie die ganze Welt bereist.

    Erenor entschloss sich, zu Mohiran, dem Gott der Winde, zu beten. Er kniete sich vor die Reling, schloss die Augen und murmelte vor sich hin. Sein Herzschlag beruhigte sich, er ging im Einklang mit den Wellen. Er hörte nichts mehr als das sanfte Säuseln des Windes. Es war Mohiran, der zu ihm sprach. Erenor schluckte ergriffen, als ihn die Macht der Götter erschütterte. In solchen Momenten fühlte er sich wieder klein.

    Er vergaß die Zeit. Lange redete er mit dem Gott und wartete auf Antworten.

    Ein weiterer Ruf aus dem Krähennest unterbrach ihn jäh.

    »Noch zwanzig Meilen«, hieß es.

    Erenor schüttelte den Kopf, um in die Realität zurückzukehren. Er richtete sich auf, wobei sein Blick auf das Wasser einige Meter unter ihm fiel.

    Ein abgebrochener Ast dümpelte im Meer. Es war Treibgut, ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Insel keine Illusion war, sondern real.

    Erenor sah auch sein eigenes Spiegelbild. Die dunkle, von der Sonne wettergegerbte Haut wurde vom Wasser bläulich reflektiert. Er erblickte ein herzliches Lachen, das sich in einem dichten, zerzausten Vollbart zeigte. Eine Narbe, die das Überbleibsel eines Kampfes mit einem Schwertfisch war, zog sich die Wange entlang. Erenor hatte gewonnen, aber die Narbe als Andenken behalten. Im Laufe der Jahre war sie heller geworden und halb verblichen. Sie war bei weitem nicht die einzige an seinem Körper und jede von ihnen erzählte ihre eigene Geschichte. Eingerahmt wurde das kernige Gesicht von einer wilden Mähne. Die schwarzen Haare hingen zottelig herab.

    Auf dem breiten Kreuz ruhte eine hellblaue Admiralsuniform, die mit allerlei Ehrungen bestickt war.

    Erenor war ein typischer Seebär. Er war nicht eitel, hätte sich selbst aber als attraktiv bezeichnet.

    Er war angespannt. Um so näher sie der Insel kamen, um so aufgeregter wurde er. Damit würde er sich endgültig in den Annalen verewigen.

    »Wie kann es bloß sein, dass diese Insel unbekannt ist?«, fragte er sich.

    In Gedanken ging er nochmals ihren bisherigen Weg durch. Alles war nach Plan verlaufen. Es war unmöglich, dass er sich verrechnet hatte. Auch waren sie nicht vom Kurs abgewichen. Sie näherten sich Kartén exakt aus Richtung Süden. Es gab nichts, worauf sie hätten stoßen können. Und doch.

    Sie lagen gut in der Zeit und sie konnten sich einen Abstecher auf die Insel erlauben. Erenor wollte sie mit eigenen Augen sehen.

    Er war nervös.

    Die Brise frischte auf. Mohiran hatte ihn erhört.

    Erenor stellte sich neben Terd und schaute dem Treiben an Bord zu. Er hatte alles unter Kontrolle, alles lief nach seinen Kommandos. Die Prinzessin war sein Reich. Hier auf dem Meer konnte ihm keiner etwas anhaben.

    Erenor war in Gedanken versunken. Die Zeit verging wie im Flug.

    »Zehn Meilen noch!«, verkündete das Krähennest.

    Erenors Haare wehten im Wind. Er konnte es kaum erwarten, die Insel zu betreten.

    Weit über ihm, oberhalb aller Wolken, stand ein Gott und blickte auf den Planeten Roel hinab. Er verströmte eine Aura der Macht. Sein Gewand war weiß wie sein Bart.

    Er murmelte: »Erenor, mein Schützling, enttäusche mich nicht. Ich wusste, dass die Insel dein Interesse wecken würde.«

    Und er stand stumm und beobachtete, was passieren würde.

    9. Juvena 1809 - 7:45

    Im Norden Roels hatten die Wesen andere Probleme. Als der Morgen der verhängnisvollen Nachricht hereinbrach, schlief ganz Ĺyrše noch. Nur ein einzelner Y-Ŕoaĺ-Kel war bereits wach. Wie jeden Morgen wachte er vor dem Rest des Reiches auf, genauso wie er jeden Abend erst mit den letzten Säufern, die noch durch die Gassen torkelten, ins Bett ging. Nyruš Uywa hatte lange dafür gekämpft, Thronfolger zu werden. Jetzt musste er mit den Erschwernissen seiner Arbeit leben.

    Er schwang seine Beine aus dem Bett. Für einen König war sein Bett kurz, aber Nyruš legte keinen Wert auf Luxus. Er begutachtete sein Fell. Heute Morgen war fast kein Glanz mehr wahrzunehmen nach einer Nacht, die viel zu sehr mit Arbeit und viel zu wenig mit Schlaf ausgefüllt gewesen war. Er seufzte. Einst war er, wenn auch kein Schönling, doch zumindest ein recht ansehnlicher Mann gewesen. Sein beige-kastanienbraun gemustertes Fell war glänzend und so farbintensiv gewesen, dass er von allen dafür bewundert worden war. Natürlich sah man die meiste Zeit so gut wie nichts davon. In der Regel trug er sein Königsgewand, aus dem hinten bloß sein Schwanz hervorragte.

    Die Y-Ŕoaĺ-Kel waren vor Jahrtausenden entstanden, als sich die Xin, ein Echsenvolk, sowie die Khatjy, die Nation der Katzenartigen, in ihrer Not verbunden hatten. Von den beiden Urvölkern hatten die Y-Ŕoaĺ-Kel verschiedene Eigenschaften geerbt. Sie konnten etwa ihr Fell in Sekundenschnelle verhärten, sodass es wie ein Schuppenpanzer wirkte.

    Nyruš kleidete sich an. Eine enge Lederhose wurde unten von einem Ring aus grünem Filz und oben von einem Ledergürtel in Form gehalten. Der Gürtel war eine der Herrschaftsinsignien des Reiches. Versehen mit den wertvollsten Juwelen und Edelsteinen, die in den vergangenen Jahrtausenden in den Minen der Y-Ŕoaĺ-Kel geschürft worden waren, stellte er den Reichtum seines Volkes zur Schau. Mehr Luxus gönnte sich Nyruš nicht.

    Außer dem Bett befanden sich in der Schlafkammer einige exotische Möbel, allesamt Geschenke des Königs von Elem. Normalerweise bevorzugte Nyruš weniger extravagante Objekte. Die weitere Einrichtung war schlicht, aber Nyruš mochte sie. Alles bestand aus Holz. Da Y-Ŕoaĺ-Kel in den hohen Bergen lag, kam er viel zu selten in den Genuss, einen Wald zu besuchen und den Duft nach Rinde einatmen zu dürfen. Umso mehr genoss er jeden Staatsbesuch, der ihn aus seinem wunderschönen, aber auf die Dauer eintönigen Y-Ŕoaĺ-Kel rausbrachte.

    Nyruš brauchte nicht mehr zum Leben. Er war ehrlich, bodenständig. Einige hielten ihn für langweilig. Er sagte dazu vernünftig. Doch das Revolutionäre steckte in ihm. Es zeigte sich, wenn er alleine war und den Gedanken freien Lauf lassen konnte.

    Auf einem Tisch in einem Erker blühte eine blaue Orchidee. Nyruš setzte sich.

    Er öffnete die schmucklosen Fensterläden und wischte den Frühreif von der Fensterbank. Wassertropfen verfingen sich in seinem langen Schwanz. Noch war es so kalt, dass sein Atem gefror. Nyruš war es dennoch warm, da die Ingenieure von Y-Ŕoaĺ-Kel im gesamten Palast ein ausgeklügeltes System zur Beheizung der Räume entwickelt hatten. Durch die Wärme aus den Geysiren am Grund der Schlucht blieb seine Kammer auch in 3000 Metern Höhe das ganze Jahr über angenehm warm.

    Seine Augen spiegelten sich im Glas des Fensters. In ihnen lag ein ernster Ausdruck, immer etwas abwesend, aber nie unaufmerksam. Sein Blick war eindringlich und voller Kraft. Diese Augen gehörten zu einer Person, die sich oft sorgte. Auf Nyruš Schultern lastete die Verantwortung für ein ganzes Land.

    Stolz blickte er hinaus auf sein Reich. Ein verträumtes Lächeln spielte sich in sein katzenhaftes Gesicht. Ĺyrše befand sich in einem engen Tal. Die Hauptstadt war in die angrenzenden Berge gehauen worden. Alles was man beim Blick aus dem Fenster sah, war eine einzige glatt polierte Marmorwand, die nur durch Einbuchtungen, wo Treppen begannen und aufhörten, sowie durch einzelne Aussichtserker mit Fenstern unterbrochen wurde.

    Auch wenn man hunderte von Fenstern und ebenso viele Treppen und Leitern erkennen konnte, erahnte niemand die wahren Ausmaße der Stadt, die den kompletten Berg 200 Meter tief durchzog. Von oben nach unten, von links nach rechts pulsierte das Leben im Verborgenen. Ĺyrše war der Berg.

    Standesgemäß war seine Wohnung die höchste der Schlucht, weshalb Nyruš die fantastische Aussicht ungestört genießen konnte. Tief unter ihm ließ sich der Grund der Schlucht mit dem Fluss Zur erahnen, doch dazwischen befanden sich hunderte Meter Gestein, durchbrochen von einzelnen Hängebrücken. Über ihm war nur der blaue Himmel. Keine Wolke zeigte sich. Es versprach, ein schöner Morgen zu werden.

    Unter Nyruš Regentschaft hatte ein goldenes Zeitalter für das Reich begonnen. Angefangen beim Bau einer großen Handelsroute bis hin zur Errichtung der ersten Universität am Hang von Ĺyrše war das Land aufgeblüht.

    Nur schwer konnte er sich von dem Anblick losreißen. Ein weiterer Tag voller Verpflichtungen wartete auf ihn. Nach einem kurzen Besuch im Bad zog er sich ein rotes Hemd über und warf sich in seinen Ledermantel. Er verließ das kleine Zimmer. Für einen typischen König war die Behausung mit Sicherheit unangemessen. Für Nyruš war sie genau richtig. Er wünschte sich, volksnah zu sein, und dazu gehörte seiner Meinung nach auch, so wie das Volk zu leben.

    Mehrere Stunden später hatte er die wichtigsten Geschäfte des Tages hinter sich gebracht. Die Sorgen der Bewohner waren angehört und beruhigt worden, die Gesuche der Gilden waren für die nächste Ratsversammlung vermerkt worden. Ansonsten war der Tag bislang ruhig verlaufen, zu ruhig. Mit einem mulmigen Gefühl wandte er sich seinem großen Werk zu, einer philosophischen Abhandlung über die Natur des Friedens.

    Heute wollten die Worte nicht so recht aus der Feder fließen. Er saß verkrampft vor dem Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und trotz aller Anstrengung wollte ihm nichts Gutes einfallen.

    Erschöpft ließ er den Griffel fallen, schob das leere Pergament mitsamt Tintenfass beiseite und öffnete den Käfig seines Vogels Atrax, der links neben dem Schreibtisch hing.

    Mangels Frau und Kindern war der Vogel im Laufe der Jahre zu seiner Familie geworden. Atrax war ein Turmfalke, für einen Außenstehenden gewöhnlich erscheinend. Und doch, Nyruš war von der braun-grauen Färbung der Federn mit den ungewöhnlichen schwarzen Tupfern fasziniert. Das Bemerkenswerteste an Atrax war jedoch sein Blick, der voller Intelligenz war und von einer schnellen Auffassungsgabe zeugte. Damit hatte der Falke den meisten Ratsmitgliedern viel voraus.

    Nyruš fing an, Atrax im Nacken zu kraulen. Zufrieden legte der Vogel den Kopf schräg und krächzte.

    »Ja, mein Lieber. Das gefällt dir, nicht wahr?«

    Nyruš meinte, ein Nicken wahrnehmen zu können. Er hatte das Gefühl, dass ihn der Vogel verstand. Atrax war sein engster und einziger echter Freund. Bei ihm war er sicher, dass er ihn nie hintergehen würde. Nyruš seufzte. Als König war man von unzähligen falschen Freunden umgeben, die nur sein Bestes wollten, seine Macht. Für Atrax war das unbedeutend. Es war ein Jammer, dass er nicht reden konnte. Verstehen tat er ihn dennoch. Nach all den Jahren des Beisammenseins bildeten sie ein eingeschworenes Team, das von der engen Bindung zueinander lebte.

    »Hast du vielleicht irgendwelche neuen Ideen zum Frieden, hm?«

    Atrax plusterte sein Federkleid auf und schlug einmal mit den Flügeln.

    »Nein? Habe ich mir gedacht. Aber egal, ich werde noch genug Zeit haben, das Werk zu vollenden. Inspiration bekomme ich ja zur Genüge.«

    Atrax kletterte den linken Arm des Königs hinauf. Er hinterließ leichte Risse im Hemd. Es war von Atrax Liebkosungen bereits völlig verschlissen. Atrax rieb sich mit seinem Schnabel an Nyruš Hals.

    »Ach, du bist wirklich ein guter Junge.«

    Mit diesen Worten langte er unter seinen Tisch und holte aus einer verborgenen Schale ein frisches Stück Hühnerfleisch hervor, mit dem er Atrax fütterte. Nyruš selbst war strenger Vegetarier, doch seinem gefiederten Freund wollte er das nicht aufzwingen. Er hielt das Fleisch wenige Zentimeter über dessen Kopf und wartete darauf, dass dieser einen Sprung vollführte, um es sich zu schnappen.

    Bevor es dazu kommen konnte, klopfte es plötzlich an der Tür.

    Nyruš fuhr herum und mit ihm geriet das Stück Fleisch aus der Reichweite des Falken. Atrax schnappte ins Leere. Er krächzte verärgert. Eigentlich erwartete Nyruš heute keinen Besucher mehr, die Arbeit war getan. Es konnte sich nur um eine schlechte Nachricht handeln.

    Abwesend machte er mit dem linken Arm kreisende Bewegungen, um Atrax deutlich zu machen, dass dieser wieder in seinen Käfig zurück hüpfen sollte. Innerlich wappnete er sich für die Hiobsbotschaft, die er erwartete. Nachdem Atrax sich widerwillig hatte einsperren lassen, wandte sich Nyruš der Tür und dem ungebetenen Gast zu.

    »Herein«, rief er.

    Die Tür öffnete sich und ein Mann in silberner, auf Hochglanz polierter Rüstung betrat den Raum. Er salutierte und klemmte sich seinen Helm mit einem weißen Federbusch unter den Arm.

    »Mein König!«

    Der Mann war ebenso wie Nyruš hochgewachsen und schlank. Doch im Gegensatz zu ihm war sein Fell von Natur aus matt und nur einfarbig creme, was ein Zeichen von niederer Geburt war. Umso bemerkenswerter war es, dass sich Gzabre Payton zum Hauptkommandanten der Stadtwache hochgedient hatte.

    Offensichtlich hatte sich die schlechte Vorahnung des Königs bewahrheitet.

    Auf einmal fühlte er sich wieder wie der kleine Junge in der Schule, der genauso, wie er jetzt kein schlechter König war, auch kein schlechter Schüler gewesen war. Doch immerzu hieß es von den Lehrmeistern, dass er noch mehr arbeiten müsse. Der junge Nyruš blieb wütend und missverstanden zurück. Irgendwann aber glaubte er selbst daran. Seitdem war der Drang, immer noch mehr zu leisten, tief in ihm verwurzelt. Kritik war für ihn stets persönlich. Insgeheim befürchtete er immer das Schlimmste. Oft bewahrheitete es sich.

    »Gzabre, Bömn D-Lupo-Ñul. Wie kann ich dir helfen? Was ist so eilig, dass man mich beim Verfassen einer philosophischen Abhandlung zu stören wagt?«

    »Eure Regentschaft, in der Unterstadt sind Tumulte ausgebrochen. Die Schmiede und die Juweliere streiken, weil sie keine Perspektive mehr für sich sehen.«

    Angespannt lehnte sich Nyruš zurück. Er faltete seine Hände im Schoß und legte den Kopf in den Nacken.

    »Wie lange sind uns ihre Probleme schon bekannt?«, fragte er.

    Sein Hauptkommandant antwortete darauf: »Seit mehreren Jahren. Seit die Kroa anfangen, Schwermetalle und Edelsteine aus ihren Bergen zu schürfen und zu exportieren, sind wir durch die höheren Transportkosten ins Hintertreffen geraten.«

    Pflichtbewusst schilderte er knapp und präzise die Ausgangslage. Man hörte den militärischen Drill aus seinem Ton heraus.

    »Die Einkommen unserer Schmiede, die das Rückgrat der gesamten Wirtschaft bilden, sind eingebrochen. Dieses Jahr ist unsere Wirtschaftsleistung zum sechsten Mal in Folge gesunken. Ein Ende ist nicht in Sicht.«

    »Schon klar, das ist mir alles bekannt. Aber haben wir nicht extra vor einigen Jahren mit dem Bau einer Schnellstraße begonnen, die unsere schöne Stadt Ĺyrše mit dem Rest der Welt verbinden soll?«

    Der König massierte sich nachdenklich die Nasenwurzel.

    »Du brauchst nicht zu antworten, das war eine rhetorische Frage. Natürlich haben wir mit dem Bau begonnen. Unsere Sorgen wollten wir damit mindern. Fast täglich besichtige ich die Baustelle im Süden der Stadt und begutachte den Fortschritt. Es wird aber noch einen Monat bis zur Vollendung der Strecke über den Hauptpass dauern. So lange müssen die hiesigen Schmiede noch mit höheren Preisen kämpfen. Außerdem existiert derzeit eigentlich kein Überangebot. Sie sollten in der Lage sein, möglichst viel abzusetzen.«

    Vorsichtig setzte Gzabre zu einer Erwiderung an: »Nun, das ist soweit alles richtig, aber es scheint, als gäbe es seit Neustem einen weiteren Konkurrenten am Markt.«

    Nyruš unterbrach ihn. Er wusste sofort, wer es war, denn nur ein Volk war in der Lage, spontan und effektiv einen solch großen Schritt zu gehen, ohne dass er es sofort bemerkte: »Kartén.«

    Der Kommandant nickte: »Sehr richtig, mein König. Vor ungefähr einer Woche kam eine Lieferung Smaragde nach Elem wieder zurück mit der Begründung, dass man sich bei der neuen Konkurrenz umgeschaut habe. Aufgrund ihrer niedrigen Preise und schnelleren Lieferzeiten habe man sich für diese entschieden. Es wurde sogar freiwillig eine hohe Strafgebühr gezahlt. Gleichzeitig haben sie alle zukünftigen Aufträge annulliert.«

    Vor Wut traten einige Adern an den Schläfen des Königs hervor. Seine Hände verkrampften sich, als er weitersprach: »Wie kann es sein, dass die Kartén zu solchen Preisen fähig sind? Sie müssen die Waren erst verschiffen. Allein die Kosten dafür übersteigen bereits unseren Preis.«

    Nyruš stand auf und ging zum Fenster neben Atrax Käfig. Er blickte hinaus auf die enge Schlucht von Ĺyrše. Die Stadt war einst direkt in die marmornen Wände des Bergs getrieben worden. Weiter unten waren die Abstände von einer Seite zur anderen sehr gering und betrugen stellenweise nur wenige Meter. Hier oben, an der Spitze der Schlucht, maß die Entfernung bis zu hundert Meter, sodass er eine gute Weitsicht auf die Schlucht sowie auf die umliegenden Berge hatte. Sein Turm ragte etwas über die Schlucht hinaus. Eine Besonderheit von Ĺyrše war, dass die Stadt in einen gespaltenen Berg gebaut worden war. Während der Plattenverschiebungen der dunklen Epoche war er auseinandergebrochen. Die alte Heimat der Urahnen der Y-Ŕoaĺ-Kel, der Xin, war fast vollständig ausgelöscht worden. Die anderen Völker des Planeten dachten Jahrtausende lang, dass die Berge unbewohnt gewesen seien, bis es zur großen Wende kam, dem Beginn der neuen Zeitordnung. Mit der Öffnung nach außen waren viele Vorteile, aber auch Nachteile wie die wachsende Konkurrenz verbunden. Insbesondere Kartén machte den Y-Ŕoaĺ-Kel zu schaffen.

    »Es ist nicht immer leicht als König, weißt du, Gzabre«, setzte Nyruš an.

    Gzabre räusperte sich.

    »Ich weiß nicht, Gebieter«, stotterte er.

    »Schon gut«, winkte Nyruš ab. »Einem König steht es nicht zu, über seine Gefühle zu sprechen. Ich weiß.«

    Er seufzte. Er wandte sich vom Fenster ab und warf noch einen letzten Blick auf die glatten, cremefarbenen Fassaden der fein behauenen Schlucht. Durch den hellen Stein gelangte das Licht bis zum Grund der Schlucht in 800 Metern Tiefe. Weit in der Ferne am anderen Ende ließ sich der künstlich geschaffene Anstieg und Ausgang aus der Schlucht erahnen. Hier sollte die Schnellstraße enden. Bislang war es nur durch Treppen, Leitern und Aufzüge möglich gewesen, die Schlucht zu verlassen, indem man nach ganz oben kletterte. Ein solches Tor zur Welt war längst überfällig und ein großer Fortschritt, den er seinem Volk schenkte.

    Einmal mehr spürte er die Wut aufwallen, wie gering die Wertschätzung für all das war. Was er erbauen ließ, wurde als selbstverständlich angenommen, was er versäumte, sorgte hingegen für einen Aufschrei in der Bevölkerung. Auch jetzt konnte er die Rufe der Bürger nach Gerechtigkeit hören. Das Echo der Schlucht verstärkte sie und warf ihm die Forderungen unbarmherzig entgegen. Die Streikenden schrien danach, dass er sich endlich aus seinem hohen Schloss herauswagen solle, um sich der Realität zu stellen. Was für ein Humbug. Nyruš war einer der dem Volk nahestehendsten Herrscher aller Zeiten. Er betrachtete sich selbst als ein Teil von ihm und hatte seine Privilegien und Sonderrechte auf ein Mindestmaß reduziert.

    Und dann wurde ihm zum wiederholten Mal jede Anstrengung von außen zunichtegemacht.

    Gzabre riss ihn aus seinen Gedanken, als er sagte: »Es handelt sich um einen direkten Angriff auf unsere Wirtschaft. Kartén ist sich unserer Lage bewusst. Der herrschende Oberpriester weiß, dass wir hauptsächlich von unseren Exportgütern leben, die sich durch unsere Lage in den Bergen jedoch auf Schwermetalle, Edelsteine und daraus gefertigten Schmuck, Rüstungen und Waffen beschränken.«

    Der Hauptkommandant der Stadtwache verstummte. Er umklammerte sein Schwert und seinen Helm. Er wartete auf neue Instruktionen.

    »Was soll mit den Streikenden geschehen?«, fragte Gzabre.

    »Was schlägst du vor?«

    »Meine Männer könnten den Protest auflösen und sie zum Schweigen bringen.«

    Nyruš schüttelte verärgert den Kopf.

    »Nein! Davon will ich nichts hören! Du sollst ihnen Arbeit geben, damit sie keinen Grund zu klagen haben, und nicht den Knüppel, damit sie nicht mehr klagen können. Weise sie der Baustelle am Pass zu. Es kann nur helfen, wenn die Straße schneller fertig wird«, erwiderte er.

    »Sehr wohl. Ich lasse zudem die Präsenz meiner Leute verstärken, um Gewalt zu unterbinden. Es wird sicher keine weiteren Streiks geben, das verspreche ich euch!«, sagte Gzabre.

    »Tu, was du nicht lassen kannst, solange niemand leiden muss. Das größere Problem sind die Kartén.«

    Nyruš ging auf Gzabre zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter: »Berufe so schnell wie möglich eine Ratssitzung ein! Wir müssen überlegen, ob und wie wir gegen Kartén vorgehen sollen.«

    »Zu Befehl, mein König.«

    Gzabre salutierte, drehte sich mit wehendem Mantel um und verließ eiligen Schrittes das Arbeitszimmer des Königs. Nyruš schloss die Tür und massierte sich entnervt die Schläfen. Diplomatisch verworrene Situationen verursachten bei ihm Kopfschmerzen.

    Atrax legt den Kopf schräg und schien fragen zu wollen: »Weinst du etwa? Als König?«

    »Weinen? Nein, ich kann am Tag nicht weinen«, murmelte Nyruš.

    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und räumte die angefangene Abhandlung in einen Schrank, der vor Schriftrollen und Büchern überquoll. Hier war das gesammelte Wissen der Y-Ŕoaĺ-Kel vereint. Jeder König hatte eine eigene Abhandlung verfasst und seinen Nachfolgern zur Verfügung gestellt. Nichts kam dieser geballten Weisheit gleich.

    Nyruš lehnte sich in seinem Holzstuhl zurück, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und dachte über diesen neuerlichen Affront nach.

    Er öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und zog einen Dolch hervor. Mit einem Finger strich er über die Schneide. Die rote Maserung des Messers passte zu den feinen Narben auf Nyruš Armen. Manche schienen frisch, andere schon Jahre alt zu sein. Die Wülste der Narben wirkten wie kleine Schnitte. Nyruš ließ seine Gedanken fliegen. Er verlor sich in seinen Träumen. Wie in Trance stand er auf und stellte sich vor das Fenster. Vor ihm erschienen die Wände von Ĺyrše, mit Blumen und Fahnen geschmückt. Frisch angelegte Gärten lockten Vögel an, künstliche Wasserfälle umspielten die Wege. Musik erklang und Insekten summten. Die Stadt war gewachsen, sie durchzog die ganze Schlucht und jede Höhle war ausgebaut. Um den fertigen Pass war ein neues Viertel entstanden. Die Y-Ŕoaĺ-Kel lebten glücklich und in Harmonie.

    Der König lächelte abwesend.

    »Willkommen in meiner Welt«, murmelte er.

    Da durchzuckte ihn ein Geistesblitz. Die Bilder vor seinen Augen verflüchtigten sich und er fasste einen Entschluss, der die Situation ein für alle mal klären sollte.

    Er musste sich beeilen, um das, was er plante, noch vor der Ratsversammlung am Nachmittag zu erledigen.

    Er sprang auf und riss seinen Ledermantel von der Garderobe. Atrax würde über das Wissen seiner Ahnen wachen und ihm sofort mitteilen, wenn etwas nicht stimmen sollte. Nyruš stürzte aus dem Zimmer. Er rannte die Wendeltreppe hinab. Auf halbem Weg stoppte er schlagartig. Die Wände auf beiden Seiten waren vollkommen glatt. Nichts deutete darauf hin, dass sich dort noch etwas befand. Nyruš kannte die Stelle. Er tastete die äußere Wand vorsichtig ab. Ungefähr auf Kniehöhe konnte er hinter den Stein fassen und einen verborgenen Schalter aktivieren. Es machte Klick. Ein manngroßes Stück der Wand glitt zur Seite und gab den Blick auf einen Gang frei, der direkt in das Allerheiligste der Y-Ŕoaĺ-Kel führte, in dessen Schatzkammer. Es gab niemanden sonst auf Roel, der diesen Zugang kannte. Das Geheimnis der Kammer musste um jeden Preis gewahrt werden.

    ¹ Übersetzungen finden sich im Lexikon am Ende des Romans.

    9. Juvena 1809 - 8:00

    Auf der anderen Seite des Planeten wuselte eine bunt zusammengewürfelte Truppe im Matsch. Hektische Rufe gellten umher. Die Stimmen vermischten sich zu einem vielsprachigen Gewirr. Der Geruch nach Schweiß, Staub und auch nach Blut lag in der Luft. Dunkle Wolken verzogen sich gerade. Es hatte geregnet, die Erde war feucht. Aus der Ferne beobachteten einige Bergtiere die Wesen. Die Stimmung war gedrückt. Die Gesichter waren dreckverschmiert und die Handlungen der Wesen waren stoisch. Nein, die Lage schien nicht gut zu sein.

    Sie befanden sich auf wenigen tausend Metern Höhe im Tanar-Gebirge, das die Halbinsel der Kroa vom Dschungel der Šuarta-Fũ trennte. Die Hochebene öffnete den Blick über die weite Ebene nach Osten. In großer Ferne konnte man sogar den Oajol, den heiligen Baum und das Zentrum der Šuarta-Fũ erahnen. Es war kalt und die Höhe brachte einen kräftigen Wind mit sich. Er wirbelte den Dreck auf und behinderte die Forscher bei der Arbeit.

    Die Wissenschaftler waren Teil einer internationalen Expedition. Sie waren aus verschiedenen Ländern zusammengesucht worden, da sie die bedeutendsten Experten auf ihrem Gebiet waren. Sie hatten sich auf dieser Hochebene versammelt, um die Residenz der Sonne der Herrscher der Kroa auszugraben. Einst hatte das gnomenartige Volk über weite Gebiete im Süden des Ostkontinents geherrscht. Dann waren sie erst von den Bordian und dann von den Šuarta-Fũ auf eine kleine Halbinsel jenseits des Tanar-Gebirges zurückgedrängt worden. Heute lag der Palast auf dem Gebiet der blauen Waldwesen der Šuarta-Fũ, aber er hatte für die traditionsversessenen Kroa immer noch eine große Bedeutung.

    Die Archäologen hatten ihr Lager aus weißen Zelten um eine rechteckige Grube errichtet. Die Unterkünfte schmiegten sich an den Berghang, der im Westen gen Gipfel strebte. Wenige grüne Büsche hatten sich in den braunen Stein verirrt. Viel interessanter als die Zelte mit den Schlafplätzen und Arbeitsräumen war das, was sich in der Grube befand. Dort hatten die Wissenschaftler vor einigen Monaten angefangen, den Sonnenpalast auszugraben. Die Spitze hatte herausgeschaut, der Rest war unter vielen Gesteinsschichten und Erdschichten vergraben gewesen, die sich über die vergangenen Jahrhunderte angelagert hatten. Nun war er freigelegt. Erste Fresken und Verzierungen aus Stuck waren bereits restauriert worden. So ergab sich das Bild eines kleinen und erstaunlich schmucklosen Palastes. Es gab Wohnräume, Schlafzimmer, ein Empfangszimmer und einen Innenhof.

    Aus dem Gebirge flossen dünne Rinnsale in die Ausgrabung. Gerade waren einige Arbeiter dabei, sie in Kanäle abzuleiten, damit die Archäologen weiterarbeiten konnten. Das Wasser sollte vor allem nicht zu einem großen Monument im Innenhof gelangen. Es war eine quadratische und hohle Säule. Sie bestand aus gebrannten Lehmziegeln, wie der ganze Palast. Kroa waren anspruchslose Wesen, die von der Erde lebten. Das spiegelte sich auch in ihren Bauwerken wieder.

    In der Säule führte ein schmaler Abgang nach unten. In Spiralen führte die Treppe in eine Krypta. Diese Krypta war ein bedeutendes Heiligtum der Kroa und das, was sich in dem Heiligtum befand, war der Grund, warum es eine große Expedition hierher gab, die von weltweitem Interesse war. Je nach Herkunft glaubten einige Expeditionsteilnehmer an eine göttliche Sendung für diese Aufgabe.

    Ging man die Treppe hinab, so wurde es ruhiger. Der Wind ließ nach und wurde durch eine kühle Nässe ersetzt, die durch die Mauern sickerte. Nach einigen Stufen weitete sich der Gang zu einer Vorkammer. Geschirr, Amphoren und Töpfe standen umher, einfache Grabbeigaben. Eine große Flügeltür aus Jade wurde von zwei tönernen Kroa bewacht. Die Statuen waren überlebensgroß und trugen Fackeln in ihren gefalteten Fäusten.

    Und dieses Tor nun war es, das für die gedämpfte Stimmung verantwortlich war.

    Zwei Forscher standen davor und schauten es ratlos an.

    »Wir haben es mehrfach genauestens untersucht«, sagte der eine. Er war klein gewachsen, hatte eine runzlige, steinähnliche Haut und eine tiefe Stimme. Es musste sich um einen Kroa handeln.

    Er sagte: »Die Tür ist glatt und quasi ohne Verzierungen bis auf diese Auswölbungen hier. Aber es gibt keinen Griff und sie lässt sich nicht aufdrücken.«

    Der Mann neben ihm nickte. Er war deutlich größer und hatte eine tiefblaue, fast violette Hautfarbe, ein Šuarta. In seinen Händen hielt er eine Holztafel, auf der Wachs verteilt war. Darin zeichnete er die Tür bis ins kleinste Detail ab. Er hielt den Kopf gesenkt und sprach gedämpft durch den Stoff seiner Toga, die er um seinen ganzen Körper geschlungen hatte. Nur ein kleiner Augenschlitz blieb frei.

    »Da hast du recht, Rikas. Wir haben alles versucht, aber die Tür nicht öffnen können. Des Rätsels Lösung müssen diese Gravuren sein. Irgendetwas wollten uns deine Urahnen sagen. Könnte es vielleicht ein Zauber sein?«, fragte er.

    Rikas, ein Professor der Archäologie, hustete. Er band sich ein Tuch um. Die Luft war voller Pilzsporen, die bei anderen Ausgrabungen schon für Tote gesorgt hatten. Ihren Giften wollte der Kroa nicht ausgesetzt sein.

    Er erwiderte: »Auch das haben wir schon so oft durchgekaut, Akhinop. Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass irgendeine Form der Magie die Tür davor schützt aufzugehen. Aber Wissen geht schnell verloren, gerade magisches. Deswegen sind wir doch hier, um Wissen wiederzuerlangen.«

    »Ja, ja. Aber es gibt nichts, woran ich je gescheitert wäre. Und diese Tür werde ich auch noch knacken.«

    »Wir«, ergänzte Rikas seufzend, »wir!«

    Auf seiner Brust lastete ein schwerer Druck, der ihn in der Kammer hier immer befiel.

    Der Šuarta klappte die Holzseiten der Tafel zusammen und band sie mit einer Kordel zu.

    »Wie auch immer«, sagte Akhinop und ging in Richtung der Treppe.

    Als sie wieder aus der Tiefe hinausstiegen, zerrte er den Stoff der Toga von seinem Gesicht. Draußen holte er tief Luft.

    »Die Entdeckung des Palastes ist schön und gut, aber wirklich etwas erreicht haben wir erst, wenn wir die Überlieferung deines Volkes in den Händen halten«, sagte der Šuarta zu seinem Begleiter.

    Die Überlieferung der Kroa existierte seit Jahrtausenden. Einst hatten Generationen von Historikern daran geschrieben, um die Chronik Roels vom Anbeginn der Zeit vor weit mehr als 200.000 Jahren zu bewahren. Selbst die dunkle Epoche, in der das Wissen der Völker umeinander und ganze Zivilisationen untergegangen waren, hatte sie nicht vernichten können. Doch vor einigen Jahrhunderten hatte der letzte Schreiber die Überlieferung in die Residenz der Sonne bringen lassen. Seitdem wurden die Geschichten der Kroa nur noch mündlich weitergegeben und es waren viele Legenden entstanden. Es gab sagenhafte Erzählungen von einst mächtigen Helden und starken Artefakten. Wenn auch nur eine davon stimmte, dann würden die Forscher einen Quell großen Wissens in den Händen halten, sobald sie die Überlieferung fänden.

    Doch selbst die Frage, ob wirklich die Überlieferung in der Gruft bei den großen Königen der Kroa versteckt worden war, war umstritten.

    Rikas sagte: »Ich glaube immer noch fest daran, dass wir hier das Margenon und nicht die Überlieferung finden werden. Du weißt schon, das legendäre Artefakt. Eine Legende besagt, dass wir einst dadurch entstanden sind. Es ist scheinbar verschollen oder aber es liegt hier unten.«

    »Oder es ist wirklich nur eine nette Geschichte«, antwortete der Šuarta.

    »Mal im Ernst, Akhinop. Wer, wenn nicht du, glaubt an die Existenz des Margenons.«

    Der Angesprochene nickte. Die Suche danach hatte ihn schon sein Leben lang begleitet.

    Jahrelang war Akhinop durch die Welt und vor allem durch die Weltgeschichte gereist. Er hatte sich einen Namen als furchtloser Archäologe gemacht, der ein seltenes Gespür für verborgene Ruinen uralter Völker besaß. Zudem war er ein begnadeter Schreiber. Seine Werke waren auf dem gesamten Planeten bekannt.

    Dabei hatte seine Karriere eher stockend und ganz und gar nicht ungewöhnlich begonnen. Als Jungspund von 26 Jahren beschloss er, Archäologie und Philologie zu studieren. Seit Kindestagen faszinierten ihn die Erzählungen von den Urvölkern, jenen sagenhaften Völkern, die vor 200.000 Jahren bereits eine Phase der kulturellen Blüte erlebt hatten. Es schien unwahrscheinlich, dass er nach einer solch langen Periode Relikte finden würde. Nicht nur Plattenverschiebungen, sondern auch die dunkle Epoche fielen in diese Ära. Trotz alledem trieb ihn eine unbändige Entdeckerlust an. Er war von seinem Wissensdurst geradezu besessen.

    Sein einziger Anhaltspunkt waren die Legenden des Hjeb gewesen, der zur Zeit des Niedergangs jener Reiche gelebt hatte. Von ihm stammten die einzigen Beschreibungen der alten Orte und die einzige Karte der damaligen Welt. Hjeb berichtete von der Hochkultur der Sriona, den Urahnen der Šuarta-Fũ. Er erzählte von marmornen Türmen, einer blühenden Kunst und einem reichen Volk. Hjeb brach an der Stelle ab, an der es um den Untergang dieser Zivilisation ging. Er ließ den jungen Akhinop mit vielen Fragen zurück.

    Und so wurde ein Forschungsteam gebildet, an dessen Spitze ein junger Professor stand. Mit exzellenten Leistungen war er geradlinig aufgestiegen und durfte sich im Alter von 40 Jahren Professor nennen. Akhinop war stolz, seinem alten Traum endlich nachgehen zu können. Manche hielten ihm Arroganz vor, doch Akhinop konzentrierte sich ganz auf seine Suche. In der Tradition Hjebs dokumentierte er alles in seinem Reisebericht, der daraufhin um die Welt ging.

    Den alten Ortsangaben folgend, fing er mit seiner Gruppe an, in Antaliss nach den Überbleibseln der Vergangenheit zu suchen. Hatte man ursprünglich Zweifel, ob der zwar gut ausgebildete, aber bis dato nicht renommierte Forscher der Richtige war, waren diese mit den ersten Erfolgen verflogen.

    Er grub Fiora, die Hauptstadt der Sriona, aus und fand den Grund für den Untergang seiner Urahnen. Akhinop wurde mit seinen Entdeckungen eine der bekanntesten Personen auf ganz Roel. Mittlerweile waren diese Tage mehr als 40 Jahre her und er in Rente. Er zehrte von seinem alten Ruhm. Doch der Drang nach immer mehr Wissen war immer noch da. Für die Suche nach dem Margenon war er noch einmal aus dem Ruhestand zurückgekehrt. Es war der entscheidende Schlüssel zur Entstehung der Welt, da war er sich sicher. Und den wollte er finden, das war sein Ehrgeiz.

    Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass das Margenon hier liegen sollte. Aber er hoffte es natürlich. Deswegen hatte er sofort zugesagt, als er von der Expedition gehört hatte. Der Herrscher hatte einen Šuarta gesucht, der daran teilnahm, weil sie auf dem Hoheitsgebiet der Šuarta stattfand. Niemand war dafür besser geeignet als der berühmte Forscher. Und wenn sich das Margenon doch darunter befand, dann würde er es an sich bringen, ganz bestimmt.

    Akhinop zweifelte nicht daran, dass viele weitere Teilnehmer in Wahrheit wegen der Erzählungen hier waren. Rikas war integer und ein Vollblut-Archäologe, aber das sah bei den sonstigen Teilnehmern anders aus. Aus Antaliss stammte Doktor Fan, von den Šuarta-Fũ kam neben Akhinop Hernot Givelle. Von den Elem hatte sich als Technikexperte Pagun Zani angeschlossen. Dazu kamen einige Arbeiter. Ihre Motive lagen im Dunkeln. Akhinop traute ihnen nicht und wollte sein Wissen und seinen Ruhm nicht mit ihnen teilen.

    Daher nahm er Rikas beiseite und flüsterte ihm zu: »Nicht so laut, du weißt doch, die Wände haben Ohren. Gerade die alten, die lange nichts mehr gehört haben. Nur wenigen ist die Geschichte vom Margenon heute noch bekannt, da musst du sie nicht leichtfertig in die Welt tragen.«

    Er zog Rikas in den Schatten eines Säulenganges.

    »Schon gut, schon gut«, beschwichtigte dieser. »Aber, wenn wir nicht bald vorankommen, dann sind alle Legenden egal. Wir haben jetzt seit mehreren Wochen keine Fortschritte mehr erzielen können. Diese Tür treibt mich in den Wahnsinn. Jeder Spezialist hat seine eigene Meinung, aber keiner eine Lösung.«

    Er pustete sich eine Strähne aus der Stirn und wischte sich den Schweiß ab. Es wurde wärmer. Die Sonne stand bald am Zenit. Er hörte Kochtöpfe klappern.

    Eine Libelle summte heran und gesellte sich zu ihnen.

    Die beiden Archäologen gingen nach oben ins Camp. Sie hatten zwei Zelte mit einem Arbeitsbereich davor bezogen. Unter einem Vordach standen Tische, auf denen Fundstücke und Utensilien ausgebreitet waren.

    Akhinop legte die Wachstafel auf den Tisch und fertigte einen Abdruck aus Ton an. Dann legte er ihn hinter sich auf eine Bank zum Trocknen. Er verschränkte seine Arme und starrte auf die Tafel. Alles um sich herum blendete er aus. Das Sprachenwirrwar, die Vogelschreie, das leise Gluckern der Bächlein.

    »Ein Zauber, ein Zauber«, murmelte er.

    Professor Rikas stand daneben und kratzte sich am Kopf.

    Einige Minuten vergingen. Dann hörte der Professor ein Räuspern. Erstaunt drehte er sich um. Hinter ihm stand ein noch kleinerer Kroa mit dunkler Haut und gebeugtem Rücken. Es war ein einfacher Arbeiter, wie hier viele im Einsatz waren. Die anderen Wissenschaftler übersahen sie gerne.

    »Bitte?«, fragte Rikas.

    Der Arbeiter schaute verlegen drein.

    »Nun, ich weiß nicht, woran Sie gerade arbeiten, aber vielleicht könnte ich behilflich sein«, fing er an.

    Akhinop fuhr herum.

    »Behilflich? Du? Uns? Niemals!«, brach aus ihm hervor. Über seinen Augen standen tiefe Falten.

    Er besann sich.

    »Wobei. Womit, meinst du, kannst du uns helfen?«, fragte er etwas freundlicher.

    Der Arbeiter, eingeschüchtert vom Ausbruch Akhinops, fing an zu stottern.

    »Ja. Also. Äh.«

    Rikas warf Akhinop einen bösen Blick zu und legte dem Arbeiter väterlich eine Hand auf die Schulter.

    »Beruhige dich. Was ist so wichtig?«

    Der Arbeiter nickte, wie um sich selbst zu bestätigen.

    »Ja, genau. Ich habe das Tonbild gesehen, das hier liegt. Und mir kam diese Art der Zeichnung sehr bekannt vor. Diese Vertiefungen und Aussparungen, die kenne ich.«

    Akhinop hob eine Augenbraue. Ein Windhauch ließ sein weißes Haar wehen.

    »Sprich weiter«, forderte der Šuarta den Arbeiter auf. »Woher kennst du diese Gravuren?«

    »Die ganze Art der Anordnung und die Arbeitsweise, das ist ganz typisch für eine alte Zauberkunst der Kroa. Heute wird sie nur noch von einer kleinen Gruppe praktiziert, die als Sekte ausgestoßen worden ist. Ihr kennt sie mit Sicherheit als die Arlitek.«

    Rikas räusperte sich.

    »Bitte, was? Die Arlitek?«, fragte er nach.

    Der Arbeiter nickte bestätigend.

    Akhinop sagte: »Die Arlitek, interessant. Wir, oder besser gesagt, ihr Kroa, kennt sie ja vor allem als extreme Traditionalisten, die sich immer noch in der Erde verkriechen und so leben wollen wie vor Hunderten von Jahren. Wie kommen sie hierher? Und nicht minder interessant: Wie kommst du an dieses Wissen?«

    Der Arbeiter antwortete: »Die erste Frage ist einfach zu beantworten. Als der Zauber erschaffen worden sein muss, waren die Kroa noch geeint. Die Trennung und Isolation der Arlitek fand erst einige Jahrzehnte nach der großen Wende statt. Und zur zweiten Frage.«

    Er druckste herum.

    »Nun, ich war selbst einst ein Arlitek, wurde in die Gemeinschaft hineingeboren. Jetzt aber bin ich ausgestiegen. Das Wissen um ihre Magie habe ich aber natürlich weiterhin.«

    Rikas klopfte ihm auf die Schulter.

    »Das ist gut, mein Junge. Sag, wie ist dein Name?«

    »Juarn.«

    »Nun, Juarn, denkst du, dass du den Zauber brechen kannst?«

    Akhinop biss sich angespannt auf die Lippen. Er knetete nervös die Finger.

    Der Arbeiter antwortete zögerlich: »Ich denke schon. Es ist ein einfacher, aber alter und starker Schutzzauber. Man lernt ihn sehr früh. Ich sollte ihn umgehen können. Wichtig ist es, die richtigen Worte zu sprechen und dabei die Aussparungen, die deren Echo aufgefangen haben, auszustreichen. Das ist bei Schutzzaubern eine rituelle Handlung.«

    Die beiden Wissenschaftler atmeten erleichtert auf.

    »Juarn, du bist unsere Rettung«, sagte Rikas strahlend.

    Auch Akhinop nickte anerkennend.

    »Lasst es uns gleich versuchen«, sagte er.

    Sie gingen wieder in den Palast und führten Juarn zur Tür. Seine Augen wurden groß. Den einfachen Arbeitern war der Zugang zum Heiligtum verwehrt. Ehrfürchtig strich er über die Tonbeigaben. Er flüsterte tonlos vor sich hin.

    Dann stellte sich Juarn vor die Tür.

    »Spürt ihr diese Last auf euren Seelen?«, fragte Juarn.

    Rikas nickte. Das war der Druck, den er hier immer wahrnahm.

    »Der Schutzzauber verursacht ihn. Er soll euch von der Tür fernhalten. Ich werde ihn nun schwächen. Ob ich ihn ganz brechen kann, weiß ich nicht.«

    Rikas und Akhinop nahmen einen Sicherheitsabstand ein. Die beiden Statuen leuchteten mit ihren Fackeln auf Juarn.

    Dieser schüttelte sich. Dann schloss er die Augen und murmelte leise Worte vor sich hin. Es war eine alte Form des Kroel. Die Sätze waren kompliziert und die Betonung punktgenau. Dabei tastete der Kroa mit seinen Händen nach den Mulden. Mal klopfte er gegen eine, dann strich er sanft durch eine hindurch, sodass ein schwingender Ton entstand. Immer mehr Töne kamen hinzu, die einander ergänzten. Sie blieben im Raum stehen und übertönten Juarns Worte. Rikas und Akhinop verstanden nichts mehr.

    Schließlich streckte Juarn seine Hände aus, sodass sie alle Gravuren bedeckten. Er sprach einen letzten Satz und stieß gegen die Tür.

    Ein Lichtblitz blendete die Forscher. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Der Boden erbebte. Die Tür schwang auf, sie explodierte geradezu. Juarn wurde nach hinten geschleudert. Schreiend flog er durch die Kammer. Der Schrei erstarb sofort, als der Kroa gegen die Kante einer Treppenstufe schlug.

    Auf den Knall folgten ein tiefes Dröhnen und ein Donnern. Staub wurde in die Luft gehoben. Rikas band sich schnell wieder sein Tuch um, Akhinop zerrte seine Toga in Position. Sie bargen ihre Augen hinter ihren Armen.

    Nach einigen Sekunden hatte sich der Staub gelegt. Der Druck war von ihren Seelen verschwunden. Juarn lag reglos vor der Treppe. Rikas ging zu ihm hinüber und tastete vorsichtig nach seinem Puls. Er fühlte nichts. Da sah er ein dünnes Rinnsal Blut, das unter Juarns Schädel hervor floss. Rikas atmete stoßweise.

    »Oh, ihr Götter«, flüsterte er.

    Er fing an zu zittern. Seine Beine fühlten sich schwach an und er musste sich an der Wand abstützen.

    Akhinop aber interessierte das Schicksal des Arbeiters nicht. Er ging durch die aufgesprengte Tür. Jadebrocken waren herausgebrochen. In der zweiten Kammer standen zwei Sarkophage aus Sandstein. Das war hier ein seltenes und wertvolles Material. Sie waren glatt behauen und auf ihnen waren die Gesichter der Verstorbenen zu erkennen. Es waren ein Mann und eine Frau, beide Kroa.

    »Der gottgleiche Sonnenkönig Ahotep mit seiner Frau«, erklärte Akhinop.

    Die Ära der Sonnenkönige war eine besonders goldene für die Kroa gewesen. Ahotep hatte die Kroa aus der Isolation geführt.

    Rikas kam herüber. Er stand noch immer unter Schock, doch der wurde rasch durch ihren Erfolg verdrängt.

    »Das ist eine Sensation«, sagte er gedämpft.

    Akhinop nickte.

    Rikas ergänzte: »Früher muss das Tor hier immer offen gewesen sein. Schau dir nur diese Spuren an.«

    Er zeigte auf abgewetzte Stellen an den Füßen der Sarkophage. Der Stein war dort dünner und brüchig. Letzte Goldreste hingen noch daran.

    Akhinop ging hinüber und befühlte die Kanten.

    »Vielleicht galt es früher als Glücksbringer, das Gold zu berühren oder zu küssen«, sagt er. »Dann lägest du richtig. Erst die Arlitek oder der Schreiber, der offenbar zuletzt hier war, haben das Tor versiegelt.«

    Abgesehen von den Sarkophagen war die Kammer leer. Die Fackeln der Statuen neben der Tür waren so geschickt ausgerichtet, dass sie auch die Kammer beleuchteten.

    Rikas und Akhinop tasteten alle Wände ab. Sie nahmen Proben für Untersuchungen, um das Alter der Steine zu bestimmen. Aber das entscheidende Gesuchte, die Überlieferung, fehlte.

    Akhinop nickte zu den Sarkophagen.

    »Die Überlieferung – oder das Margenon – muss darin sein. Wir müssen die Deckel herunterschieben.«

    Rikas nickte.

    »Ich tue das nicht gerne, denn es ist ein Frevel an meinen Ahnen, aber es ist für die Wissenschaft.«

    »Und andere deiner Vorfahren haben das wohl auch schon gemacht.«

    Sie fingen beim linken Sarkophag, dem der Königin, an.

    Sie stemmten sich gegen die Seite. Es knirschte gewaltig. Stück für Stück setzte sich der Steindeckel in Bewegung. Kleine Steinchen flogen in die Luft. Der Stein rieb über den Sarkophag. Rikas ächzte. Er kniff die Augen zusammen vor Anstrengung. Akhinops presste seine Beine als Gegengewicht in den Boden. Schließlich rutschte der Deckel die entscheidenden Zentimeter zur Seite, damit sie eine ausreichend große Öffnung hatten, um hineinsehen zu können.

    Drinnen fanden sie kein Skelett und auch keine Mumie oder überhaupt krosche Überreste. Nein, das einzige, was darin lag, war ein Papierstapel, der von einem Ledereinband in Form gehalten wurde. Es war ein dickes Buch, mehrere Zentimeter hoch. Akhinop war größer und so langte er hinein und zog es vorsichtig heraus. Die Seiten sahen noch erstaunlich gut aus. Sie waren leicht gewellt und etwas gelb angelaufen, aber nicht brüchig. Auch die Tinte war noch genauso kräftig wie beim Auftragen.

    »Ob hierauf auch ein Schutzzauber liegt?«, fragte Akhinop.

    Seine Hände waren verschwitzt. Mit trockenem Mund öffnete er die erste Seite. Rikas beugte sich tief darüber. Er holte einen Kneifer aus seiner Hosentasche und setzte ihn sich auf die Nase. Ein freudiges Lachen entfuhr ihm.

    »Unsere Überlieferung, die Überlieferung der Kroa«, las er vor.

    Er fiel Akhinop um den Hals.

    »Wir haben es geschafft, die Überlieferung ist gefunden. Sie existiert. Wir haben es bewiesen. Das ist der größte Schatz, der je gefunden wurde!«

    Auch Akhinop war bewegt. Er schniefte und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln.

    »Bei allen großen Erfolgen, die ich schon erzielt habe, ist das hier ein ganz besonderer. Aber lass uns auch noch im zweiten Sarg nachschauen.«

    Also gingen sie zum Grab des Königs hinüber. Wieder stemmten sie sich gegen die Platte. Auch in diesem Sarg fanden sie keinen Körper, sondern ein weiteres Buch.

    »Das Margenon?«, flüsterte Rikas gespannt.

    »Wir werden sehen«, sagte Akhinop.

    Er holte das Buch hervor. Es sah dem anderen zum Verwechseln ähnlich. Selbst der Ledereinband schien gleich zu sein.

    Er schlug es auf. Darin stand: »Unsere Überlieferung, die Überlieferung der Kroa.«

    Rikas schaute Akhinop verdutzt an.

    »Es ist eine Kopie der Überlieferung. Oder besser gesagt, es sind zwei Originale, eine für die Königin und eine für den König«, sagte der Kroa.

    Akhinop nickte.

    »Aber nicht das Margenon«, ergänzte er.

    Sie nahmen die Bücher mit nach oben, um ihren Erfolg zu feiern.

    Akhinops Traum vom Margenon aber blieb unerfüllt.

    Viele Kilometer über ihnen beobachteten drei Götter die Ausgrabungsexpedition.

    »Und dafür haben wir uns die Mühe gemacht, und Forscher aus aller Welt zusammengetragen?«, fragte eine Göttin verärgert.

    Sie saßen in einer Glaskugel, mit der sie scheinbar über den Planeten flogen.

    »Nur die Ruhe, Alanea«, sagte ein anderer Gott. Er schien besonders alt und mächtig zu sein. »Sie haben die Überlieferung gefunden, das ist ein Erfolg, auf dem man aufbauen kann. Laut den Legenden soll sie voller Hinweise über das Margenon sein.«

    Der dritte Gott ergänzte: »Und außerdem haben wir unsere Hoffnungen ja nicht nur in sie gesetzt. Wer weiß, ob Akhinop weiterkommt. Vielleicht haben unsere anderen Schützlinge eher Erfolg bei der Suche nach dem Margenon.«

    Der mittlere Gott sagte: »Lasst es uns hoffen. Sie können unsere Rettung sein.«

    9. Juvena 1809 - 11:15

    Die Ruder des kleinen Bootes schlugen gleichmäßig ins Wasser.

    Mittlerweile waren die sechs Abenteurer an Bord nur noch hundert Meter vom Land entfernt. Durch das klare Wasser ließ sich der Grund erkennen. Gerade hatten sie ein Korallenriff passiert. Wenn Erenor einen Arm ins Wasser hielt, konnte er scheinbar über den Sand streichen. Das Boot hatte wenig Tiefgang, sodass sie nicht auf Grund liefen.

    Jurev, der Wettergott, war ihnen gewogen. Ein angenehmer Wind wehte und ließ winzige Wellen über das Wasser rollen.

    Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Hier in der Nähe des Äquators merkte man im Laufe des Jahres keine großen Temperaturschwankungen. Es war der Monat der Göttin Juvena, der dritte im Jahr. Man hatte das System von den Y-Ŕoaĺ-Kel übernommen. Auf der Südhalbkugel, in Antaliss, wurde es gerade Herbst. Ein Monat hatte 42 Tage. So lange brauchte der größere und weiter entfernte Mond Cerion für eine Mondphase. Innerhalb von 20 Stunden umrundete er Roel ein Mal. Jetzt zeigte der Stand der Sonne an, dass sie bereits die elfte Stunde des Tages vollendet hatten.

    Ein weiteres Mal hoben sich die vier Ruder, zwei links, zwei rechts. Unter ihnen im Wasser sah Erenor viele Schatten umherschwimmen. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sie sich als farbenfrohe Fische, kleine wie große. Erenor erkannte einen bunt gestreiften Papageienfisch und einen Hochgrundler, einen Fisch, der sich in seichtem Gewässer

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