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Geliebte Zwillingsschwester: E-Mail-Roman
Geliebte Zwillingsschwester: E-Mail-Roman
Geliebte Zwillingsschwester: E-Mail-Roman
eBook271 Seiten3 Stunden

Geliebte Zwillingsschwester: E-Mail-Roman

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Über dieses E-Book

Dieser E-Mail-Roman ist eine ganz andere Darstellungsweise als in den gewöhnlichen Romanen.
Leonore, eine Berliner Krankenschwester, schreibt ihrer Zwillingsschwester in Australien per E-Mail, was alles in ihrem Krankenhaus passierte, nachdem der Stationsarzt mehrere mit AIDS angesteckt hatte. Die Ereignisse werden immer dramatischer, so dass der Chefarzt dann durch seine Sekretärin selbst infiziert wird und mit ihr sich auf den Philippinen von einem Wunderheiler heilen lässt. Leonore lernt auf der Intensivstation einen Dichter namens Kurt Wolter kennen, der sie zu sich einlädt, woraus sich eine innige, platonische Liebesbeziehung trotz großem Altersunterschied ergibt. Jedes Mal, wenn sie ihn besucht, lässt er sie die schönsten Musikstücke von Gregorio Allegri bis Richard Strauß hören, um sie mit diesen - wie er sagt - göttlichen Klängen bekannt zu machen, die sie zu Tränen rühren. Er berichtet ihr, weshalb er als Dichter diffamiert worden ist und auf ihn geschossen wurde. Er hatte seit dem Tode seiner Frau keine Gedichte mehr geschrieben, jedoch wird er durch Leonore dazu inspiriert, wieder zu dichten.
Und das Wunderbarste passiert, dass sie frühmorgens aufwacht und ihr ebenfalls Gedichte von jenseitigen Dichtern diktiert werden, die im Buch auch abgedruckt sind. Er bringt ihr auch die Automatische Schrift bei, so dass sie mit Jenseitigen und ihren Geistführer in Kontakt kommt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Aug. 2020
ISBN9783347100947
Geliebte Zwillingsschwester: E-Mail-Roman

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    Buchvorschau

    Geliebte Zwillingsschwester - Trutz Hardo

    Geliebte Zwillingsschwester

    13.12.2013

    Geliebte Zwillingsschwester Tara!

    In meiner letzten Mail vor einigen Tagen habe ich dir ja berichtet, was ich hier auf der Intensivstation alles erlebe. Ich hatte mich ja auf diese Station versetzen lassen, da ich weiß, dass viele hier Liegende dem Tode oft ganz nahe sind oder auch schon drüben waren und wieder zurückgekehrt sind. Mich interessiert es, was diese dann bei ihrem Erlebnis als klinisch Tote erlebt haben, möchte ich doch darüber ein Buch veröffentlichen, damit der Leser erfährt, dass wir keine Angst vor dem Tod haben müssen. Es ist sich nicht vorzustellen, was wäre, wenn alle Menschen wüssten, dass man nach dem Tod weiterlebt. Erst gestern wurde uns auf die Intensivstation eine zweiundsechzigjährige Frau gebracht, die reanimiert worden war. Als ich heute Morgen mit Elisabeth ihr Bett machen wollte, saß sie schon trotz der Schläuche in der Nase und am Arm aufrecht im Bett. Sie strahlte über ihr ganzes Gesicht. Und ich sagte: „Sie sehen ja aus, als ob Sie dem Herrgott begegnet sind. „Ja, so entgegnete sie, „so könnte man es nennen. Und Elisabeth forderte sie auf, uns mehr zu erzählen. „Ich habe Christus gesehen, ob Sie es glauben oder nicht. Er stand auf einer großen Wiese. Und vor ihm hatten sich viele von uns versammelt. Er sprach zu uns und segnete uns. Es war überwältigend. Und ich wünschte, dass ich ihm die Füße küssen könnte. Und auf einmal, ich weiß nicht, wie es geschah, kniete ich vor ihm und küsste seine Füße. Wir beide lauschten gespannt. Sie bat um einen Schluck Tee. Doch plötzlich kam unser Stationsarzt herein und sagte, dass jemand - und er schaute dabei auf mich - von uns zwei auf Zimmer 216 kommen möge. Ich ging nun auf den Gang.

    Und als wir dort allein waren, drückte er mir heimlich von hinten die Hand. Mich durchfuhr ein Schrecken. Ich weiß, dass er mich begehrt. Ob er mich heimlich liebt, weiß ich noch nicht. Er sieht gut aus, ist erst Anfang dreißig und heißt Doktor Dudszinski. Ich glaube, seine Eltern sind Polen oder Tschechen. Schade, dass das Gespräch mit jener Reanimierten so plötzlich abgebrochen werden sollte. Vielleicht hat Elisabeth mehr erfahren. Wir konnten uns leider nicht mehr sprechen. Ich werde sie morgen fragen und dir weiterhin berichten.

    Wie geht es dir mit deiner (und auch meiner) großen Liebe in Sydney? Hat er dich schon geschwängert? Habt ihr vor, euch zu vermählen? Ich bin so neugierig, was du alles dort als Zimmermädchen in dem Hotel erfährst.

    Aus Berlin sende ich dir meine innigsten Umarmungen.

    Deine Leo

    ***

    15.12.2013

    Geliebte Zwillingsschwester Tara!

    Ja, du möchtest auf zwei Ereignisse nun Antwort haben. Frau Winter, jene Reanimierte, konnte ich leider nicht mehr persönlich sprechen. Doch Elisabeth erfuhr von ihr, dass sie Jesus fragte, wieso es möglich war, dass sie auf einmal sich vor ihm niederknien konnte, da doch dort so viele den gleichen Wunsch verspürt haben könnten. Und er antwortete ihr mit einer sie überwältigenden Liebe, dass er sich jeder Person im selben Augenblick vorstellen könnte, damit sie, wenn sie so will, zu ihm niederknien oder irgendwie von ihm einen persönlichen Segen empfangen möchte. Wie ist das zu erklären? Doch bei Gott und sicherlich auch bei Jesus ist alles möglich. Da sie bei jenem Autounfall auch einen Brustwirbel gebrochen hatte, wurde sie auf die Chirurgische verlegt. Vielleicht kommt sie ja danach wieder auf unsere Intensivstation.

    Aber nun zu deiner zweiten Frage, du Neugierige. Als Dr. Dudszinski, nachdem Felicitas und Elisabeth das Schwesternzimmer verlassen hatten, dort hereinschaute und mich allein erblickte, trat er ein. Es setzte sich zu mir und berührte meinen Arm. Dann sagte er, dass wir beide uns mal außerhalb treffen sollten. Er habe zufällig noch eine zweite Karte für die Zauberflöte, da seine Mutter wegen plötzlicher Erkrankung nicht mitkommen könne. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Und er schaute mich so liebevoll an, dass ich einfach nicht nein sagen mochte, obwohl mir diese Überrumplung zu schnell vonstattenging. Wie hättest du dich an meiner Stelle wohl verhalten?

    Jetzt ist es schon spät geworden. Ich muss ins Bett. Bei euch geht bestimmt schon die Sonne auf.

    Deine Leo

    ***

    18.12.2013

    Geliebte Zwillingsschwester Tara!

    Nun nennt er mich schon nicht mehr Leonore, sondern Leo, genau wie ich von Kind an von dir genannt wurde. Ja, nach der Oper hat er mich zum Dinner eingeladen. Es gab Champagner und dann auch zum gegrillten Fisch noch Weißwein. Ich war ganz schön angeduselt. Er wollte mich dann mit sich nach Hause nehmen, aber ich gab ihm zu verstehen - eine fette Lüge! -, dass ich meine Tage und dazu auch Kopfschmerzen hätte und mich nicht wohlfühlte. Also brachte er mich nach Hause. Und bevor ich ausstieg, küsste er mich heftig, öffnete auch meine Bluse, begrapschte mich. Ich war wie von Sinnen. Ich wollte mich wehren. Schließlich brachte er mich bis zu meiner Wohnungstür. Er wollte dann mit hereinkommen. Aber ich blieb, trotzdem ich ganz schön blau war - mehr als beschwipst, bei meinem Nein, indem ich sagte: „Heute nicht."

    Seitdem wir beide zusammen mit William aus Sydney, diesem schönen Studenten, im Bett waren und er uns mit Neunzehn entjungferte und wir zu dritt über ein Jahr lang mit einander uns liebten, hatte ich, wie du ja weißt, in den letzten zwei Jahren noch keinen sexuellen Kontakt mit einem Mann gehabt, obwohl in der Schwesternausbildung und auf den verschiedenen Krankenstationen schon mancher Arzt - und natürlich Patienten in ihren Betten - begehrliche Blicke auf mich geworfen hatten oder auch Annäherungen versuchten. Attraktive Krankenschwestern sind ja so etwas wie ein wandelnder Präsentierteller von geheimen männlichen Wünschen. Und was sie, an uns denkend, dann unter der Bettdecke mit sich selbst machen, das bleibt ihr Geheimnis, doch ihr Bettlaken ist oft der Verräter.

    Und als unser gemeinsamer Geliebter wieder in seiner so weit von uns entfernten Heimat war, hat er uns beiden Liebesbriefe geschickt, und du bist ihm nachgereist. Ja, ich bin auch immer noch in ihn verliebt. Aber da wir beide uns geschworen hatten, nie auf einander eifersüchtig zu sein, gönne ich dir deinen frisch gebackenen Ingenieur. Du schriebst zwar, ich solle euch in meinen Ferien besuchen kommen. Aber könntest du ihn denn wieder mit mir teilen?

    In meinen Gedanken bin ich noch hin und wieder mit euch beiden im Bett. Es war so schön. Vielleicht denkt er auch noch, wenn er mit dir intim ist, an mich. Aber es bleibt sich ja sowieso gleich, denn wir beide sind als eineiige Zwillinge sowieso für Außenstehende nicht zu unterscheiden. Und wenn ihr euch küsst, dann küsst du ihn bitte auch für mich mit. Denn ich fühle, dass wir beide eins sind. Und ich gönne dir dieses Glück, denn du bist ich und ich bin du. So habe ich auch in meinen Gedanken euch in meinen Armen.

    Grüße ihn von mir. Und wenn du magst, sage ihm, dass ich ihn auch liebe. Deine euch liebende Leo.

    ***

    21.12.2013

    Meine liebe Zwillingsschwester Tara!

    Im Eingangsraum unten befindet sich ein großer Weihnachtsbaum mit bunten elektrischen Kerzen und Behängungen samt silbrigem Lametta. Ihr habt ja, wie du schreibst, jetzt Hochsommer mit bis zu fünfunddreißig Grad. Bei uns hat es ein wenig geschneit. Doch wegen des sich immer mehr bemerkbar machenden Ozonlochs werden unsere Winter immer wärmer, und zum Bedauern der Kinder schneit es immer seltener. Apropos Winter. Frau Winter ist wieder auf unsere Intensivstation verlegt worden, da sich bei ihr eine Embolie gebildet hatte. Doch sie konnte noch mittels eines Blutverdünnungsserums rechtzeitig gerettet werden. Ja, wir müssen auf der Intensiv darauf Acht geben, dass bei Neueingelieferten keine plötzlichen Atembeschwerden eintreten. Sobald sie ansprechbar ist, werde ich sie noch weiter zu ihrem Nahtoderlebnis befragen und dir alles mitteilen.

    Dr. Dudszinski, der übrigens mit Vornamen Marek heißt, wollte mich in seinen Weihnachtsferien zu einem Skiurlaub einladen. Doch ich hatte mich schon für die Weihnachtstage eingetragen, auf Station zu sein. Werdet ihr zwei dort überhaupt Weihnachten feiern? Vielleicht im Schwimmbad oder am Bondi Beach, den du mir so ausschmückend beschrieben hast?

    Sag, schreibst du noch Gedichte? Du hast mir schon seit langem keines mehr zugemailt. Vielleicht wirst du bald auf Englisch Gedichte schreiben. Da bin ich neugierig. Wir waren ja ganz gut in der Schule in Englisch. Und William hat ja auch auf unsere Bitten hin mit uns oft Englisch parliert. Ich habe auch schon, seitdem du abgereist bist, kein Gedicht mehr geschrieben. Wir waren ja fleißige Gedichteschreiber, und meistens begann ich eine Zeile eines Gedichtes, und du nanntest die zweite Zeile, und ich wieder die dritte oder umgekehrt. Auf diese Weise haben wir wohl über hundert Gedichte verfasst. Sicherlich sind auf diese Art sonst noch nirgendwo von Zwillingen Gedichte geschrieben worden. Das hat Spaß gemacht. Ich habe sie alle aufgehoben. Aber sicherlich wird kein Verleger diese herausgeben wollen. Denn sie werden es nicht für möglich halten, dass jede Folgezeile von dem anderen Zwilling erdichtet worden ist.

    Ich habe mir natürlich auch in unser beider Wohnung einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt, wie wir es immer getan hatten. Wenn ich dann die Kerzen angezündet habe, werde ich gleich neben der Krippe die große Fotografie mit uns beiden aufstellen, so, dass ich mit dir ganz verbunden bin. Ja, nachdem unsere Eltern damals tödlich verunglückt waren, hatten wir alle Verbindungen zu anderen Familienangehörigen abgebrochen, da wir beide nur ganz für uns sein wollten. Übrigens ist ein Paket für euch beide unterwegs mit Leckereien, die es wahrscheinlich in Australien nicht zu kaufen gibt. Lübecker Marzipan, Lebkuchen und Spekulatius. Ich hoffe, dass es noch pünktlich zum Fest bei euch ankommt. Aber vor dem Fest werde ich dir sicherlich noch eine E-Mail schreiben.

    Deine euch liebende Leo.

    ***

    25.12.2013

    Frohe Weihnachten, Ihr Beiden!

    Habt ihr den Heiligen Abend gefeiert und euch gegenseitig beschenkt? Ich glaube, ihr seid uns acht oder neun Stunden voraus. Oder sind es sogar mehr? Ich bin erst heute Morgen gegen neun Uhr nach Hause gekommen. An ein eingelegtes kurzes Schläfchen war nicht zu denken, obwohl ich mich mit Felicitas abgesprochen hatte. Wir beide und einige Patienten, die gehen konnten, haben auf dem Flur Weihnachtslieder gesungen und sind jeder mit einer Kerze in der Hand zu allen unseren Patienten gegangen und haben ihnen per Handschütteln Frohe Weihnachten gewünscht, auch jenen, die Moslems oder Juden waren. Erst gegen neun Uhr abends fahre ich mit U-Bahn und Bus zur Klinik, denn ich habe für mein Auto noch keine Winterreifen aufziehen lassen.

    Euren Brief samt den guten Wünschen zum Weihnachtsfest und dem Bild von euch zwei in Badeausrüstung vom Strand habe ich erhalten. Ganz lieben Dank. Ich glaube, ihr seid schon ganz schön braun geworden bei so viel Sonnenschein. Ja, auch du hattest am Heiligen Abend Dienst. Waren denn überhaupt genügend Gäste im Hotel? Denn ich würde annehmen, dass jeder doch mit seiner Familie feiern möchte.

    Frau Winter konnte ich gestern nach der kurzen Feier alleine sprechen, da die beiden anderen von Intensiv auf Station gekommen waren. Ihre zwei Töchter und ihr Sohn waren nachmittags gekommen. Heute will ihre dritte Tochter mit den Enkelkindern sie besuchen. Ich fragte sie, ob sie mir noch etwas über ihren Austritt aus dem Erdenkörper erzählen könne und ob sie noch weitere Erlebnisse mit Jesus gehabt habe. Sie fasste meine Hand und sagte in etwa: „Ich freue mich, dass sie sich mein Erlebnis anhören wollen. Denn dem Doktor Dudszinski wollte ich darüber etwas erzählen, um auch zu erfahren, ob andere Patienten so etwas ebenfalls erlebt haben. Doch der wehrte ab und sagte, dass es hin und wieder sicherlich vorkommt, dass auch andere über ihre Halluzinationen erzählen wollen. Aber das seien alles Irrealitäten, die durch bestimmte Hormonausschüttungen bei Herzstillstand zustande kommen." Und ich versicherte ihr, dass mir auch schon andere über ihre außerkörperlichen Erlebnisse berichtet hatten, möchte ich doch darüber mal ein Buch veröffentlichen.

    Aber was sie mir, liebe Tara, alles erzählte, darüber werde ich dir in der nächsten Mail berichten. Ich muss jetzt los. Übrigens sind hier in Berlin viele Hauptstraßen mit Lichtern dekoriert. Aber das weißt du ja alles. Gibt es bei euch auch weihnachtliche Straßenbeleuchtungen?

    Ich umarme euch beide und schicke euch viele weihnachtlich gezuckerte Küsschen, denn ich habe gerade Marzipan genascht.

    Eure Leo

    ***

    28.12.2013

    Tara, meine geliebte Zwillingsschwester!

    Ich schreibe dir ausnahmsweise aus dem Schwesternzimmer. Es ist nach drei Uhr nachts. Es ist an sich nicht gestattet, den Stationscomputer für private Mails oder andere Zwecke zu benutzen. Aber ich habe gerade kaum was zu tun, bin aber ständig auf der Lauer, sobald jemand klingeln sollte. Vor gut einer Stunde ist jemand beim Gang auf die Zimmertoilette umgefallen. Er hatte geschrien, so, dass andere geläutet hatten. Felicitas und ich haben ihn dann zurück ins Bett gelegt und ihm eine Ente gegeben und ihm gesagt, dass er noch nicht allein aufstehen dürfe. Dann machte ich noch einen Rundgang in die Zimmer und sah, dass Frau Winter im Schlaf ihre Decke zur Seite geschoben hatte. Ach ja, ich wollte dir doch noch erzählen, was sie mir über ihr außerkörperliches Erlebnis erzählt hatte.

    Ich hatte sie ja über ihre Begegnung mit Jesus angesprochen. Und sie erklärte, dass er vor den vielen um ihn Versammelten redete, ohne wirklich zu sprechen. Denn sie vernahmen seine Stimme inwendig. Es war also eine telepathische Vermittlung. Doch seine auf diese Art gesendeten Worte vernahmen sie ganz klar, aber auch so, als ob er zu jedem der Anwesenden persönlich sprach. Von seiner telepathisch vermittelten Ansprache konnte sie sich noch an folgende Sätze erinnern, wie sie ja auch in der Bibel zu finden sind: „Liebe den Nächsten wie dich selbst. Denn du bist der Nächste, wie ich dein Nächster bin. Und dann sprach er noch weiter über die Bedeutung der Liebe. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass er sagte, dass die Erde ein Prüfstein der Liebe, aber auch ein Exerzierplatz der Liebe sei, wo man das umsetzen soll, was man hier gelernt habe, also im Jenseits. Und als er die vor ihm Kniende zu sich hochgehoben und in ihre Augen geschaut hatte, sagte er, dass sie nun wieder zur Erde zurückkehren solle und dort das Licht der Liebe ausstrahlen möge. Und dann sei sie plötzlich wieder aufgewacht und habe die Augen geöffnet. Und sie nahm wieder meine Hand und sagte: „Neigen Sie sich doch bitte mal zu mir. Ich möchte sie umarmen. Und als das geschah, durchpulste mich ein Strom von Liebe in einem nie gekannten Maße. Es war sicherlich noch ein Teil jener Liebe, die Jesus Christus ihr vermittelt hatte. Und sie fügte hinzu, dass sie von nun an, jeden Menschen, sogar einen Verbrecher, umarmen könne. Ich habe natürlich alles, was ich von ihr vernommen hatte, in meinen Computer eingegeben, um, wie ich dir schon sagte, einmal ein Buch über außerkörperliche Erlebnisse zu schreiben.

    Ich muss schnell Schluss machen, denn die rote Lampe leuchtet auf. Tschüss. Leo.

    ***

    29.12.2013

    Meine geliebte Zwillingsschwester!

    Bald beginnt ein neues Jahr. Von meinem Doktor Dudszinski habe ich heute im Briefkasten eine Ansichtskarte aus Davos in der Schweiz gefunden. Er schreibt nebst den besten Wünschen zum Neuen Jahr, dass er bedauere, dass ich nicht bei ihm sein könne. Und er unterschreibt mit „in Liebe M." Liebt er mich, oder begehrt er mich nur als eine Trophäe in seiner Sammlung weiblicher Ent- bzw. Aufdeckungen? Ich weiß nicht. Soll ich mich ihm anvertrauen und mich ihm hingeben? Er sieht sehr gut aus, ist sehr gescheit, wird von den Kollegen geschätzt und ist zu uns Schwestern immer sehr verbindlich und nett, fragt oft, wie es uns geht. Und jeder von uns dreien ließ er durch die Oberschwester zum Fest in einem Weihnachtstütchen eine Tafel Schokolade überreichen mit einer Weihnachtskarte. Ich glaube, Felicitas schwärmt heimlich von ihm. Denn als sie seine Weihnachtskarte las, drückte sie, unbeobachtet, wie sie wohl glaubte, einen Kuss darauf. Zeigst du William alle meine Mails? Sprecht ihr eigentlich deutsch oder englisch miteinander? Wenn ich bei mir in der warmen Badewanne sitze, denke ich oft an euch, wie ihr dort im Meerwasser schwimmt. Aber passt auf. Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass ein Hai bei Sydney einen Badenden angegriffen hatte, er aber von zwei Tauchern noch rechtzeitig gerettet werden konnte. Jetzt habe ich mir die Winterreifen aufziehen lassen, so, dass ich in weniger als zwanzig Minuten in der Klinik sein kann. Schneit es denn auch mal in Sydney, wenn wir hier Sommer haben? Im Radio höre ich gerade Songs von Udo Jürgens, den wir beide so sehr verehrten. Ich denke noch oft an unseren gemeinsamen Abend zurück, als wir nach seinem Konzert ihn zufällig in jenem Restaurant trafen und er vor unserem Tisch in Begleitung einer Brünetten stehen blieb und uns Zwillingsschwestern ein Kompliment über unsere Schönheit machte, nach unseren Namen und nach unserem Wohnort fragte, während seine Begleiterin ihn von uns wegzuziehen versuchte. Er hätte sich bestimmt gerne zu uns gesetzt. Und dann meinte er noch, wir müssten zum Film gehen, denn man würde sicherlich wieder mal ein Doppeltes Lottchen gebrauchen wie die damaligen Kesslerzwillinge. Schade. Denn hätte er sich zu uns gesetzt, hätte er bestimmt uns an eine Film- oder Fernsehagentur vermitteln können. Er wird wohl außer uns Zweien Tausende von weiblichen Fans haben, die auch im Bett an ihn denken mögen. Doch als wir uns William teilten, hörten wir zwar Udos Schlager im Radio, aber unser Traummann war dann William. Soll ich es dir gestehen? Ich vermisse euch

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