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Mondschattens letzter Kampf: Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe - ein Fantasy-Abenteuer für alle, die Magie in ihrem Herzen tragen.
Mondschattens letzter Kampf: Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe - ein Fantasy-Abenteuer für alle, die Magie in ihrem Herzen tragen.
Mondschattens letzter Kampf: Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe - ein Fantasy-Abenteuer für alle, die Magie in ihrem Herzen tragen.
eBook304 Seiten4 Stunden

Mondschattens letzter Kampf: Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe - ein Fantasy-Abenteuer für alle, die Magie in ihrem Herzen tragen.

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Über dieses E-Book

»Wer sagt, er kann nicht, der will meist nicht!«
Nach ihrer Rückkehr aus Amons Heimat hatte Mondschatten gehofft, wenigstens für eine kurze Weile in Ruhe und Frieden mit ihren Eltern, ihrer Schwester Wolkentanz und ihren Freunden in Vestura zusammen sein zu können. Keine Kämpfe, keine Ängste - und vor allem: keine Magie!
Aber die Magierin Mulantan und der Magier Gaios, die sie bereits im Haus ihrer Eltern erwarteten, hatten andere Pläne: »Wir brauchen dich, Mondschatten! Nur du kannst sie besiegen.«
Und so begibt Mondschatten sich ein letztes Mal auf die Reise, um die Alte Ordnung zu bewahren. Wie immer sind ihre Freunde an ihrer Seite - fast immer! Denn für ihren allerletzten und schwersten Kampf ist Mondschatten auf sich allein gestellt.
Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Dez. 2021
ISBN9783347520356
Mondschattens letzter Kampf: Das Ende der fantastischen Trilogie um Mondschatten und ihr magisches Erbe - ein Fantasy-Abenteuer für alle, die Magie in ihrem Herzen tragen.

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    Buchvorschau

    Mondschattens letzter Kampf - Corinna Gottsmann

    Kapitel 1

    in dem Mondschatten Vertrautes aufgeben muss

    »ICH KANN NICHT MEHR! UND ICH KANN ES AUCH NICHT BESSER!«

    Mondschatten senkte ihre Arme. Das Schwert in der einen Hand, die andere zur Faust geballt, starrte sie Eranol wütend an.

    Es war früher Nachtmittag. Noch stand die Sonne hoch am Himmel. Schon bald aber würde sie sich in Richtung der Baumgrenze strecken und lange Schatten in den Innenhof der Burg werfen.

    Wie beinahe jeden Tag um diese Zeit standen sich Mondschatten und Eranol im Hof der Burg der Hüter der Eintracht gegenüber. Und wie beinahe jeden Tag bettelte Mondschatten darum, das Training mit dem Krieger aus dem Nordland frühzeitig beenden zu dürfen.

    Außer ihnen waren nur noch wenige andere Anhänger der Hüter der Eintracht im Hof und gingen ihren Beschäftigungen nach. Verstohlene Blicke trafen die beiden. Über manche Gesichter huschte ein verständnisvolles Lächeln. Ob für Mondschatten oder Eranol, konnte man nicht sagen.

    Mondschatten fing eines dieser Lächeln aus den Augenwinkeln auf und fühlte sich in ihrer Mutlosigkeit bestärkt. Sie stieß die Schwertspitze vor sich in den Boden, die Augen weiter unverwandt auf den Krieger gerichtet.

    Der blickte ungerührt zurück. »Wer sagt, er kann nicht, der will meist nicht!«

    Ein Schleier legte sich über Mondschattens grüne Augen. Zorn stieg in ihr auf. Sie wollte irgendetwas sagen. Irgendetwas, das ihn verletzten würde. Aber ihr wollte einfach nichts einfallen!

    Stattdessen quengelte sie: »Außerdem ist mir das Schwert hier viel zu groß. Und es ist zu schwer und zu lang. Warum kann ich nicht weiter mit dem Kurzschwert meines Großvaters üben?«

    »Mondschatten!« Eranol ging zu ihr und legte eine kräftige Hand auf ihre Schulter. »Ich weiß, dass du unsicher bist. Und ich kann dich verstehen. Wer möchte schon dafür ausgebildet werden, gegen Gaialan zu kämpfen?«

    »Niemand!«, unterbrach Mondschatten ihn schnell.

    Der Krieger nickte. »Ganz genau: Niemand!«

    Mondschatten setzte zu einer Erwiderung an, aber Eranol fuhr unbeirrt fort: »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mit solch einem Erbe, wie du es in dir trägst, umgehen würde.« Wieder versuchte Mondschatten, etwas zu sagen, aber Eranol hob die Hand. »Aber es ist auch nicht wichtig, was ich tun würde, wenn ich die Macht besäße, gegen Gaialan kämpfen zu können, um die Alte Ordnung zu erhalten! Jeder und jede hat in diesen schweren Zeiten seine oder ihre Aufgabe. Und meine Aufgabe ist, dich bestmöglichst auf dieses Aufeinandertreffen vorzubereiten. Und das mit einem anständigen Schwert!«

    »Als ob ein Schwert Gaialan aufhalten könnte.« Mondschatten schüttelte ihren Kopf. »Ich müsste viel mehr mit den Magierinnen und Magiern üben.« Sie sah den ersten Blättern nach, die der Herbstwind weg von den Bäumen und in den Hof getragen hatte, und die nun von der aufkommenden Brise über den Boden gejagt wurden. »Und eigentlich hatten Mulantan und Gaios mir versprochen, dass sie mich ausbilden. Aber stattdessen lerne ich hier nur die Dinge, die ich schon als Kind konnte!« Sie hob ihre Augenbraue. »Kleine Winde heraufbeschwören, Wasserpegel steigen lassen, Erdhügel aufschütten, Feuer … Ach, ist ja auch egal!« Sie wischte mit ihrer Stiefelspitze über den staubigen Boden. Dann sah sie Eranol an und wiederholte leise: »Mulantan und Gaios haben es mir versprochen.«

    »Ich weiß, Mondschatten. Und ich bin mir sicher, sie werden ihr Versprechen halten.« Er tätschelte unbeholfen ihren Kopf. »Aber, freu dich doch! Solange die beiden noch nicht hier sind, haben wir zwei mehr Zeit miteinander.«

    Er zwinkerte ihr zu, ging wieder einige Schritte zurück und hob sein Schwert. Mondschatten blies ihre Wangen auf, zog ihr Schwert aus dem Boden, und kurze Zeit später hallte das vertraute Klingen der Schwerter über den Hof und verlor sich über den Burgmauern im Wald.

    Mondschatten wusste, dass sie durch das Training mit Eranol in den letzten Wochen schon richtig gut darin war, sich mit und ohne Waffe zu verteidigen.

    Natürlich hatte sie früher auch mit Tara und Nerondom geübt. Aber das tägliche Üben mit dem Nordländer hatte sie schnell und deutlich sicherer werden lassen.

    Ihre Gedanken schweiften ab. Tara und Nerondom. Krieger aus ihrer Heimat Vestura. Das gemeinsame Üben mit ihrer Schwester Wolkentanz. Mondschatten schluckte innerlich und zwang die aufkommenden Tränen wieder hinunter.

    Eine Schwertspitze traf sie mitten auf die Brust.

    »Hallo! Noch jemand da?«

    Mondschatten verdrängte schnell den letzten Zipfel Erinnerung an ihr Zuhause, straffte die Schultern und sagte: »Natürlich bin ich da!«

    Der Krieger ließ sein Schwert sinken und lächelte. »Ist schon gut, genug für heute.«

    Mondschatten packte erleichtert ihr Schwert und wollte schon in Richtung der Ställe loslaufen, als Eranol ihr hinterherrief: »Aber rede nicht nur mit deinen Freunden; vergiss nicht, die Ställe auch zu säubern!«

    »Jaja, natürlich!« brummte sie vor sich hin, während sie weiterlief. »Ställe saubermachen, den Hof fegen und Holz hacken. Das sind die wirklich wichtigen Aufgaben, die eine Magierin können sollte!« Unwillig schüttelte sie ihren Kopf. »Ach, und nicht zu vergessen, dem Schmied beim Schärfen der Waffen zu helfen.«

    Vom ersten Tag an waren ihr diese Aufgaben übertragen worden.

    »Und, Mondschatten, mach es bitte ordentlich!«, hatte Erysel sie ermahnt. Die Schwester des Nordländers hatte sie dabei ernst, aber auch liebevoll angeschaut und ihr durch das fuchsbraune Haar gestrichen.

    Erysel hatte sie schon bei ihrem ersten Besuch auf der Burg freundlich willkommen geheißen. Eine heiße Wanne und ein warmes Essen hatten für Mondschatten bereitgestanden. Und auch jetzt, zwei Jahre später, erleichterte die mütterliche Fürsorge der Nordländerin Mondschatten das Heimweh.

    Und wenn sie ganz ehrlich war, mochte sie die körperlichen Arbeiten: den Geruch der Tiere und des Strohs in den Ställen, die gleichmäßigen Bewegungen beim Fegen, das kraftvolle Spalten gefällter Bäume in Holzscheite. Ja, sogar die unerträgliche Hitze aus dem Ofen des Schmiedes war gar nicht so unerträglich.

    Sie war durch ihre Aufgaben stärker geworden. Ihre Muskeln waren sehnig und gespannt. Nichts brachte sie mehr so schnell aus der Puste. Ihre Hände hatten durch die harte Arbeit und das Feuer Schwielen bekommen und konnten mühelos das Schwert gegen Eranol führen.

    Während dieser Gedanken hatte sie ihr Ziel erreicht. Ungestüm riss sie die Holztür zum Inneren der Stallung auf und huschte hinein. Das Blöken, Wiehern und Scharren, das sie begrüßte, war ihr ebenso vertraut wie der warme Stallgeruch, der ihr entgegenschlug. Sie flitzte den Gang entlang, vorbei an den Boxen, die rechts und links aneinandergereiht waren.

    Sie hielt erst an, als sie die letzte Box auf der linken Seite erreicht hatte. Ein großer, nebelgrauer Wolfskopf streckte sich ihr über dem Holzschlag entgegen. Hellblaue Augen sahen sie an.

    Mondschatten zog den Schlag auf und versenkte ihren Kopf in das dichte Fell ihres Freundes Nachtwind. Der vertraute Geruch nach Erde und Stein stieg in ihre Nase, und sofort beruhigten sich all ihre Gedanken.

    Plötzlich zerrte etwas an ihren Haaren. »He, was soll das?« Sie fuhr herum und starrte in zwei dunkle Perlaugen, die sie von Nachtwinds Kopf herab ansahen.

    »Vata!« Mondschatten streckte der Falkendame ihren Arm entgegen. Die flatterte krächzend auf und ließ sich auf dem Lederarmband, das sich um Mondschattens Unterarm schloss, nieder.

    Mondschatten streichelte über das zimtfarbene Federkleid mit den weißen Sprenkeln darin und betrachtete abwesend das Lederarmband, ein Geschenk ihres Freundes Amon aus dem Ostland.

    »Wie es ihm wohl geht?«, fragte sie die beiden Tiere und hielt für einen Moment in ihrer Bewegung inne. Als Antwort stieß Vata mit ihrem Köpfchen gegen ihre Hand. »Jaja, ist ja gut«, sagte Mondschatten und setzte die Streicheleinheiten wieder fort.

    Ihre Gedanken aber wanderten wieder zu Amon, ihrem Freund und Gefährten. Mit ihm, Eranol und weiteren Anhängern der Hüter der Eintracht hatte sie in den letzten beiden Jahren so vieles erlebt:

    Vor zwei Jahren die Reise zu den Vier Heiligtümern im Grauen Gebirge mit allen Gefahren, denen sie sich auf dem Weg dorthin hatten stellen müssen.

    Mondschattens Überraschung, als sie erfuhr, dass Gaios, mächtigster Magier ihrer Zeit, ihr Urahn war – und dass sie selbst das Erbe in sich trug, über alle vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde und Luft) zu herrschen.

    Als sie und ihre Gefährten schließlich die Vier Heiligtümer gefunden hatten und sie diese gegen Antilla (Magier und Anführer der Hüter der Zwietracht) und seine Anhänger verteidigen mussten.

    Am Ende aber hatten sie gesiegt, und Regla, die Alte Ordnung konnte weiterbestehen. Der Frieden war gesichert, zumindest vorerst.

    Abwesend umfasste sie den Anhänger, der mattgolden und kühl auf ihrer Brust ruhte. Ein Erbstück, das innerhalb ihrer Familie von Magier zu Magier weitergegeben wurde. Sie hatte es von Yunorus bekommen. Yunorus, ihr Großvater, der einst ein großer Heiler der Vesturen gewesen war, und in dessen Fußstapfen sie treten wollte. Seit über drei Jahren war er jetzt schon tot.

    Und er hatte ihr nichts gesagt. Über ihr Erbe, ihr Können, ihre Macht, die auch in ihm ruhte, die er aber nicht angenommen hatte.

    Bevor die vertraute Wut und Enttäuschung in ihr aufsteigen konnten, fuhr sie mit ihren Fingern die feinen Zeichnungen entlang, die sich über die Oberfläche des Anhängers zogen.

    Im letzten Jahr dann die Reise in Amons Heimat, um seinem Vater zu helfen, dem Anführer der Ostländer. Eine schleichende Krankheit hatte ihn befallen, und kein Heiler wusste, was zu tun war.

    Auch drohte der Weltenbaum, der in der Wüste der Ostmenschen stand und ein Symbol für Regla, die Alte Ordnung, war, zu verdorren.

    Mondschatten hatte erkannt, dass es Gift war, welches den Anführer der Austuren so sehr schwächte. Und sie fand heraus, dass es Salar war, Amons Onkel, der seinem Bruder dieses Gift gab.

    Beim Weltenbaum selbst war sie auf Gaialan gestoßen. Gaialan, Gaios’ Zwillingsschwester und genauso mächtig wie er selbst. Und die eigentlich tot sein sollte …

    »Nein, ich will jetzt nicht daran denken!« Wütend schnappte sie sich einen Besen und begann, den Gang zu fegen. Vata, von der plötzlichen Bewegung ihrer Herrin aufgescheucht, hockte sich beleidigt auf einen Holzpfosten.

    Mondschatten war nicht wirklich bei der Sache und verteilte Schmutz und Staub nur von einer Seite auf die andere.

    Nach ihrer Rückkehr von den Austuren hatte sie gehofft, wieder ihr normales Leben führen zu können. Wenigstens für eine kurze Weile wollte sie in Ruhe und Frieden mit ihren Eltern, Wolkentanz und ihren Freunden zusammensein. Und mit Thorm natürlich.

    Aber all das war ihr nicht vergönnt gewesen. Nicht einmal für ein winzige Weile.

    Mulantan und Gaios hatten sie bereits im Haus ihrer Eltern erwartet.

    »Mondschatten, wir müssen reden!«, waren Gaios’ Worte gewesen.

    Wir! Dabei hatten doch nur er und Mulantan die ganze Zeit geredet.

    »Es stimmt, ich habe die Gefahr unterschätzt«, hatte Mulantan zugegeben. »Das hätte nicht passieren dürfen!«

    »Wer hatte schon voraussehen können, dass es Gaialan ist, die sich hinter all dem verbirgt.« Gaios’ Stimme war immer wieder gebrochen. Das Wissen, dass es seine eigene Schwester war, die den Untergang der Alten Ordnung plante, und dass er es war, der diesen Hass in ihr hervorbrachte. Das alles war zuviel für den alten Magier.

    Er hatte Mondschatten angesehen, und sie hatte gewusst, was er sagen würde. Sie hatte es in seinen Gedanken gelesen, bevor er es laut aussprach. »Wir brauchen dich, Mondschatten! Nur du kannst sie besiegen.«

    »Warum kämpfst du nicht gegen sie?«, war Mondschattens trotzige Reaktion gewesen. »Es ist schließlich deine Schuld, dass alles so gekommen ist!«

    Mondschatten hatte den Schmerz in den Augen ihres Ahnen gesehen, aber es war ihr egal gewesen.

    Und was hatte der mächtigste Magier ihrer Zeit geantwortet?

    »Ich kann nicht, Mondschatten. Sie ist meine Schwester. Ich habe es geschworen!«

    Sie stieß den Besen gegen den Holzpflock, auf dem Vata hockte. Zeternd flog diese auf und ließ sich wieder auf Nachtwinds Kopf nieder.

    »Was hat Eranol gesagt? Wer sagt, er kann nicht, der will nicht? Hach!« Ein schwerer Kopf stieß sanft gegen ihren.

    Mondschatten seufzte und strich über Nachtwinds Schnauze. Der Wolf war aus seiner Box getreten und stand nun neben Mondschatten. Vata saß weiter unerschütterlich auf seinem Kopf.

    »Ich weiß, Nachtwind. Ich weiß! Ich kann ihn ja verstehen. Es ist seine Schwester.« Sie schüttelte ihren Kopf und vertrieb ihre Erinnerungen an den Tag, an dem sie nur rasch ihre Kleidung gewechselt, sich – unter Tränen – von ihrer Familie und ihren Freunden verabschiedet hatte, um dann gleich mit den beiden Magiern zur Burg aufzubrechen.

    »Ich fühle mich nur so allein! Ich vermisse meine Familie und meine Freunde. Thorm …« Sie flüsterte. »Und Gaios und Mulantan haben sich seit meiner Ankunft hier nicht mehr blicken lassen. Sie mussten gleich weiter; sich einen besseren Überblick verschaffen, haben sie gesagt.«

    Mondschatten zuckte mit den Schultern. »Zum Glück sind Erysel und Eranol hier. Ohne die beiden …« Sie dachte an die dunklen Träume, die sie die meisten Nächte begleiteten. Die dunklen Träume, die ihre treuen Gefährten waren, seitdem das Schicksalslos sie erwählt hatte. Die Kreaturen mit ihrer zerfetzten Kleidung, die sie in den Nächten verfolgten und mit ihren mageren Fingern anklagend auf sie zeigten. »Du sollst Regla retten? Du sollst uns alle beschützen können? Du bist doch nur ein Kind!« Und ein grausiges Röcheln und Lachen begleiteten ihre Worte.

    Mondschatten atmete tief ein, und die Bilder verschwanden. »Meinst du, wir können noch ausreiten, bevor es Zeit für das Abendessen wird?« Sie tätschelte Nachtwinds Hals und warf dabei einen Blick zu den offenen, schmalen Fenstern, die am oberen Rand der steinernen Stallwände eingelassen waren. Die Sonne stand bereits so tief, dass ihre Strahlen kaum mehr den Stall erhellten.

    »Nein, wohl nicht.« Mondschatten nahm den Besen und lehnte ihn ordentlich gegen eine der Boxen. »Es ist schon zu spät. Erysel kann es gar nicht leiden, wenn ich zu spät zum Essen komme.«

    Sie schloss den Holzschlag hinter Nachtwind. »Morgen wieder«, versprach sie und gab ihm einen Kuss auf die feuchte Nase. »Kommst du mit, Vata?« Zur Antwort flog der Falke auf und folgte ihr.

    Mondschatten verließ den Stall und lief quer über den Hof. Um diese Zeit lag er beinahe wie ausgestorben da. Nur zwei Magier eilten in ihren raschelnden Umhängen über den Hof.

    Links von ihr ragte der mächtige Hauptturm aus der Mauer empor, rechts davon reckte sich ein kleinerer Turm in die Höhe. Gerade wurde seine Tür geöffnet und eine Frau trat auf den Hof. Ihr helles, rotblondes Haar hatte sie in einem schweren Zopf gebändigt. Ihre Augen, die genauso blau wie die ihres Bruders Eranol waren, sahen Mondschatten prüfend entgegen.

    »Da bist du ja endlich! Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Das Essen ist fertig«, begrüßte sie Mondschatten und stemmte ihre Arme in die Seiten. Mondschatten schlüpfte eilig an Erysel vorbei ins Innere des Turms. Vata flog über die Mauer und verschwand im Wald.

    Erysel schloss die Tür.

    Der Raum, in dem sie standen, hatte sich kein bisschen verändert. Alles sah aus wie bei Mondschattens erstem Besuch vor zwei Jahren.

    Ein Feuer prasselte im Kamin. Zusammen mit zwei Fackeln erhellte es das Zimmer. Die Bilder, die an den Wänden hingen, zeigten verschiedene Eislandschaften. Sie waren so lebendig gemalt, dass Mondschatten sich sicher war, die Kälte des Eises zu spüren.

    »Meine Heimat«, erklärte Erysel jedesmal, wenn sie davorstand. Und immer schwang Wehmut in ihren Worten mit.

    Der einst sonnengelbe Teppich vor dem Kamin wirkte noch abgenutzter und fleckiger. Und es schien Mondschatten, als ob die Holztruhe, die mitten auf ihm stand, sich seit dem letzten Mal kein Stück bewegt hätte.

    Am rechten Teppichrand ruhte immer noch das ausladende Ledersofa, dessen hohes Alter gnädig durch allerlei bunte Decken verdeckt wurde. Hinter dem Sofa konnte man gerade eben die ersten Stufen sehen, die nach oben in den ersten Stock des Turms und in Mondschattens Kammer führten. Dass der Ohrensessel, der gegenüber dem Sofa seinen Platz hatte, einst brombeerfarben gewesen war, war kaum mehr zu erkennen. Hinter dem Sessel versteckte sich eine winzige Küche. Davor stand ein Esstisch mit vier Stühlen um ihn herum. Und auf einem der Stühle saß Eranol.

    »Guten Abend, Mondschatten«, begrüßte er sie und rührte weiter mit einem Löffel in seiner Schale, die dampfend vor ihm auf dem Tisch stand.

    »N`Abend.« Mondschatten ging zu dem Herd in der Küche, auf dem ein großer Topf stand, und schöpfte sich mit einer Kelle Suppe in eine Schale. Anschließend setzte sie sich zu Eranol.

    Erysel ließ sich auf dem dritten Stuhl nieder. Fahrig strich sie eine Strähne hinter ihr Ohr, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte.

    »Willst du nichts essen?«, fragte Mondschatten und schob sich hungrig ihren Löffel in den Mund.

    »Ich habe schon gegessen«, antwortete Erysel knapp und wich ihrem Blick aus.

    Mondschatten sah Eranol mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber der blickte höchst konzentriert in die Tiefen seiner Schale.

    Mondschatten runzelte die Stirn. Normalerweise saßen sie beim Abendessen zusammen und erzählten sich ausgelassen, was sie am Tag erlebt hatten.

    Was ist nur los mit den beiden?, dachte Mondschatten und sah von einer zum anderen. Aber gut, wenn sie es mir nicht sagen wollen, versuche ich es doch einfach auf meine Weise. Ist ja auch gleich eine kleine Übung für mich. Und ich soll ja viel üben!, dämpfte sie ihr schlechtes Gewissen.

    Aber bevor sie sich auf die Gedanken der Geschwister konzen-trieren konnte, um herauszufinden, was die beiden vor ihr verheimlichten, schaute Erysel sie an und sagte: »Mulantan und Gaios möchten dich nach dem Essen sehen!«

    Kapitel 2

    in dem Traurigkeit Ruhe schenkt

    »Mulantan und Gaios?!?« Mondschatten kippelte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. »Sie sind hier? Hier auf der Burg?«

    Ihr Blick huschte zur Tür, als ob sie erwartete, die beiden Magier würden in eben diesem Moment durch sie hindurchtreten.

    »Ja, Mondschatten! Mulantan und Gaios sind hier auf der Burg. Und sie wollen mit dir reden«, gab Erysel ruhig zur Antwort.

    »Aber sie sind nicht hier!« Eranol hielt in der einen Hand den Löffel, mit der anderen wedelte er, den Zeigefinger erhoben, verneinend vor sich her. »Sie erwarten dich im großen Saal des Hauptturms.«

    Mondschatten sprang auf und wollte zur Tür hinaus auf den Hof.

    »Sie erwarten dich nach dem Essen, Mondschatten«, hielt Erysel sie auf. Mondschatten, die schon beinahe die Tür erreicht und eine Hand ausgestreckt hatte, drehte sich unwillig um und kehrte widerstrebend an den Tisch zurück.

    »Aber warum so plötzlich?«, fragte sie und setzte sich. Sie nahm den Löffel, rührte damit aber nur in der Schale herum.

    Erysel seufzte. »Ich kann dir auch nicht sagen, warum sie ihre Ankunft nicht angekündigt haben. Immerhin hätten sie ja zumindest …«

    »Was haben sie gesagt?«, fragte Mondschatten ungeduldig.

    Erysel schüttelte den Kopf. »Sie haben nur gesagt, dass sie mit dir sprechen wollen. Alleine!«

    »Mit mir«, murmelte Mondschatten vor sich hin. »Alleine.« Sie rührte weiter in der Schale, ohne etwas zu essen. Zu viele Fragen kreisten in ihrem Kopf.

    Schließlich schüttelte sie ihren Kopf und legte den Löffel aus der Hand. »Ich habe keinen Hunger mehr«, sagte sie.

    Erysel nickte ergeben. »Dann lass uns gehen.«

    »Ich dachte, sie wollen mich alleine sprechen?« Mondschatten sah die Norturin fragend an.

    Erysel stand auf. »Richtig, aber es hat mir niemand gesagt, dass ich dich nicht dahin bringen darf!« Auch Eranol erhob sich und folgte den beiden zur Tür hinaus.

    Auf dem Hof waren nun deutlich mehr Magierinnen und Magier unterwegs als noch am späten Nachmittag. Auch Menschen und andere Geschöpfe mischten sich darunter. Sie alle wollen wissen, was die plötzliche Ankunft von Mulantan und Gaios zu bedeuten hat, vermutete Mondschatten. Verstohlene und neugierige Blicke folgten den dreien, die direkt zum Eingang des Hauptturms liefen.

    Dort wartete bereits Vata auf sie. Sie flog vom Boden auf und ließ sich auf dem Arm ihrer Herrin nieder. »Woher weißt du eigentlich immer, wann du wo zu sein hast?«, fragte Mondschatten ihre gefiederte Freundin und strich über ihr Köpfchen.

    Statt einer Antwort Vatas öffnete sich die teerschwarze Holztür des Turms wie von Geisterhand.

    Ohne zu zögern, lief Mondschatten die breiten, felsgrauen Steintreppen hoch, die links in einem Halbkreis nach oben führten. Vata flog ihr voran.

    Als Mondschatten den letzten Absatz erreicht hatte, blieb sie stehen. Vor ihr öffnete sich eine Steinhalle. Wie schon beim ersten Mal staunte sie, wie riesig der Raum war, der sich über die gesamte Fläche des Turms erstreckte.

    An jeder der vier Wände hing ein bodentiefes Bild, und jedes zeigte eines der Vier Heiligtümer: die Flamme, das Saatkorn, die beiden Flügel und den Tropfen. Feuer, Erde, Luft und Wasser; rot, grün, gelb und blau. Die Farben der Bilder verschmolzen mit dem Licht des Feuers, das in dem Kamin gegenüber prasselte. Ein sanfter bunter Schimmer legte sich über den Raum.

    Bis auf zwei Sessel, die auf einem Teppich dem Kamin zugewandt standen, war die Halle leer. Die Sonnenstrahlen, die es durch die Fenster hoch oben in den Steinwänden geschafft hatten, spendeten kaum noch Helligkeit.

    »Es ist immer wieder beeindruckend«, sagte Erysel, die hinter Eranol die Treppen heraufgekommen war. Für eine kurze Weile standen die drei auf dem Absatz und betrachteten das Farbenspiel.

    Mondschatten zupfte nervös am Rand ihres Ärmels. Der rostrote Pullover, der ihr

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