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Der Ritter ohne Wappen und Farben: Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern
Der Ritter ohne Wappen und Farben: Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern
Der Ritter ohne Wappen und Farben: Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern
eBook275 Seiten3 Stunden

Der Ritter ohne Wappen und Farben: Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern

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Über dieses E-Book

Am Ende seines Lebens erzählt der alte Ritter von den waren Geschehnissen als die Burg Hohenzollern erobert wurde. Er nimmt uns mit zurück in jene Zeit, in das Land der Grafen zu Zollern. Er berichtet als letzter Augenzeuge von Freundschaft, Hass und Liebe. Von Mythen und Sagengestalten. Aber auch von Ehre und Treue.

Spannender Ritterroman mit mystischen Elementen und historischen Fakten.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum2. März 2020
ISBN9783749796496
Der Ritter ohne Wappen und Farben: Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern
Autor

Oliver Grudke

Oliver Grudke: Dipl. Ingenieur in der Forstwirtschaft. Seit über 25 Jahren erfolgreich mit eigenem Ingenieurbüro an der Schnittstelle des Naturschutzes und der Forstwirtschaft. Oliver Grudke ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit einigen Jahren hat er das Schreiben für sich entdeckt und verfasst Bücher in unterschiedlichen Genres. Mehr zu Oliver Grudke und seinen Büchern unter www.torsteine.de

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    Buchvorschau

    Der Ritter ohne Wappen und Farben - Oliver Grudke

    Kirchweiler Tal 1499

    Nie hätte ich geglaubt, dass es mir zu Teil wird, ein solches biblisches Alter zu erreichen. Und dass, obwohl Gott und ich nie wirklich Freunde waren. Meine Knochen schmerzen bei jedem Gang. Doch die Mönche hier brauen einen guten Met. Wein gibt es nur, wenn er bei Händlern erworben werden kann. Dafür ist das Tal zu kalt.

    Doch ich habe hier gefunden, was ich lange gesucht habe.

    Frieden und Ruhe.

    Einen Platz, um die letzten Jahre zu ertragen.

    Langsam gehe ich vor das Haus. Die Sonne ist schon warm und verspricht ein zeitiges Frühjahr. Das wird meinen Knochen guttun. Erschöpft von der kleinen Wegstrecke falle ich auf die alte Holzbank vor dem Haus, in dem wir alle gemeinsam leben. In meinen letzten Tagen möchte ich die Dinge aufschreiben, deren ich Zeuge wurde. Dinge, die von anderen verfälscht wurden und meinen Freund in ein schlechtes Licht tauchen.

    Wo ich schreiben gelernt habe und woher ich stamme, soll mein Geheimnis bleiben. Ich hoffe, Ihr seht es einem alten Krieger nach.

    Doch möchte ich, dass die Geschichte, von der ich erzählen werde, lange in aller Munde liegen soll.

    Denn ich weiß, dass es nicht immer so friedlich bleiben wird in der Grafschaft und in meinem geliebten Kirchweiler Tal.

    Schreiben kann ich nur noch hier im Freien, wenn die Sonne scheint. Sonst sind meine Augen zu trüb dafür.

    Aber bald habe ich alles aufgeschrieben. Dann findet auch der Rest meiner Seele Frieden und Ruhe.

    Gleich hinter der Kapelle des heiligen Johannes sollen die Mönche mich begraben. Mit den Füßen zur aufgehenden Sonne gerichtet. So habe ich es ihnen gesagt.

    Doch noch ist ein wenig Zeit.

    Kommt mit und geht mit mir auf eine Reise zurück in der Zeit. Zurück zu den Dingen, die einst geschahen.

    Grafschaft Hohenzollern 1401

    „Geht mir aus dem Weg!", schrie die dicke Baderin.

    Gerade noch rechtzeitig konnte der Krieger ihr ausweichen. Natürlich war er ihr haushoch überlegen und mit seiner doch recht stattlichen und für jene Zeit seltenen Größe von fast zwei Metern schon recht furchteinflößend. Natürlich trug dazu auch seine pechschwarze Rüstung ohne jedes Banner oder Wappen bei.

    Einige der Vasallen und auch der Lehnsträger waren recht argwöhnisch über das plötzliche Auftreten des Ritters ohne Wappen im Gefolge des Grafen Friedrich des 12. von Hohenzollern. Einige munkelten, er wäre mit dem Teufel im Bunde.

    Doch der Graf hatte ihn zu seiner rechten Hand gemacht und seit jenen Tagen herrschten Recht und Ordnung in der Grafschaft am Fuße der schwäbischen Alb.

    So hörte man oft in den Schenken und Gasthäusern den Spruch: Eh macht ein Mordbrenner einen Umweg von Wochen als es in Zollern mit dem Schwarzen aufzunehmen!

    Graf Friedrich war den Untertanen wohlgesonnen und erlies oft in den Notzeiten den Zehnten. Dies führte natürlich zu einer dauernd angespannten Lage der Finanzen. Dies war auch bei allen umliegenden Grafschaften, welche alle sich gerne die zollerische Grafschaft einverleiben würden, wohlbekannt.

    Doch so treu er auch zu seinen Untertanen war, so kämpferisch war er im Gefechte und dieses wussten seine Feinde wohl und fürchteten ihn deshalb.

    Vor allem, seit der „Schwarze" bei Graf Friedrich weilte, getraute sich keiner, die Grafschaft mit Fehde zu überziehen.

    Dennoch lauerten überall Gefahren wie die dunklen Wolken, die an jenem Julitag über die Alb zur Burg herüberzogen.

    Das Donnern versprach nichts Gutes.

    „Warum so eilig, Baderin?", rief Rank ihr nach.

    „Die Herrin! Es steht schlimm!" Dann verschwand sie hinter einer dicken Tür aus bestem Eichenholz.

    Nun wurde es auch Rank mulmig. Er wusste, die Herrin lag in der Niederkunft. Bisher hatte sein Herr keine Nachkommen und er war nicht mehr der Jüngste. Es wäre ein Leichtes für die Feinde, die Grafschaft dann zu übernehmen.

    Nein! Das durfte nicht geschehen.

    Mit seinen groben Stiefeln machte er sich auf, der Baderin zu folgen.

    Die Mühe anzuklopfen machte sich Rank erst gar nicht. Als die schwere Tür aus Eichenholz hinter ihm ins Schloss fiel, zuckte er erschrocken zusammen. Er, der Krieger, den alle, der selber aber nichts fürchtete.

    Ein gellender Schrei erfüllte die Gänge und Gewölbe der mächtigen Burg.

    „Die Herrin!", murmelte er und stürmte die enge Wendeltreppe empor. Dann den Gang entlang gerade in das Schlafzimmer seines Herrn.

    Doch als er die Tür aufdrückte, trat ihm bereits eine Nonne, die an Leibesfülle der Baderin in nichts nachstand, entgegen.

    „Was will er hier?", zischte sie ihn an und sehen konnte Rank aufgrund der Leibesfülle auch recht wenig.

    „Meine Herrin …", stammelte der recht wortkarge Krieger,

    „… liegt in den Wehen! Gott allein weiß, was geschieht!" Bei diesen Worten richtete die Nonne beide Augen nach oben.

    „Geht beiseite! Ich will mich von der Rechtschaffenheit eures Tun selber überzeugen!", knurrte Rank und seine rechte Hand ruhte bereits auf dem Knauf seines Schwertes.

    „Was erdreistet er sich! Einer Dienerin Gottes unrechtes Handeln zu unterstellen! Dafür wird Gott ihn richten!"

    „Gewiss! Eines Tages! Doch nicht heute! Also sage ich es ein letztes Mal! Tretet beiseite!" Die Augen von Rank haben sich beängstigend zu kleinen Schlitzen verengt. Doch erzielte dies keinerlei Wirkung auf die hochnäsige Nonne.

    „Gemach, mein Freund! Gemach!" Rank drehte sich um und blickte in die freundlichen und doch von Sorge gezeichneten Augen seines Herrn. Die Hand seines Herrn lag nun auf der seinen, die noch immer den Knauf des alten Schwertes in der schwarzen Scheide fest umklammert hielt.

    „Seht, sogar mich lassen sie nicht vor! Kommt, leistet mir Gesellschaft bei einem Trunk!"

    „Ich sorge mich!", sagte Rank.

    „Ja, das Ehrt Euch! Doch glaubt mir, die Nonnen tun ihr Bestes. Sie haben sogar die Baderin aus dem Weiler Zell heraufgeholt. Jetzt ist es in Gottes Hand!"

    Wiederstrebend folgte Rank seinem Herrn. Er gehorchte, doch sein Innerstes rebellierte. Nonnen taten selten Dinge aus Nächstenliebe. Doch er wollte seinen Herrn nicht mit seinen Erfahrungen verunsichern. Vielleicht war die Anwesenheit der Baderin eine Hilfe. Der Frieden im Land braucht einen Erben. Dringender denn je.

    „Kommt, setzt euch und labt euch an dem Wein aus den Reinlanden." Fürst Friedrich schenkte Rank einen Becher voll Wein ein.

    „Ich dank euch, mein Herr, doch möchte ich erst trinken, wenn wir Gewissheit haben!"

    „Gut, dann will ich es euch gleichtun! Dann warten wir auf Nachricht. Auf gute Nachricht!" Der Fürst stellte den Krug auf dem hölzernen Tisch ab.

    Schweigend verging die Zeit und alsbald brach die Nacht herein. Noch immer hatten die schwarzen Wolken sich nicht endgültig für einen Sturm entschieden. Rank hoffte, dass auch jener Sturm mit einer guten Nachricht aus dem Gemach des Fürsten alles vertreiben würde, was er tief in seinem Innersten an Ungemach spürte.

    Die Stille wurde nur durch das Prasseln des Feuers im großen Kamin gestört. Selbst der Wind schien urplötzlich sich zurückgezogen zu haben.

    Dann, ein Schrei.

    Der Schrei eines Kindes.

    Der Fürst sprang empor und stieß dabei den Stuhl aus Eichenholz um.

    „Bei Gott, ich bin Vater!", schrie er durch die ganze Halle und wollte sich gerade auf den Weg machen, um in das Gemach seiner Frau zu gelangen, als sich ihm eine Nonne in den Weg stellte.

    „Macht Platz für einen stolzen Vater!", rief der Fürst barsch. Die Nonne lächelte den Fürsten an und hielt ein Bündel empor.

    „Ihr habt einen Erben, mein Herr!", sagte die Nonne mit einer milden Stimme.

    „Bei meinem Barte! Nun, mein Freund, müsst ihr aber den Humpen mit mir leeren!" Der Blick des Fürsten richtete sich auf Rank, der noch immer regungslos am Feuer stand.

    „Was schaut ihr so grimmig? Ist es nicht ein Freudentag! Wollt ihr euch denn nicht mit mir freuen?" Der Fürst klopfte Rank auf die Schulter. Doch dessen Blick war noch immer starr und eisig auf die Nonne gerichtet.

    Nun spürte auch der Fürst, dass noch nicht alles gesagt war. Er drehte sich um und seine Augen funkelten fragend unter seinen buschigen Augenbrauen hervor.

    „Sprecht!", befahl er der Nonne, als sich eine zweite Nonne zur ersten gesellte. Auch diese hielt ein Bündel empor. Dieses war etwas kleiner und unscheinbarer.

    „Herr, Ihr habt noch ein Kind!"

    „Der Herr sei gelobt! Was ist es denn?"

    „Noch ein Junge!"

    „Ha, da brat mir doch einer den Storch! Was für ein Glück wird uns zuteil! Nun, edler Rank, werden wir auf die Geburt anstoßen!" Der Fürst griff abermals zu seinem silbernen Humpen. Doch noch immer war der Blick seines Getreuen fest auf die Nonnen gerichtet. Und es war ein sorgenvoller Blick.

    Der Graf hatte seinen Humpen bereits an den Lippen, als er mürrisch diesen wieder absetzte.

    „Was denn noch?", brüllte er ungeduldig, endlich seinen Wein zu trinken.

    „Die Herrin! Es steht schlecht um sie!", flüsterte die Nonne und faltete dabei ihre Hände.

    Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da war Rank schon an ihr vorbei und stürmte in das Gemach seines Herren.

    Doch was er da sah, ließ den sonst so abgebrühten Krieger erstarren. Seine Herrin lag in einer Lache aus Blut. Überall, sogar auf dem Boden aus Stein war Blut. Die Baderin hatte ihre Ärmel hochgekrempelt und hantierte mit allerlei weißen Tüchern. In der hinteren Ecke knieten zwei Nonnen vor einem Kruzifix und beteten.

    Instinktiv griff er nach dem Knauf seines Schwertes. Doch sogar ihm erschien es nicht klug, noch mehr Blut zu vergießen.

    „Was geht hier vor?", knurrte er.

    Die Baderin drehte sich um und schaute Rank mit einem blutverschmierten Gesicht an.

    „Was denkt ihr? Ich habe den Erben gerettet und den Frieden. Doch ich fürchte, für die junge Herrin war es zu viel!" Ihr Blick fiel mitleidig auf die hübsche junge Frau auf dem blutgetränkten Laken.

    „Ihr könnt die Blutung nicht stoppen?", knurrte Rank. Die Baderin zog eine Augenbraue hoch.

    „Natürlich konnte ich! Sonst wäre sie schon beim Herrn! Doch sagt an, woher versteht ein Krieger wie ihr so viel von der Kunst der Bader.

    „Was ist dann?" Rank ignorierte die Frage.

    „Fieber! Sie hat Fieber und ich bringe es nicht gesenkt!"

    „Gebt ihr etwas von dem Lanceolata Kraut. Presst es aus und erstellt daraus einen Sud!"

    Nun wich alle Farbe aus dem Gesicht der Baderin, sodass die Blutspritzer schon fast hell leuchteten.

    „Bei unserem Herr! Ihr kennt euch aus!"

    „Haltet euch nicht mit Geschwätz auf, sondern tut, was ich sage!" Die Hand von Rank ruhte bereits wieder auf dem Knauf seines Schwertes.

    „Jaaaa, ich habe keines hier!", sagte nun die Baderin und wirkte plötzlich sehr nervös.

    „Dann holt welches!", befahl Rank.

    „Bei dem Wetter und in der Nacht! Nein, mein Krieger, das müsst ihr schon selber tun! Ich bin nur eine hilflose Frau!"

    „Gut! Ich werde gehen! Wo finde ich das Beste!"

    „Hier gibt es keines! Aber etwas den Fluss hinauf, dort ist ein kleines Kloster der Johanniter. Oben im Kirchweiler Tal. Dort findet ihr, was wir brauchen."

    Rank kannte das kleine Tal, welches sich südlich von der Burg erstreckte von der Jagd mit seinem Herrn. Doch da war immer der Fürst der Wegbereiter. Alleine und in der Nacht würde er es schwer haben.

    Auf ausdrücklichem Wunsch des Fürsten hatte er dessen Pferd genommen. Einen Arabischen Hengst. Ein durchaus wildes Tier, aber mit genügender Ausdauer.

    Als Rank durch das Adler Tor über die Zugbrücke ritt, zuckten bereits die ersten Blitze durch die Nacht. Dunkles Grollen ertönte kurz darauf von den Höhen der Alb herab.

    Doch auf den nächsten Tag konnte er nicht warten.

    „Hüa!", schrie er und trieb den Hengst den Berg hinunter vorbei am Kloster zu Stetten hinüber zur sicheren Furt. Die Blitze erhellten seinen Weg und so war es für ihn leichter.

    Doch als er an der ersten Furt, die über den Reichenbach führte, stand, so sah er bereits die braunen, reißenden Fluten des ansonsten so friedlichen kleinen Bächleins. Sein Blick fiel auf die dunklen Wolken, die über der Alb hingen. Dort musste es schon geregnet haben.

    Der Hengst war kaum zu bändigen. Noch einmal schaute er sich die Fluten an. Vielleich könnte er es hier schaffen! Vielleicht! Doch die nächste Furt über den Fluss aus dem Kirchweiler Tal würde er nicht mehr schaffen. Dann wäre er gefangen zwischen den Flüssen.

    Seine Gedanken begannen sich zu drehen, als plötzlich ein weiterer Blitz den Himmel taghell erleuchtete. Er sah die Umrisse der Alb Höhe.

    Ein Ausweg?

    Ein anderer Weg, den er nicht kannte.

    Von dem er nur gehört hatte.

    Er wusste von den Gefahren, allein die wilden Tiere! Wölfe und Bären! Doch blieb ihm eine Wahl?

    Als er auf seinem Rückweg wieder am Kloster zu Stetten vorbeikam, nahm er sich eine der Kienspanfackeln, die den Eingang erleuchten sollten.

    Ein Stück des Weges soll sie ihm helfen. Vielleicht auch gegen die Bären.

    Bei anhaltendem Regen trieb Rank den Hengst zurück zum Berg der Burg. Dann vorbei am Weiler Zell, wo die Quelle des Bröller schon bedrohlich sein Wasser zu Tale spuckte.

    War dies der Weg?

    War dies überhaupt ein Weg?

    Rank erkannte nichts, doch er verließ sich auf sein Gespür. Dieses würde ihn schon zum Hof Jung Tal der Johanniter führen. Er, der Krieger, hatte weiß Gott schon Schlimmeres erlebt.

    Es ging mal bergauf, dann wieder etwas bergab. Er überquerte Wasserläufe und Bäche.

    Zu seinem Glück war das Wetter so schlecht, dass sogar die Bären sich nicht blicken ließen.

    Rank wusste, dass diese gerne ein schwächendes Pferd sich einverleiben. Denn der Hengst hatte schon viel von seiner Kraft eingebüßt. Auch er merkte die Beschwerlichkeit des Weges. Und er hatte nichts an Proviant dabei. Wehmütig dachte er an den Humpen Wein auf dem Tisch seines Herrn. Hätte er ihn doch geleert, so wäre ihm genügend Kraft geblieben.

    Doch so schien seine Mission aussichtslos.

    Erschöpft glitt er mitten im dunklen und nassen Wald vom Pferd.

    Wo war er?

    Er hatte keine Ahnung und kein Gespür.

    Er war verloren. Allein in den tiefen Wäldern seines Herrn. Der Regen hatte etwas nachgelassen und auch schien das Gewitter an seiner Intensität nachzulassen.

    Doch von hier schien es nicht weiterzugehen. Auch den Rückweg würde er nicht finden. Er würde warten müssen, bis der Morgen graute und so seine Herrin im Stich lassen.

    Wenn er an Gott glauben würde, so wäre dies sicherlich der Zeitpunkt, um diesen um Hilfe zu bitten. Doch das tat Rank nicht.

    Aber sollte es diesen Gott dennoch geben, so half er vielleicht auch jenen, die nicht an ihn glaubten.

    Erschöpft auf Knien schrie er durch die Nacht.

    „Komm, nun zeig dich und zeig mir, dass es dich gibt!"

    Plötzlich bemerkte er den Schein eines Feuers. Rank stand auf. Ja, jetzt roch er auch verbranntes Holz.

    Erst jetzt fiel ihm auf, dass er am Fuße eines kleinen runden Hügels stand. Dort oben war jemand. Jemand, der ihm helfen konnte. Egal, ob Freund oder Feind. Er würde es herausfinden. Mit der Linken nahm er die Zügel seines Pferdes und mit der Rechten umklammerte er den Knauf seines alten Schwertes.

    Mühsam stiegen sie auf. Plötzlich durchquerten sie einen alten Steinbogen. Diese waren die Reste einer Burg. Einer vergangenen Burg.

    Sein Herr hatte diese nie erwähnt.

    Außer dem Bergfried, der eher einem kleinen Haus glich, waren nicht viele Mauern übrig.

    Inmitten des ehemaligen Hofes brannte ein loderndes Feuer. Daneben saß auf einem Stück Balken ein dicker Mann mit einem buschigen grauen Bart.

    „Seid mir gegrüßt, Fremder!", sprach ihn dieser plötzlich an, obwohl er Rank eigentlich noch nicht gesehen haben konnte.

    Rank umklammerte den Knauf seines Schwertes noch fester. Bereit, sofort loszuschlagen, sollte er angegriffen werden.

    „Wer seid ihr?", knurrte Rank hinunter in den Hof.

    „Ha, seid nicht ihr der, der hier eindringt und sich zuerst vorzustellen hat?" Der Mann warf noch ein Stück Holz in das Feuer.

    „Ihr habt recht! Mein Name ist Rank!" Rank band den Hengst an eine kleine Buche und ging hinunter in den Hof.

    „Rank! Nur Rank? Ein Ritter ohne Farbe und Wappen! Ihr scheint mir seltsam!" Nun sah der Mann Rank direkt an. Dabei erschrak Rank. So waren die Augen des Mannes die eines Wolfes. Gelb und hellwach.

    „Und ihr? Sitz hier in einer alten Burg mitten in der Nacht! Das ist auch seltsam!"

    „Nicht weniger, als dass ein Ritter ohne Wappen sich der Burg nähert."

    „Sie steht auf dem Land meines Herrn! Somit ist sie sein Besitz und er auch euer Herr!", sagte Rank und genoss die Wärme des Feuers.

    „Nein, die Burg gehört den Mönchen von Jung Tal! Sie haben sie gekauft. Und was mich betrifft, so ist mein Herr lange tot!"

    „Fürst Friedrich ist euer und mein Herr!" Rank griff wieder nach dem Knauf.

    „Mag sein! Doch ich will mich nicht streiten, oder seid ihr deshalb hier bei mir?" Wieder sah der Mann Rank direkt an.

    „Nein! Ich suche den Weg nach Jung Tal, von dem ihr soeben spracht."

    „Ja, da seid ihr auf dem richtigen Pfad! Doch nun setzt euch und labt euch an meinem Wein!"

    „An eurem Wein? Ha hier? Ihr wollt hier Wein haben?" Rank lachte. Doch der Mann blickte nun sehr finster drein.

    „So ist es, und nur den Besten. Zehn Fässer voll! Wollt ihr sehen?" Der Mann stand auf und griff nach einem glimmenden Stück Holz.

    „Hahaha! Zehn Fässer! Ihr seid von Sinnen!" Rank lachte.

    „Wollt ihr?"

    Rank stand auf, als er die Ernsthaftigkeit des Mannes spürte. Er nickte.

    „Dann kommt und folgt mir!" Der Mann ging voraus durch eine dichte Hecke aus schwarzem Holunder. Dahinter führte eine Treppe aus Stein in die Tiefe. Rank zögerte.

    „Angst?" Der Mann lachte und stieg hinab. Rank folgte.

    Nein Angst hatte er nicht, denn er hatte ja sein Schwert bei sich.

    Rank folgte dem Mann, dessen Namen er noch immer nicht kannte, hinab in das alte Gewölbe der ehemaligen Burg der Herren von Jungingen.

    Kaum zu erkennen waren die Treppenstufen. Nicht mehr als ein Stück alter abgetretener Fels.

    „Kommt! Kommt nur, edler Herr!" Der Mönch machte ein sehr fröhliches Gesicht. Rank legte seine Hand nun fest um den Knauf seines Schwertes. Er rechnete mit einer Finte. Eine Falle von Wegelagerern. Zudem mochte er die Diener des Herrn nicht sonderlich. Sein Herr war der Fürst.

    Eine Tür gab es nicht. Nur ein Loch, das von üppigem Efeu fast zugewuchert war.

    Rank war sich sicher: Hinter diesem Loch gab es keinen Wein.

    „Kommt! Kommt herein, edler Herr!" Die Stimme des Mönches, jetzt sehr fröhlich, kam aus der Tiefe.

    Rank zog sein breites Schwert aus der Scheide und schnitt damit das Efeu

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