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von wegen früher war alles besser
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eBook366 Seiten5 Stunden

von wegen früher war alles besser

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Über dieses E-Book

von wegen früher war alles besser Diese Notizen sind eine persönliche Rückbetrachtung des Autors Hermann Grabher (geboren 1940), die aufzeigt, wie sich die Lebensumstände und damit auch die Menschen in der Zeit seit dem zweiten Weltkrieg bis heute verändert haben. Man erkennt, dass sich in dieser Zeit eines Menschenlebens sozusagen alles geändert hat.
Heute ist nicht alles gut, wir alle wissen das. Aber die Menschen haben wirklich die Chance auf ein besseres Leben in einer Dimension, wie sie noch nie eine Generation vor uns hatte. Wir haben allen Grund optimistisch in die Zukunft zu blicken.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. März 2020
ISBN9783347024359
von wegen früher war alles besser
Autor

Hermann Grabher

HERMANN GRABHER, * 1940 in Altstätten (St.Gallen) Schweiz, verheiratet seit mehr als 50 Jahren, 2 erwachsene Kinder, wohnhaft im St.Galler Rheintal. Bis 1990 kaufmännischer Leiter der familieneigenen Firma für Maschinenbau (gegründet 1936 von seinem Vater), vorwiegend Export orientiert. 1991 Veräusserung seines Besitzanteils an seinen Bruder und Firmenaustritt. Ab 1991 freier Berater im Finanzbereich. Berufsbedingt intensive Reisetätigkeit weltweit . Interessiert an eigenen und fremden Kulturen, wie auch an der eigenen und an fremden Religionen. Wirtschaftsbewandert. Sportbegeistert.

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    Buchvorschau

    von wegen früher war alles besser - Hermann Grabher

    1   Als ich noch jung war

    Als ich geboren wurde, schrieb man das Jahr 1940. Man befand sich im zweiten Jahr des Zweiten Weltkriegs. Und diese Welt war in Aufruhr. Auf unserer Erde brannte es lichterloh. Frauen, die Knaben zur Welt brachten, fragten sich voller Sorge: Muss auch dieses Kind dereinst mal in den Krieg ziehen? Deshalb hätten alle Mütter lieber Mädchen geboren.

    In der ersten Klasse waren wir zu meinem Erstaunen doppelt so viele Buben wie Mädchen im Schulzimmer. Als ich nach dem ersten Schultag meiner Mutter von dieser meiner Feststellung erzählte, antwortete sie: «Das richtet die Natur so ein. Im Krieg fallen Männer als Soldaten, also muss der fehlende männliche Anteil entsprechend wieder kompensiert werden!» Mich, den Erstklässler, traf diese Bemerkung der Mutter tief ins Herz. Denn das hiess wohl nichts anderes, als dass auch ich mal dereinst vielleicht ausersehen sein würde als Kanonenfutter missbraucht zu werden. So nahm ich mir fest vor, nie Soldat zu werden und dies gelang mir. Entsprechend meiner damaligen eigenen Vorgabe schaffte ich es, dass ich nie in meinem Leben ein Gewehr in meinen Händen halten musste. Folglich feuerte ich auch nie je einen Schuss ab. Man kann diesen meinen Entschluss, entschieden von einem Menschen in frühen Jahren seines Lebens, als Feigheit abtun. Und so falsch ist diese Vermutung gar nicht, denn gewiss war auch eine Portion fehlender Mut mitbestimmend für diese meine Einstellung. Allerdings versuchte ich damit vor allem und in erster Linie meine Gesinnung auszudrücken, die Gesinnung eines durch die Kriegsereignisse gereiften Kindes, das sich vornahm, niemals mit Gewalt ein Problem zu lösen. Ich war somit ein kleiner Pazifist, ohne diesen Begriff überhaupt zu kennen.

    Als ich noch jung war, liebte ich es jenes zu hören, was Alte aus früheren Zeiten erzählten. Diese Alten waren oft noch gar nicht besonders alt. Aber wenn man zehn, fünfzehn oder zwanzig Lenze zählt, können selbst lumpige fünfzig Lebensjahre schon eine beeindruckende Marke darstellen. Es waren meine Eltern, meine Onkel und Tanten, die Grosseltern, Nachbarn, Mitarbeiter meines Vaters und manche andere, die aus vergangenen Zeiten berichteten. Damals war ich sehr glücklich, dass ich in der «Neuzeit» leben durfte, denn wie es schien, war es alles andere als einfach, sich in früheren Epochen durchs Leben kämpfen zu müssen. So vieles stellte sich den Menschen unserer Vorgängergenerationen als schwierige Hürden in den Weg: Grassierende Arbeitslosigkeit. Kleine bis allerkleinste Entlohnung für ehrliche Arbeit. Krankheiten und Seuchen, bei denen die Medizin machtlos war und die Menschen zu Hunderten weggerafft wurden. Kriege, die Angst, Zerstörung und Tod brachten. Wenig Brot auf dem Teller, von Fleisch oder Käse gar nicht zu reden. Weder elektrischer Strom noch fliessendes Wasser im Haus. Schlafkammern ohne Heizung, Betten ohne jeglichen Komfort. Bettdecken, die kratzten, weil sie mit Laub gefüllt waren und die sehr wenig wärmten. Kleider und Schuhe, die für die kalte Jahreszeit nur bedingt geeignet waren, weil sie nicht in der Lage waren Kälte und Nässe wirksam abzuhalten. Dies hörte sich alles andere als lebenswert an, eigentlich im Gegenteil ziemlich lebensfeindlich – kurz gesagt schrecklich!

    Was ich andererseits gar nicht nachvollziehen konnte, waren wehleidige Bemerkungen gewisser reifer Menschen, die man hin und wieder zu hören bekam. Nämlich, dass früher dennoch alles besser gewesen sei und dementsprechend und konsequenterweise heutzutage alles schlechter sei. Diese betonten, dass Dinge, die früher als wichtig und wertvoll galten, heute schnöde bachab gehen würden. Die Moral zum Beispiel, die Leistungsbereitschaft, der Lern- und Arbeitswille, der Respekt, die Leidensfähigkeit, die Gottesfurcht. Ja, es mangle an vielem, wurde von diesen betont, insbesondere und nicht zuletzt auch an der notwendigen Intelligenz. Früher seien die Menschen gescheiter gewesen, irgendwie vernünftiger. Man habe es gemacht, wie man es in der Vergangenheit schon je gemacht hatte und damit sei man gewiss nicht schlecht gefahren. Man habe nach dem gesunden Menschenverstand und dem guten Gefühl entschieden. Man habe ohne jegliche Spitzfindigkeit gespürt was gut und was schlecht sei. Und dass man damals vaterländische Ohrfeigen ausgeteilt habe, das sei soweit bestimmt auch kein Fehler gewesen, es habe niemandem geschadet. Dann hätten diejenigen, welche damit bedient wurden, das eben wohl verdient gehabt!

    Wenn ich mich heute ertappe beim Einbringen einer persönlichen Bemerkung mit dem Neben- oder gar dem Einleitungssatz als ich noch jung war, kann meine Stimme unvermittelt ins Stocken geraten. Dann kann ich richtiggehend über mich selbst erschrecken, weil ich realisiere, dass ich ganz ohne Wenn und Aber in jener Generation angekommen bin, die gerne von früher erzählt und teilweise eben auch mit dem heute vergleicht. Das heisst: Ich bin offensichtlich alt geworden. Es kann vorkommen, dass ich über mich selbst erstaunt bin, weil auch ich ab und zu den Mahnfinger hebe, was ich früher in meinen jugendlichen Jahren bei älteren Menschen verabscheute. Weil ich darin die Geste ewig gestriger Besserwisser zu erkennen glaubte, etwas, was der Jugend noch nie zugesagt hat, in welcher Epoche auch immer sie lebte. Doch ich kann zu meiner eigenen Entlastung sagen, dass ich immerhin nicht zur Fraktion der notorischen Nörglern gehöre, zu den Negativdenkern, die voller trübsinniger Ahnung kundtun, die Welt gehe demnächst unter, ja wir alle seien sozusagen schon verloren, es gebe keine Rettung mehr, die Apokalypse habe schon eingesetzt. Im Gegenteil, ich bin einer, der es vorzieht, das Glas halbvoll und nicht halbleer zu sehen. Und ich betrachte meine positive Grundeinstellung als ein Segen. Denn neigt sich das Gemüt mehr dem Sonnenschein zu, denn der fatalen Kunst des Schwarzmalens, lebt es sich beschwingter. Eigentlich sollte sich jedermann dies zu seinem eigenen Vorteil beherzigen. Denn die Wissenschaft sagt: Eine positive Grundeinstellung hebt die Lebensqualität, kann den Lebenszyklus verlängern!

    Ich stehe zu meiner dezidierten Meinung, dass sich die Welt grundsätzlich zwar weit nicht perfekt, aber durchaus in positiver Weise entwickelt hat im Zeitfenster meines Lebens. Auf vielen Gebieten konnten erhebliche Fortschritte erzielt werden, sehr zum Wohle von uns Erdbewohnern. Und dies lässt sich auch rein statistisch belegen: In den letzten sechzig Jahren hat sich die globale Lebenserwartung von einst 47 Jahren auf heute 72 Jahre erhöht! In der Schweiz liegt die Lebenserwartung sogar noch elf Jahre höher. Die Sterblichkeit von Kindern bis 15 Jahren liegt aktuell bei weniger als 4 Prozent. Vor siebzig Jahren lag die Zahl sieben Mal höher. Der Analphabetismus konnte weiter reduziert werden auf heute weniger als 10 Prozent weltweit. Diese Zahl bedeutet allerdings im Rückschluss, dass noch immer zirka 800 Millionen keinen Zugang zu einer rudimentären Schulbildung hatten oder haben – ein Skandal in unserer Zeit! Täglich bekommen 200'000 Menschen neu Zugang zu Trinkwasser und 325'000 Menschen erstmals einen elektrischen Anschluss. Nie zuvor gab es weniger Menschen in extremer Armut als heute. Allerdings ist im selben Atemzug anzumerken, dass der hierfür angewandte Richtwert des Tageseinkommens mit zwei US-Dollar als menschenverachtender Hohn betrachtet werden muss! Denn davon kann niemand existieren, auch im ärmsten Land der Welt ist dies nicht möglich! Eine beeindruckende Zahl von Seuchen und Krankheiten, einst Geisseln der Menschheit, wurden zwischenzeitlich endgültig besiegt. Dies heisst allerdings nicht, dass künftig keine Seuchen oder gar Pandemien mehr über uns hereinbrechen können. Denn unser mobiles Verhalten ist förderlich für diese Bedrohung. Immerhin dürfen wir darauf zählen Gefahren dieser Art heutzutage medizinisch und präventiv effizienter bekämpfen zu können. Die allgemeine Gesundheitsversorgung ist in vielen Ländern glücklicherweise umfassend und die Fürsorge-Institutionen und sozialen Einrichtungen helfen vor allem auch älteren, kranken und minder bemittelten Menschen über die Runden zu kommen. Andererseits besteht in vielen Bereichen noch immer ein riesiges Verbesserungspotential, insbesondere in Ländern der Dritten Welt. Es existiert ein Nachholbedarf an Schulen, Krankenstationen und sanitären Anlagen. Vielerorts mangelt es an sauberem Wasser. In unseren Breitengraden ist die Energieversorgung gut organisiert; sie ist es auch in einer Vielzahl anderer Ländern in anderen Kontinenten. Der Trend zur Produktion von Ökostrom mittels Photovoltaik, Erdwärme und Wind hält an. Doch wir alle wissen, dass wir erst am Anfang dieser Entwicklung stehen und unsere Anstrengungen noch bedeutend intensiviert werden müssen, um die gesteckten ambitionierten Ziele erreichen zu können. Der allgemeine Bildungsstand der Menschen hebt sich kontinuierlich und beeindruckt. Dies ist allerdings absolut notwendig bei den heutigen Anforderungen, die das Leben in mannigfaltiger Weise stellt. Noch nie gab es mehr Menschen auf Erden, die einer geregelten Arbeit nachgehen und damit auch im Stande sind ein einigermassen kalkulierbares Einkommen zu generieren. Wenngleich klar festzustellen ist, dass noch immer längst nicht alle Löhne fair sind (insbesondere in Ländern der Dritten Welt) und es noch immer viele Firmen gibt (auch in unserer Hemisphäre), deren vordergründiges Ziel scheint, Arbeitsstellen weg zu rationalisieren, statt neue zu schaffen. Denn wenn Arbeitsstellen gestrichen werden, hebt sich der Wert der Aktien an der Börse. Die Welt des Kapitals hat eine eigene Logik und korrespondiert oft nicht mit unserem Gespür für Moral. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, einerlei ob Mann oder Frau, steht noch vielerorts in harschem Gegenwind. Wir haben internationale Organisationen von weltumspannender Bedeutung, die sich unablässig bemühen, Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken. Es sind dies die politisch organisierten Institutionen wie die UNO mit den Untersektionen UNESCO und UNICEF, oder NGO Organisationen wie das Rote Kreuz, Caritas, Ärzte ohne Grenzen und viele andere. Es gibt sie in beeindruckender Zahl, die Leute mit Courage. Es sind Menschen mit Herz, Frauen und Männer mit enormem Engagement und grosser Eigenverantwortung. Es sind Persönlichkeiten, die hohen ethischen Ansprüchen gerecht werden. Sie setzen sich ohne jeglichen Blick auf Eigennutz ein, verfolgen nur ein Ziel, nämlich Benachteiligten zu helfen, unsere Welt lebenswerter zu gestalten. Ihnen gebührt uneingeschränktes Lob, wie auch Dank und Anerkennung.

    In der Tat dürfen wir nicht ruhen, müssen weiter intensiv in lauterer Weise alles unternehmen unseren Heimplaneten besser zu machen - auf allen Gebieten. Die Natur muss noch umfassender verstanden und effektiver geschützt werden. Es werden noch viel zu oft Kriege angezettelt und Konflikte zwischen Ländern münden in kriegsähnliche Auseinandersetzungen, insbesondere zum Nachteil der Zivilbevölkerung. Es gibt Terror von Einzelnen und Gruppen mit der Folge, dass Menschen verwundet werden oder gar zu Tode kommen, ihre Existenz und ihre Heimstätten verlieren und zu Flüchtlingen werden. Es existieren noch viel zu viele Herrscher und Politiker, die korrupt sind, deren Fokus vor allem auf die persönliche Bereicherung ausgerichtet ist. Sie sind unfähig zwischen Dein und Mein zu unterscheiden mit der Konsequenz, dass die Ökonomie ihrer Länder darnieder liegt und nicht hochkommen kann, die Menschen somit keine Zukunftsaussichten haben. Ihre Führer andererseits mit goldenem Besteck aus goldenen Tellern essen. Es gibt Religionsführer, die den Begriff Religio (was Gottesfurcht, Rückbesinnung und auch Gewissen meint) in keiner Weise verstehen, wenn sie zu Hass und Gewalt gegen Andersdenkende aufrufen. Die Moral weltweit ist nicht besser geworden in einer Zeit, in der Gott und andere übergeordnete Institutionen nicht mehr oder höchstens mit Vorbehalt akzeptiert werden. Aber immerhin gelten die zehn Gebote für viele von uns noch immer und das eigene Gewissen ist bei einer Mehrzahl der Menschen nicht platt gewalzt. Die meisten von uns wissen ziemlich genau, was unsere Pflichten sind oder zumindest wären und was wir unserem Nächsten schulden, wer auch immer als unser Nächster zu betrachten ist. Wir sagen laut und vernehmlich, dass Humanismus, Achtung des Individuums, Schutz der Schwachen, vor allem von Frauen und Kindern, nicht falsch ist, sondern im Gegenteil nichts anderes ist, als ein menschliches Urbedürfnis zu respektieren, nämlich die Menschenrechte! «Was Du nicht willst das man Dir tu, füg Du auch keinem andern zu!» Dies vermittelte mir meine Mutter sozusagen mit der Muttermilch. Und natürlich gilt dies heute noch immer in unveränderter Weise. Dies wird sich auch in den nachfolgenden Generationen nicht ändern. «Du sollst nicht stehlen»! «Du sollst nicht lügen»! «Du sollst nicht töten»! Nichts, aber auch gar nichts ist falsch an diesen Geboten, egal, ob man sie nun als christlich bezeichnen will oder als etwas anderes. In gleicher Weise sollten wir die Antipoden der Zehn Gebote im Auge behalten, nämlich jenes was wir tun sollen: «Du sollst den Nächsten lieben wie Dich selbst»! «Du sollst teilen, solidarisch sein mit denen, die wenig oder nichts haben»! «Du sollst zur Umwelt Sorge tragen zwecks Erhaltung unseres Planeten!»

    Unsere Erde hat sich prächtig entwickelt, so gut, dass die Regeneration der Natur nicht mehr Schritt halten kann mit dem, was wir erschaffen und tun, was wir gerne als technischen Fortschritt bezeichnen. Unser Erfindergeist hat bewirkt, dass wir uns sozusagen selbst überholt haben. Wir leben aktuell auf zu grossem Fuss, wir leben zu unbescheiden, weit über unsere Verhältnisse, auf Kosten der nächsten Generationen. Unsere Schritte laufen nicht einher im Einklang mit der natürlichen Rekuperationssfähigkeit der Erde. Es hat lange gedauert bis wir - oder zumindest viele von uns - akzeptierten, dass unser C02-Ausstoss zu gross ist und dieser radikal gesenkt werden muss, damit die Erderwärmung reduziert werden kann. Dies mit jeglicher bekannten Konsequenz. Auf dass sich künftig der «sonnige Süden» mit dem mediterranen Klima nicht bis zur Nord- und Ostsee erstreckt und unsere Landwirtschaft nicht gezwungen sein wird in unseren Gefilden Reis oder Soja, statt Kartoffeln und Weizen anzupflanzen. Wir müssen unsere Abfallberge reduzieren. Verpackungen dürfen nur noch aus rezyklierbaren Materialien bestehen. Und es darf insbesondere nicht sein, dass unsere Gesellschaft diese grossen Mengen von Lebensmitteln verschwendet und ungenutzt wegwirft, so wie das aktuell leider in überbordender Weise geschieht.

    Viele von uns haben das ungute Gefühl in einer heillosen Krisenzeit zu leben. Tatsache ist aber, dass schon jegliche Generation vor uns dieses Empfinden hatte. Bereits im Alten Testament war die Rede davon und die damaligen Menschen glaubten nahe vor dem Weltuntergang zu stehen. Dabei waren sie der Ansicht, dass dies die gerechte Strafe Gottes sei für menschliche Verfehlungen. Gefühle dieser Art können beim Menschen in der Tat das Grundvertrauen erschüttern oder sogar zerstören. Dies mit fatalen Folgen: Es besteht die Gefahr mutlos zu werden, den inneren Halt zu verlieren. Eine Hauptursache der Verunsicherung ist die schnelle, allumfassende Kommunikation in der heutigen Zeit. Jegliches Ereignis, wo immer es geschieht, geht in Minutenschnelle um die Welt – Fake News genauso wie korrekte Informationen. Und es ist für jedermann schwierig zwischen richtigen und falschen News, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Wem soll man glauben? Dabei kommen viele daher, als wären sie ein neuer Messias, als hätten sie die absolute, die einzige Wahrheit im Gepäck.

    Wir sollten uns mehr Gelassenheit aneignen. Ich traue uns - der Menschheit - zu, sowohl die Vernunft wie auch den Geist, die Inspiration, die Erfindungsgabe, wie auch insbesondere die Moral zu besitzen, die Verantwortung zu übernehmen und zu handeln. Noch können wir die Weichen umlegen, noch können wir die Kurve kriegen. Ich traue uns Menschen zu, die notwendige Weitsicht aufzubringen, das richtige zu tun. Staaten, Institutionen werden die umfassenden finanziellen Mittel sprechen, die notwendig sein werden, diesen Challenge zu bestehen. Und zwar nicht halbherzig, sondern aus Vernunft mit voller Überzeugung. Diese Herausforderung wird gleichzeitig auch eine grosse Chance sein. Jegliche neuen technischen Innovationen, kreative Ideen und letztlich die praxisgerechte Umsetzung all dieser in die Zukunft gerichteten Entwicklungen werden uns und die kommenden Generationen fordern. Der Schub wird viele zusätzliche Arbeitsplätze generieren und Menschen Arbeit und Brot in neuen herausfordernden Tätigkeitsfeldern verschaffen. Das Lösen dieser anspruchsvollen Aufgaben wird uns weitere Schritte vorwärtsbringen und den Männern und Frauen künftiger Generationen die Chance bieten, nicht nur zu überleben, sondern ein gutes, interessantes und vor allem menschenwürdiges Dasein zu führen. Und das über viele weitere Generationen.

    Nun kann man sich allen Ernstes fragen, ob es klug, korrekt und sinnvoll ist Phrasen dieser Art in die Welt hinaus zu posaunen, wenn man selber das Glück hat im Paradies leben zu dürfen, in einem Land, in dem es den Menschen an nichts fehlt, in einer Gesellschaft, in der es alles in Fülle gibt, in dem Jegliches seinen Platz und seine Ordnung hat. Unser Kampf ist ja keiner gegen den Hunger, sondern eher einer gegen das eigene Übergewicht. Die meisten von uns müssen sich nicht mehr gegen körperliche Erschöpfungszustände stemmen, sondern eher etwas gegen die Bewegungsarmut und ihre Folgen unternehmen. Doch nur eine Minderheit der Erdbewohner hat solch paradiesisches Glück auf Erden wie wir. Wie hat es ein Mensch verdient zum Beispiel als Mädchen in den Slums von Bangladesch oder im Busch des Sudans auf die Welt zu kommen? Was mag sich Gott denken, wenn er das Menschlein in einer Ecke der Welt abstellt, wo seine Chancen für ein menschenwürdiges Leben schon beim Start so reduziert sind, wie sie in der Realität eben sind? Unter diesem Aspekt getraut man sich kaum mehr weiter zu denken, denn da fehlen uns selbst nur im Ansatz die entsprechenden Perspektiven, die Welt zu verbessern, gerechter zu machen.

    *

    2   Wurzeln

    Kein Mensch hat einen Einfluss auf seine Wurzeln. Niemand kann seine Familie selbst aussuchen, auch wenn er der König von Brunei oder der Maharadscha von Jaipur ist, kann er das nicht. Erst wenn er/sie einen Partner/Partnerin (möglichst fürs Leben) findet und Kinder zeugt, nimmt der Mensch individuell Einfluss auf den weiteren Verlauf des Stammbaums und somit in die Zukunft. Eltern können ihre Gene vererben, sie können auch durch eine entsprechende Erziehung Einfluss nehmen, ob Kinder mehr oder weniger gut geraten. Aber letztlich ist jeder Erdenbürger ein Unikat, von dem es kein zweites davon gibt. Das Aussehen ist nur ein Merkmal von vielen. Charakter, Gemüt, Intelligenz, physische Konstitution und Stabilität der Gesundheit sind andere. Irgendwann, früher oder später, entfernt sich jeder Mensch dem Einflussbereich der elterlichen Fürsorge, dann ist er sich selbst überlassen, muss für sich sorgen, muss sich den Prüfungen des Lebens selbstverantwortlich stellen.

    Meine Familie hat einen recht gut dokumentierten Stammbaum, der mir an sich aber ziemlich unwichtig ist. Denn zum rückwärts ausgerichteten eigenen Stammbaum habe ich nichts beigetragen. Ich bin ich geworden, ohne dass man mich fragte, genauso wie es bei jedem Menschen ist. Meine persönliche Möglichkeit der Beeinflussung liegt nur in der vorwärts ausgerichteten Linie, nämlich durch die Existenz eigener Kinder. Dennoch ist es manchmal interessant, nicht selten auch kurios, wie sich unsere Ahnen in der Vergangenheit verhielten.

    Ich war eigentlich der Meinung, dass in unserer bodenständigen, eher traditionell geprägten Gegend die früheren Gesellschaftsstrukturen wohl ziemlich homogen sein mussten. Ich nahm an, dass sich Einheimische geographisch eher wenig veränderten und es auch nicht viele Zuzüger gab. Ein wenig Ahnenforschung jedoch genügte, um zu einem etwas anderes Bild zu gelangen, nämlich dass durchaus fremdes Blut in meinen Adern pulsiert, und zwar von Vaters Seite, wie auch von Mutters Seite. Unter diesem Aspekt ist es wohl angebracht anzunehmen, dass schon unsere Vorfahren reisten, immigrierten, ihre angestammte Heimat aus welchen Gründen und Umständen auch immer verliessen, um sich irgendwo an einem anderen Ort neu anzusiedeln. In schwierigen Zeiten gab es Massenexodusse. Bekannt in diesem Zusammenhang ist insbesondere die Immigrationswelle der Italiener in die Schweiz in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, sowie die Ausreiseaktivitäten von Europäern nach Amerika vor und nach der Jahrhundertwende um 1900, aber auch schon früher. Meistens waren Katastrophen oder Zwangszustände in der Heimat wie Raumnot, Mangel an Nahrung, gesellschaftliche Verfolgung und negative Ereignisse privater Natur die Triebfeder von Immigration. So sei denn die Frage erlaubt: Ist es nicht nachvollziehbar, wenn heute viele Afrikaner ihr Glück in Europa versuchen? Oder Südamerikaner an der Grenze zu den USA anklopfen? Ob und wie sich diese Menschen bei uns integrieren lassen, das ist ein anderes Thema. Ein Mann, der hier in der Schweiz Asylanten betreut, sagte mir kürzlich, dass das Verhalten vieler erwachsener Flüchtlinge absolut unselbständig sei, nicht anders als wären sie Kinder. Werden sich diese Leute je in unserer Gesellschaft zurechtfinden, sich integrieren lassen? Es ist unsere Pflicht ihnen in freundlicher Weise unsere Kultur und unsere Gepflogenheiten nahe zu bringen, dass sie möglichst schnell lernen, wie hier der Hase läuft.

    Die Blutaufmischung auf Vaters Seite kam wie folgt zustande: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drohte die Sippe mit dem Dorf-Familiennamen «Knechts» auszusterben. Die letzte Familie des Stamms hatte keine männlichen Nachkommen, sondern nur zwei Töchter und die kamen auch schon in fortgeschrittene Jahre. Insbesondere war es schon damals für «alte Jungfern» nicht einfach einen Ehemann zu ergattern. Diese Frauen liessen sich aber ihre Lebenslust nicht verbieten und hauten anscheinend tüchtig auf den Putz. Bei einem Fest in Bregenz lernten sie Soldaten aus der Slowakei kennen, die eigentlich gar keine Krieger waren, sondern Musikanten. Sie waren Angehörige eines Musik-Bataillons in der K. & K. Kaserne am Bodensee stationiert. Aus dem Techtelmechtel gingen beide Mädchen schwanger hervor. Als die beiden Frauen ihre Schwangerschaft feststellten, waren die Herren leider längst aus der Kaserne ausgezogen. So war es nicht einmal möglich die Väter der Kinder in den Bäuchen der Schwangeren zu eruieren. Denn sie hatten es unterlassen Namen und Adressen auszutauschen. Offensichtlich war die Sache damals als kurzes, lustvolles Intermezzo eines Sommerabends betrachtet worden. Es scheint, dass sie die Folgen ihres Tuns ganz offensichtlich krass unterschätzt hatten. Wie auch immer, die zwei Frauen gebaren je einen Sohn - logischerweise mit dem Geschlechtsnamen Grabher, dem Ledig-Namen der Damen. Das lockere Verhalten der Frauen zeitigte immerhin einen positiven Aspekt, nämlich dass damit das Überleben der Sippe der Knechts gerettet war. Zumindest etwas scheinen die anonymen lebenslustigen slowakischen Musikanten mit ihren Genen weiter gegeben zu haben: Ihre musikalische Begabung. Manche der Nachkommen zeigten und zeigen noch immer ein musikalisches Talent, das auffallend ist.

    Die Blutaufmischung auf Mutters Seite war wie folgt: Die Mutter meiner Mutter mit Namen Nora, also meine Grossmutter, hatte einen Vater, der aus Ungarn (damals K. & K. Österreich-Ungarn) stammte. Als Schuhmacher auf Wanderschaft machte dieser Mann zufällig Halt in Lustenau, dem Dorf meiner Urgrossmutter Sidonia (1865 – 1930). Der tüchtige Schuhmacher lachte meine Urgrossmutter Sidonia nicht nur an, sondern er heiratete sie. Das Paar war fruchtbar, es hatte 21 Kinder, von denen 15 das Erwachsenenalter erreichten. Daraus entsprossen 44 Enkel und 101 Urenkel (einer davon bin ich). Somit starben 6 ihrer Nachkommen im Säuglings- oder Kindesalter. Der Tod eines Kindes wurde zu jener Zeit nicht unbedingt als grosse Katastrophe betrachtet, sondern als natürliche Auslese: Der Herrgott gab und der Herrgott nahm, es war sein Wille. Kinder im Himmel betrachtete man als wichtige Fürsprecher vor Gott aller jener, die nach ihnen heimgeholt würden. Die Menschen jener Zeit gewannen somit dem Kindstod auch eine positive Seite ab. Es wurde erzählt, dass der Vater Franz am Morgen der Beerdigung eines seiner Kinder traurig war und heftig lamentierte. Am Nachmittag in der Schusterwerkstatt hatte sein Gemüt aber schon wieder eine positive Stimmung gewonnen und er pfiff ein Liedchen vor sich hin, wie das bei ihm anscheinend üblich war. Das Erwerbsleben der Familie war polyaktiv. Einerseits betrieb die Familie zwei Stickmaschinen. Andererseits führte der Vater seine Schuhreparaturwerkstatt vorwiegend abends und nachts, denn tagsüber arbeitete er als Arbeiter in einer Zichorie-Fabrik in Au auf der anderen Seite des Rheins.

    Meine Grossmutter Nora heiratete Julius Bösch im Jahre 1911. Aus dieser Verbindung entsprossen 8 Kinder, Leni, meine Mutter, war das zweite Kind der Familie. Grossvater und Grossmutter mütterlicherseits lernten sich beim Musizieren kennen. Nora hatte einen blinden Onkel, der Musiklehrer war. Ihn betreute sie als Führerin. Bei diesem Onkel Pepi lernte sie das Spielen auf der Zither. Julius lernte gleichzeitig auf der Violine zu spielen. Julius ernährte seine Familie vorerst durch den Betrieb seiner Stickmaschine. Daneben wurden die meisten Lebensmittel in Eigenregie gepflanzt, insbesondere Kartoffeln, Türken (Mais), Getreide, sowie jegliche Art von Gemüsen und Salaten, die unser Klima hergibt. Obst und Nüsse gediehen auf den Bäumen der Hofstatt und Beeren wuchsen in den Sträuchern rund um das Haus. Ausserdem ermöglichte eine kleine Schweinezucht, dass ab und zu auch Fleisch auf den Tisch kam. Vor allem im Hauskamin geräucherter Speck liess sich lange haltbar aufbewahren. Nachdem die Stickmaschine durch ein Erdbeben beschädigt worden war und die Stickerei nach dem ersten Weltkrieg ohnehin in der Krise steckte, wurde Grossvaters Stickmaschine - wie hunderte andere in der Gegend auch – abgebrochen und zu Alteisen. Julius wurde Strassenmeister der Gemeinde bis zum Jahr 1938, dem Jahr, als die «Grossdeutschen» an die Macht gelangten und die «Schwarzen» (Christlichen) aus allen Ämtern verjagt wurden. Diese Beschreibung ist sehr typisch für eine durchschnittliche Familie, die zu Beginn des 20. Jahrhundert im Rheintal lebte, diesseits, wie jenseits des Rheins – die politische Komponente mal ausgeklammert. Deshalb ist sie erwähnenswert. Hunderte, wenn nicht gar tausende Familiengeschichten verliefen ähnlich. Ganz anders präsentierte sich die Entwicklung auf der politischen Ebene linksseitig und rechtsseitig des Rheins. Die Annektierung Österreichs durch Deutschlands Nationalsozialisten war für die Vorarlberger einschneidend und für viele überaus schmerzvoll. Die Menschen auf der Schweizer Seite waren glücklicher, denn ihr Leben fand in einem politisch stabileren Land statt.

    Die Familie der Eltern meines Vaters war hingegen weniger typisch strukturiert. Mein Grossvater Franz-Sepp verlor im ersten Weltkrieg als 30-jähriger Soldat das Leben. Die Witwe (meine Grossmutter Kathrin) mit 2 Knaben (der Ältere war mein Vater) heiratete wieder und gebar noch sechs weitere Kinder vom zweiten Ehemann. In dieser Familie studierten drei der vier Söhne, was für eine Arbeiterfamilie jener Zeit eher ungewöhnlich war. Einer von ihnen wurde katholischer Priester, der andere Lehrer. Mein Vater besuchte das Technikum. Der Umstand, dass der Staat den zwei Waisen eine kleine Rente auszahlte, half dabei entscheidend.

    Nach der Ausbildung fand mein Vater keine Arbeitsstelle, es ging ihm nicht anders als den meisten anderen Schulabsolventen des Technikums. Genau zwei Mitschüler in Vaters Klasse fanden einen Job und dies auch nur durch die Protektion ihrer einflussreichen Eltern. Infolge der wirtschaftlichen Depression vor dem zweiten Weltkrieg herrschte eine katastrophale Arbeitslosigkeit. Um die jungen Leute nicht der Resignation anheimfallen zu lassen, wurden verschiedene Hilfsprogramme und Aktionen für Jugendliche betrieben. Zum einen wurden defekte Apparate und Geräte wie Radios, Fotoapparate, Fahrräder, Motorräder und sogar Autos gratis repariert. Wer konnte, der zahlte einen bescheidenen Obolus, jeder entsprechend seiner individuellen Möglichkeiten. Beliebt war unter anderem der Rede-Club, bei dem unser Vater eine treibende Kraft war: Jedes Mitglied war gehalten sich periodisch mit einem spezifischen Thema intensiv auseinander zu setzen, um dann darüber vor all den Kollegen und der Öffentlichkeit im Allgemeinen einen Vortrag zu halten. Dies war eine Art Volkshochschule. Das Ziel war vor allem auch das Allgemeinwissen der einfachen Menschen im Dorf zu heben. In Anbetracht, dass nur wenige ein Radio besassen und die Television noch gar nicht existierte, das Internet noch nicht mal in der Fantasie bestand, war dies eine sehr sinnvolle Bildungsinstitution.

    Als der Vater hörte, dass im Fürstentum Liechtenstein ein Mechaniker gesucht werde, schwang er sich aufs Fahrrad und stellte sich bei Josef Kaiser in Schaanwald (heute Kaiser Fahrzeugbau) vor. Die Realität war folgende: Ja, der Kleinbetrieb, der sich auf den Umbau von ausgedienten Autos in Traktoren spezialisiert hatte, sogenannte Auto-Traktoren, suchte tatsächlich eine Hilfskraft. Aber Josef Kaiser bekannte ohne Umschweif, keinen Lohn zahlen zu können, hingegen für Kost und Logis aufzukommen. Sozusagen beiläufig sagte Frau Kaiser, die Frau des Chefs, zum jungen Mann (unserem Vater), dass er wohl hungrig sei und dass sie ihm Spiegeleier braten würde, er solle ruhig sagen wie viele er möge. Am Schluss hatte er 7 Stück verdrückt. Unter diesen Umständen fiel

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