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Das Geräusch des Windes: Hoffnunglos, unmenschlich und ohne einen Ausweg
Das Geräusch des Windes: Hoffnunglos, unmenschlich und ohne einen Ausweg
Das Geräusch des Windes: Hoffnunglos, unmenschlich und ohne einen Ausweg
eBook709 Seiten9 Stunden

Das Geräusch des Windes: Hoffnunglos, unmenschlich und ohne einen Ausweg

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Über dieses E-Book

In dem Roman "Das Geräusch des Windes" geht es um das Schicksal der beiden jüdischen Geschwister Maria und Paolo, die von ihrer Mutter, im Stich gelassen wurden. Diese wahre Begebenheit ereignete sich 1940 in einem kleinen Dorf in der Provinz von Palermo/Sizilien. Es handelt sich um die Geschichte einer Mutter, die für ihren Traum von einem besseren Leben ihre eigenen Kinder im Stich lässt. Sie entschied sich zu dieser grausamen Tat in einer Zeit, die unglaublich schrecklich und grausam war. Zu dem ganzen Leid kam auch das, dass zwölfjährige süße Mädchen von einem alten Jäger gefangen genommen wurde und versucht zu vergewaltigen. Beide Kinder erlebten einen Martyrium nach dem anderen, bis sie auch noch von einem Carabinieri erfuhren, dass ihr Vater im Gefängnis brutal ermordet wurde. Die Mutter wurde wahnsinnig, als sie mit eigenen Augen sah, wie ihr neuer geliebter sie mit seiner Ex-freundin ständig betrog. Erfüllt von Tiefen Hass und Wut sah sie keinen Ausweg es ihm einzuzahlen und die Tragödie nahm ihren Lauf...
Es ist eine Geschichte, aus dem wahren Leben, mit Intrigen, Morde und Schicksalsschläge. Die den Leser von der ersten Seite bis zur letzten Fesseln und in seinem Bann zieht.
Als Bonus hat der Autor auch 6 wundervolle Gedichte mit eingebracht, die tief unter die Haut gehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum23. Mai 2020
ISBN9783752954876
Das Geräusch des Windes: Hoffnunglos, unmenschlich und ohne einen Ausweg

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    Buchvorschau

    Das Geräusch des Windes - Antonio Cipriani

    Das Geräusch des Windes

    Das Geräusch des Windes

    Titel Seite

    Prolog

    Der Wind

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 18

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Titel

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Titel - 1

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Danksagung

    Das

    Geräusch des Windes

    Hoffnungslos, unmenschlich

    und ohne einen Ausweg

    © 2019 Antonio Cipriani 

    Die hier ausgestellten Werke, einschließlich einzelne Textteile oder Absätze, sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Kopierungen, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Prolog

    „ Das Geräusch des Windes "

    Diese Erzählung basiert auf einer wahren Begebenheit und spielt im zweiten Weltkrieg. Obwohl dieses Ereignis in dieser schrecklichen Zeit stattfand, handelt sie nicht primär vom zweiten Weltkrieg, auch nicht vom Nationalsozialismus oder von der Verfolgung und Misshandlung von Juden.

    Vor hundert Jahren ging der erste Weltkrieg zu Ende, aber noch immer gibt es rund um Europa zahlreiche Kriege. Länder werden immer noch komplett verwüstet und ausgebeutet. Gebäude, Verkehrswege und die Natur werden einfach zerstört. Es gibt weiterhin viele Tote und Verletzte und die Menschen müssen mit den Folgen des Krieges leben. Viele Menschen müssen alltäglich leiden, schreckliche Dinge mitansehen und erleben. Doch die Regierungen, vertreten von machtgierigen Politiker und unterstütz von korrupten und manipulativen Medien, Prahlen und Protzen mit Frieden und Ordnung. Jedoch kommt es weiterhin zu Kämpfen und Anschlägen und die Zahl der Massenvernichtungswaffen steigt weiten und weiter. Die mächtigen Atomwaffen-Nationen haben nichts dazugelernt, sie rüsten und maximieren ihre Bestände weiter auf.

    Alle diese Ereignisse sind zwar Bestandteil der Handlung und erschweren das Leben der Hauptfiguren, jedoch ist dies nicht die Botschaft, die der Autor vermitteln will.

    Die Kinder Maria und Paolo sind die Protagonisten dieser Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit basiert. Beide unschuldige Geschöpfe erleben erschreckendes in einer Zeit voller Angst, Hunger, Misshandlungen und unglaublichem Leid. Trotz der schrecklichen Situation in der die Kinder sich befinden, geht es nicht ausschließlich um Kinder Misshandlung oder Gewalt gegenüber Frauen. Vielmehr handelt die Geschichte von einer Mutter, die sich plötzlich für ihren Traum nach einem besseren Leben entscheidet. Dadurch beeinflusst sie das Leben, die Zukunft und das soziale Umfeld ihrer beiden Kinder katastrophal.

    Es ist eine Geschichte aus dem wahren Leben, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt und in seinen Bann zieht. Eine herzzerreißende Geschichte, die tief unter der Haut geht. Der Autor hat dieses Projekt auch auf sich genommen, weil die Protagonisten dieser Geschichte seine eigenen Großeltern waren. Nach zeitintensiver Recherche über alle Einzelheiten und Ereignisse konnte er diese unglaubliche Erzählung zu Papier bringen.

    In den meisten Büchern über Motivation, Erfolg oder sogar Spiritualität wird immer berichtet und felsenfest bekräftigt, dass jeder für sein eigenes Leben, für sein eigenes Glück, Wohlergehen und sein eigenes „Ich" verantwortlich ist. Alle Motivatoren, Lehrer und sogar Psychologen auf verschiedenen Seminaren und Vorlesungen bekräftigen, dass jeder aus eigener Kraft etwas tun müsse um glücklich sein zu können. Dass jeder Einzelne von uns selber für seine eigene Zukunft verantwortlich sei.

    Dies sind sicherlich sehr plausible und glaubwürdige Aussagen, die auch sehr logisch und meist auch zutreffend sind, jedoch muss ich energisch widersprechen und diese Feststellungen zum Teil in Frage stellen. Und meistens sind es die gleichen Fragen, die mir ewig Kopfschmerzen bereiten.

    -Wie kann ein 6-jähriges Kind, das von seiner Mutter im Stich gelassen wird, verantwortlich für sein eigenes Glück und Leben sein?

    -Wie kann dieses Kind allein überleben?

    -Wie kann so ein Kind glücklich sein oder sein Glück im Leben finden, ohne die Führung und Liebe einer Mutter?

    -Wie kann so ein unschuldiges und unerfahrenes Kind in so einer harten und hoffnungslosen Zeit das Richtige tun, um ein erfülltes Leben haben zu können?

    Die Kindheit eines Menschen ist einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Abschnitt im Leben. Ein Mensch, der eine schlimme Kindheit durchleben musste, kann nie so richtig glücklich im Leben sein. Jedes Mal, wenn die Kindheitserinnerungen einen einholen, blickt man in einen dunklen und kalten Abgrund voller Angst und Schmerz. Und es stimmt auch nicht, was viele Besserwisser oder Weichspüler-Redner sagen, dass man mit der eigenen Vergangenheit einfach abschließen muss, um ein besseres Leben haben zu können.

    Das funktioniert vielleicht mit einer unglücklichen Beziehung, einer Niederlage, dem Verlust eines Freundes oder eines lieben Menschen, aber nicht mit einer grausamen Kindheit. Die Kindheit ist ein Teil von einem. Die Kindheit ist dein zukünftiges „Ich".

    Wenn man schon als Kind die unfähigsten oder ungeeignetsten Eltern an der Wiege hat, stelle ich dies einem Todesurteil gleich. Heutzutage werden Kinder zu oft von Individuen konzipiert, die eigentlich keine Kinder haben sollten. Nicht einmal Tiere würde ich in die Obhut solcher Menschen geben. Sie reproduzieren sich nur, um eine finanzielle Absicherung zu erzielen. Sowohl werden diese hilflosen Seelen dann auch als Druckmittel eingesetzt, missbraucht und brutal misshandelt. Viele Frauen setzten Kinder in diese Welt aus purem Egoismus, um nur ihren Wunsch endlich Mutter zu sein, zu erfüllen oder auch mal so aus Versehen. Andere mehrfache Mütter wollen auf einmal wieder einfach frei sein und ihr Leben wie ein Teenager ausleben. Sie wollen auf einmal Karriere machen und ihre Träume ausleben und vernachlässigen dabei ihre Kinder und die ganze Familie.

    Als Mutter ist man nicht mehr frei, denn man hat dem Kind gegenüber eine Verpflichtung, und zwar das ganze Leben lang. Manche Menschen sollten keine Kinder in die Welt setzten, wenn sie nicht bereit sind, für die eigenen Kinder liebevoll zu sorgen und für sie alles zu geben. Sie haben nicht das Recht, Leben in die Welt zu setzten, um dann das Kind leiden zu lassen. Solche Elternteile sollten gegen ihren Willen einfach kastriert werden, um nicht ein unschuldiges Leben zu zerstören. Daher sollten auch werdende Eltern in eine Elternschule gezwungen werden, in der sie lernen können, wie man zu einem vorbildlichen Elternteil werden kann. Das ist sicherlich keine Garantie für das Wohlergehen des Kindes, jedoch würden solche unerfahrenen Paare etwas dazu lernen können.

    Ich kann davon ein Liedchen singen, denn meine Kindheit war der absolute Horror. Auch wenn ich heute über 45 bin und manchmal durch den Alltag, Bilder oder Menschen diese Erinnerungen wachgerufen werden, erfüllt mich das mit großer Traurigkeit und Fassungslosigkeit.

    Auch wenn man dann als Erwachsener im Leben unermesslichen Erfolg hat und man im Geld schwimmt, ist diese ständige Leere da, wie ein dunkler Schatten, der einen verfolgt und den man einfach nicht mehr los wird.

    Ach, diese süße Kindheit, die manche von uns wie einen kostbaren Schatz tief in ihren Gedanken verschlossen halten. Sie können sich glücklich schätzen. Denn auch nach Jahrzehnten zaubert manches Ereignis immer noch ein Lächeln auf deren Lippen. Traurigkeit, Lehre und unendliche Fragen bleiben nur übrig für die wenigen, die keinen Schatz haben und farblos durch das Leben vegetieren.

    Sicherlich wird unser Leben, unser Alltag, unsere Zukunft von zu schnell oder manchmal auch von nicht gründlich durchdachten Entscheidungen gelenkt. Zufälle oder auch das Zusammentreffen von Ereignissen und vielleicht auch Schicksalsschläge beeinflussen unser Dasein. Doch wenn das Schicksal einen mit einem Leben beschenkt, hat derjenige eine Aufgabe, eine Mission, eine Verpflichtung und nichts auf der Welt sollte über dieser Aufgabe stehen.

    Autor und Dichter: Antonio Cipriani

    Der Wind

    Nicht sichtbar und doch so fühlbar,

    hauchst Leben ein so unscheinbar.

    Samtweich, göttlich, streichelst Wangen so zärtlich.

    Bewegst die Wolken so lebendig und biegst die Wälder so wendig.

    Mutter der Blumen und Verbündeter der Meere,

    bewegst Berge und verlierst dich ins Leere.

    Heulst, tobst und bringst Kälte in den Gassen,

    trocknest jede Träne, unermüdlich, gegenwärtig und doch nie zu fassen.

    Gedicht: Antonio Cipriani

    Kapitel 1

    Der kleine Paolo war ganz in weiß gekleidet, mit einer hellen, knielangen Hose, die an den Knien schon ziemlich verschmutzt und zum Teil auch zerrissen war, und einem engen T-Shirt. Er war ein fröhlicher, energiegeladener kleiner Junge, rannte gerne auf den Wiesen zwischen den farbigen Blumen herum und kletterte auf Bäume wie ein kleines Äffchen. Sein süßes, rundes Gesicht und sein Lächeln verzauberte alle im Dörfchen. Er war der Liebling aller und wenn er sein breites Lächeln aufsetzte, ließ es die Herzen der alten Omas, die ihn ständig abknutschten, dahinschmelzen.

    Meistens waren seine Knie oder Ellenbogen mit blutigen Kratzern und dicken Blutkrusten übersät. Vom ständigen Hinfallen holte er sich die verschiedensten Verletzungen, von Kratzern bis hin zu Schürfwunden und Prellungen am ganzen Körper. Ständig hielt er Holzstäbe oder zerbrochenen Äste in den Händen und stocherte oder schlug damit überall herum. Und wenn seine meist verdreckten Händen keine Stecken hielten, hatte er einen Brotstück fest im Griff und kaute genüsslich daran, während seine Nase ununterbrochen lief.

    Seine dunklen, glänzenden Haare waren meistens lang, nicht gekämmt und total verwuschelt. Paolo hasste es, zum Friseur zu gehen, um sich die Haare schneiden zu lassen. Vater Giuseppe musste ihn einfangen und ihn regelrecht mit Gewalt zum Friseur zerren. Schon wenn der Dorffriseur ihn in seinen Laden kommen sah, standen dem armen Mann die Haare zu Berge. Es war der blanke Horror für den Friseur, denn der Kleine konnte keine Minute still sitzen und weinte ununterbrochen.

    Aber er war auch ein Kind voller Fürsorge und Liebe. Unglaublich verspielt, gütig und sehr fröhlich. Er schmuste für sein Leben gern und saugte jede noch so kleine Zuneigung wie ein Schwamm auf. Paolo hatte eine ältere Schwester und das war die süße Maria. Das junge Mädchen war ein unglaubliches Goldstück. Wunderschön, ruhig und mit ihren zwölf Jahren war sie schon so weit, dass die Eltern nur noch staunten. Sie war so außerordentlich fleißig und gewissenhaft, dass sie von allen nur gelobt wurde.

    Maria war vom Körperbau her sehr schlank, doch für ihr Alter wohlgeformt und sehr weiblich. Ihre kleine Nase wirkte stupsig und zierlich. Ihr Lächeln war herzerweichend, ihr Blick war so unschuldig freudig, so dass jeder sie lieb hatte.

    Der Schwung ihrer vollen Lippen stand in wunderbarem Einklang mit ihrer Nase und ihren süßlichen, rötlichen Backen. Ihre großen, goldbraun glänzenden Augen wirkten, als würden sie leuchten und man schien in sie eintauchen zu können. Sie funkelten wie Diamanten und sie waren unschuldig und vertrauensvoll.

    Ihre Haare waren eine bewundernswerte Pracht. Sie waren schwarz, wunderschön und so unglaublich füllig, dass sie im Sonnenlicht schimmerten wie ein schwarz glänzender Wasserfall.

    Maria war schon immer ziemlich s chüchtern und anfangs auch ein bisschen ängstlich. Sie beobachtete unscheinbar die Menschen um sich herum und bildete sich über jeden ihre eigene Meinung. Ihr Bruder Paolo war hingegen die geboren Quasselstrippe. Er war sehr neugierig, mutig und quatsche ununterbrochen fast den ganzen Tag.

    Beide Kinder hatten ein wundervolles Zuhause. Die kleine Familie lebte in einem netten Häuschen, das sich im Dorfzentrum befand. Mutter Giuseppina und Vater Giuseppe hatten dieses gemütliche Haus an einer Seitenstraße ganz nah am Dorfplatz vor Jahren günstig gekauft.

    Das erst kürzlich erbaute Anwesen v erfügte über eine schlichte Ausstattung, insbesondere die durchgehende Verwendung von Holztreppen am Eingang, kombiniert mit typischen sichtbaren Holzbalken über allen Dächern. Zu dieser Zeit wurde fast jedes Haus traditionell mit sehr viel Holz gebaut, daher konnte man überall im ganzen Haus deutlich die tragenden Balken sehen. Und der Geruch des Holzes war eindeutig im ganzen Haus wahrzunehmen.

    Das dreigeschossige Dorfhaus bot im Erdgeschoss einen Eingangsbereich mit einer schönen dunkelbraunen Holztreppe und einen Essbereich mit einer großen Wohnküche. Die absolute Krönung war natürlich der Holzofen in der Küche, denn dort wurde gebacken, gekocht und oftmals auch gegrillt. Im oberen Stockwerk befanden sich mehrere Schlafräume, ein kleines Bad sowie eine große überdachte Terrasse.

    Mutter Giuseppina liebte Pflanzen, daher hatte sie hatte die ganze Frontseite der Terrasse mit Blumentöpfen und allen möglichen Vasen belagert. Sie liebte den Duft von frischem Basilikum, Rosmarin und Oregano, die sie selber in Mengen anpflanzte. Im Obergeschoss befand sich das Schlafzimmer der Eltern, sowie ein weiteres Badezimmer und ein klitzekleiner Balkon. Das Untergeschoss war schlicht und einfach, mit mehreren Abstellräumen ausgestattet. Dort wurde alles gelagert, das Holz und die Kohle für die Wintermonate, verschiedene Lebensmittel, sowie mehrere große Holzfässer mit Wein, Wasser und mehrere Kanister voller Olivenöl.

    Das Haus wirkte zwar von außen recht klein, war aber sehr praktisch eingerichtet. Alle Räume im Innern waren sehr harmonisch gehalten, und das Highlight im Haus war natürlich die eigene Sonnenterrasse.

    Das Zimmer der beiden Kindern befand sich auch im Obergeschoß, unmittelbar neben dem Zimmer der Eltern. Marias Zimmer befand sich gleich an der Straßenseite und von ihrem Fenster aus konnte man die Dorfkirche sehen und wenn es um die Mittagszeit ganz still war, konnte man sogar den Dorfbrunnen plätschern hören.

    Das kleine Bergdörfchen lag auf einer Bergkuppe, gut siebenhundert Meter über der grenzenlosen Ebene. Die Ortschaft lag idyllisch umgeben von Wäldern, Lichtungen und Hängen im Zentrum von Sizilien. Schon von Weitem konnte man im Abendrot das kleine Dörfchen am Rücken des Berges sehen. Geteilt wurde diese Anhäufung von Häusern von zwei Landstraßen, die sich genau in der Mitte der Ortschaft kreuzten.

    Die ganze Umgebung wirkte sehr geheimnisvoll, düster und nicht sonderlich einladend. Denn wenn man durch die Straßen lief, hatte man das Gefühl, dass dort die Zeit still stehen würde. Wie magisch verzauberten die mit Kopfstein gepflasterten mittelalterlichen Gassen jeden, der sie durchlief. Sie zogen sich kurvenreich vom Marktplatz bis zu den meterhohen Mauern, die das kleine Dörfchen schützend umgaben.

    Das absolute Schmuckstück des kleinen Bergdorfs „Alia" war ein wunderschöner Springbrunnen, der mitten auf der kleinen Piazza platziert war. Tagsüber plätscherte er vor sich hin und sorgte im Sommer für Erfrischung. Das kleine Kunstwerk war von der Zeit unberührt und für die Ewigkeit gebaut worden. Erbaut mit großen aufeinander liegenden Steinblöcken und Metallstäben, durch die das Wasser hindurchfloss. Umrundet war dieses Meisterstück von einer kleinen Mauer, die als Sitzgelegenheit diente und als Schutz für das kostbare Wasser.

    Es war ein Genuss, dem plätschernden Brunnen tagsüber zuzuhören. Und wer in seiner Nähe saß, wurde von einem Gefühl von innerliche Ruhe und Frieden beschenkt. Er strahlte so viel beruhigende Harmonie und Zufriedenheit aus, dass es einen süchtig machte. Es war unglaublich schön, zu jeder Tageszeit, dort zu sitzen. Der Lieblingsplatz von vielen im Dorf.

    Alias breiter Korso wa r fast kerzengerade und zugleich auch die wichtigste Straße im Dorf. Dort wurden die jährlichen Straßenfestivals und alle möglichen Dorffeste abgehalten. Die meisten Geschäfte und Läden befanden sich hier. Der Korso begann genau an der Piazza, zog sich durch das ganze Dorf und endete unten am kleinen Marktplatz.

    Die großen, duftenden Pinien und die kleinen Läden am Marktplatz zogen Liebespaare und Familien magisch an, die vom Belvedere aus den Rundblick auf die ganze Umgebung genießen wollten. Schon der erste Blick von dort oben auf diese riesige Ebene war atemberaubend. So weit das Auge reicht, konnte man überall herrliches Grün sehen. Man war sofort umgeben von allen möglichen Grüntönen der Weinberge, der Olivenplantagen und des Waldes. Wer hoch über das Flickenmuster der Landschaft blickte, ergötzte sich auch an dem Anblick, wie Himmel und Erde sich liebevoll berührten und an der atemberaubenden Landschaft, die bei herrlichem Sonnenschein in der Hitze flimmerte. Zudem sorgte der verführerische Duft von feuerroten Mandarinen und dunkelgrünen Limonen, vermischt mit der frischen Bergluft und der Vielfalt der farbigen Blüten für ein wohltuendes und zugleich erfrischendes Gefühl. Diese einzigartigen Düfte machten ebenso glücklich wie unheimlich süchtig. Und die verschneiten Schneespitzen im Hintergrund komplettierten dieses unglaubliche Spektakel der Natur. Es war auch herrlich vom Belvedere aus bis zum Dorfzentrum spazieren zu gehen.

    Wir schrieben das Jahr 1940. Das Dorf war spärlich besiedelt, es zählte bloß 5000 Bewohner. Die Ortschaft war so unbedeutend, dass nicht einmal ein Bahnhof vorhanden war. Eine Bahnstrecke bis zum Dorf war schon seit Jahren von der Kommune geplant, doch aufgrund fehlender finanzieller Mittel wurde sie nie realisiert. Dafür geplante Gelder verschwanden meistens in den Taschen von machtbesessenen Politikern und ihren Anhängern.

    Die Dorfbewohner waren sehr ängstlich und daher auch scheu und in sich verschlossen. Fremden Menschen trauten sie selten und sie schützten ihr Hab und Gut mit allen Mitteln.

    Im Dorf gab es keine großen Sehenswürdigkeiten, es gab nur ein paar Kneipen am Korso, ein paar kleine Tante Emma Läden und eine Apotheke.

    Die absolute Attraktion war das imposante Gotteshaus. Schon kilometerweit konnte man die gewaltigen Spitzen der beiden Türme sehen. Einen Arzt gab es nicht, der nächste war einen Tagesmarsch entfernt.

    Jeder kannte jeden, wie eine große Familie. Jeder Tag bot die gleichen Rituale und die gleichen Gesichter. Nicht alle mochten sich. Die Gerüchteküche brodelte sehr schnell und daher gab es immer ständiges Geläster. Heftige Diskussionen, Intrigen, persönliche Reibereien und manchmal auch Schlägereien waren an der Tagesordnung, vor allem auch unter verwandten Familien.

    Natürlich kannte auch jeder im Dorf den kleinen Paolo, seine Schwester Maria und deren Eltern. Die Kinder waren bekannt wie bunte Hunde. Fast jeder liebte die beiden, die sich die meiste Zeit im Freien aufhielten und tagsüber das Dorf unsicher machten. Doch die meisten Bewohner waren ziemlich tolerant, sie kannten die Mutter Giuseppina und den Vater Giuseppe und ließen viel durchgehen. Beide tobten, rannten um die Gassen und spielten den Älteren sogar ärgerliche Streiche.

    Jeder fremde Besucher im Dorf war gleich ein Außenseiter und würde es bis zum nächster Jahrtausend bleiben. Fremde wurden wie Eindringlinge vom stets wachsamen älteren Bürger misstrauisch beäugt. Alle möglichen Änderungen waren unerwünscht und von den Älteren manchmal auch tagelang diskutiert. Die Bewohner waren untereinander fast nie einig und akzeptiert wurde selten etwas. Tagelanges, energisches Diskutieren war eine ihre Lieblingsbeschäftigungen.

    Paolo und Maria waren unglaublich miteinander verbunden und liebten sich über alles. Die Kleinen spielten fast den ganzen Tag miteinander oder gingen mit ihrem Vater in den Wald und der Hund folgte meistens nach. Kleine Zankereien waren an der Tagesordnung und Mamas Geschrei wurde manchmal über mehrere Straßen gehört, doch ohne Zweifel waren beide die glücklichsten Kinder im Dorf.

    Doch sobald Mama Giuseppina den Holzofen in der Küche anschürte und sie damit anfing, leckeres Brot, Kekse und Kuchen für alle zu backen, waren die wildesten Streitereien vergessen. Es war ein ganz besonderer Moment für alle im Haus, wenn Giuseppina mit der Holzschaufel die ersten leckeren Brötchen aus dem Ofen zog und dann das Abendessen vorbereitete.

    Beide Kinder saßen dann sofort in der Nähe des Ofens und beobachteten, wie ihre Mama mit den Flammen kämpfte. Beide genossen die appetitlichen Düfte, die aus dem Ofen strömten. Während die Leckereien im Ofen backten und es im ganzen Haus lecker duftete, wurde zu Musik einer Kassette get anzt und dabei wirbelten die Geschwister durch das Haus bis die Mama schrie:

    „ Kinder, das Essen ist fertig...! Und wascht euch die Hände...!"

    Maria liebte es, ihrer Mutter bei der Küchenarbeit zu helfen. Obwohl Giuseppina nicht besonders groß war, verfügte sie doch über einen erstaunlichen Einfallsreichtum, um die oberen Regale in der Küche zu erreichen.

    Mit viel Mühe und großer Hingabe präparierte sie in ihrer Freizeit alle möglichen Glasbehälter mit Gemüse für den Winter. Die Kinder durften natürlich mithelfen. Es war ein Riesenspaß und zugleich ein Riesengeschrei, die verschiedensten Gemüsesorten wie Auberginen, Tomaten und Zucchini klein zu schneiden und in Olivenöl einzulegen.

    Giuseppina war eine sehr attraktive Frau, rundlich mit dunkelbraunem, seidig glänzendem Haar. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, mit großen, ausdrucksvollen Augen, umrahmt von ihren schulterlangen Haaren. Ihre Figur war sehr feminin. Die Beine zwar nicht lang, aber wohlgeformt und eine Haut so glatt und makellos wie ein junges Mädchen.

    Sie war ständig am Kochen oder Backen. Giuseppina war eine begnadete Köchin, mit einem einzigartigen Geschmackssinn und zudem auch eine leidenschaftliche Strickerin. Sie hatte ein unglaubliches Temperament und eine unerschöpfliche Energie. Sie hatte die Kraft eines Bären und doch die Geduld eines Lamms.

    Am schönsten war die Weihnachtszeit. Mutter Giuseppina kochte tagelang und bereitete alles ganz genau vor. Vater Giuseppe holte vom Wald einen wunderschönen, großen Tannenbaum. Beide Kinder waren total aufgeregt und hüpften vor Freude, denn sie wussten, dass die Bescherung nicht mehr weit war. Alle durften dabei helfen, den Baum zu schmücken. Im Wohnzimmer stand dann die große Tanne, übersät von Kerzen und mit ganz vielen Geschenke am Fuße.

    Am Heiligabend stellten sich Maria und Paolo vor den Weihnachtsbaum und sangen zusammen Weihnachtslieder. Und obwohl Paolo immer falsch sang, hörten beide Elternteile aufmerksam zu. Seine Schwester trug dann zum Abschluss noch ein paar Gedichte vor. Dann wurden alle Geschenke ausgepackt.

    Maria bekam ein Geschenk, Paolo mehrere. Die Geschwister bekamen Holzspielzeug, Süßigkeiten und sogar warme Kleidung. Vater Giuseppe bekam meistens von seiner Giuseppina eine neue Pfeife oder Kleidung. Und er schenkte ihr fast immer neue Tücher oder Parfüm.

    Alle saßen bis spät in die Nacht am Küchentisch und unterhielten sich fast schreiend miteinander. Freunde und Verwandte kamen oft zu Besuch und es wurde immer lauter und lauter. Alle wärmten sich die Füße an den glühenden Kohlen im Metallbehälter unter dem Tisch. Sobald Giuseppina den mit glühenden Kohlen gefüllten Stahlbehälter unter den Tisch schob, blieben alle so lange dort sitzen, bis die wohltuende Glut inmitten der Asche verglüht war. Giuseppe legte oft mehrere Schalen mit Mandarinen oder Orangen auf die glühende Kohle, sodass der ganze Raum köstlich nach Zitrus roch. Und nachdem alle Teller, Brotkörbe und Weinflaschen auf dem Tisch leer waren, verließen die meisten Besucher das Haus und Ruhe kehrte ein. Meistens schlief Paolo auf einem Stuhl ein und Giuseppina trug ihn zu Bett.

    Die Familie zelebrierte das Weihnachtsfest nach christlichem Glauben, obwohl Giuseppe jüdischer Abstammung war. Der Familienvater war ein gütiger und einfach gestrickter Mann. Er fand es nicht so wichtig, die Festlichkeiten nach jüdischem Brauch zu zelebrieren. Für Giuseppe war nur wichtig, dass seine Kinder und seine Giuseppina glücklich waren.

    Jeder im Dorf kannte Giuseppe, denn er war ein lieber, großer, schlanker und anständiger Mann, sprach nicht viel und beteiligte sich auch nicht gerne an irgendwelchen Diskussionen, die zu Streit oder Meinungsverschiedenheiten führen konnten. Auch an den heiß diskutierten politischen Themen und die üblichen Lästereien zwischen den Älteren am Dorfplatz nahm er nur selten teil.

    Um es seiner kleinen Familie an nichts mangeln zu lassen, arbeitete er tagsüber sehr hart. Überwiegend im Bau beschäftigt oder in der Landwirtschaft, übte er aber alle möglichen Arbeiten aus, um so viel Geld wie möglich mit nach Hause zu bringen. Er war ein fantastischer Vater und er liebte seine Kinder und seine Giuseppina über alles. Er umarmte und küsste beide Kinder oft, und mindestens ein paar Mal am Tag sagte er zu beiden, dass er sie liebe. Mit seinem kleinen Paolo kuschelte er, wann immer er konnte, und von Maria genoss er die liebevollen Umarmungen. Seiner Tochter zeigte er seine Zuneigung, indem er ihr sanft über die Wange streichelte oder sie auch manchmal liebevoll in den Wangen kniff.

    Am Abend nach der Arbeit kam er erschöpft nach Hause. Er setzte sich sofort in seinen Lieblingssessel, der im Wohnzimmer stand, und rauchte seine Pfeife. Beide Kinder fanden das Pfeifenrauchen total faszinierend und wichen nicht von seiner Seite.

    Doch die Zeiten änderten sich. Und zwar nicht zum Guten. Für die kleine Familie wurde es von Tag zu Tag immer härter, denn eine wirtschaftliche Krise machte sich über der ganzen Region breit.

    Die Aufträge für den Familienvater wurden immer weniger. Er arbe ite nur noch tageweise oder sogar nur für ein paar Stunden und manchmal auch ohne Bezahlung. Beide Elternteile machten sich große finanzielle Sorgen und wussten nicht mehr weiter. Sie bemerkte, wie sich die Situation täglich verschlimmerte. Die Zukunft der Familie war ungewiss.

    Der kleine Paolo war zu dieser Zeit sechs Jahre alt und Maria nur 5 Jahre älter. Beide waren die meiste Zeit draußen und genossen das Herumtoben mit den Nachbarskindern in vollen Zügen. Paolo pflückte Blumen im Garten für die Mama und malte ständig lustige Bilder für den Papa. Die Kleinen wussten noch nicht, welch schreckliches Schicksal ihnen bevorstand.

    Und es kam wie es kommen musste. Vater Giuseppe verlor kurze Zeit später den wichtigsten Arbeitgeber, den er hatte, und im Dorf bekam er einfach keine Aufträge mehr. Er versuchte wochenlang andere Tätigkeiten aufzunehmen, neue Aufträge an Land zu ziehen, jedoch ohne großen Erfolg.

    Giuseppe lachte kaum mehr, seine Laune verschlechterte sich und er stritt mit seiner Frau über jede Kleinigkeit. Er saß nächtelang wach in seinem Sessel und grübelte. Die täglichen Spuren der Disharmonie zwischen Mutter und Vater waren immer deutlicher zu spüren. Lautstarke Auseinandersetzungen wurden immer häufiger und heftiger. Dies verunsicherte und beängstigte die jungen Seelen zutiefst und animiert sie dazu, die Schuld bei sich selbst zu suchen.

    Die Geschwister waren voller Angst, sie konnten nicht unterscheiden zwischen einem echten Streit und einer kritischen Auseinandersetzung. Die Eltern waren immer verschiedener Meinung. Jeder Streit begann immer total harmlos, dann wurden ihre Stimmen immer lauter, bis plötzlich Gegenstände durch die Lüfte flogen. Die Folgen waren meistens immer gleich, es eskalierte in gewaltvollen Auseinandersetzungen.

    Die Kinder spürten deutlich, dass ihre Eltern sehr unglücklich waren. Und natürlich bemerkten Paolo und Maria auch, dass die Harmonie und die elterliche Liebe täglich schwanden. Die Familie unternahm nichts mehr gemeinsam. Beide Elternteile schwiegen oder stritten heftig miteinander und es herrschte Eiseskälte in ihren Herzen.

    Die Kinder litten unter dieser schrecklichen Atmosphäre. Die Situation zwischen den beiden wurde von Tag zu Tag schlimmer. In kurzer Zeit verwandelte sich das liebevolle Zuhause in eine Hölle, die täglich angeheizt wurde von üblen Beschimpfungen und brutalen Prügeleien. Die Auseinandersetzungen wurden heftiger und heftiger, bis die Eltern nur noch aufeinander einschlugen, bis ihre Gesichter blutig waren und ihre Körper mit blauen Flecken übersät waren.

    Sobald beide im Haus aufeinandertrafen, ging der Streit wieder los und gleichzeitig fing Paolo an, zu schreien und weinen. Maria umarmte ihn und trocknete liebevoll seine Tränen, doch sie konnte ihn nur selten beruhigen. Die Streitereien hielten sich nicht lang, denn Mutter Giuseppina zog einige Wochen später überraschend aus dem gemeinsamen Haus aus.

    Das war der allerschlimmste Tag für Vater Giuseppe und die Kinder. Es war kurz vor Weihnachten, mitten im Dezember. Draußen war es bitterkalt, Schnee fiel in dicken Flocken vom Himmel und es war schon dunkel. Nach einer der üblichen Auseinandersetzungen stand plötzlich Giuseppina mitten beim Abendessen voller Wut auf, ging ins Schlafzimmer und packte im Nu ihre Koffer. Beide Kinder saßen nur da, sie waren voller Angst. Keiner von beiden traute sich, etwas zu sagen, sie weinten nur noch und beobachteten die Streitenden.

    Giuseppe versuchte verzweifelt, Giuseppina umzustimmen. Er rannte ihr hinterher und versuchte sie davon abzuhalten, ihre Koffer zu packen. Im oberen Geschoss ging dann der heftige Streit weiter. Die Folgen waren lautes Geschrei und schlimme Beschimpfungen.

    Mucksmäuschenstill und total verängstigt saßen Paolo und Maria am Küchentisch und seufzten ununterbrochen. Sie konnten deutlich hören, wie die Eltern sich im Schlafzimmer die Köpfe einschlugen. Sie zerschlugen Gegenständen, prügelten aufeinander ein und zerstörten fast die komplette Einrichtung. Es waren Minuten, aber diese schienen endlos zu sein. Die Kleinen hörten seltsame Geräusche, dumpfe Schläge und das grausame Geschrei. Die Auseinandersetzung dauerte an und wurden immer heftiger. Die Geräusche, die von oben kamen, waren furchtbar und Maria und Paolo waren geradezu erstarrt vor Angst.

    Plötzlich wurde es ganz still, das Licht ging an und sie hörten knirschende Schritte, wie jemand die Treppe herunter lief. Die Schritte wurden immer lauter, doch sie konnten nichts sehen, aber sie wusste, dass es Mutter war. Paolo versteckte sich hinter Maria und wurde ganz still. Von oben konnte sie noch das laute Geschrei vom Vater hören und plötzlich stand sie da. Giuseppina blieb mit blutüberströmtem Gesicht vor der Küchentür stehen. Kein einziges Wort kam über ihre Lippen. Sie stand nur da, mit ihrem langen dunklen Mantel, einem entschlossenen Eindruck in ihren Augen und ihren Kopftuch, das sie tief in die Stirn gezogen hatte.

    Sie warf einen letzten tränenreichen Blick in die Augen der Kleinen, die sich nicht vom Fleck bewegt hatten. Und während sie ihren Mantel von oben nach unten zuknöpfte, blickte sie in Marias glasige Augen und sagte:

    „ Ich kann ihr nicht mehr bleiben. Ich kann nicht mehr."

    Dann griff sie nach den zwei Koffern, die sie vom Schlafzimmer herunter geschleppt hatte, drehte sich um und lief die Treppe herunter zur Haustür.

    Alle im Haus konnten hören, wie sie die Treppe runter lief, wie sie die massive Haustür aufriss und sie laut zuschlug. Es war ein schreckliches Geräusch. Alle kannten dieses Geräusch im Haus, doch dieses Mal klang es anders, es war wie ein Stich durch das Herz. Das war der schreckliche Klang, dass Mama sie verlassen hatte.

    Maria und Paolo saßen weiter am Küchentisch und kämpften mit den Tränen. Für den kleinen Paolo war es ganz schlimm, er fing an zu schreien und niemand konnte ihn mehr beruhigen. Maria nahm den Kleinen auf ihren Schoß und versuchte, ihn zu beruhigen, aber er schrie lautstark nach seiner Mutter.

    Kurz danach kam auch Vater Giuseppe in die Küche. Giuseppes Arme hingen schlaff vom Körper herab, er machte den Eindruck eines gebrochenen Mannes. Er wirkte wie ein niedergeschlagener, aber auch resignierter Mann mit einem leeren Blick. Musste mitansehen, wie beide Kinder vor Angst zitterten. Sofort nahm er beide in die Armen und drückte sie fest um sich. Und während er sie umarmte, murmelte er vor sich ihn:

    „ Es wird alles gut. Hört auf zu weinen. Es wird alles gut."

    Sein Gesichtsausdruck war unglaublich traurig und wirkte völlig erschöpft. Sein Hemd war komplett zerrissen und teilweise auch blutverschmiert. Im Gesicht und am ganzen Hals waren schlimme, blutige Kratzer sichtbar. Ohne viele Worte blieb er mehreren Stunden mit den Kindern in der Küche und tröstete beide liebevoll.

    Kapitel 2

    Die Kleinen hofften jeden Moment, dass die Haustür wieder knarzen und Mutter wieder zurückkommen würde. Beide Kinder lagen fast die ganze Nacht im Bett wach und lauschten. Doch es passierte nichts und die Müdigkeit hatte beide dann doch so unvorbereitet überrascht, dass sie einschliefen und sie nicht einmal mehr die Bettdecke hochziehen konnten.

    Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Maria fühlte sich wie gerädert und hatte das Gefühl, die ganze Nacht hart gearbeitet zu haben. Im Haus war es ungewöhnlich ruhig. Paolo schlief noch und sie wollte den Kleinen auch nicht aufwecken. Im ersten Moment erschien es ihr fast unmöglich, aufzustehen und ihre nackten Füßen auf die kalten Kacheln zu stellen.

    Doch der Gedanke an das Verschwinden ihrer Mutter schoss ihr wieder durch den Kopf und sie entschied sich schließlich au fzustehen. Völlig benebelt und total müde hob sie ihren Kopf vom Kissen und saß noch ein paar Minuten an der Bettkante. Erst als es draußen richtig hell wurde, stand ihr Bruder auch auf und watschelte gleich zur Maria in der Küche, mit der Hoffnung dort wieder Mutter sehen zu können. Doch als er den Raum betrat, sah er, dass an diesem Morgen das ganze Haus menschenleer war.

    Zu der Zeit stand Giuseppina eigentlich am Herd und bereitete für alle das Frühstück vor. Sie stand immer sehr früh auf und schrie dann durch das ganze Haus, bis alle wach waren. Sie riss alle Türen auf und öffnete nach und nach alle Fenster des Hauses, auch wenn es draußen schrecklich kalt war. Sie machte immer so einen riesigen Krach mit den Töpfen und dem Geschirr, dass keiner mehr im Haus schlafen konnte. Doch an diesem Morgen war alles wie verlassen, farblos und ohne Leben. Vater Giuseppe war schon früh aus dem Haus gegangen, denn er musste an dem Tag arbeiten und würde erst sehr spät wieder nach Hause kommen.

    Die Kinder waren zum ersten Mal ganz allein zuhause. Ihre Mutter war weg und hatte die Kinder in die Obhut des Vaters überlassen, der jetzt alle möglichen Aufträge annehmen musste, um das Überleben der Familien zu sichern.

    Beide Kinder waren total traurig. Maria, mit ihren 12 Jahren, war verzweifelt und obwohl sie nicht weiter wusste, tat sie so, als ob nichts sei. Mit ihrem jungen Alter verstand sie vollkommen, dass sie jetzt in einer misslichen Situation waren. Die Lage war noch nie so ernst, doch sie lächelte und sagte zu Paolo, dass sie jetzt Frühstück machen würde.

    Ein äußerst kluges und zuvorkommendes Mädchen war sie, sie sprach nicht viel, stattdessen bemühte sie sich, es jedem Recht zu machen. Der kleine Bruder löcherte sie ständig mit tausend Fragen über die Eltern und über alles Mögliche - auch weil er mit jemandem reden wollte. Das kleine Mädchen hatte auf viele Fragen keine Antwort.

    Mit großer List versuchte sie immer ihren kleinen Bruder zu beruhigen und teilweise auch zu beschäftigen, sie wollte nicht, dass er immer wieder zu weinen anfing. Sie spielte ihm ein kleines Theaterstück vor. Wie Mama Giuseppina verhielt und bewegte sie sich. Mit den Töpfen hantierte sie herum, dann trällerte sie vor sich hin und unterhielt den Kleinen mit lauter Stimme. Mit diesem Verhalten versuchte sie, den Paolo auf andere Gedanken zu bringen.

    Alles was sie in den Regalen fand, holte sie raus und bereitete ein leckeres Frühstück vor. Und während sie am Herd stand und das Essen vorbereitete, flossen ihr die Tränen über ihre Wangen. Unter extremen Ängsten litt sie ständig und weinte aufgrund der bitterlichen Lage. Der seelische Schmerz in ihr war so stark, dass sie mit aller Mühe die Tränen nicht zurückhalten konnte, ihre Schultern zitterten, während sie die Butterbrote vorbereitete.

    Dennoch riss sie sich immer wieder zusammen, sie unterhielt den kleinen Bruder, indem sie ihm alle möglichen Fragen stellte. Sie wollte damit vermeiden, dass Paolo wieder anfing, über die Mutter Fragen zu stellen. Trotz Marias großen Bemühungen schaffte Paolo es immer wieder, beim Essen über die Mutter Fragen zu stellen. Der Paolo löcherte sie andauernd mit den gleichen Fragen wie, wann Mama wieder zurück käme und ob Papa auch nicht mehr kommen würde. Der Kleine hatte panische Verlustängste. Maria wich diesen Fragen stets geschickt aus, ohne darüber Auskunft zu geben, und beschäftigte den Kleinen mit Gegenfragen.

    Das einst fröhliche und helle Haus hatte sich im Nu in einen düsteren und sonnenlosen Ort verwandelt. Es schien, als hätte sich über das glückliche Familienhaus ein dunkler Schatten gelegt, der alle Freuden verdunkelte und in sich verschlang. Das Familienglück war zerbrochen.

    Giuseppe kam sehr spät nach Hause. Es war schon dunkel draußen und beim knirschenden Geräusch der Haustüre blickten alle auf, um den eintretenden Vater zu begrüßen. Das klirren von Geschirr, das Schleifen von Besteck und das Herumschieben der Stühle gefolgt vom Klappern der Küchenschränke hallte durch den Küchenraum.

    Obwohl Paolo hundemüde war, blieben beide Kinder so lange wach bis Vater Giuseppe heim kam. Endlich war er da. Sie hörten ihn schon an der Haustür. Er kam stampfend die Treppe hoch und hielt ein Moment im Flur inne. Ihre beiden Mägen knurrten, sie blickten sehnsüchtig zur Küchentür.

    Endlich trat er langsam in der Küche ein, mit einem schleichenden Gang und nachdenklichen Blick. Er sagte kein Wort, blickte ins Leere und sein Gesicht war wie versteinert. Er legte den Schlüssel auf den Schrank und zog seinen Mantel aus. Sein sonstiges Lächeln war nicht mehr da. Der genervte Ausdruck auf seinem Gesicht wich einer verwirrten Miene. Maria blickte ihm in seine Augen und konnte nur Wut und Traurigkeit sehen.

    Die Kleine wollte Giuseppe eine Freude machen und zusammen mit Paolo hatte sie ein kleines Abendessen vorbereitet. Beide deckten fleißig den Küchentisch und putzen die Küche blitzeblank.

    Gesprochen wurde sehr wenig, selbst die kleine Quasselstrippe blieb still. Zu hören war nur das knisternde Feuer im Kamin, das eine wohltuende Wärme verbreitete und ein Gefühl von Behaglichkeit. In Giuseppes Gesicht konnte man deutlich seine Verzweiflung lesen. Der Mann wusste einfach nicht mehr weiter. Paolo konnte es nicht mehr aushalten, er ging zu ihm und umarmte ihn, doch die liebevollen Umarmungen und die vielen Spielereien blieben aus.

    Wie eine Klette blieb er an Vaters Seite, er wich nicht von seiner Seite. Doch Giuseppe war schlecht gelaunt, wirkte müde und irgendwie abwesend .

    Mit schönen Worten versuchte der Familienvater den Kinder Trost zu spenden, doch die schwachen Ausreden waren nicht genug, denn beide Kinder, speziell Paolo, verlangten nach ihrer Mutter. Maria war schon etwas älter und konnte mit der Sache besser umgehen. Doch Paolo konnte einfach nicht verstehen, wieso die Mutter nicht mehr nach Hause kam. Der Kleine war traurig, weinte ununterbrochen und verschlimmerte die Situation für alle im Haus. So sehr fehlte ihm die Mutter. Er vermisste ihre Umarmungen, das Kuscheln mit ihr und sogar ihre Beschimpfungen.

    Die Tage vergingen und in der Familie verschlimmerte sich die finanzielle Situation drastisch. Der alleinerziehende Vater bekam fast keine Aufträge mehr. Im Haus gab es kaum mehr Essbares. Die Kinder aßen tagelang nur noch weich gekochte Nudeln mit Butter solange der Vorrat reichte. Am Abend gab es trockenes Brot mit kleinen Stücken Käse.

    Und für das bevorstehende Weihnachtsfest hat Vater Giuseppe nichts vorbereitet, er holte auch keinen Weihnachtsbaum ins Haus und es gab keine Geschenke. Am Heiligabend gab es nur den sonstigen Teller Nudeln und als Highlight für jedes Kind: ein Stück Schokolade.

    In den nächsten Wochen erfuhr Giuseppe durch den Nachbarn, dass seine Frau Giuseppina zu einem neuen Mann gezogen sei.

    Giuseppe wusste schon seit langem, dass die Giuseppina eine Affäre mit seinem neuen Arbeitgeber hatte. Er wollte es nicht wahrhaben, dass sie ihn nicht mehr liebte. Er ahnte auch schon etwas, doch er versuchte die Gerüchte zu ignorieren, aber die Tatsachen sprachen für sich und natürlich waren die Folgen katastrophal für die Familie.

    Das ganze Übel und der ganze Streit zwischen Giuseppe und Giuseppina fing mit dem Verlust von Giuseppes Hauptbeschäftigung an. Giuseppina übernahm kurze Zeit später erst mal einen Teilzeitjob in einer Farm im Dorf, sie wollte damit die Familienkasse etwas aufbessern. Die Stelle wurde ihr von der Nachbarin vermittelt, die auch dort beschäftigt war.

    Am Anfang lief alles sehr gut. Giuseppina wurde sofort übernommen und aus ein paar Stunden am Tag wurde kurze Zeit später ein Vollzeitjob. Sie war den ganzen Tag dort beschäftigt und kam immer später nach Hause.

    Die Farm gehörte einem reichen Großgrundbesitzer, der aus der Provinz kam und in der ganzen Umgebung zahlreiche Hektar Land und Vieh gekauft hatte.

    Im Dorf wurden Gerüchte rasend schnell verbreitet. Die Gerüchteküche brodelte die ganze Zeit schon und jeder im Dorf wusste Bescheid. Giuseppe erfuhr natürlich ziemlich schnell vom Techtelmechtel zwischen dem reichen Don Antonio und Giuseppina. Somit fing auch der Krieg in Giuseppes Familie an. Er bestand darauf, dass sie die Stelle sofort kündigte. Seine Frau wollte davon aber nichts wissen, denn sie hatte sich auch in den gut aussehenden Don Antonio verguckt. Und das war auch der Grund, wieso beide sich so wild stritten und sich die Köpfe einschlugen.

    Antonio C. war ein se hr wohlhabender und einflussreicher Mann in der ganzen Region. Sein Ruf eilte ihm voraus und viele von den Ältesten kannten ihn bereits. Er besaß so viel Land, Häuser und Tiere in der ganzen Umgebung, dass er einer der wichtigsten Arbeitgeber im Dorf war, sodass alle ihn Don Antonio nannten.

    Der reiche Mann war alleinstehend. Seit dem Tod seiner kranken Frau war er im Sommer 1935 nach Alia gezogen. Don Antonio hatte keine große Familie, er hatte nur seine alte Mutter und eine jüngere Schwester namens Teresa. Antonio war sehr wohlhabend, er besaß auch mehrere Produktionsstätten in der Umgebung und soweit das Auge reichte war alles sein Besitz.

    Des weiterem besaß der Millionär riesige Herden von Kühen, Ziegen, Schafen, Landmaschinen und er beschäftigte fast das halbe Dorf. Don Antonio wohnte in einem riesigen Anwesen außerhalb vom Dorf und Giuseppes Haus im Zentrum war weniger als 2 Kilometer Luftlinie entfernt. Und die Tatsache, dass Mutter Giuseppina nur 2 Kilometer entfernt war und trotzdem so weit weg war, schmerzte Giuseppe und den Kindern sehr.

    Die Wochen verginge wie im Flug und Mutter Giuseppina hat sich bei den Kindern nicht mehr blicken lassen. Maria und Paolo brauchten dringend die Mutter, sie brauchten Zuwendung und Trost. Der verzweifelte Giuseppe gab sich jede Menge Mühe und die kleine Maria erledigte alle mögliche Haushaltsarbeit und ersetzte fast die eigene Mutter. Im Haus gab es zwischen den Kindern ständig Streitereien und Gezanke von morgens bis abends. Und da der Vater keinen Job hatte, bekam er als alleinerziehender Vater die ganze Ladung ab. Ganz anders war Giuseppina, sie konnte sehr gut mit Kindern umgehen, manchmal schrie sie so laut, dass die Wände bebten. Und wenn einer der beiden nicht gehorchte, dann gab es ein paar mit dem Kochlöffel. Unzählige solcher Löffeln hatte sie beim Schlagen schon zerbrochen.

    Es war nicht einfach für den Giuseppe, Maria und Paolo ganz allein groß zu ziehen. Der arme 40-Jährige war fix und fertig mit den Nerven. Er war am Ende des Tages ausgelaugt und am Rande seiner Kräfte.

    Den Umständen zufolge konnte Maria die Schule nicht mehr besuchen. Sie musste sich um den Haushalt und um den kleinen Bruder kümmern. Maria war sehr traurig darüber und es war sehr hart für sie, am Unterricht nicht mehr teilnehmen zu können. Sie ging sehr gerne zur Schule, sie hatte dort sehr viele Freundinnen, die sie dann nicht mehr sehen konnte. Sie war so gut in allen Fächer, dass sie stets von allen Lehrern für ihre Leistung gelobt und belohnt wurde.

    Sie war ein echter Schatz für ihre zwölf Jahre. Sie kümmerte sich täglich um den ganzen Haushalt. Sie putzte das ganze Haus, wusch die Klamotten und kochte für alle. Sie kümmerte sich vorsorglich um den Kleinen, kochte für Vater Giuseppe das Abendessen und versuchte, so gut wie es ging die Mama zu ersetzen.

    Jeder Abend lief immer gleich ab. Nach dem leckeren Abendessen, das immer aus Käse, Tomaten, Oliven und warmen Brötchen bestand, stand Giuseppe vom Küchentisch auf, sagte kurz einen Gutenachtgruß und setzte sich auf seinem Lieblingssessel im Nebenzimmer, um sich wie jeden Abend eine die Pfeife anzuzünden.

    Das war so jeden Tag in diesem Hause, auch die unwichtigste Tätigkeit versteinerte zu starrer Gewohnheit. Und auch Maria holte sich, wie immer vor dem Schlafengehen, ihr Nähzeug her und begann bei Kerzenlicht, stark vorgebeugt wegen ihrer Kurzsichtigkeit, die zerrissenen Klamotten der ganzen Familie zu nähen. Vater Giuseppe liebte es, sehr früh aufzustehen, schon um 6:00 Uhr war er wach und um 6:30 Uhr verließ er meistens das Haus. Er lief immer die gleiche Strecke, besuchte als Erstes die Bar von Don Giovanni am Korso, dann ging er zur Piazza, wo sich in der Früh alle Dorfältesten trafen und über jeden und jenes hart herzogen. Giuseppe versuchte vergeblich, neue Arbeit zu bekommen, um seine finanzielle Situation zu verbessern. Er sprach mit allen möglichen Leuten im Dorf, aber meistens waren es immer die gleichen. Jedoch ohne Erfolg. Und nach der Runde im Dorf kehrte er mit grauer Mine um die Mittagszeit wieder nach Hause zurück.

    Es wurde immer schwerer für den Giuseppe in der Gegend einen Job zu finden, denn Don Antonio hatte großen Einfluss in allen Bereichen. Alle hatten großen Respekt vor Don, und zwar so sehr, dass aus Respekt fast Angst wurde. Böse Zungen behaupteten auch, dass er zur Mafia gehörte. Dennoch war sein Betrieb so groß und umfasste fast alle Bereiche von der Produktion bis zum Verkauf, dass er mehrere hundert Mitarbeiter beschäftigte.

    Und in so einem kleinen Dorf wurde jedes Ereignis hoch aufgeputscht. Die tragische Trennung von Giuseppina und Giuseppe war in aller Munde. Den ganzen Tag wurde darüber gelästert und jeder wusste Bescheid, dass Giuseppina zu Don Antonio gezogen war. Der frustrierte Giuseppe konnte es einfach nicht so hinnehmen, dass seine Frau sich für einen anderen Mann entschieden hatte und wann immer er den Don auf offener Straße sah, pöbelte er ihn an.

    Die meisten, die mit dem Don zu tun hatten, distanzierten sich langsam aber sicher von Giuseppe und keiner wollte mit ihm zu tun haben, ganz zu schweigen, ihm eine Arbeit zu geben. Viele Handwerker und kleinere Betriebe hingen von Antonios Aktivitäten ab und niemand wollte mehr mit ihm zu tun haben. Sogar seine engsten Freunde, die eine Verbindung zum Don hatten, änderten plötzlich ihr Verhalten und distanzierten sich grundlos von ihm. Jeder bewunderte Antonio und Giuseppe wurde nur bemitleidet, daher hätte sich auch niemand mit dem mächtigen Don Antonio angelegt.

    Der angeschlagene Giuseppe war verzweifelt und er wusste auch nicht, an wen er sich noch wenden sollte. Daheim warteten die Kinder auf ihn und weinten vor Hunger und Leid. Alles auf der Welt war für ihn unwichtig geworden, er wollte seine Frau zurückerobern und seine Familie wieder zurück haben. Er liebte seine Giuseppina noch über alles. Nichts ließ er unversucht. Er lauerte ihr ständig auf, kam mit neuen Argumenten und versuchte, sie auf biegen und brechen sie umzustimmen.

    Doch Giuseppe spielte, ohne es zu ahnen, mit seinem Leben, denn indem er Giuseppina auf offene Straße immer wieder belästigte, legte er sich gleichzeitig mit Don Antonio an. Das war ihm aber egal.

    Sein einziger Wunsch war, wieder seine Giuseppina in seinen Armen zu halten. Er beobachtete sie auf der Straße, er verfolgte sie regelrecht, um mit ihr sprechen zu können. Egal wo er sie im Dorf sah, auf dem Wochenmarkt, in jedem Laden oder auch auf der Piazza, erschien er im selben Augenblick und suchte mit ihr zu sprechen. Er warf sich täglich in Schale, richtete minutenlang seine Haare und lauerte ihr überall auf. Sobald er sie schon von Weitem sah, lächelte er sie an, er winkte ihr zu und benahm sich wie ein verliebter Schuljunge.

    Eines frühen Morgens sah Giuseppe bei seiner Morgenrunde, wie seine Liebste die Bäckerei von Frau Presti im Dorf besuchte. Sofort stellte er sich vor den Laden und wartete, bis seine Geliebte wieder heraus kam. Minutenlang verharrte er vor der Ladentür in der Kälte. Endlich ging die Glastür auf und plötzlich stand er vor ihr, sodass sie seiner Anrede nicht einmal ausweichen konnte. Giuseppina erwiderte seinen stechenden Blick nicht. In seiner Gegenwart fühlte sie sich einfach nicht mehr wohl. Man brauchte nicht ein Gedankenleser zu sein, um das zu spüren. Er tat ihr unheimlich leid, sie fühlte sich unglaublich schuldig und wollte sich am liebsten in Luft auflösen.

    Giuseppes Hände zitterten unglaublich und kalter Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Seine Hände vergrub er in der Jackentasche und suchte den Augenkontakt. Er setzte sein unwiderstehliches Lächeln auf, wie früher, als er sie zum ersten Mal sah und ihr Herz im Nu erobert hatte. Vor Aufregung konnte er kaum sprechen. Er begann ein Gespräch über das Wetter, über den Himmel, über die Morgenfrische und über die gemeinsamen Kinder.

    Doch Giuseppina ging nicht auf das Gespräch ein. Sie sagte kein einziges Wort. Sie war unruhig und nervös. Giuseppe schaffte es, ihrem Blick kurz zu begegnen, doch was er sah und fühlte war nur Kälte und Gleichgültigkeit. Giuseppinas warmer Blick war nicht mehr da, dieser war für einen anderen Mann bestimmt. Sie wollte auch nichts mehr von ihm wissen. Und ihre eigenen Kinder wollte sie auch nicht mehr sehen. Sie hatte sich für ein neues Leben entschieden und sich einfach von ihrer Familie komplett abgewandt. Das Ganze war ihr sehr unangenehm. Sie beobachtet unruhig die Umgebung und versuchte, einfach weiter zu laufen. Sie hoffte, dass er schnell wieder wegging, denn die Passanten waren sehr neugierig und ständig auf der Hut. Sie wollte nicht, dass jemand sie mit Giuseppe auf offener Straße sah, sie hätte dann auch große Schwierigkeiten bekommen.

    Es vergingen nur wenige Wochen und obwohl es der Familie immer schlechter ging und Giuseppe sich mit beiden Kindern alleine durchschlagen musste, bekam er von der Stadtverwaltung eine ziemlich unerfreuliche Nachricht.

    Mit heftigen Faustschlägen klopfte der Postbote an der Haustür und übergab Giuseppe einen großen Umschlag. Es war sieben Uhr in der Früh, noch dunkel draußen und eisig frisch. Giuseppe nahm den Umschlag dankend an und ohne ihn zu öffnen hatte er irgendwie ein komisches Gefühl im Bauch. Die Familie bekam ja sonst nie Post, nur jedes Vierteljahr die Stromrechnung.

    Giuseppe hatte nie die Schule besucht und daher konnte er auch nicht lesen oder schreiben. Er war Analphabet. Doch Maria konnte es sehr gut und sie übernahm das

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