Das Orakel von Macao: Roman
Von Hermann Grabher
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Über dieses E-Book
Hermann Grabher
HERMANN GRABHER, * 1940 in Altstätten (St.Gallen) Schweiz, verheiratet seit mehr als 50 Jahren, 2 erwachsene Kinder, wohnhaft im St.Galler Rheintal. Bis 1990 kaufmännischer Leiter der familieneigenen Firma für Maschinenbau (gegründet 1936 von seinem Vater), vorwiegend Export orientiert. 1991 Veräusserung seines Besitzanteils an seinen Bruder und Firmenaustritt. Ab 1991 freier Berater im Finanzbereich. Berufsbedingt intensive Reisetätigkeit weltweit . Interessiert an eigenen und fremden Kulturen, wie auch an der eigenen und an fremden Religionen. Wirtschaftsbewandert. Sportbegeistert.
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Buchvorschau
Das Orakel von Macao - Hermann Grabher
1 Was bisher geschah …
Kurzfassung des Buches
EIN MIGRANT OHNE NAMEN
Sommer 2010 bis Winter 2020
Sommer 2010
Im äussersten Osten der Schweiz halten Beamte der Schweizer Grenzwacht an der Grenze zu Österreich einen jungen Mann an und nehmen ihn in Gewahrsam. Er wollte illegal einreisen. Er trägt keine Papiere auf sich, hat kein Geld, kein mobiles Telefon, nicht mal Gepäck bei sich. Der Arzt stellt bei der sanitarischen Untersuchung fest, dass die auf 15 Jahre geschätzte männliche Person gehörlos ist, wohl taubstumm und schwer sehbehindert. Er ist negroid, hat jedoch eine helle Haut und helle Haare, die im Sonnenlicht goldig schimmern. Er ist ein Albino. Im Übrigen scheint der Bursche gesund zu sein, gut genährt und er trägt saubere Kleider. All dies macht den jungen Mann verdächtig. Asylheimleiter Meinrad Meier äussert die Vermutung, dass er möglicherweise gar kein Flüchtling aus Afrika sei, sondern vielleicht in Europa aufgewachsen. In Frankreich vielleicht, in Italien oder anderswo. Von dort rüber in die Schweiz geschoben. Dies in der Hoffnung auf eine gute Betreuung, Schonung der eigenen Kasse der staatlichen Sozialfürsorge.
Unter den gegebenen Umständen scheint eine Kommunikation mit dem grossen Kind ausgeschlossen, was eine korrekte Registrierung verunmöglicht. Die Eingabe der Fingerabdrücke ins Registrierungssystem ergeben keinen Treffer. Der junge Mann ist bis dato nicht registriert.
Wie heisst er? Wie sollte man ihn nennen, wenn es ausgeschlossen ist, dass er seinen Namen vermitteln kann? Soll man ihm eine Nummer geben? Selina, die Tochter der Asylheimleiter-Familie Meier, vertritt die Ansicht, dass es für einen Menschen unwürdig sei, wenn er keinen Namen habe. Ihr Vorschlag lautet: «Nennen wir ihn Albino!» Und weil sie vermuten, dass der junge Mann ursprünglich aus dem Sahel stammt, geben sie ihm als Nachnahme Sahel mit auf den Weg. Albino Sahel.
Im Asylantenheim Sonnenhügel leben ausschliesslich männliche Migranten. Es sind Dutzende, vornehmlich jüngere Männer, die vom Ehepaar Meinrad und Pia Meier und ihrem Team betreut werden. Die Familie hat zwei Töchter, die bald 14-jährige Selina und die ein Jahr jüngere Ladina. Der wohlmeinende Rat der Eltern an ihre beiden Kinder lautet: Immer freundlich und hilfsbereit gegenüber den Gästen zu sein, aber stets auf Abstand bleiben. Familie Meier versucht bewusst in christlichem Geist die ihnen anvertrauten Menschen gerecht und human zu behandeln. Mit Geduld und viel Fingerspitzengefühl ist die Heimleitung in der Lage die Männer mit ihren unterschiedlichen Nationalitäten, Ethnien, Sprachen, Religionen und eben auch Charakteren in den überwiegend meisten Fällen unter Kontrolle zu halten.
Der Sonnenhügel war früher ein Hotel, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut. Weil in späteren Jahrzehnten das entsprechende Geld gefehlt hatte und dadurch eine Modernisierung verpasst worden war, blieben irgendwann die Gäste aus und die Institution ging in Konkurs. Der Kanton kaufte die Liegenschaft mit dem Ziel, das Haus als Aufnahmeheim für Migranten auszugestalten. Bei einem Teil der Dorfbewohner löste dies Abwehrreaktionen aus und sie protestierten. Die teilweise fremdartigen Menschen irritieren die Einheimischen. Von Anfang an vertraten die Gegner des Asylheims die Ansicht, dass eine andere Hautfarbe, eine unverständliche Sprache, eine andere Kultur nicht in ihr einfaches Dorf auf dem Land passe. Der Widerstand fruchtete nicht. Der Kanton als Besitzer der Liegenschaft setzte sich auf gerichtlichem Weg durch. Die Folge: Es brodelte im Dorf und tut es noch immer.
Beim jüngsten Gast im Haus, dem Migrant ohne Namen, den sie Albino nennen, hat Heimleiter Meinrad Meier vorerst grosse Bedenken, ob der junge Mann unter den gegebenen Umständen überhaupt im Haus zu halten sei. Meier moniert, dass sein Haus nicht für Behinderte ausgelegt sei. Doch sehr rasch ist ersichtlich, dass der Junge überdurchschnittlich intelligent, eeinträchtigung stark reduziert. Mit der Androhung der Absetzung von Nachtisch, Sport und Ausgang bei Nichteinhaltung der Heimregeln, können die jungen Männer zumindest einigermassen im Zaun gehalten werden, auch Albino. Bei gravierenden Verstössen wie Drogen, Alkoholmissbrauch und Renitenz meldet die Heimleitung dies konsequent der Polizei und die entsprechenden Leute werden abgeholt. Albino gehört nicht dazu, im Gegenteil. Er fällt auf für Ruhe besorgt zu sein. Die Kommunikation erfolgt erstaunlich problemlos durch Deuten, Zeichengeben und Gesten. Und: Albino liebt das Fussballspiel.
Tochter Selina pflegt ein Hobby, nämlich das Schachspiel. Sie gilt auf lokaler Ebene als unschlagbar. Albino beobachtet einmal eher zufällig ein Schachspiel. Als dieses beendet ist, fordert er Selina heraus. Er stellt Selina schachmatt. Weil Albino deutet, noch nie je zuvor Schach gespielt zu haben, die Regeln allein durch die unmittelbare Beobachtung des vorherigen Spiels gelernt zu haben, irritiert er alle. Das Fazit lautet: Albino ist entweder ein Scharlatan, der alle an der Nase herumführt, oder dann eben eine Intelligenzbestie. Während Heimleiter Meier an ersteres glaubt, ist Selina vom zweiten überzeugt. Meinrads Meinung gibt sich dezidiert: Ein Anfänger ist nie in der Lage Selina zu schlagen. Und: Das Schachspiel ist Afrikanern weitgehend unbekannt. Denn zuhause gibt es andere vordringlichere Probleme zu bewältigen, nämlich das nackte Überleben zu sichern.
Herbst 2020
Im Herbst 2010 wird das Asylheim Sonnenhügel von einer heftigen Explosion erschüttert. Fazit: Ein Toter und ein Schwerverletzter. Bei Letzterem handelt es sich um Albino Sahel. Der Tote ist Albinos Kollege aus Eritrea im gleichen Zimmer. Spekulationen werden laut, dass als Täterschaft eventuell Leute aus dem Dorf in Frage kommen könnten. Doch die Forensiker der Bundesanwaltschaft gelangen rasch zu einem anderen Ergebnis: Von aussen war eine Rohrbombe gezündet worden. Eine erste Untersuchung bringt an den Tag, dass es eine ist von der Art, wie sie international marodierende Banden verwenden, die Bancomaten sprengen. Allerdings fehlt die Logik: Weshalb sollten Bancomat-Räuber ein Asylantenheim attackieren!?
Das Haus Sonnenhügel ist teilweise beschädigt, sodass der Kanton entscheidet, es umgehend zu räumen. Die Asylanten werden in andere Heime verteilt. Der Plan lautet, das Gebäude bei dieser Gelegenheit zu sanieren. Die integrierte Wohnung der Familie Meier bleibt intakt, ihr wird erlaubt weiterhin im Haus zu bleiben. Der Heimleiter Meinrad Meier wird beauftragt den Wiederaufbau zu überwachen. Das Personal jedoch muss freigestellt werden. Rund ein Dutzend Menschen stehen jetzt auf der Strasse.
Bei allem Elend geschieht ein Wunder: Nach dem Erwachen aus dem Koma im Spital stellt Albino fest, dass seine Taubheit verschwunden ist, er wieder hören kann. Die Ärzte im Kantonsspital haben keine medizinische Erklärung für diesen wundersamen Vorgang. Im Zuge der Rehabilitation lernt Albino sukzessive die Laute und Geräusche korrekt einzuordnen. Des Weiteren werden Albinos Augen einer Operation unterzogen, sodass sein Sehvermögen erheblich verbessert wird.
Unter den gegebenen Umständen ist für Albino der Besuch einer Taubstummenschule, wie dies vom Erziehungsdepartement vorgesehen war, keine Option mehr. Die Frage lautet: Wie kann der Junge in möglichst kurzer Zeit zu jenem Schulstoff gelangen, der ihn für eine Lehre oder eine höhere Schule befähigt? Pia, von Beruf Lehrerin, ist bereit Albino individuell zu betreuen, ihm Privatstunden zu erteilen. Er darf innerhalb der Familie Meier leben.
Bei Albino wird anlässlich eines Tests ein Intelligenzquotient nahe beim Geniestatus festgestellt. Entsprechend rasch schreiten die Lernfortschritte voran. Sein Ziel ist es, nach dem Erlangen der Basis-Schulbildung in ein staatliches Gymnasium der nahen Stadt einzutreten.
Sommer 2013
Im Sommer 2013 stehen die Zeichen auf Abschied. Nach Selina wird auch Ladina das Elternhaus der Familie Meier verlassen, um in einem Gymnasium in der Innerschweiz als interne Schülerin die Matura anzustreben. Albino hat die Aufnahmeprüfung am städtischen Gymnasium geschafft, dies mit einem Glanzresultat. Er wird in eine höhere Klasse hochgestuft. Seine aussergewöhnliche Leistung wird mit einem Stipendium belohnt, gestiftet durch die Freimaurer. Dies verschafft Albino das Privileg, in der Stadt eine eigene Kleinwohnung zu beziehen und selbstständig zu leben.
Noch einmal verbringt das Ehepaar Meier zusammen mit den beiden Töchtern und dem Ziehsohn Albino gemeinsame Ferien. Albino fasst zunehmend Vertrauen zur Familie und entscheidet sich spontan jenes Geheimnis zu lüften, das bisher ein eigentliches Mysterium war: Albino legt das Leben seiner Kindheit und seiner Jugend offen, bevor ihn Schweizer Grenzwächter an der Grenze zu Österreich gestellt hatten…
Wirtschaftliche Not zwang meine Eltern ihre Heimat in Westafrika zu verlassen. Mir ist nicht bekannt, welches Land es war. Ich war ein Säugling. Die Eltern erreichten jedoch Europa nie, sondern strandeten in Algerien. Hier fanden sie Arbeit in einer landwirtschaftlichen Genossenschaftsplantage. Das Einkommen reichte knapp zum Überleben.
Im zweiten Winter stürzte bei Starkregen eine Wasserflut von den Bergen ins Tal und drang in das Dorf ein, in dem wir wohnten. Die Wassermassen rissen unsere Lehmhütte samt unserer Familie mit. Die Mutter überlebte die Katastrophe nicht, wurde nie mehr gefunden. Bei diesem Unglück verlor ich das Gehör. Fortan war mein Vater gezwungen, seine Kraft allein für unser Überleben aufzuwenden. Wegen meiner Behinderung – taubstumm und sehschwach, wurde ich vom sozialen Leben ausgeschlossen. Ein Besuch der Schule wurde mir verwehrt. Ich wurde als wertloser Idiot betrachtet, obwohl ich fühlte, den anderen Kindern intellektuell mindestens ebenbürtig zu sein. Die Kommunikation mit meinem Vater gelang hingegen gut - durch Gesten.
Als ich etwa zwölf war, fand sich der Vater an einem Tiefpunkt. Er deutete mir, dass hier jegliche Zukunftsperspektive fehle, die Verarmung immer weiter fortschreite. In seiner Ausweglosigkeit schloss er sich einer Räuberbande an. Ich war an seiner Seite, hatte keine andere Wahl. Die Truppe bestand aus kriminellen Nordafrikanern und französischen Ganoven, die in ihrer Heimat steckbrieflich gesucht wurden. Beim ersten Coup, bei dem wir teilnahmen, wurde ein Geldtransport in einer Vorstadt von Algier überfallen. Weil sich die zwei Fahrer wehrten, wurden sie kaltblütig erschossen. Dies war nicht im Sinne meines Vaters und er wollte aussteigen. Die Antwort der Räuberkollegen lautete: Mitgegangen, mitgehangen! Wer aussteigt, wird liquidiert! Wir waren gefangen.
Um das Risiko zu minimieren, spezialisierte sich die Gruppe darauf, Bancomaten zu knacken, nicht in Algerien, sondern in den angrenzenden Ländern: In Marokko, Tunesien, Libyen. Mit unserem geländegängigen 4x4-Fahrzeug fuhren wir abseits von Strassen und Wegen. Die Chance uns zu entdecken war minim. Unser Basisrefugium war weit abseits einer urbanen Region in den Bergen, wo uns niemand finden konnte. Weil wir Bancomaten ausschliesslich im Ausland knackten, nie in Algerien, interessierte sich die einheimische Polizei nicht für uns. Unsere Gruppe war so erfolgreich, dass sie technisch aufrüsten konnte. Sie kaufte ein Schnellboot, wodurch es möglich wurde auch in Italien zu operieren, auf dem Festland, wie auch in Sizilien und Sardinien. Niemand in Europa kam auf die Idee, dass die Bancomat-Knacker Nordafrikaner sein würden. Diese kriminellen Taten wurden stets der Mafia angelastet. Schliesslich erfolgte ein weiterer Schritt: Die Gruppe erstand ein Flugzeug, sodass sie in weiteren europäischen Ländern operieren konnte. Der Vater avancierte zum Hauptmann, der die Operationen umsichtig leitete. Mich besänftige er mit dem Argument, dass unser Tun kaum verwerflich sei. Wir würden niemals Menschen Geld wegnehmen, sondern stets nur anonymen Gesellschaften, welche die Kohle mehrheitlich wohl auch selbst gestohlen hätten.
Einmal erkrankte ich, was den Vater bewog, nicht mitzureisen. Das war unser Glück, denn die Gruppe kam von jenem Coup nie mehr zurück. Wahrscheinlich fiel das Flugzeug ins Meer. Obwohl jetzt genug Geld vorhanden war, wollte der Vater nicht auf diese Weise aufhören. Er sagte, dass er einen Berufsstolz habe. Zu viert – zwei abgetakelte französische Kriminelle, welche bei uns das Gnadenbrot assen, mein Vater und ich - begaben wir uns nach Europa. Wir kauften ein Wohnmobil und versuchten nach Möglichkeit keine Spuren zu hinterlassen, was sehr gut gelang. Im Sprengen von Bancomaten waren unsere Leute nach wie vor unübertroffen. Einmal in Vorarlberg machte der Vater in einem stillgelegten Kieswerk Versuche mit einem neuartigen Sprengstoff. Die Bombe, mit der er experimentierte, explodierte in seinen Händen und zerriss meinen Vater. Die zwei Franzosen entsorgten die Leiche. Damit blieb ich übrig, ich, das behinderte Kind, welches die zwei Ganoven so schnell als möglich loswerden wollten. Ich verstand, genau zwei Optionen zu haben: A) Verschwinde auf die andere Seite des Flusses, wo ein anderes Land ist. Oder B) Wir liquidieren dich gerade jetzt auf der Stelle. Ich wählte die erste Option, obwohl mich furchtbare Angst befiel über jenes, was mich erwarten würde. Weil ich mir als Behinderter ein Leben ohne helfende Hand an meiner Seite nicht vorstellen konnte.
Albinos Bericht erschüttert Familie Meier in verschiedener Hinsicht. Die erste Frage der Familie lautet: «Und du glaubst wirklich, dass dein Tun nicht verwerflich war?» Albinos Antwort: «Dies ist nicht meine Meinung, sondern war die Aussage des Vaters, an die er wohl selbst nicht glaubte! Er wollte damit wahrscheinlich mein Gewissen entlasten!» Weitere Frage der Familie: «Betrachtest du dich ohne Schuld?» Antwort von Albino: «Ich erlebte eine schreckliche Kindheit. Ich war undiskutabel Opfer, nicht Täter. Als doppelt behindertes Kind hatte ich keine Chance mein Schicksal selbst zu beeinflussen. Ich war absolut abhängig von meinem Vater, war stets an seiner Seite, also dabei, aber ohne jegliche Funktion! Wie hätte ich mich von meinem Beschützer loslösen können? Ein Leben ohne die Hand des Vaters konnte ich mir nicht vorstellen. Auf mich allein gestellt, hätte ich meinen Fuss schon am ersten Stein angestossen und wäre auf die Nase gefallen!»
Bei allem Verständnis für Albino, die Familie Meier fühlt sich vom Jungen hintergangen, weil er ihnen so lange den Arglosen, den Ahnungslosen vorgespielt hatte. Albino entschuldigt sich für sein Verhalten, bittet aber gleichzeitig auch um Verständnis. Auf die Frage, ob ihm bekannt sei, wer den Anschlag auf den Sonnenhügel verübt habe, antwortet Albino, dass er dies nicht wisse, aber annehme, dass die zwei französischen Altgangster mit Namen Jean und Jean offensichtlich nach seinem Leben trachteten. Der Plan sei wahrscheinlich gewesen, ihn mundtot zu machen. Insbesondere Meinrad Meier ringt mit seinem Gewissen, welche von zwei Optionen, die höher zu bewertende moralische Pflicht darstelle: A) Albino sei verpflichtet der Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Hinweis zu geben, dass Jean und Jean die möglichen Attentäter beim Sprengstoffanschlag auf den Sonnenhügel sein könnten. Oder B) Man sehe von einem entsprechenden Hinweis an die Staatsanwaltschaft ab und schütze damit Albino, um den bisherigen Aufwand für Albino und seine verheissungsvolle Zukunft nicht in Gefahr zu bringen. Denn eines scheint klar: Über Jean und Jean würde die Polizei mit Sicherheit die Spur zu den Bancomat-Anschlägen finden, wodurch für sondern eben auch des Landes verwiesen werden. Auf die von Albino vorgebrachten Argumente, nämlich dass er kein aktives Mitglied der Räuberbande war, ein Kind und invalid dazu, würde man sich wohl besser nicht verlassen. Unter den gegebenen Umständen befindet die Familie, dass dieser Entscheid allein Sache von Albino sein könne. Albinos Position ist eindeutig: Er ist misstrauisch. Er ist nicht bereit, sich gegenüber der Staatsanwaltschaft zu offenbaren. Er ist nicht in der Lage, die alten Ängste, die in ihm stecken, zu unterdrücken. Abschliessend sagt Albino: «Eines steht fest: Ich werde meine Geschichte, meine traurige Kindheit, nie mehr jemandem erzählen. Ihr seid somit die ersten und ihr bleibt die letzten!»
Frühling 2014
Das Asylheim Sonnenhügel wird nach einer Generalsanierung neu eröffnet mit Meinrad und Pia Meier als leitendes Personal. Pia Meier ist hochschwanger und auch Selina Meier ist hochschwanger. In einem Abstand von einer Woche bringt erst Selina einen Sohn zur Welt, dann auch Pia: Jim und Jack. Beide Kinder weisen eine wunderschöne ebenmässige Haut in zarter Maroni Farbe auf. Die Babys sehen sich ähnlich als wären sie Zwillinge. Es ist diskussionslos ersichtlich wer der Vater ist. Ladina nennt ihre Schwester Selina eine dumme Kuh. Meinrad zürnt in einer ersten Reaktion Albino, findet aber bald zu seinem Seelenfrieden zurück. Seine Losung lautet: Wer nicht verzeihen könne, verstehe den Kern der christlichen Botschaft nicht. Einen Tadel an die Adresse von Pia hört man nie. Meinrad anerkennt Pias Sohn amtlich als sein Kind, während Selina sich aufmüpfig zeigt und sich weigert den Vater ihres Kindes offiziell zu nennen. Da Selina keine mütterlichen Gefühle entwickelt und sie eine Karriere als Studentin und letztlich als Wissenschaftlerin im Kopf hat, überlässt sie das Kind ihrer Mutter. Nun ist Pia für die Erziehung beider Knaben verantwortlich. In einem Fall ist sie die leibliche Mutter, im anderen die Grossmutter.
Sommer 2014
Sowohl Selina Meier wie auch Albino Sahel schaffen die Matura. Albinos Matura ist die Jahresbeste: Alle Noten ohne Ausnahme sind sehr gut. Als Migrant mit afrikanischen Wurzeln erregt die Leistung Aufsehen. Selina gibt nun halbherzig zu, mit Albino liiert zu sein. Albino wird diesbezüglich nicht gefragt. Sie wohnen nicht zusammen, sehen sich selten. Während Selina ein klares Ziel hat, nämlich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Physik zu studieren, steht für Albino ein Studium in den Sternen. Denn die Freimaurer haben ihre Stipendienzahlungen mit Abschluss des Gymnasiums eingestellt. Albino muss vorerst Geld verdienen, um sich später das Studium leisten zu können.
Einen Tag vor dem Schweizer Nationalfeiertag gleichen Jahres – 2014 - empfängt Albino Sahel zwei Briefe. Bei einem ist der Absender die Bundesanwaltschaft, die ihn auffordert, persönlich vorzusprechen. Die andere Nachricht kommt aus Amerika. Darin schreibt das Rektorat der Stanford University of California, dass es für sie eine Ehre wäre, wenn sich Albino in ihrem Institut für ein Studium einschreiben würde. Eine christliche Organisation würde mit einem Stipendium die wirtschaftliche Seite grosszügig abdecken. Die Universität pflege eine schöne Tradition, nämlich die Jahresbesten aller mit den Vereinigten Staaten befreundeten Länder für ein Studium einzuladen. Albino ist euphorisch. Er sieht mit einem Schlag das Tor weit offen, unverzüglich ein Studium starten zu können.
Selina sieht im Angebot aus Amerika auch eine Chance für sich selbst und möchte zusammen mit Albino nach Kalifornien. Sie beide glauben, mit einem Stipendium, wie es angeboten wird, gemeinsam finanziell durchzukommen. Albino schreibt nach Amerika zurück, dass er das Angebot gerne annehme. Selina schickt ihr Matura-Zeugnis samt weiteren Dokumenten an das Rektorat der Stanford University of California, bittet um Prüfung, ob auch sie aufgenommen werde wie Albino Sahel, den sie als ihren Bruder im Geist bezeichnet. Dabei weist sie darauf hin, ebenfalls ausgezeichnete Maturanoten geschrieben zu haben.
Albino hat keine Ahnung, was der Grund für die Einladung der Staatsanwaltschaft sein könnte. Ein Vorgespräch wegen der Einbürgerung als Schweizer, vielleicht? Doch Albino wird von einer Frau Namens Rita Müller arg in die Zange genommen. Hintergrund sind zwei ältere Männer, Franzosen, die gefangen genommen worden waren und jetzt in Untersuchungshaft sitzen. Sie werden verdächtigt, an Bancomat-Sprengungen beteiligt gewesen zu sein. Sie behaupten, dass ein afrikanischer Junge mit Namen Mohamed, ein Albino, Kopf des Bancomat-Gangs war. Frau Müllers Frage ist direkt: «Könnten sie damit gemeint sein, Herr Sahel?» Es entwickelt sich ein Katz- und Mausspiel in Fragen und Antworten, bei dem mal Frau Müller, dann wieder Albino Sahel die Oberhand zu gewinnen scheint. Schlussendlich zieht die Staatsanwältin einen Joker aus dem Ärmel, der Albino in Bedrängnis bringt: Sie zeigt Albino ein grossformatiges Foto von schlechter Qualität, weil es bei Dunkelheit und Regen aufgenommen worden war. Das Foto trägt ein Datum: 1.4.2010. Und einen Ort: Kufstein in Österreich. Es geht um einen Bancomat-Anschlag in Tirol. Darauf sind die zwei alten Franzosenschurken Jean und Jean gut erkennbar, die anderen beiden Gestalten eher undeutlich. Einer ist ein negroider Mann mit weissem Gesicht. Im anderen erkennt Albino seinen verstorbenen Vater. Albino wird aufgefordert reinen Tisch zu machen. Er frägt Frau Müller: «Glauben sie wirklich, dass ein doppelt behindertes Kind von 14-Jahren – taubstumm und nahezu blind - in der Lage ist, eine Bancomat-Räuberbande zu führen?» Antwort: «Nicht als Räuberhauptmann. Aber beteiligt!» Albino: «Und was hätte es für einen Sinn gemacht, dass ein behindertes Kind an einem Coup dieser Art teilnimmt?» Darauf weiss Frau Müller keine Antwort.
Schliesslich erklärt Frau Müller, dass es in diesem Fall überhaupt nicht um den Bancomat-Anschlag in Österreich gehe, sondern darum, dass die zwei Franzosen verdächtigt werden, den Anschlag auf das Asylheim Sonnenhügel getätigt zu haben. Und hier gehe es um Mord und versuchten Mord, wobei einer der Versehrten bekanntlich Albino Sahel selbst war. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass der Anschlag ihm, Albino Sahel, gegolten habe, um ihn - aus welchem Grund immer - mundtot zu machen. Er, Albino Sahel, sitze in diesem Fall nicht auf der Anklagebank, sondern ihm falle die Aufgabe zu, als Zeuge aufzutreten. Frau Müller möchte wissen, ob Albino bereit sei für eine persönliche Konfrontation mit den zwei Franzosen zwecks Identifikation. Albino willigt ein, weil man ihm eine Strafverschonung schriftlich zusichert.
Die Stanford University akzeptiert Selina als Studentin und ihr wird ein Stipendium von einer christlichen Organisation zugesichert, in Berücksichtigung der karitativen Tätigkeit der Eltern. Albino hat keine Chance auf ein Studium in den Vereinigten Staaten. Dies aus drei Gründen: 1) Er hat keinen anerkannten Reisepass, sondern lediglich einen Flüchtlingspass, der Auslandreisen nur sehr beschränkt zulässt. Eine Reise ausserhalb Europas ist damit absolut ausgeschlossen. 2) Der amerikanische Staat