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Die letzten Barkiden
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eBook427 Seiten5 Stunden

Die letzten Barkiden

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Über dieses E-Book

WIE WURDEN WIR DAS, WAS WIR HEUTE SIND?

IST DIE GESCHICHTE DER MENSCHHEIT ABHÄNGIG VON BESONDEREN WEICHENSTELLUNGEN?

UND WAS PASSIERT, WENN GANZE EPOCHEN
MANIPULIERT WERDEN?

BAND 2
DIE LETZTEN BARKIDEN

Hamilkar Barkas, der große karthagische Feldherr liegt im Sterben. Eine überlegene, gut ausgebildete Söldnerarmee bedroht seinen zum Nachfolger ernannten Bruder Hasdrubal und das karthagische Heer. Hannibal Barkas, der älteste Sohn Hamilkars, versucht unterdessen seine Geliebte, die turdetanische Fürstin Nalbe, zu retten, während zwei fremde Wesen die Geschichte der Menschheit manipulieren.

- Hannibal Barkas auf seiner schwierigsten Mission ...
- Das karthagische Heer vor seiner blutigsten Schlacht ...
- Römer, die mit sich und der Welt zufrieden sind ...
- Und zwei Wesen, die um das Schicksal der Menschheit streiten ...

Historische Fantasy - pures Lesevergnügen
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. März 2020
ISBN9783749799770
Die letzten Barkiden
Autor

Richard F. Conrad

Richard F. Conrad wurde im März 1986 in der Nähe von Luzern in der Schweiz geboren. Nach erfolgreichen Jahren als Börsenmakler in den USA lebt er inzwischen mit seiner Frau und drei Kindern in Cape Coral/Florida. Er veröffentlichte einige Fachbücher, bis er sich mehr und mehr literarisch mit dem Genre der Fantasy befasste. Mit Turn of Eras (Zeitenwenden) plant er eine mehrbändige Romanreihe, die in besonderen historischen Epochen der Menschheitsgeschichte spielt. Nach dem ersten Band (Hamilkars Rache) und dem zweiten Teil (Die letzten Barkiden) sowie Teil 3 (Die verlorene Republik), Teil 4 (Kampf um Numantia) und Teil 5 (Das Imperium erwacht) befindet sich der 6. Teil (Das Schwert Roms) in Vorbereitung.

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    Buchvorschau

    Die letzten Barkiden - Richard F. Conrad

    1. Hamilkar

    Hamilkar Barkas hatte schon viel gesehen in seinem Leben. Doch damit hatte er nicht gerechnet. Gut, um bei der Wahrheit zu bleiben, es war auch nicht mehr das irdische Leben, das er nun sah. Wie sollte er sich auch darauf vorbereiten.

    Dieser Ort passt doch überhaupt nicht! Kurios! Entgegen all meinen Erwartungen!

    Wie hat er es sich vorgestellt? Das Leben nach dem Tod?

    Eine bedrückende, traurige Schwärze, kalt, unangenehm, eine graue Unterwelt, trist, felsig, ohne Pflanzen und Tiere, eintönig, geruchlos, traurig, leer, still, langweilig. Nur Steine. Geröll. Das waren die Bilder, die die Priester des Baals ihm vermittelt haben. Bis die Götter alle befreien würden. Am Ende der Welt. Dann ging es heim zu den Göttern, für die, die es verdient hatten.

    Irgendwie konnte er sich beides nicht recht vorstellen.

    Eigentlich hat er überhaupt nicht an ein Leben danach geglaubt. Nicht für ihn. Nicht bei dem, was er alles getan hat. Jemand wie er verdient es nicht weiterzuleben.

    Und nun? Die Überraschung.

    Der weiße Nebel (oder was auch immer es für eine milchige Dunstschicht war) lichtet sich nach und nach. Eine Abendsonne (Nein, eine Morgensonne kann es doch nun wirklich nicht sein) scheint den Himmel über ihn in ein purpurrotes zum Horizont hin heller werdendes Dach zu verwandeln, zum Ende hin zartrosa erscheinend. Wenn Hamilkar einen Sinn für Romantik gehabt hätte, dann würde ihm der Himmel gefallen.

    Es duftet wie nach einem Sommerregen, würzig, lebendig, nach frischem Gras und einem vielfältigen Blumenmeer, fast so wie früher in dem riesigen Park seiner Sommerresidenz in der Nähe von Karthago, wo er (viel zu wenig) Zeit mit der Familie zugebracht hatte, mit seiner jungen Frau und seinen kleinen Kindern, mit Blick auf das Meer und einem kühlenden Wind.

    Kalt? Nein, überhaupt nicht. Es fühlt sich angenehm warm an, allerdings ohne jeglichen Windzug, kein Frösteln und keine übermäßige Hitze. Einfach angenehm.

    Er steht auf Steinstufen (kein Sandstein, mehr ein heller, fast weißer Granit oder Marmor), die zu einer sehr breiten, unendlichen Treppe zu gehören scheinen. Sowohl zu den Seiten hin als auch nach unten kann Hamilkar kein Ende erkennen, der Nebel (oder Rauch?) behindert seine Sicht in größere Entfernungen.

    Die Stufen, die er erkennen kann, wirken sehr, sehr breit. Um eine Stufe zu überqueren, hätte er wohl mehrere Schritte auf der ebenen, konturlosen Stufe benötigt.

    Je mehr sich der Nebel auflöst, desto mehr Stufen, die nach unten führen, werden sichtbar. Es scheint ein weiter Abstieg nach unten zu sein. Er dreht sich um und fühlte sich jung, kräftig, ohne Schmerzen, bei bester Gesundheit, so gut wie schon lange nicht mehr. Wie vielleicht in seiner Jugend. Als er überhaupt nicht darauf achtete, wie sich sein Körper überhaupt anfühlte. Wie lange mag das her sein? Ein ganzes Leben?

    Der Blick in die andere Richtung ist überwältigend. Die Treppe führt sehr weit hoch, fast endlos, und verfügt über so breite, unterschiedliche Stufen, dass sie teilweise wie große, hell schimmernde Terrassen erscheinen. Hier existiert fast gar kein Nebel. Zeichnet sich ganz oben, am Ende, das dunkle gesprenkelte Braun und Grün eines Waldes ab? In der Stille glaubt er von oben Vogelstimmen zu hören, auch andere Tierstimmen, die aus dem satten, vielfältigen Grün erklingen. Er kann jedoch kein Tier erkennen, will es auch gar nicht. Er will auch nichts mehr hören.

    Er hat überhaupt keine Lust, nach oben zu gehen. Nur nicht nach oben. Nicht wieder aufsteigen. Nicht in diese Richtung. Das wäre völlig falsch.

    Er dreht sich schnell wieder zurück.

    Nein, er will sehen, was sich dort unten befindet. Das interessiert ihn instinktiv. Wohin führt die Treppe, wohin führen die breiten Stufen? Eine saubere Steinmetzarbeit! Wer auch immer die Arbeit erledigt hat, der versteht sein Handwerk. Er schmunzelt anerkennend, fühlt sich in einer heiteren, gelassenen und unbeschwerten Stimmung. Jugendlich, kräftig, stark. Keine Gelenke, die schmerzen. Kein Kopfweh, weil er nicht genug Schlaf bekommt. Keine Muskeln, die gegen die Dauerbelastung protestieren.

    Immerhin sterbe ich nicht als tattriger Greis.

    Ist er womöglich glücklich? So wohl hat er sich schon seit vielen Sommern nicht mehr gefühlt. Zufrieden. Sorglos. Unbekümmert. Frei.

    Vorsichtig nimmt er einige Stufen hinunter. Da die Stufen unterschiedliche Höhen haben, konzentriert er sich auf sie. Manche sind ganz flach, manche so tief, dass er sich setzen kann und die Beine baumeln lässt. Er trägt ein kurzes, helles leinenes Obergewand und keine Schuhe, fühlt eine angenehme Wärme sowohl um sich herum als auch von den Steinen her abstrahlend, so, als wenn die Abendsonne gerade noch genügend Hitze ausgestrahlt hätte, um die steinerne Treppe zu erwärmen.

    Er könnte sich jetzt auch zufrieden setzen, was für ihn jedoch überhaupt nicht infrage kommt. Er will weiter und ist neugierig auf das Ende der Stufen. Wohin führt diese Treppe? Wer hat sie erbaut? Und was befindet sich am Ende der Stufen? Gibt es ein Ende?

    Hamilkar atmet tief ein und versucht sich zu erinnern, ob er die Düfte kennt. Ein angenehmer, dezenter Geruch nach Sandelholz, Orchideen, frisch gemähtem Rasen. Vertraut? Bekannte Düfte? Eine schwache Erinnerung taucht auf, ist es aus seiner Kinderzeit auf dem Land bei seinem Großvater? Oder stammt die Erinnerung von seinem Anwesen am Mittelmeer, von seinen Gärten, die er mit seiner Frau so liebte?

    Er schüttelt den Kopf, lässt sich mit einem Sprung auf die nächste Stufe unter ihm fallen und versucht wieder zu erkennen, wo der lange Weg nach unten wohl enden mag.

    Zwischen den letzten, hellen, hauchdünnen Nebelfetzen meint er, gar nicht so weit und gar nicht so tief entfernt, etwas zu erkennen. Einen prachtvollen weißen Strand, der vom Himmel angeleuchtet in ein zartes Rosa wechselt, sobald der Nebel einige freie Stellen sichtbar macht. Keine Steine, keine Felsen, nur verlockender feinsandiger weißer Strand.

    Am Strand stehen einige Gestalten, in dünnes, weißes Tuch gehüllt, nicht aus dem groben Leinen wie sein Gewand, sondern aus feinem, seidigen Tuch. Und anders als er bis zum Boden bekleidet und den Kopf wie mit einem leichten Schleier verhüllt. Menschen? Statuen?

    Sie blicken anscheinend alle von ihm weg in die entgegengesetzte Richtung. Bewegungslos. Lebendig? Er will instinktiv nach seinem Schwert greifen, aber da ist nichts. Er schmunzelt leicht. Schade, eine Waffe oder eine Rüstung hätten sie mir ja schon lassen können!

    Er fühlt sich nicht bedroht, er könnte sich auch mit seinen Händen wehren, da ist er sicher, er ist stark und schnell. Genauso ist er allerdings davon überzeugt, dass er hier gar nicht kämpfen muss. Stille. Tiefer Friede und eine ausgeprägte Ruhe liegen über allem.

    Oder?

    Er steigt einige Stufen weiter hinab und versucht, mehr von unten zu erkennen. Der weiße Strand stellt tatsächlich eine Zwischenzone dar, danach folgt das Wasser, türkis, sehr hell schimmernd, anscheinend sehr flach, denn einige Gestalten (Menschen?) stehen in dem Wasser, teilweise weit weg vom Uferstrand entfernt, nicht einmal bis zu den Knien eingesunken, eigentlich nur mit den Füßen sich im Wasser befindlich, so weit er es erkennen kann. Es existiert kein Wellenschlag, das Wasser ist spiegelglatt, keine Figur scheint sich zu bewegen, alle sehen weg vom Ufer in die andere Richtung. Was sehen sie? Wohin?

    Er hört plötzlich, von oben kommend, einen furchtbar lauten Glockenschlag und erschrickt. Ein Tempel? Die Götter? Der große Auftritt der Richter? Ein tiefer, dunkler Klang, die Schwingungen gehen durch seinen Körper, nicht unangenehm, jedoch viel stärker, als er es bisher je von einem Ton erlebt hatte. Mit dem Gongschlag ist der ganze Nebel verschwunden.

    Er sieht das riesige Meer einen gigantischen Halbkreis um den weiten Strand (eine Halbinsel?) bilden. Er sieht den unendlich weiten rötlichen Himmel, der sich nicht verändert (kein Sonnenuntergang?). Er sieht Dutzende Gestalten am Strand und im Wasser, sehr verteilt, einzeln, allein, jeweils weit voneinander entfernt, teilweise nur als winzige Punkte in der Ferne erkennbar – keine Gruppierungen oder größere Ansammlungen von Figuren.

    Das Meer schimmert und leuchtet überall gleichmäßig kräftig in einem Helltürkis, und er vergisst alles andere, seine Neugier, seine Angst (Wo bin ich?), seine üblichen Sorgen (Wer führt Karthago zum Sieg gegen Rom?), seine Fragen (Wohin gehe ich?).

    Weil er zuhause angekommen ist. Obwohl er noch nie hier war, hat er das tiefe Gefühl der Heimkehr dahin, wo er hingehört, so, wie es sein soll, eins mit allem. Seine Sehnsucht hat sich erfüllt, er weiß es instinktiv, ohne es begreifen oder verstehen zu können, ohne darüber nachzudenken und weiter zu grübeln.

    Ich bin da.

    Dies ist das Wasser des Lebens, zu dem wir alle gehen, zu dem wir so lange streben, ohne es zu wissen, um uns zu stärken und zu erfrischen, von dem wir trinken können, um gesund zu werden. Oder in dem wir ruhig nachdenken können über Impulse, die wir erhalten haben, über Intuitionen, die wir spürten, über Erlebnisse, die wir hatten und kaum wahrnehmen konnten, weil sie zu schnell vorbeizogen. Noch einmal erleben, korrigieren, neu erschaffen, neu leben. Hier dürfen wir alle sein und bleiben, verbunden mit allem, was ist, für sehr lange oder für immer, wenn wir es wünschen.

    Er beginnt, sein Leben bei Baal zu spüren. Tiefe Ruhe zu empfinden. Nahezu völlige Entspannung.

    Der süße Duft, den er wahrnimmt, das war ihr Duft, das ist ihm jetzt völlig klar. So war sie. Der Weg zum Meer und darüber hinaus führt zu ihr, das weiß er nun genau. Er beschließt, sich mehr zu beeilen, es sind nicht mehr viele Stufen bis zu dem feinsandigen Strand, der ihn so anlockt, und zu dem Meer, das ihn noch mehr anzieht, aber er spürt, dass Schnelligkeit nicht zu diesem Ort gehört, sondern ihm schaden würde. Hier eilt keiner, kaum einer der Gestalten scheint sich überhaupt zu bewegen, niemand spricht, keine Veränderung ist spürbar (Gibt es hier überhaupt so etwas wie Zeit?).

    Trotzdem herrscht keine bedrückende, lastende Stille, er nimmt immer noch das leise Rauschen von oben wahr (Aus dem Wald?), kann ihm unbekannte Vögel singen hören (Wirklich Vögel?) und meint sogar brünstige Rufe in weiter Ferne zu identifizieren (Hirsche?), kaum vernehmbar, sehr leise. Laute Geräusche würden nicht hierhin passen. Keinesfalls.

    Er sieht nach links und rechts. Auf den Stufen könnten Tausende stehen oder sitzen, fast wie im großen Amphitheater von Karthago, das ihm jetzt nur noch als vergleichsweise winzig klein in Erinnerung ist.

    Jedoch gibt es hier keine Reliefbilder, keine Statuen früherer Helden, keine Bögen oder Säulen, keine Mosaike oder Verzierungen, nur Stufen, unendlich weite, schlichte Stufen, so weit sein Auge reichte, nur Stufen unterschiedlicher Höhe und Breite. Das gefällt mir. Schlicht und einfach. Wir sollten in Karthago … Ach egal, darüber sollen doch andere befinden, es ist gleichgültig, völlig gleichgültig, was dort geschieht.

    Die Gestalten auf den Stufen stehen entfernt von ihm, verschleiert (Totenhemden?), manche bewegen sich langsam, waten kurz einen Schritt durch das Wasser, keiner geht nach oben, keiner sagt etwas, keiner nähert sich einem anderen.

    Er möchte eine verhüllte Person ansprechen und schreitet ganz langsam zu der auf seiner Stufe nächsten Gestalt zur Rechten, um sie nicht zu erschrecken. Obwohl sie der Schleier fast völlig verbirgt, meint er das Gesicht einer fremdartigen jungen Frau zu erkennen, die träumerisch in die Ferne des Meeres schaut, versunken lächelnd, ohne zu blinzeln, glücklich, still verharrend, völlig abwesend.

    Er atmet tief ein und will sich leise vorstellen, woher er kommt, aus welcher Zeit, aus welcher Nation, aus welcher Familie, seinen Namen, seine Aufgaben. Aber schon beim Einatmen hält er inne und findet alle seine Gedanken hier lächerlich, völlig unpassend, unangemessen. Er sagt nichts, sieht sie nur an. Ich störe hier. Er betrachtet die Frau still.

    Und ich will hier bestimmt keinen belästigen. Nicht hier. Nicht auch noch hier. Gehöre ich überhaupt hierhin? Ich trage keinen Schleier. Noch nicht? Gibt es noch andere Menschen hier ohne Schleier? Noch jemanden, der Erklärungen sucht? Gibt es überhaupt irgendwelche Erklärungen? Brauche ich welche?

    Langsam wendet er sich von der Frau ab, ohne sie zu unterbrechen, sieht auf das Meer und setzt seinen Gang nach unten fort, verwirrt, überhaupt nicht ängstlich, sondern suchend, immer sicherer werdend, sehr bald anzukommen. Angst hat er nur davor, nach oben gehen zu müssen. Er will auf keinen Fall zurück in den Wald, zu dem lebendigen Grün, zu den Geräuschen des alten Lebens. Und er will nicht noch einmal diese Glocke hören, die ihm durch Mark und Bein fuhr, so, als wenn er kurzfristig die Kontrolle über seinen Körper verlieren würde, der sich jetzt so gut anfühlte wie schon ganz lange nicht mehr, so als wäre alles geheilt, als wäre sein Leib in einem idealen Zustand. War er jemals in einer solch exzellenten Verfassung gewesen?

    Endlich hat er die letzte untere Stufe erreicht. Ein kurzes Zögern.

    Die Treppe ist ihm jetzt vertraut, was erwartet ihn danach?

    Nein, er freut sich auf den Strand. Mit seiner Frau war er mit Vergnügen am Meer, später auch noch mit den Kindern. Er macht einen Schritt nach unten und spürt den feinen Sand unter seinen Füßen, warm, leicht kitzelnd und ihn massierend. Er genießt die ersten Berührungen und erinnert sich, wie er mit den Kindern (Hannibal? Himilko?) am Strand spielte. Karthager und Römer natürlich. Die hohen Sandmauern der Römer wurden von der tapferen karthagischen Armee erstürmt, auch wenn es hohe Verluste (umgefallene Holzreiter und -soldaten) zu beklagen gab. Er machte seinen Streitkräften Mut, spornte sie an, schrie mit den Kindern so laut um die Wette, dass seine Frau immer wieder laut lachte, begeistert war, wie sie jedes Mal Stück für Stück das heidnische Rom eroberten (er hatte eigens den Tempel des Jupiters, so wie ihm seine Gesandten beschrieben hatten, aus Holz nachbauen lassen), trotz heftiger Gegenwehr und dann den Stab des Baal oben auf dem gegnerischen Hügel befestigten, um …

    Noch ein Glockenschlag reißt ihn aus seinen erstaunlich lebendigen Erinnerungen.

    Er hat kurz Mühe, Atem zu holen und fühlt sich schwach, der rosa-weiße Strand unter ihm verschwimmt zu einer unwirklichen Helligkeit ohne Konturen, aber dann spürt er wieder die feinen Sandkörner unter seinen Füßen und blinzelt, um wieder alles in gewohnter Klarheit zu erkennen. Er mag diese Glocke nicht, doch jetzt ist alles wieder gut, er ist wieder zuhause, jung und kräftig, fühlt sich wohl und schaut sich um. Haben die anderen Gestalten in der Nähe auch den durchdringenden, unangenehmen Ton gehört? Keiner hat reagiert, keiner hat sich verändert, keiner schaut zurück nach oben, woher der Klang herkam.

    Nein, er gehört genau hier hin, keine Schwingung ist mehr zu vernehmen. Hat jemand gerade gelacht? Er muss wieder schmunzeln. Es werden doch keine Römer hier sein, die meine Erinnerungen nachvollziehen und missbilligen?

    Nun geht er doch zu einer neben ihm am Strand stehenden Figur und versucht, durch den Schleier das Gesicht oder das Minenspiel zu erkennen. Wieder eine Frau, sehr fremd und exotisch, hellhäutig, mit offenen mandelförmigen Augen, lieblich, weit entrückt auf das Meer blickend, versunken, ihn überhaupt nicht beachtend, leicht lächelnd.

    Er spricht sie ganz leise und vorsichtig an: „Wo sind wir hier, Frau? Verstehst du meine Sprache? Du musst von weit herkommen, welchem Volk gehörst du an?"

    Seine Stimme ist geschmeidig, höher als er sie in Erinnerung hat, aber durchaus vernehmbar. Die Frau reagiert allerdings überhaupt nicht.

    Er wird unsicher und berührt die schmalen Schultern der zierlichen Frau mit beiden Händen, spürt ihre Zartheit und Wärme in seinen Händen, schüttelt sie ganz sanft, möchte sie umarmen, wie ein Mann eine Frau umarmt, unterdrückt seinen Impuls und ruft lauter.

    „Wo sind wir hier? Sag es. Ich befehle es dir! Sprich endlich."

    Keiner missachtet seine Anordnungen, so war es doch immer. Die Frau rührt sich nicht, er lässt los und will sich schon enttäuscht abwenden. Dann blinzelt sie jedoch tatsächlich, schaut vom Meer weg und sieht ihn an.

    „Lasst mich, bitte. Herr, bitte nicht. Wir sind endlich da."

    Eine ganz leise Stimme, belegt, kaum hörbar, verschwommen. Sie macht einen kleinen Schritt zurück und will sich wieder dem Meer zuwenden, er folgt ihrem Schritt, ohne zu zögern, greift mit seiner rechten Hand nach ihrem linken Oberarm, der zart und verlockend in seiner Hand liegt.

    „Was soll das heißen? Wo sind wir?"

    Sie schaut ihn verständnislos an, nimmt ihn jetzt immerhin wahr, hat nun einen strengeren, energischeren Blick, enttäuscht oder erstaunt.

    „Bitte seid leise. Nicht hier!"

    Dann wendet sie sich wieder ab, so als wenn er nicht da wäre und schaut zurück zum Horizont. Er hält sie nochmals an ihren Schultern und drückt sie leicht, vorsichtig. Er weiß, er darf sie nicht stören, noch mehr jedoch will er endlich Gewissheit.

    „Warum nicht hier? Was soll das bedeuten?"

    Sie entzieht sich ihm, indem sie noch einen kleinen Schritt zurückweicht und ihn nicht mehr ansieht.

    „Seid still, ich werde in Ruhe nachdenken … Warum habe ich es ihm nicht gesagt? Warum habe ich so lange geschwiegen? … Es gibt eine andere Lösung … Ich kann es erklären … Natürlich, wenn ich ihm …" Jetzt spricht sie so leise, dass er sie nicht mehr versteht. Dann findet sie wieder ihr entrücktes Lächeln, hat nur noch Augen für das Meer und das, was sie hinter dem Meer erkennt. (Träumt? Erlebt? Nachdenkt?)

    Er will sie nicht mehr stören, schüttelt leicht den Kopf und sieht sich um, sieht das Wasser, verlockend schimmernd und schreitet gemächlich in die Richtung des Meeres. Keine Welle, nicht einmal ein leises Schwappen ist zu beobachten. Nichts. Wie kann ein Meer so still sein? Vorsichtig taucht er den rechten Fuß ein, bereit, ihn sofort wieder herauszuziehen, aber das Wasser ist warm, er spürt wohlig die Flüssigkeit, ein Gefühl des Glücks durchströmt ihn, er zieht den anderen Fuß nach und verharrt. Es tut so gut.

    Die Wärme durchströmt seinen ganzen Körper, die Haut fiebert und vibriert wie beim Geschlechtsakt, er fühlt sein Geschlecht und ist überwältigt. Es ist schon so lange her, er vergisst alles andere und atmet tief ein, ihren Duft.

    Ob ich mich in das Wasser legen kann? Kann ich es trinken?

    Mühelos kniet er sich hin (wie schon lange nicht mehr), taucht den rechten Zeigefinger ein, richtet sich wieder auf und führt den Finger vorsichtig zum Mund. Es schmeckt süß, erfrischend, sehr lecker, verlockend. Obwohl das Wasser warm ist, wird seine Kehle angenehm gekühlt.

    Er nimmt beide Hände, bildet eine Halbkugel und will mehr von der Flüssigkeit (Wasser? Wein? Saft?) schöpfen, hört einen weit entfernten Schrei und sieht sich unwillig um. Er ist schon weit entfernt vom Strand, obwohl er sich überhaupt nicht bewegt hat. Ist das Wasser gestiegen? Flut?

    Irgendein Schrei, weit entfernt, unterbricht seine Gedanken, doch er beachtet ihn nur kurz.

    Nur seine Füße sind vom Wasser bedeckt – nein, jetzt nicht mehr. Eigenartig, auch wenn ich mich weiter entferne, versinke ich nicht, im Gegenteil, es geht mir immer besser. Ich fühle mich immer wohler? Geht das?

    Zufrieden wendet er sich wieder dem Meer zu. Was wollte er noch tun?

    „Hamilkar!"

    Jetzt nimmt er den Ruf besser war. Es war gar kein Schrei, jemand hat etwas gerufen. Ein Wort. Irgendein Wort. Er sieht sich ganz langsam um, ob irgendein anderes Wesen darauf reagiert, kann aber keine Bewegung wahrnehmen. Eigentlich ist es ihm auch völlig egal, was die anderen machen, er möchte das Wasser wahrnehmen, dieses Körpergefühl, dieses Glück, dem er nachspüren möchte, das er für unmöglich gehalten hat, das ihn erinnert an …

    „Hamilkar!"

    Er richtet sich auf. Dieses Wort, das ist ein Name. Das ist doch mein Name! Kann man seinen Namen vergessen? Bei Baal, das bin ich. Mein Name ist Hamilkar. Hamilkar … Barkas. Was ist hier los?

    Schon ist er wieder viel näher beim Strand und watet langsam zurück, mit einem großen Gefühl des Bedauerns, so, als wenn er etwas Wichtiges, etwas Lebenswichtiges, liegen lassen müsste oder nicht gefunden hätte, etwas zurücklassen müsste, weil er gestört wurde.

    Nur von wem?

    Der Sand ist immer noch warm, feinkörnig und angenehm, im Wasser jedoch hatten sich nicht nur seine Füße wohler gefühlt, sondern er sich insgesamt. Enttäuscht sieht er sich am Strand um, aber alle verhüllten Gestalten starren zum Horizont, keiner beobachtet ihn. War da wirklich etwas? Unsinn. Er will wieder zurück zum Meer, hier gehört er nicht mehr hin, nicht zu der exotischen Frau, die er gefragt hat, nicht zu dem Strand, nicht zu den Stufen, schon gar nicht nach oben zu diesem Grünbraun ….

    „Hamilkar!"

    Der Ruf kommt nicht vom Strand. Er seufzt unwillig, geht langsam in die Richtung der riesigen Steintreppe, sieht nach oben, obwohl er eigentlich nicht mehr die Stufen hochblicken möchte, sondern Sehnsucht nach dem Meer empfindet.

    Eine unverschleierte junge Frau kommt herunter, sich erstaunlich schnell bewegend, nur die höheren Stufenabstände bremsen ihren Lauf. Die erste Gestalt hier, die er klar erkennen kann, die sich schnell bewegt und die ihn von oben herab ansieht. Eigentlich sollte er sich freuen oder wenigstens erleichtert sein, ihm kommt die Situation stattdessen wie ein Sakrileg, eine Blasphemie oder ein furchtbarer Rückschritt vor, das Verlassen des Meeres wie ein großer Nachteil, wie ein spürbarer Verlust, unwirklich und völlig unpassend. Irreal.

    Vor kurzer Zeit (oder war es schon länger her?) hatte er noch einen Gesprächspartner gesucht, jemand, der Erklärungen für ihn hat, jetzt möchte er lieber vor der Frau und der nach weit oben führenden Treppe fliehen. Ein Hamilkar Barkas läuft nicht davon. Schon gar nicht vor einer Frau.

    Nach und nach erinnert er sich wieder an sich, er bleibt aufrecht stehen und wartet gelassen, bis die Frau die letzte Treppenstufe erreicht.

    „Kommt bitte etwas näher, Hamilkar, ich werde hier auf der Stufe stehen bleiben."

    Er geht näher auf sie zu, die junge Frau ist deutlich kleiner als er, steht sehr stolz und aufrecht, blickt ihn streng an und besitzt eine unnatürlich laute Stimme, die überhaupt nicht hierhergehört. Sie hat ein kantiges Gesicht mit einem kräftigen Unterkiefer, langes schwarzes Haar fällt ihr über ihre Schultern, die klare, ebene Stirn mit den kleinen Augenbrauen spricht für ihre Klugheit, die hellbraunen Augen, die ihn energisch mustern, für ihre Leidenschaft. Er kennt sie nicht, sie ist nicht hübsch im herkömmlichen Sinn, aber sie ist ihm nicht fremd, irgendetwas kommt ihm bekannt vor.

    „Was willst du von mir, Frau?"

    Sie kichert, was die Stille stört und ihm nicht gefällt, außerdem kann er sich nicht an sie erinnern und weiß auch nicht, ob er das überhaupt will.

    „Erkennt Ihr mich nicht, Hamilkar Barkas, edler Feldherr und großer Führer des karthagischen Volks? Habt Ihr schon alles vergessen, erkennt nichts?" Spöttische Augen, die ihm irgendwie bekannt vorkommen, strahlen ihn furchtlos an.

    Er denkt an eine Schwester seiner Frau, verwirft den Gedanken wieder und versucht vergeblich, sich an andere Frauen zu erinnern.

    „Haben wir uns schon irgendwo gesehen? Sprich, wer bist du, oder geh!" Er wird ungeduldig, will wieder zurück zum Wasser und keine eigenartigen Rätsel lösen, die Frau interessiert ihn kaum noch und er wendet sich schon fast wieder ab.

    „Bleib! Ich bin Abbala, die Priesterin der Tanith. Corduba schickt mich. Wisst Ihr überhaupt noch, wer Corduba ist?" Sie sieht ihn wieder streng an.

    Abbala? Tanith? Ja, die Göttin und ihre schönen Priesterinnen. Sie ist nicht so schön, so reizvoll, wie die Priesterinnen sonst sind. Abbala? Das war doch die uralte Frau, die Geisterseherin. Ich erinnere mich. Sie konnte mir von meiner Frau berichten. Sehr geheimnisvolle Frau. Und Corduba? Hm…. Ist das wichtig? Corduba, der Name kommt mir bekannt vor …. Schluss jetzt!

    „Junge Priesterin, was willst du hier von mir? Du gehörst hier nicht hin, du störst hier alle! Ich weiß nicht, wer Corduba ist, es ist mir auch völlig gleichgültig, ich will …"

    Sie lacht ihn laut aus, er zuckt zusammen. „Oh, wenn das unser wichtiger Oberpriester des Baals wüsste. Er versucht, Euch mit all seinem Wissen zu retten, er ist eigentlich gar kein so schlechter Heilkundiger und Berater. Habt Ihr schon alles vergessen? Haltet Ihr mich nun schon für jung, Hamilkar Barkas?"

    „Oberpriester? Er spricht leise, wird aber klarer. „Ja, natürlich. Er ist bei uns im Lager, versorgt mit seinen Priestern die Verwundeten und spricht die Gebete für die Toten. Das macht er gut. Sehr gut. Dann ist ja alles gut.

    Hamilkar ist zufrieden, er hat ihr Rätsel gelöst und will sich wieder abwenden. Sein vollkommenes Glück befindet sich in entgegengesetzter Richtung.

    „Nichts ist gut. Ihr sterbt viel zu früh. Euch wären noch viele Sommer bestimmt gewesen. Irgendetwas oder irgendjemand hat den Willen der Göttin gestört. Ihr habt nach Hasdrubal, Eurem älteren Bruder, und nach Hannibal, Eurem ältesten Sohn gesandt, auch nach Hiram Malchas, Eurem Stellvertreter und General der Reiterei. Ihr müsst mit ihnen sprechen. Es war Euch sehr dringlich, Eure Botschaft zu vermitteln. Ich bin gesandt worden, um Euch dabei zu helfen."

    Hamilkar denkt nach. „Meine Botschaft?" Ja, ich habe Ihnen noch … etwas zu sagen. Das Reich es muss geführt werden … Es geht um unser Volk, unseren Platz in der Geschichte der Menschen, unseren Weg in die Zukunft … Um meine Familie!

    „Ihr habt Recht, Priesterin. Ich erinnere mich wieder. Er spricht immer noch leise und stockend. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ich ihnen meine Aufträge und Erklärungen übermitteln kann und …

    „Ah, gut. Ihr erinnert Euch. Fast mit der gleichen Entschlossenheit wie früher. Erstaunlich, hier in dieser Umgebung überhaupt noch eine entscheidende Bedeutung zu spüren. Abbala kichert wieder. „Ja, mein Feldherr, Euer Licht leuchtet wieder heller. Ich werde Euch helfen.

    Widerstrebend wendet sich Hamilkar jetzt ganz Abbala zu. „Also, Priesterin, wenn das alles hier einen Sinn haben soll, was müssen wir tun? Was wollt Ihr von mir? Was soll ich tun?"

    „Du wirst einige Stufen hochgehen müssen, mein Feldherr. Je höher Ihr steigt, desto besser. Dann werde ich Euch verlassen und versuchen, die von Euch gewünschten Gesprächspartner hierherzubringen. Es wird eine gefährliche Reise, anstrengend für alle Beteiligten. Doch zunächst gehen wir ein paar Stufen hoch."

    Hamilkar schüttelt den Kopf. „Nein, Priesterin, ich werde nicht zurückgehen. Nicht diese Stufen. Ich werde hier auf Euch warten und mich setzen."

    „Dann, mein großer Feldherr, ist alles vorbei. Ich werde bei meiner Rückkehr nichts mehr für Euch tun können, Ihr werdet Euch nicht mehr an mich, an Eure Familie oder an Euer Volk erinnern können. Es ist Eure Entscheidung, in welche Richtung Ihr geht. Hierbleiben ist keine Lösung. Wenn Ihr mit Hiram Malchas oder Eurem Sohn Hannibal oder Eurem Bruder Hasdrubal sprechen möchtet, werden wir ein paar Stufen hochgehen müssen. So weit es nur geht."

    „Ich spüre meine Frau in der Nähe, meinen Vater, ich atme ihren Duft, ich nähere mich ihrer Welt, es ist nicht mehr weit, ich bin bald angekommen. Ich kann und will nicht mehr lange warten."

    „Das verstehe ich, mein Feldherr. Ich verspreche Euch, es wird auch nicht mehr lange dauern. Nur ein paar Stufen hoch, nicht weit. Dort werdet Ihr sitzen und kurz auf uns warten. Überlegt Euch, was Ihr sagen wollt, wir werden nicht lange bleiben können. Danach werdet Ihr gehen, wohin Ihr wollt, zum Strand, zum Meer und immer weiter. Es ist Eure Entscheidung, nur Ihr könnt den Weg wählen. Was ist Euch wichtig? Welchen Weg wollt Ihr gehen?"

    Hamilkar blinzelt und betrachtet die Stufen hinter Abbala. Nur nicht zum Meer sehen. Meine Sehnsucht wird immer größer. Ich will nur noch …

    Er seufzt, atmet tief durch und sieht dann wieder zu der vor ihm stehenden Priesterin. „Ich vertraue Euch. Es sei, wie Ihr gesagt habt. Führt mich einige Stufen hoch, aber nicht zu weit, drei oder vier Stufen. Dort werde ich auf Euch warten."

    „Sehr tapfer, mein großer Feldherr. Nehmt meine Hände. Sie zieht ihn fast auf die erste Treppenstufe zurück und hakt sich dann bei ihm unter. „Wir gehen gemeinsam die Stufen zurück. Keine Sorge, nicht sehr viele, aber einige Stufen. Haltet Euch an mir fest. Wir schreiten hoch wie ein verliebtes Paar. Sie lacht laut los. Sein Griff wird fester. Er fühlt sich wieder sicherer. Die Berührung tut ihm gut. Sehr gut.

    „Wer hätte das gedacht. Hamilkar Barkas und ich. Ein Paar. Aber ich warne Euch: Denkt nicht mal daran!"

    Jetzt muss auch Hamilkar Barkas laut lachen.

    2. Hannibal

    Was war schlimmer? Die furchtbar drückende, schwüle, kochende, schwächende und zermürbende Hitze im iberischen Binnenland oder seine bleierne, alles überstrahlende und ständig noch zunehmende Müdigkeit, die jedes klare Denken verhinderte?

    Oder die Ungewissheit, die sich ständig wiederholenden Fragen: Was ist passiert? Wie geht es ihm? Wie geht es weiter? Hannibal hatte keine Antwort. Nicht nur wegen der Müdigkeit. Schien bisher alles in seinem Leben wohlgeordnet, festgefügt bis zur Starrheit, aus der er kaum ausbrechen konnte (Oder wollte?), war nun alles infrage gestellt, was ihm bisher so vertraut war und was sein Leben ausmachte:

    Einzelgänger, das war er mal gewesen. Jetzt fühlte er sich einer jungen Frau fest verbunden.

    Sohn des karthagischen Herrschers, das war er wohl mal gewesen. Was war mit seinem Vater geschehen?

    Emotionslos und arrogant, das war er mal gewesen. Jetzt durchlebte er Schmerz, Sehnsucht, Sorge, Verzagtheit und Hoffnung.

    Was war aus ihm geworden? Was würde aus ihm werden? Als sie losritten, waren noch Gespräche möglich gewesen, kurze Gespräche. Kurz, wie die Gespräche mit Hiram Malchas immer verliefen.

    „Hat Neyla noch mehr gewusst über den Zustand meines Vaters?"

    „Nein, man hat ihr nichts Genaues gesagt."

    „Wer hat ihr den Auftrag erteilt, uns zu holen?"

    „Hasdrubal."

    „Und er hat ihr nichts weiter mitgeteilt?"

    „Nein."

    „Werden wir es schaffen, rechtzeitig zu Hamilkar zu kommen?"

    „Das weiß ich nicht, Hannibal."

    Gespräche mit Hiram Malchas waren nie sehr ergiebig. Eines waren

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