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Dr. Friedrich Ebert (1882-1971) Autobiographische Schriften
Dr. Friedrich Ebert (1882-1971) Autobiographische Schriften
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eBook556 Seiten6 Stunden

Dr. Friedrich Ebert (1882-1971) Autobiographische Schriften

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Über dieses E-Book

Seine Kinder-, Schul- und Studienzeit - in Ansbach, Erlangen und München - sowie den Eintritt in das Berufsleben erlebte Friedrich Ebert im deutschen Kaiserreich, berufliche, wissenschaftliche und sportliche Karriere in der Weimarer Republik und im "Dritten Reich", seinen Ruhestand in der Bundesrepublik Deutschland. So mußte er sich in seinem langen Leben mit vier grundverschiedenen politischen Systemen arrangieren und überdies an zwei Weltkriegen teilnehmen. Nach intensiven archäologischen Studien konnte er mit einer für viele Jahre maßgebenden Arbeit zum antiken Tempelbau promovieren, was ihm eine einjährige Studienreise zu allen wichtigen Stätten der klassischen Antike einbrachte. Als Direktor des Hofer Gymnasiums mußte er sich gegen die Repressionen des NS-Systems zur Wehr setzen. In der ihm zur Heimat gewordenen Stadt Hof etablierte er den Eiskunstlauf. In seinem Ruhestand beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte Hofs, für die er wichtige Forschungsergebnisse vorlegen konnte. Die faszinierende Persönlichkeit Friedrich Eberts läßt den Leser in Tagebüchern, Notizen, Lebens- und Reiseberichten unmittelbar an seiner Gedankenwelt teilhaben und ermöglicht Einblicke in die bürgerliche Lebensweise des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum10. Sept. 2021
ISBN9783347382015
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    Buchvorschau

    Dr. Friedrich Ebert (1882-1971) Autobiographische Schriften - Christoph Weißer (Hg.)

    Vorwort

    2021 jährt sich der Todestag Friedrich Eberts, meines Großvaters, zum 50. Mal. Dieses Jubiläum soll Anlaß sein, sich der eindrucksvollen Persönlichkeit zu erinnern, die während ihres langen Lebens nicht weniger als vier ganz unterschiedliche politische Systeme bewußt miterlebte, an zwei Weltkriegen aktiv teilnehmen mußte und überdies versuchte, der NS-Diktatur mit den bescheidenen Mitteln seiner als Gymnasiumsdirektor exponierten Stellung zu trotzen.

    „In drei deutschen Reichen habe ich gelernt. Ob ich mich noch im vierten eingewöhne?", fragte sich Friedrich Ebert 1945 bang, als tiefe Resignation, Verbitterung und Sorge vor einer unsicheren Zukunft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihn bedrückte. Die Furcht war unbegründet: Er konnte den Unterrichtsbetrieb an seiner Schule wieder in Gang bringen, da er als einer von nur wenigen Gymnasialschulleitern Bayerns im Amt blieb, und erlebte viele Jahre eines für die Stadtgeschichte Hofs ungemein fruchtbaren Ruhestands. Für diese Leistungen wurde ihm 1956 das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, und 1962 wurde er anläßlich seines 80. Geburtstages mit der Goldenen Bürgermedaille der Stadt Hof ausgezeichnet.

    Die Texte aus dem Nachlaß von Friedrich Ebert sind im Familienarchiv erhalten und liegen entweder handschriftlich (Tagebücher, Kassenbuch, Lebenslauf 1909, Notizen vom Kriegsende) und/oder als Typoskripte vor. Die Titel der einzelnen autobiographischen Texte sind nicht original, orientieren sich aber an Friedrich Eberts eigenen Vorgaben. Die Jahreszahlen der beiden ausführlicheren „Lebensläufe bezeichnen nicht das Jahr der Abfassung, sondern die Zeit, bis zu der sich die „Selbstbiographien (S. 199) erstrecken.

    Die Wiedergabe der Texte folgt bezüglich Orthographie und Zeichensetzung grundsätzlich den Originalen; insbesondere beispielsweise auch Friedrich Eberts Eigenart, Zahlen stets als Ziffern zu schreiben. Lediglich offensichtliche Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert und Abkürzungen aufgelöst.

    Bei der Beschäftigung mit F. E.s Texten, die natürlich im Kontext der jeweiligen Entstehungszeit und von deren Zeitgeist beeinflußt zu sehen sind, ergibt sich eine ganze Reihe von „Merkwürdigkeiten („merkwürdig von F. E. im ursprünglichen Wortsinn als ‘des Merkens würdig’, ‘denkwürdig’ benutzt, jedoch nicht in der heute ausschließlich verwendeten Bedeutung ‘seltsam’, ‘sonderbar’). Insbesondere die Tagebücher der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts zeigen tiefe Einblicke in das Ebertsche Familienleben, etwa die gemeinsame abendliche Lektüre, die Gartenarbeit oder gemeinsame Spaziergänge, und lassen erkennen, wie damals zu einer weitgespannten Verwandtschaft gute Kontakte gepflegt wurden. In Zeiten, in denen es weder Telefon, Kino, Radio noch Fernsehen gab, hatte der persönliche Umgang mit der Familie und den Mitmenschen noch einen wesentlich größeren Stellenwert als wir es heute gewohnt sind.

    Des weiteren ist man überrascht über die vor mehr als 100 Jahren erstaunlich problemlos nutzbaren Reisemöglichkeiten mit guten Bahn-, Postkutschen- oder Schiffsverbindungen sowie örtlich verfügbaren Transportmitteln wie Fuhrwerken oder Mietpferden (doch muß man sich vor Augen halten, daß beispielsweise auch die Südpolexpeditionen von Roald Amundsen und Robert Scott im Jahr 1911 starteten). Das Tagebuch der archäologischen Studienreise läßt F. E.s Lust am Erkunden und Erforschen der Überreste der antiken Welt mit ihrer Kunst und Architektur, daneben aber auch am Studieren und Vertiefen der Bau- und Kunstformen der Romanik, Gotik und Renaissance erkennen. Gleichzeitig beobachtete er interessiert die aktuellen Lebensformen in den bereisten Ländern und registrierte aufmerksam geologische Auffälligkeiten – allenfalls beeinträchtigt durch ungünstige Witterungsbedingungen oder gesundheitliche Störungen.

    Eindrucksvolle Zeitdokumente sind auch die von F. E. lange Zeit geführten Kassenbücher. Die hier wiedergegebenen Ausschnitte aus den Jahren 1899 und 1910/11 geben Aufschluß über die Reisekosten und insbesondere darüber, daß persönliche Dienstleistungen, Verpflegung und Übernachtungen verhältnismäßig preiswert, Schiffspassagen dagegen keineswegs billig waren.

    Die Anmerkungen, die Aufschluß geben sollen über verwandtschaftliche Verhältnisse zu genannten Personen oder deren Bedeutung, zu Orten, literarischen Werken oder historischen Begebenheiten, stammen vom Herausgeber. Darüber hinaus gaben wertvolle Hinweise F. E.s Tochter Adelheid Weißer, geb. Ebert (1922–2018; namentlich gekennzeichnet mit A. W. bzw. A. E.), zu den Notizen zum Kriegsende, sowie dessen Großneffe Friedrich Kaeppel (F. K.) zum Tagebuch 1899–1901 und zum Lebenslauf 1909, wofür ich ihm herzlich danke.

    Die beigefügten Kartenausschnitte sollen die Lage der von F. E. bereisten Orte verdeutlichen; die eingezeichneten Landesgrenzen sind modern. Die in den Anmerkungen angegebenen Entfernungen beziehen sich auf die Zentren der damals ja viel kleineren Orte und nicht auf moderne Stadtgrenzen; sie sind grundsätzlich als Luftlinie zu verstehen.

    In gleicher Ausstattung ist vom selben Herausgeber erschienen: Familien-Erinnerungen aus vergangenen Jahrhunderten. Dokumente zur Geschichte der Familie Ebert. Lebensberichte, Tagebücher, Nachrufe, Archivalien vom Dreißigjährigen Krieg bis 1914. Nach den Vorarbeiten von Friedrich Ebert bearbeitet und herausgegeben von Christoph Weißer, Hamburg 2021.

    Tagebuch 1898–1901*

    [Ansbach, Juli 1898] Ich habe längere Zeit kein Tagebuch mehr geführt, will aber jetzt wieder damit anfangen und zunächst einige Begebenheiten, die sich in der Zwischenzeit zugetragen haben, aufzeichnen.

    Anfang April, kurz vor Ostern wurde Onkel Friedrich Sixt¹, der bisher in Dieuze² bei den Chevaulegers³ gewesen war, als Rittmeister zum hiesigen Ulanenregiment versetzt. – Vom 5.–12. Mai war Tante Lina Dietlen⁴ bei uns zu Besuch. – Am Pfingstsonntag, dem 30. Mai, ging Papa⁵ mit uns Buben nach Schweinsdorf zu den Großeltern⁶. Wir fuhren bis Oberdachstetten⁷ und gingen dann über Anfelden, Poppenbach, Burghausen und Windelsbach⁸ nach Schweinsdorf⁹, wo wir um 2 Uhr ankamen. Abends fuhren wir wieder nach Ansbach. Es war schön, aber leider recht kurz. – Bei der Schlußfeier am 14. Juli hatte ich ‘Babel’ von Geibel zu deklamieren, Hildegard¹⁰ bei der des Instituts¹¹ ‘Reineke und seine Kinder’. Ich habe die 7. Klasse¹² hinter mir, meine Noten sind in Religion und Geschichte 1, im Lateinischen, Griechischen und Französischen und in der Mathematik 2. Im Turnen erhielt ich 1, im Hebräischen gibt es keine Noten, Herr Pfarrer Zellfelder¹³ versicherte aber, wenn er uns Noten zu geben hätte, so würden wir alle gute bekommen. Unsere Klasse war 35 Mann stark. Wir lasen Livius XXI, einen Teil von Sallusts ‘Katilina’ und Vergil V, VI teilweise; dann ausgewählte Stücke aus Xenophons ‘Hellenika’ und ‘Odyssee’ XII–XVI¹⁴, letzteres nicht ganz. – In der ersten Ferienwoche war Papa mit uns Buben¹⁵ täglich morgens, häufig auch nachmittags in der Schülerbibliothek, wo viel zu ordnen und zu stempeln war. – Donnerstag, den 21. Juli ging Tante Johanna Ebenauer¹⁶, die drei Wochen bei uns gewesen war, um bei Frau Herz zu schneidern, wieder nach Rothenburg und nahm Hildegard mit.

    Sommerferien 1898

    29. Juli. Freitag. Papa reiste mit uns Buben nach Schweinsdorf¹⁷, kurz nach uns kam Hildegard von Rothenburg her.

    30. Sa. Es ist ein trübselig Wetter: den ganzen Tag regnet es.

    31. So. Der Himmel heitert sich auf. Nach dem Essen machten Papa und Tante Adelheid¹⁸ mit uns Kindern einen Spaziergang über Nordenberg und Linden.¹⁹ Kaum waren wir zu Hause angelangt, so kamen Harsdorfs von Windelsbach. Wir wurden wieder zu einer Entenjagd eingeladen. Sie brachten auch die Nachricht vom Tode Bismarcks²⁰, doch wußten sie’s nicht ganz gewiß.

    1. August. Mo. Es ist schön und heiß. Papa machte sich mit uns Buben um 1 Uhr auf, um auf einem Umweg nach Rothenburg zu gehen, während Hildegard später mit den Andern hinfuhr. Wir gingen das Steinbachthal hinab ins Tauberthal, durchwateten, da wir den nahen Übergang nicht sahen, die Tauber und setzten dann unsern Marsch ins Hohbachthal fort. An dem Gut Hohbach vorbei gings in das enge, tief eingeschnittene Thal, wo uns bald der tiefe Schatten großer Buchen aufnahm. Der stellenweise noch etwas weiche Waldweg führte auf halber Höhe der steilen Thalwand hin, rechts unten rieselte das Bächlein in steinigem Bett. Plötzlich endete in der Nähe des Ortes Weiler²¹ das Thal und wir standen nun auf württembergischem Boden. Von hier aus wanderten wir auf den links vom Tauberthal gelegenen Höhen auf Rothenburg zu, wobei wir eine weite Aussicht auf die ganze Frankenhöhe von der „hohen Leite²² bis nach Schillingsfürst²³ genossen. Rothenburg gegenüber überschritten wir die nach Lichtel²⁴ führende Straße²⁵ und stiegen dann vom Dürrenhof nach Vorbach hinunter. Nachdem wir in der Wirtschaft ¼ Stunde vergeblich auf Bewirtung gewartet hatten, gingen wir über die Engelsburg²⁶ und den Felsenkeller²⁷ nach Rothenburg, wo wir um 6 Uhr eintrafen. Bei Ebenauers²⁸ trafen wir nach Verabredung Hildegard und gingen dann in den „Ochsen. Hier waren auch meine Mitschüler Puchta²⁹ und Henninger. Um 9 Uhr fuhren wir nach Schweinsdorf.

    2. Di. Papa und Tante Adelheid gingen mit uns Kindern auf den Endseerberg³⁰, um für Tante Mina³¹ Goldwurz zu graben. Wir entdeckten den uns bisher unbekannten Platz, wo die Burg der Herren von Endsee stand, es ist aber nur noch ein gemauerter eckiger Schacht übrig. Für einen Brunnen ist er mir zu weit, Vielleicht war’s ein Verließ.

    3. Mi. Wir waren wieder auf dem Endseerberg und gruben außer Goldwurz auch Mai- und Leberblümchen.

    4. Do. Wir Kinder gingen auf die Entenjagd am Karrachweiher³². Es wurde nichts geschossen, nach der Jagd aber brachten wir noch den ganzen Nachmittag im „Saatgarten" zu, und waren sehr vergnügt, denn es war eine große Gesellschaft zusammengekommen.

    5. Fr. Es besuchten uns Puchtas aus Ohrenbach und Fabris aus Rothenburg.³³

    6. Sa. Papa und Tante Adelheid gingen mit uns Kindern über Obernordenberg auf die „hohe Leite".

    7. So. Wir Buben gingen nach Windelsbach zu Harsdorfs³⁴. Es waren auch Frobenius’³⁵ aus Geslau³⁶ und ein Ansbacher Gymnasiast da.

    8. Mo. Es war die ganze Woche sehr schönes, heißes Wetter. Die Bauern haben Korn und Gerste gut hereingebracht, der Weizen und Hafer ist aber noch nicht reif, so daß die Leute das gute Wetter zum „grummeten" verwenden, obwohl es dazu eigentlich noch etwas zu bald ist. – Als wir heute in Rothenburg waren, brach ein großes Gewitter los und der Regen dauerte fort, so daß wir abends von oben und unten benäßt von der Bahn durch die Dunkelheit heimtappen mußten. Frau Forstmeister v. Harsdorf, die mit 2 Söhnen und ihrem Neffen Falke auch in Rothenburg gewesen war, wird hübsch naß geworden sein.

    9. Di. Auch heute regnete es noch den ganzen Tag.

    10. Mi. Heute ist der Geburtstag der Großmutter. Wir haben wieder schönes Wetter und große Hitze. Wir reisten wieder nach Ansbach. Nach unserer Ankunft gingen wir Buben³⁷ gleich ins Bad und dann in den Garten zum Gießen. Der Boden ist sehr ausgetrocknet und hat solche Risse, daß man die Finger ganz hineinstecken kann.

    11. Do. So sind nun die schönen Tage von Schweinsdorf vorbei und wir sind wieder daheim. Während wir dort nicht gearbeitet haben, sind wir hier von 8–12 Uhr im Studierzimmer beschäftigt. Nachmittags um 3 Uhr gehen wir ins Bad, um 5 Uhr in den Garten. – Ich begann eine Windmühle zu machen.

    13. Sa. Ich vollendete die Windmühle und befestigte sie an einer Stange vorn an der Holzlege.

    19. Fr. Ich war heute beim Zahnarzt, um mir einen Zahn plombieren zu lassen; der zog mir auch meinen letzten Milchzahn, einen Backzahn, aus, der von andern eingeklemmt nicht ausgefallen war

    20. Sa. Es zog ein Gewitter auf, aber es spritzte nur ein wenig, so daß nicht einmal das Gartengießen erspart war. Es ist sehr heiß, wir beobachten 25 °R³⁸ im Schatten.

    21. So. Es wurde das Kriegerdenkmal eingeweiht.

    28. So. Weil heute bedeckter Himmel ist, so machten wir Buben uns die damit verbundene kühlere Temperatur zu Nutz und führten den schon länger beabsichtigten Ausflug nach Virnsberg³⁹ aus. Wir fuhren bis Lehrberg⁴⁰ mit der Bahn, marschierten dann das Rezatthal aufwärts; kurz vor der Station Rosenbach verließen wir es bei einer Mühle und kamen kurz darauf nach Flachslanden⁴¹. Die Häuser dort sind etwas besser als sonst in der Gegend und die Kirchhofmauer hat Schießscharten. Den ¾stündigen Weg von dort nach Virnsberg regnete es. Als wir bei einem großen Kruzifix die Straße von Rothenburg nach Nürnberg⁴² überschritten, zeigte sich vor uns plötzlich ein tiefes Thal und auf einem frei aus seiner Sohle sich erhebenden Hügel das große Schloß von Virnsberg. Während wir dasselbe von allen Seiten besichtigten, hörte der Regen auf und als wir uns um ¾ 5 auf den Heimweg machten, wehte nur noch ein starker Wind, der uns bei unserer schnellen Gangart recht angenehm war. Von Flachslanden nahmen wir den Rückweg über Bohrsbach, Birkenfels⁴³ (muß früher ein Schloß gewesen sein), Brünst und Röshof und kamen um ¼ 9 mit Gebetläuten heim.⁴⁴

    Abb. 1: Gumbertusquelle 1896. Auf dem Dach stehend: Friedrich Ebert, Mitte rechts Heinrich Port, unten Gustav Ebert.

    4. September. So. In der Nacht von gestern auf heut starb Onkel Albrecht v. Baumer⁴⁵ an den Folgen eines Schlaganfalles, der ihn vor vier Wochen betroffen hatte. Onkel Liederskron⁴⁶ geht zur Beerdigung.

    8. Sept. Do. Das Studierzimmer wurde gestöbert⁴⁷.

    9. Fr. Papa ging mit Hildegard und uns Buben an die Gumbertusquelle⁴⁸, die H[ildegard] noch nicht kannte. Hinwärts gingen wir durch den Bocksberg, herwärts durchs Thal.

    10. Sa. Heute starb Großtante Mathilde v. Baumer⁴⁹ zu Berlin, deren Gatte, Großonkel Woldemar⁵⁰ hier begraben liegt.

    11. So. Es herrscht jetzt untertags sommerliche Hitze, während die Nächte herbstlich kühl sind und am Morgen leichter Nebel liegt. – Papa machte mit uns Buben einen Spaziergang in den Wald, wobei wir einige Ameisenlöwen beobachteten. – Ein Gewitter, welches wir mit großer Freude aufsteigen sahen, zog seitwärts. Während der Anfang des Sommers sehr naß war, will’s jetzt um keinen Preis regnen.

    14. Do. Heute besuchten uns die Großeltern aus Schweinsdorf⁵¹ und Tante Adelheid⁵². Großvater war das letzte Mal 1893 bei der Generalsynode hier; Großmutter 1888 nach der Hochzeit der Tante Ottilie⁵³. Ich weiß noch, wie sie im Dekanat die andern Großeltern⁵⁴ besuchten und ich mich wunderte, daß sie einander kannten. In unserm eigenen Haus waren sie noch nicht gewesen⁵⁵ und wurden überall herumgeführt. Nachmittags kamen auch Onkel und Tante Liederskron zum Kaffee. Schon um ¼ 5 Uhr reisten sie wieder ab. Es war schön, aber so kurz, daß es mir fast vorkommt wie ein Traum.

    18. So. Die Eltern machten mit uns größeren Kindern einen Spaziergang in den Wald und wir kamen wieder bei den Ameisenlöwen vorbei, von denen ich mir einen mitnahm.

    19. Mo. Gustav und ich holten noch zwei Ameisenlöwen, einen ganz kleinen und einen sehr großen. Ich habe sie in einem Kasten vor unserm Fenster und füttere sie mit Ameisen, die ich im Garten von einer ihrer Straßen wegfange.

    Das neue Schuljahr

    20. Di. Heute begann der Unterricht wieder. Ich meldete mich für’s Hebräische. Weiter habe ich kein Nebenfach.

    21. Mi. Der französische Lehrer, Herr Dr. Klein⁵⁶, erklärte, er vermisse mich unter der Zahl derer, die englisch lernen wollen, und sagte, da ich nicht Theologie studieren wolle, so habe das Englische für mich mehr Wert als das Hebräische. – Am liebsten würde ich Philologe, vielleicht bin ich aber dazu nicht gescheit genug und würde dann Theologie studieren. Gebe ich das Hebräische auf, so ist dies Studium mit ziemlicher Schwierigkeit verbunden, während mir als Philologe das Hebräische so viel wie nichts nützt. Am besten wäre es vielleicht, ich würfe meine ganze Kraft auf die alten Sprachen und nähme gar kein Wahlfach, aber ich habe mich bereits zu einem gemeldet und will’s nicht wieder absagen, auch wird mich ein Nebenfach nicht „umbringen". Wenn ich fleißig bin, wird’s schon zum Philologen langen und da mich [!] dann das Englische mehr nützt, will ich lieber dieses statt des Hebräischen nehmen.

    22. Do. Ich war heute beim Herrn Rektor Dombart⁵⁷, um ihn zu bitten, mich statt in den hebräischen in den englischen Unterricht aufzunehmen. Er sagte, das gehe ganz gut und fragte, was ich denn werden wolle. Ich sagte ich wolle Philologie studieren, da klopfte er mir auf die Schulter und sagte: „Das ist ja recht, also ein künftiger Herr Kollege".

    23. Fr. Wir ernteten heute einen großen Kürbis von 50 Pfund und einen kleinen von 30.

    24. Sa. Wir hatten heute die erste englische Stunde. Mir that der Mund weh, von den fremden Lauten; beim Französischen war mir’s auch so gegangen.

    25. So. Wir holten in der Strüther Schlucht⁵⁸ Hiefen, aus denen Rosen gezogen werden sollen. – Ich lernte die ersten zwei Kapitel von Ciceros erster katilinarischer Rede. – Seit dem Ende Juli habe ich heute zum erstenmal eine Weste an.

    26. Mo. Heute früh lag Reif. – In den letzten Tagen der Ferien habe ich viel „Stern geguckt", jetzt verhindern mich die Schularbeiten und der zunehmende Mond daran. Vor etwa 14 Tagen war ein Nordlicht sichtbar, ich sah’s aber nicht. Vorher, um 9 Uhr, und nachher um 10 Uhr betrachtete ich den Himmel und zwischen drin war’s.

    27. Di. Wir lasen heute, als erstes von Horaz, Epode I. Nach der Einleitung unserer Ausgabe hatte ich mehr erwartet.

    28. Mi. Im Englischen wurde heute mit dem Übersetzen einfacher Sätze begonnen. Das war ganz nett.

    29. Do. Heute wurde mit der ‘Ilias’ begonnen. Das Prooimion habe ich schon in den Ferien gelernt.

    30. Fr. In der Klasse war geheizt.

    1. Oktober. Sa. Fräulein Maria Keerl⁵⁹ kam zu uns auf Besuch. – Die Eltern gingen abends mit ihr in die Feier zum 25jährigen Bestehen des Kindergottesdienstes. Mama war unter den ersten Lehrerinnen.

    2. So. Erntefest. Man hat recht Grund, Gott zu danken, denn er hat nach dem vielen Regen im ersten Teil des Sommers, der das schlimmste für die Ernte erwarten ließ, zu dieser die Sonne scheinen lassen, so daß die Scheunen bis oben gefüllt wurden mit dem reichen Segen. – Nachmittags waren Helmreichs⁶⁰ zu Besuch.

    3. Mo. Wir bekamen einen Aufsatz: Der Krieg ein Feind, aber auch ein Freund der Künste. Ich sammelte den Stoff dazu.

    4. Di. Ich begann mit dem Aufsetzen des Aufsatzes. Es fehlt mir am Ausdruck, besonders an Synonymen. Wahrscheinlich habe ich in den Ferien zu wenig gelesen. – In unsre Klasse trat ein neuer Schüler ein: Bub aus Augsburg.

    Mi. 5. Ich vollendete den Aufsatz.

    Do. 6. Heute war im „Zirkel"⁶¹ Generalversammlung des Vereins für Arbeiterkolonien. Bei dieser Gelegenheit sprach Papa mit Onkel Herding⁶² aus Schweinfurt über Stipendien, [die] dieser mit zu verwalten hat, und erhielt von ihm den Rat, uns Kinder sofort ins Familienbuch eintragen zu lassen.⁶³

    Fr. 7. Wir räumen jetzt die Bohnen ab und graben den Sauerklee aus. Die Wurzeln sind nicht so groß und die Knospen nicht so zahlreich wie voriges Jahr.

    Sa. 8. In der englischen Stunde wird mir von den verschiedenen Lauten und ihre Bezeichnung durch 1 oder zwei Punkte über oder unter einem Vokal, durch Striche und Ringlein ganz dumm.

    So. 9. Wir gingen mit Fräulein Marie an den Schillingsbrunnen. Mama mußte des Otto wegen zu Hause bleiben. – Ich machte die Abschriften unserer Geburtsurkunden. Sie sollen nach Schweinfurt geschickt werden.

    Mo. 10. Fräulein Marie reiste wieder heim.

    Di. 11. Der Horaz macht mir jetzt großes Vergnügen, besonders Ode I 20 und I 37 haben mir gefallen. Auf heute lernten wir Ode I 1. Sie scheinen mir Ähnlichkeit mit den Gedichten Lessings zu haben.

    Mi. 12. Jetzt macht mich das Englische nimmer dumm, wir müssen immer viele Wörter lernen.

    Fr. 14. Gestern nachmittag fehlte Auer⁶⁴ wegen Krankheit in seiner Familie. Heute erfuhr ich, daß sein Vater im Sterben liege. – Nachdem wir die letzten Tage bedeckten Himmel hatten, klärte er sich gegen Abend auf; die Sterne schienen herrlich: ich fand den Schützen, den Walfisch und die Fische.

    Sa. 15. Heute früh erhielten wir die Nachricht, daß Großtante Baist⁶⁵, die Schwester der Großmutter, nach langem Leiden verschieden sei. – Wir begannen, den Garten für den Winter umzubrechen.

    So. 16. Papa holte Tante Adelheid⁶⁶, die früh nach Westheim fahren wollte, auf der Bahn ab, damit sie mit ihm und Onkel Liederskron⁶⁷ hinfahre und zwar mittags, da für diese Zeit ein Wagen an die Station bestellt war. Papa und der Onkel kamen abends wieder heim, Tante Adelheid aber bleibt noch ein paar Tage in Westheim. Papa erzählte (von der Beerdigung der Großtante), daß Großonkel⁶⁸ selbst die Beerdigung gehalten habe. Er erfuhr auch, daß der Onkel Helmreich⁶⁹ in Bürglein⁷⁰ schwer erkrankt sei und nicht mehr lang leben werde. Die armen Vettern wissen noch gar nichts davon, weil Theodor⁷¹ im Examen steht.

    Di. 18. Was wir von Horaz lesen, möcht’ ich am liebsten alles auswendig lernen.

    19. Mi. Heute abend kam Tante Adelheid von Westheim zu uns. Mama sah auch Auer ankommen.

    20. Auer war wieder in der Klasse. Sein Vater starb am Samstag an Wassersucht. Der arme Wilhelm sieht recht schlecht aus.

    21. Fr. Wir fingen an die gelben Rüben auszugraben. Es sind recht stattliche darunter.

    22. Sa. Wir übersetzten heute die erst katilinische Rede zu Ende.

    23. So. Ich bekam einen neuen Anzug. – Wir lesen abends den ‘Heinrich von Plauen’ von Wichert.⁷² Die drei letzten Sonntage kamen wir nicht dazu.

    24. Mo. Wir bekamen heute einen Aufsatz: In welcher Weise greifen die Gottheiten Il(ias) I.1–222 in den Gang der Handlung ein?

    25. Di. Wir hatten griechisch-deutsche Probearbeit. Vor 5 Wochen begann das Schuljahr.

    27. Do. Wir bekamen die griechische Arbeit heraus. Ich habe 2. Eine bessere Note gibt’s nicht.

    28. Fr. Heute war Mathematikarbeit.

    29. Sa. Heute wurde die Repetition der Katilinaria beendet. Jetzt wird wohl eine lateinische Probearbeit nahe sein. – Ich sah heute die ‘Maria Stuart’. – Heute übersetzten wir ein deutsch-englisches Stück. Bisher waren uns die meisten Wörter derselben unbekannt, weil sie im Anschluß an ein Lesebuch geschrieben sind, das wir nicht haben. – Der First des Neubaues des Zimmermeister Körber wurde aufgerichtet.⁷³

    30. So. Otto hatte in dieser Woche die Steinblattern⁷⁴, jetzt hat sie Gerlinde⁷⁵.

    31. Mo. In der Mathematikarbeit habe ich 2–3. Wir hatten lateinische Probearbeit. – Ich setzte den Aufsatz auf. – Wir lernen das ‘Eleusinische Fest’⁷⁶.

    1. November Di. Namenstag des Prinzregenten⁷⁷.

    3. Do. In der lateinischen Probearbeit habe ich 2–3. – Heute wurde der Aufsatz abgeliefert.

    4. Fr. Montag vor acht Tagen habe ich mir aus der Bibliothek ‘Paränesen für studierende Jünglinge’⁷⁸ geholt. Heute kam ich zum erstenmal dazu, etwas darin zu lesen. Es ist eine Sammlung von Aufsätzen. Ich begann „über klassische Bildung" von Thiersch. – Um 11 Uhr sah ich in dem eben aufgehenden Krebs den Mars. Den kennt man gleich an seinem roten Glanze. Auch der Orion kommt jetzt wieder herauf.

    5. Sa. Im Lateinischen haben wir bisher nur repetiert. Heute gingen wir zu unserm Pensum über: es werden uns Redensarten diktiert, von denen wir jeden Tag zehn lernen sollen, außerdem Regeln aus dem stilistischen Anfang unseres Übungsbuches gelernt. – Wir sollen uns jetzt überlegen, worüber wir einen Vortrag halten wollen. Voriges Jahr war unser Thema: Soziales und politisches Verhalten der ersten Christen nach H[einrich] v. Sybel.

    6. So. Ich schrieb einen Brief an Heinrich Port⁷⁹. Wir beendeten den 1. Band des ‘Heinrich von Plauen’ – Die beiden Kleinen haben Mumps.

    7. Mo. Wir vollendeten das ‘eleusinische Fest’ und lasen einen Aufsatz über Hirten, Jäger, Ackerbauer. Das gibt vielleicht den Stoff zu einer deutschen Probearbeit. Zu Hause sollen wir die ‘Maria Stuart’ lesen, ich habe sie schon zweimal gelesen.

    8. Di. Die Oden, welche dem Mäzenas gewidmet sind, haben wir gelesen und beginnen nun eine neue Gruppe. – Ottos⁸⁰ Beinchen ist um den Knöchel herum geschwollen, so daß er nicht auftreten kann. Er liegt ganz krank auf dem Sofa und hat immer Angst, man möchte an sein Bein kommen.

    9. Mi. Wir hatten ein französisches Extemporale über die in der Grammatik gelernten Mustersätze. – Im Englischen kamen wir zur Konjugation von ask. – Weil Otto immer empfindlicher wurde, rief man den Doktor. Er sagt, die Geschwulst komme wahrscheinlich von einer äußeren Verletzung. Die verordneten Umschläge mit verdünntem Bleiessig erleichterten Otto sofort, daß er abends ganz munter war. Gegen meinen dicken Hals wurde mir Jodsalbe verschrieben, mit der ich ihn abends einreiben muß. Wenn ich ihn behalte, werde ich militärfrei, das will ich aber nicht.

    10. Do. Es war deutsche Probearbeit. Wir hatten Str. 7 des ‘eleusinischen Festes’ (Daß der Mensch zum Menschen werde Stift er …) nach Inhalt und Form zu erklären. Da nur zwei Stunden Zeit gegeben war, bin ich nicht ganz fertig geworden.

    11. Fr. Wir hatten ganz unerwartet französische Probearbeit. – Ich wurde heute mit der ‘Maria Stuart’ fertig. Sie gefällt mir sehr gut, besser wie früher. Ich bin eben inzwischen mit dem Bau eines Dramas bekannt gemacht und auch etwas verständiger geworden.

    12. Sa. Ich ordnete heut mit einem Mitschüler die Bibliothek unserer Klasse nach dem Alphabet der Verfasser. – Otto ist jetzt so weit gesund, daß man ihn im Lehnstuhl an den Tisch setzen kann.

    13. So. Ich las heut den ‘Iphikrates’ des Cornelius Nepos. – Wir gingen heute zum erstenmal den Weg zwischen Kurzendorf⁸¹ und Bernhardswinden⁸² und sahen da allerhand Neues. – Ich schrieb eine Karte nach Schweinsdorf. – Wir wurden gestern mit den Arbeiten im Garten fertig, wir Buben erhielten je 1 Mark, Hildegard 50 Pfennig Gartenbelohnung.

    14. Mo. Wir begannen heute den 2. Gesang der ‘Ilias’, ebenso Stereometrie⁸³. In der Mathematik hatten wir bis jetzt die Reihen und Zinseszinsberechnung. – In der deutschen Probearbeit habe ich 2; wir bekamen einen Aufsatz: Welche Sinnesart zeigt Graf von Shrewsbury in Schillers ‘Maria Stuart’. – Wir holten aus dem Wald zwei kleine Birken, wenn eine durchkommt, wird sie ans Hofthürchen gepflanzt. – Von dem Sternschnuppenfall in dieser Nacht war wegen der dicken Wolken nichts zu sehen.

    15. Di. Otto kann jetzt wieder laufen.

    16. Mi. Wir erhielten die französische Probearbeit zurück, die Noten wurden aber noch nicht bekannt gegeben. – Ich dachte daran, einen Vortrag über Hutten zu halten, aber die Quelle, aus der ich schöpfen wollte, behandelt fast nur seine Werke, während es mir hauptsächlich um die Schilderung der damaligen Zustände zu thun wäre. Nun will ich einen Stoff aus der deutschen Heldensage wählen. – Heut ist seit lang wieder einmal schönes Wetter. Am östlichen Himmel kommen jetzt Sternbilder herauf, die ich noch nicht kenne.

    17. Do. Heute war griechische Probearbeit. Ich habe fast nichts darauf gethan. – Als Vortrag wurde mir Dietrich von Bern bestimmt, das ist keine schwere Arbeit.

    18. Fr. Auer fragte mich heute, ob ich einem Schüler der 4. Klasse wöchentlich eine deutsche und eine lateinische Stunde geben wolle. Ich dachte schon daran, heuer Stunden zu geben. Wöchentlich zwei ist mir aber etwas zu viel, da auch eine deutsche dabei ist. – In der französischen Probearbeit habe ich 2.

    19. Sa. Ich nahm die Stunden doch, weil ich selbst Nutzen daraus zu ziehen hoffe. – Wir wurden mit der deutschen Geschichte im Mittelalter fertig.

    20. So. Heute ging Mama wieder einmal mit spazieren. Wir trafen auch mit Hüttners zusammen und gingen miteinander.

    21. Mo. Aus den Stunden wird nichts, da mein Schüler sich vor mir fürchtet. Von Auer hätte er sie genommen, weil er ihn kennt; der gibt aber schon einem anderen. So ist mir’s auch ganz recht, dann habe ich mehr Zeit zum Schlittschuhfahren, auf das ich mich gewaltig freue. – Wir vollendeten die 2. katilinische Rede und begannen mit der Geschichte Frankreichs, wo wir zunächst das bereits Gelernte repetieren. Wir lernen jetzt ‘Pompeji und Herculaneum’⁸⁴. – In der griechischen Probearbeit habe ich 3. Das kommt davon!

    22. Di. Wir lasen jetzt Liebeslieder im Horaz. Die Ode, worin der größte Wolf der Welt vor dem Dichter flieht, haben wir gelernt. – Ich machte die Disposition zum Shrewsbury.

    23. Mi. Die französische Lektürestunde wird bis Weihnachten auf Grammatik verwendet.

    24. Do. Ich mußte heute einige Modelle zu Papa in die Klasse tragen. Das ist vielleicht das letzte Mal, daß ich bei ihm in der Klasse war. Wäre nicht Herr Professor Bauer gestorben, so hätte ich heuer in einigen Fächern Papa als Lehrer.

    25. Fr. Meinen Vortrag habe ich am 22. Dezember zu halten, einen Tag vor Beginn der Weihnachtsferien. Da die Probearbeiten 14 Tage vor Schluß gemacht sein müssen, so habe ich viel Zeit zum Ausarbeiten und Lernen. – Ich setzte meinen Aufsatz auf.

    26. Sa. Da heute Nacht Onkel Helmreich⁸⁵ gestorben ist, so kam Tante Ida Landgraf⁸⁶ zu uns um Besorgungen zu machen.

    27. So. Advent.

    28. Mo. Es war lateinische Probearbeit. Papa war zur Beerdigung in Bürglein.

    30. Mi. Im Englischen begannen wir mit den unregelmäßigen Zeitwörtern und haben gleich eine tüchtige Portion auf.

    1. Dezember Do. Der Unterricht beginnt jetzt erst um ¼ 9 Uhr. – Wir bekamen wieder einen Aufsatz, in diesem Kalenderjahr den letzten: Gedankengang von Schillers Elegie ‘Pompeji und Herculaneum’. – Es war eine lateinisch-deutsche Probearbeit.

    2. Fr. Es war französische Probearbeit.

    3. Sa. In der deutsch-lateinischen Probearbeit habe ich 2–3. – Ich setzte den Aufsatz auf. Er ist recht einfach.

    5. Mo. In der lateinisch-deutschen Probearbeit habe ich 2.

    6. Di. Es war Mathematikarbeit, morgen ist die Fortsetzung.

    7. Mi. In der franz. Probearbeit erhielt ich 3–2.

    9. Fr. Wir erhielten heute die Nachricht, daß Großmutter⁸⁷ sehr krank ist. Ihr rechtes Bein ist stark geschwollen und der Arzt weiß nicht, was er daraus machen soll.

    10. Sa. In Mathematik 2–3. – Sixts⁸⁸ waren zum Abendessen bei uns.

    11. So. Papa reiste nach Schweinsdorf, um sich nach der Großmutter umzusehen. Gustav und ich besuchten Sixts. Ich rauchte dort zum erstenmal. – Ich schrieb in dieser Woche den Ebenauerschen Stammbaum ab. Er reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts.

    12. Mo. Es wurde uns heute gesagt, daß wir vor Weihnachten keine Geschichtsarbeit haben.

    13. Di. Wir lesen jetzt im Horaz Frühlingslieder.

    14. Mi. Heute früh fuhr Mama nach Schweinsdorf. Als ich um 11 Uhr aus der Klasse kam, war Papa mit den Zurüstungen zur Abreise beschäftigt. Er war telegraphisch gerufen worden, um Großmutter zu sehen. Abends kamen die Eltern wieder. Großmutter hat marantische Thrombose⁸⁹, wobei geronnenes Blut die Venen verstopft. Infolge dessen sind die Beine bis zu den Hüften furchtbar geschwollen. Da etwas Gerinnsel in die Lungen geschwemmt worden war, bekam Großmutter einen Blutsturz und deshalb wurde Papa gerufen, doch ist die Gefahr nicht so groß, als es anfangs schien.

    15. Do. In den letzten Tagen setzte ich meinen Vortrag auf. Der Stoff ist schön, aber auch groß, so daß ich manches weglassen und das andere sehr kürzen muß.

    16. Fr. Ich schrieb den Vortrag rein.

    17. Sa. Heute sah ich im Theater ‘Minna von Barnhelm’, die ich in den Ferien gelesen habe. Es war sehr nett.

    19. Mo. Ich begann, meinen Vortrag zu lernen.

    21. Mi. Heute war ein französisches Extemporale. Im Englischen sind wir mit den unregelmäßigen Zeitwörtern fertig.

    22. Do. Ich hielt meinen Vortrag, er wurde mit 2–1 zensiert. Ich sägte ein Postamentchen für Gerlinde.

    23. Fr. Um 10 Uhr begannen die Ferien. Die Durchschnittsnote meines Zeugnisses ist etwas besser als 2. Ich las ‘Der Parasit’ und ‘Der Neffe als Onkel’ von Schiller.

    24. Sa. Ich las Schillers ‘Phädra’. – Ich erhielt einen eisernen Waschtisch, ein Paar Schlittschuhe, einen Daheimkalender⁹⁰ und von Schweinsdorf einen Kerbschnittkasten⁹¹.

    Abb. 2: Kerbschnitzmesser aus dem Besitz von Friedrich Ebert

    25. So. 1. Weihnachtsfeiertag. – Ich begann Herders ‘Cid’. – Wir vollendeten den 2. Band des ‘Heinrich von Plauen’.

    26. Mo. 2. Feiertag. Papa reiste nach Schweinsdorf und wird mehrere Tage dort bleiben. Alle andern waren bei Sixts eingeladen, wo es sehr nett war.

    27. Di. Wir fuhren heuer zum erstenmal Schlittschuh. Meine neuen sitzen sehr gut.

    28. Mi. Wir gingen wieder aufs Eis, es fing aber bald an zu regnen. Wir sind froh, daß wir noch nicht abonniert haben.

    29. Do. Papa kam wieder zurück. Er berichtet, daß die eigentliche Krankheit besser, das Allgemeinbefinden aber der schlechten Nächte wegen eher schlechter ist. Ich las den ‘Cid’ zu Ende und schrieb an Heinrich.

    30. Fr. Ich begann den ‘Macbeth’ in Schillers Bearbeitung.

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