Beethoven: Die Seyfried Papiere
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Ignaz von Seyfried
Der Autor Ignaz Ritter von Seyfried, als Haus- und Tischgenosse unmittelbarster Miterleber von Beethovens schöpferischster Periode und bis zu dessen Tod mit diesem freundschaftlich verbunden, erfuhr seinen Klavierunterricht nach Philosophie- und Jurastudien bei Wolfgang Amadeus Mozart und Leopold Antonin Kozeluch, während ihn der berühmte Theoretiker und Lehrer auch Beethovens, Hoforganist und Kapellmeister am Stephansdom, Johann Georg Albrechtsberger, in der Kompositionslehre unterwies. 1797 verpflichtete ihn Emanuel Schikaneder als Kapellmeister an sein Freihaus-Theater auf der Wieden, das 1801 im neuerbauten Theater an der Wien aufging, letzterem er dann bis etwa 1825/28 angehörte. 1805/06 dirigierte er die Uraufführungen von Beethovens Fidelio (Leonore), ebenso die Symphonien und Konzerte sowie das Oratorium Christus am Ölberge. Aus seiner Feder schließlich auch die Choralmusik zu Beethovens Leichenbegängnis. Als Komponist mit 1700 Aufführungen in weitem Abstand vor Mozart mit lediglich 400 Aufführungen, wird seine bleibende kompositorische Leistung vor allem in seinen Kirchenkompositionen gesehen. Daneben rege Tätigkeit als - meist anonymer - Musikschriftsteller und mit 92 Schülern aus ganz Europa gefragter Musiklehrer. Bei seinem Ableben 1841 schließlich reihte das »Österreichische Morgenblatt« ihn ein »in die Gesellschaft der unsterblichen Tonkünstler Beethoven und Franz Schubert ... 'Er ist in ihrem Bunde der Dritte' ...«.
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Buchvorschau
Beethoven - Ignaz von Seyfried
Inhalt
Einem farblosen Diamanten zum Geleit
Manuskripte & Transkriptionen
Biographische Notitzen
Characterzüge & Anecdoten
Exposé
Das Manuskript der »Biographischen Notitzen«
Das Manuskript der ineinander übergehenden »Charakterzüge & Anecdoten«
Index
»Die hier zusammengebrachten … Notizen …
gewähren von Beethoven …
ein so deutliches und lebendiges Bild,
wie wir es von keinem andern
unserer großen Komponisten besitzen«
Alexander Wheelock Thayer
Ludwig van Beethovens Leben
2. Aufl., 1910, SS. 569 f.
Josef Kriehuber (1801 Wien 1871), Ignaz Ritter von Seyfried. Lithographie. 1829.
Einem farblosen Diamanten zum Geleit
Am Anfang war die Tat! So Faust bei Goethe, nachdem er bei Wort gestockt hatte. Welch letzteres, will es berichtend, rückblickend, gebraucht werden, in der Natur d e r Sache liegt. Ganz so, wie bei Ignaz von Seyfried als dem Verfasser der formal zwar nur zweiten ausführlicheren Beethoven-Mitteilungen, ihrem inneren Rhytmus nach gleichwohl ersten. Weil unangefochten diktiert vom Pulsschlag des einst Miterlebenden, Mitwirkenden. Denen ein Am Anfang stand die Tatsache vorangeht: des Kapellmeisters – Uraufführungen Fidelio/Leonore inclusive – und Komponisten Seyfried Miteinander mit Beethoven — »Wir herbergten unter einem und demselben Dache, waren tägliche Tischgenossen« — in beider frühen Jahre, als letzterer »in den ersten Jahren seines großen Ruhmes und in der wunderbarsten Zeit seines Schaffens stand« (Thayer ¹)).
Jener Aufgalopp, von dem Seyfried somit als Miterleber, nicht Nacherzähler berichtet, »wie wir es von keinem andern unserer großen Komponisten besitzen«, wie Thayer zusammenfaßt. Empfunden als ein Geschenk für alle Späteren, geschuldet der 1831er Pest mit ihren finanziellen Einbußen durch Abreise zahlreicher Schüler. Mit dem hier wichtigen Ergebnis: »Also machte ich mich daran, den Anfang zu Beethoven’s Studien²) auszuarbeiten, »nehmlich die biogr. Notitzen«, wie dann als Anhang plaziert und 1832 auf der Ostermesse vorgestellt.
So Seyfried in seiner Autobiographie, zitiert nach Bettina von Seyfried (1983/90), für die Ignaz zwar »nicht … der einzige war, der von diesen Dingen wußte, sondern der einzige war, der diese aufschrieb, um sie der Nachwelt mitzuteilen«. Und das, gar nicht hoch genug einschätzbar, eben seitens des beispiellos Einzigen unter den Miterlebern. Und damit außer Konkurrenz zur 1827er kleinen und, so Cooper 1996,³) als fehlerhaft einzustufenden Biographie Schlosser’s als eines fernab Außenstehenden und den sich per Plagiat-Titel anschließenden Biographischen Notizen von Wegeler-Ries (1838), ersterer für die Wiener Zeit ohnehin ausscheidet, indes Ries, erst 1801 nach Wien kommend und dann bis 1805 Schüler Beethoven’s, für so wesentliche Begebenheiten wie das pianistische Kräftemessen mit Wölfl und das Leonore/Fidelio-Desaster noch nicht bzw. nicht mehr Ohren- + Augenzeuge sein konnte. Beiseite lassen müssend ohnehin Schindler (1840) als in jener Frühzeit noch ein Kind und seitens Beethoven’s anfangs, also frühestens 1814, überdies nur widerwillig akzeptiert und als Kontaktzeuge nur für die letzten acht Jahre stehend.
Und im Gegensatz zu Seyfried’s wissenschaftlich verunglückten Studien im Generalbasse, deren rein formalen Anhang die Biogaphischen Notitzen bilden, steht deren Verläßlichkeit seit jeher außer Frage. Und welchen Ranges deren Autor sich zu seiner Zeit erfreute, belegen die 1700 Aufführungen seiner Eigen-Kompositionen, womit er »bei weitem an der Spitze (stand), gefolgt von Wolfgang Amadeus Mozart mit 400«. Seine bleibende kompositorische Leistung indes sah Schletterer vor 100 Jahren in seinen Kirchen-Kompositionen, um mit den Worten zu enden: »Er war ein ebenso großer Künstler als liebenswürdiger Mensch. Sein Porträt, von Kriehuber lithographiert, erschien (1829) in Wien.« Dem sich eine solche nach dem von Stadler geschaffenen Bildnis 1846 anschloß, postum zu diesem wie zu Seyfried, als beidseits 1841 verstorben. Aus denen uns des letzteren Lauterkeit geradezu anspringt. So denn auch niemand anders mit der Choralmusik zu Beethoven’s Totenmesse zu betrauen war.
Und all dem wird das aufmerksame Auge begegnen, vertieft es sich in die nun folgende, in ihrer hiesigen Gesamtheit erstmalige Wiedergabe seiner Manuskript-Blätter zu den hier complett verfügbar gehaltenen Biographischen Notitzen und zu den in ihrem Kernbestand vorliegenden Charakterzügen und Anecdoten und allein schon aus deren puren Reproduktionen einen Hauch jener Wärme einfangend, die den originalen Blättern innewohnt und deren längst entschwundenen Schreiber für diesen einzigen Augenblick sich ihm noch einmal verlebendigt, ihm vertraut über die Schulter schauen lassend. Zu sehen, wie seine Rückblicke bald flüssig die Feder führen, dann wieder stocken, um zu streichen, zu unterstreichen, hier einfach, dort doppelt, zu berichtigen, zu ergänzen. Einzelne Worte, ganze Zeilen.
Damit nicht genug, beginnt das pure Papier zu sprechen, ahnen lassend wirtschaftliche Bedrängnis. Dienten für die Biographischen Notitzen noch einheitliche frische Doppelbögen großen Formats, die zwecks etwaiger Korrekturen und Ergänzungen jeweils halbseits frei blieben, wurde für die sich anschließenden Charakterzüge und Anecdoten auf Makulaturpapiere unterschiedlichen Formates zurückgegriffen, eng beschrieben, ohne Freiräume. Nur das kleine erste Blatt noch jungfräulich, was folgte, nackter Notbehelf. Wie die abgetrennten und zwangsläufig nur einseitig beschreibbaren blauen Vorderumschläge der Hefte 3-6 der von Schott in Mainz verlegten Cæcilia der Jahre 1824/25 und die vier einseitig bedruckten Orchester=Rapport-Formular-Bögen des kais. königl. priv. Theaters an der Wien. Unausgefüllt geblieben, boten sie beidseitige Schreibfläche, wie auf deren drei auch genutzt. Und solchermaßen diente diese bunte Mischung Verleger Haslinger — Ludwig van’s Bester aller Tobiasse