Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Paradise Garden: In meinem Innern
Paradise Garden: In meinem Innern
Paradise Garden: In meinem Innern
eBook328 Seiten4 Stunden

Paradise Garden: In meinem Innern

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die beiden eng befreundeten Lehrerinnen Lara Forester und Vivien Raleigh begeben sich, nicht lange nach ihrem bestandenen Examen, in einem alten Bulli auf eine Reise ins Unbekannte um sich an einem netten Fleckchen ein neues Leben aufzubauen. Durch eine Panne landen sie in Hope, einem unscheinbaren Städtchen am Fuße der Appalachian Mountains. Eigentlich wäre dieser Ort all das wovon Lara immer geträumt hat, gäbe es da nicht diesen geheimnisvollen Mann mit der einfühlsamen Stimme und den traurigen Augen. Ausgerechnet der entpuppt sich nämlich auf den zweiten Blick als Widerling. Aber gerade dieser Widerspruch hat auf Lara eine Wirkung die ihr immer unheimlicher wird. Und selbst die draufgängerische Vivien findet am Ende etwas ganz anderes als sie ursprünglich gesucht hat.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Okt. 2017
ISBN9783734567858
Paradise Garden: In meinem Innern

Ähnlich wie Paradise Garden

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Paradise Garden

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Paradise Garden - Mara Eve Gardener

    VORWORT

    Meine lieben Leserinnen,

    meine lieben Leser,

    in unserer heutigen, ausgesprochen hektischen Zeit, in der Begriffe wie Effizienz und Gewinnoptimierung das Denken der Menschheit beschäftigen, sind Wörter wie Geduld, Freigiebigkeit und Gemütlichkeit verpönt und werden in naher Zukunft wohl immer mehr in Vergessenheit geraten. Selbst wenn man nicht zu den Schwarzsehern, was diese Dinge für kommende Generationen betrifft, gehört, so muss man doch zugestehen, dass – ähnlich wie Hai und Kondor – auch Romantik und Liebesgeflüster vom Aussterben stark bedroht sind.

    Neue Welten erobern, wenn möglich mit schwer bewaffneten, stahlharte Muskeln präsentierenden Helden, das ist heute angesagt.

    Aber macht das die Menschen zufriedener und/oder glücklicher?

    Mit meinem Buch möchte ich Sie mitnehmen in eine Zeit, in der Gefühle gelebt werden dürfen, auch von Männern. Wo Wertmaßstäbe gelten, die man in der Welt von heute nur noch in Fremdwörterbüchern findet.

    Gestatten Sie sich eine Auszeit. Ein Abheben vom Alltag und dessen alltäglichen Stresspartikeln, die Sie wie Staub umschwirren.

    Tauchen Sie ein in eine andere Welt und nehmen Sie Ihre Phantasie mit auf die Reise.

    Vielleicht gehören auch Sie bald zu den Personen, die sich ein kleines Stückchen wiedergefunden haben, in einem unscheinbaren Städtchen am Fuße der Appalachian Mountains. In Hope, wo die Hoffnung zu Hause ist.

    Wo Menschen noch Menschen sein dürfen.

    Wo das Leben gelebt wird.

    Wo die Liebe regiert.

    Blättern Sie weiter und seien Sie ……… Willkommen, Fremder!

    1

    Das Ortsschild entlockte ihnen ein gefühlvolles Lächeln. Verheißungsvoll glänzte es im letzten Abendlicht.

    HOPE

    WILLKOMMEN ZUHAUSE FREMDER

    … stand da, in großen Buchstaben, eingeritzt in ein glatt poliertes Stück Holz.

    Ganz wie von selbst ratterte der alte Bulli von Laras Großvater die von stattlichen Bäumen gesäumte Straße entlang.

    War es ein gutes Zeichen, dass Herby ausgerechnet hier schlappmachte oder bloß ein dummer Zufall? Viele kalte und holprige Meilen hatte er sie jetzt schon durch ihnen unbekannte Landschaften und Städte gebracht. Dabei hatte er tapfer Staub geschluckt, die letzten Reste des im Februar so zahlreich gefallenen Schnees ertragen, sich auf Anhöhen gekämpft und war durch tiefe Täler gestampft, um endlich hier in diesem, wie man auch im Zwielicht des untergehenden Tages deutlich erkennen konnte, idyllischen Fleckchen Halt machen zu dürfen. Irgendetwas krachte schon wieder irgendwo an ihrem fahrbaren Untersatz. Lara konnte es nicht genau lokalisieren.

    „Gut gemacht, alter Junge!", lobte sie ihr derzeitiges Zuhause auf vier Rädern und hielt am Straßenrand an.

    Vivien Raleigh, ihre beste und genau genommen auch einzige Freundin, die schon seit der Ausbildung alles mit Lara teilte, vom kleinen Zweizimmerappartement bis zum Lady Shaver, brach neben ihr in ein ansteckendes Lachen aus.

    „Deinen Optimismus möcht ich haben. So wie sich dieses Ächzen angehört hat, hat dein Herby gerade seine letzten Atemzüge getan. Und wie geht’s jetzt weiter? Zum Glück sind wir nicht im Nirgendwo gelandet, sondern in einer menschlichen Siedlung."

    „Nun halt mal die Luft an! Du musst nicht immer alles so dramatisch darstellen. Das sieht doch hier sehr einladend aus. Schau mal all die Blumen und die bunten Lichter."

    Eigentlich war Lara diejenige von den beiden Freundinnen, die leicht in Panik geriet und zuerst einmal alles schwarzsah, bevor auch nur ein kleines, buntes Pünktchen durchblickte. Ob es nun um das garantierte Durchrasseln durch die Schlussprüfung ihres Lehrerexamens ging oder um die männliche Präsenz in ihrem Leben, die zugegeben bis jetzt sehr spärlich ausgefallen war. Sehr spärlich!

    Sie sah immer erst einmal alles den Bach runtergehen und Vivien hatte alle Hände voll zu tun, um sie wieder in die Spur zu bringen. Meistens gelang ihr das mit einem gemütlichen Mädchenabend, vollgepfropft mit Chips und Sunshine. Was sie natürlich beide spätestens am nächsten Morgen bitter bereuten.

    „Hallo, Erde an Lara Forester, wo bist du schon wieder?"

    Vivien riss Lara aus ihren, ihr schon hinlänglich bekannten Tagträumen. Überrascht meldete sich diese vom Fahrersitz: „Also, wenn Herby uns bis hierher sicher gebracht hat, sollten wir das als Hinweis sehen, hier unsere Zelte aufzuschlagen und unser neues Leben zu beginnen. Sollte es uns dann doch nicht gefallen, können wir immer noch weiterziehen. Großvaters altes Schätzchen braucht auf jeden Fall eine Pause. Und zwar dieses Mal länger als ein paar Stunden."

    Mit großen Augen wurde Lara von ihrer treuen Weggefährtin angestarrt. Okay, dachte Lara, sie ist es nicht gewohnt, dass ich so energisch Pläne äußere und meine Meinung auch noch so bestimmt und deutlich von mir gebe. So ganz ohne „Vielleicht und „Könnte.

    Ihre Selbstsicherheit schob Lara auf dieses wahrhaftige Idyll, das sich ihnen bot.

    Kleine, schmucke Einfamilienhäuschen, hie und da flankiert von etwas größeren Gebäuden, zeigten sich dem staunenden Betrachter in ihrer vollen Pracht. Denn jedes einzelne Haus war ausgestattet mit einer riesigen Veranda und mindestens einem Balkon aus Holz. Überhaupt schien Holz das bevorzugte Baumaterial in diesem Winkel der Erde zu sein, und jedes noch so kleine Stück war von einem wahren Künstler phantasievoll mit allerlei Schnitzereien verziert worden.

    So ziemlich alles, was der Wald an Tieren beherbergte, war im Holz der Häuser verewigt worden. Alle Gebäude waren auch sehr gepflegt, mit regelrecht geschmückten Fassaden, bunte Lichter zierten die Fenster und Eingangstüren, es gab reichlich mit Blumen in allen Formen und Farben bepflanzte Vorgärten und jedes Grundstück war begrenzt durch weiße Gartenzäune.

    Wo waren sie hier gelandet? Im Garten Eden? Oder war das vielleicht in Wirklichkeit nur eine Filmkulisse?

    Gleich kommen bestimmt mit Feuerwaffen bestückte Securityleute oder Bodyguards – breit wie Schränke – um uns gewaltsam zu entfernen oder sogar ins Gefängnis zu werfen, spekulierte Lara lautlos vor sich hin. Und das bei meinem Glück bestimmt bei Wasser und Brot.

    Bei diesem Gedanken begann Laras Magen gefährlich zu knurren.

    Schluss jetzt mit diesen negativen Phantasien, ermahnte sie sich selbst.

    „Weißt du was, wir suchen uns jetzt erst mal was zu essen. Bestimmt gibt es hier ein nettes Restaurant oder wenigstens ein kleines Bistro. Ich bin am Verhungern", schlug Lara vor.

    Vivien schüttelte nur kurz den Kopf und gab nach. „Na schön, ich bin auch schon nah am Zuckerschock, ich muss Kalorien einwerfen."

    Lächelnd stiegen sie, nach fast zweitausend Meilen am Ziel ihrer Reise, aus dem rotweißen Bulli aus längst vergessenen Tagen aus und Lara schloss sicherheitshalber ab.

    Ihr Großvater, Richard der Dritte, wie ihre Großmutter ihren Mann immer liebevoll genannt hatte, da sowohl sein Vater als auch sein Großvater den gleichen Vornamen getragen hatten, hatte ihr diesen Goldschatz und ein altes, gutgefülltes Sparbuch hinterlassen, nachdem er nur ein halbes Jahr nach dem schmerzlichen Verlust seiner einzigen Liebe, Laras Großmutter Lauren, auch von ihr gegangen war. Ihr Großvater hatte ihre Großmutter immer seine zweite Herzhälfte genannt und Lara hörte ihn heute noch sagen: „Herzchen, mit einer halben Leber kannst du leben, aber nicht mit einem halben Herzen." Er war nicht an gebrochenem, sondern an halbiertem Herzen gestorben. Er war friedlich in der Nacht eingeschlafen. In seinem Nachttisch hatte Lara sein Testament gefunden, in dem er ihr Herby und seine Ersparnisse hinterlassen hatte.

    Und plötzlich war ich allein, dachte Lara jetzt melancholisch zurück. Allein mit Vivien und einem bis dahin noch immer nicht bestandenen Abschlussexamen. Allein Viviens hartnäckigen Bemühungen hatte ich es zu verdanken, dass dieses heiß begehrte Schriftstück jetzt sicher verpackt in meinem Gepäck verstaut war. Sicher, es gab da auch noch Jonathan, meinen zwei Jahre älteren Bruder. Aber der war nicht greifbar. Er war nach langer Suche nach seiner Bestimmung im Outback gelandet. Da er, wie er selbst eingestand, äußerst schreibfaul war und Telefongespräche so gut wie unmöglich waren, war unsere Verbindung zwar sehr innig, aber auf seltene Kontakte begrenzt.

    Wieder war es Vivien, die Lara in die Gegenwart zurückholte.

    „Meinst du, wir können Herby einfach hier stehen lassen? Ein richtiger Parkplatz ist das ja nicht."

    „Ich bezweifle, dass es hier richtige Parkplätze gibt. Wir sind hier nicht in einer Großstadt, sondern in einem kleinen Ort. In einem malerisch schönen Dörfchen", wusste Lara es besser.

    „Du meinst wohl in einem schrecklich kitschigen Kaff. Schau dir all die Blumen und Girlanden an. Irgendwie hinterwäldlerisch, findest du nicht auch? Hoffentlich sind die menschlichen Wesen anders."

    Zugegeben, dachte Lara, ich bin manchmal echt zu pessimistisch, aber Vivien ist auf jeden Fall eine sehr kritische Person. Aber irgendwie passten wir trotzdem gut zusammen. Da wo ich zu ängstlich war, strebte sie forsch voran. Und wenn sie mal wieder zu nörgeln begann, zählte ich die positiven Aspekte auf. Doch das war dieses Mal gar nicht nötig. Denn leise Musik lenkte die Aufmerksamkeit der beiden jungen Frauen von allem Malerischen und Hinterwäldlerischen ab und sie blickten sich überrascht an. Sofort wandten sie sich nach rechts, woher die Musik zu hören war. Neugierig gingen sie den äußerst harmonischen Klängen entgegen. Diese führten die beiden Freundinnen in einen parkähnlichen, mit alten Bäumen bestückten Teil des Ortes, in dem wohl die ganze Gemeinde versammelt war.

    „Ein Jahrmarkt, wie ich ihn immer bei Großvater und Großmutter im Ort erlebt habe. Wahnsinn, du wirst sehen, hier sind wir richtig!", rief Lara ganz aufgeregt aus.

    Nicht nur Lara war total verblüfft. Auch Vivien schaute verdattert drein.

    „Das hätte ich in diesem verschlafenen Nest wirklich nicht erwartet. Okay, der köstliche Duft stimmt mich versöhnlich. Komm, lass uns die Fressbuden unter die Lupe nehmen, ich brauch endlich was Nahrhaftes."

    Mit neuer Energie gingen sie an den einzelnen Ständen entlang und belohnten sich nach der langen Fahrt mit Würstchen, Pommes, in triefende Butter getauchte Maiskolben und natürlich mit Zuckerwatte. „Wenn es uns heute schlecht wird, wissen wir wenigstens wovon", meinte Vivien mit vollem Mund.

    Schon wieder mit den Gedanken ganz woanders, ließ Lara ihren Blick über das Festgelände wandern. Was sie sah, faszinierte sie. Um den Park schien so etwas wie eine alte Stadtmauer zu führen, die an vielen Stellen mit Pflanzen bewachsen war. Schön beschnittene Hecken teilten den Teil des Parks, den Lara betrachten konnte, in unterschiedliche Parzellen ein. Es gab einen großen Grillplatz rechts von ihnen, gemütliche Plätzchen zum Verweilen mit schön geschnitzten Tischen und Bänken aus Holz und weiter hinten konnte Lara einen Spielplatz erkennen. Überall wuchsen die unterschiedlichsten Büsche, von denen Lara bei Weitem nicht alle kannte, und es erblühten auch hier geradezu verschwenderisch viele Blumen in allen Farbschattierungen. Es war, als wäre in diesem kleinen Tal der Frühling früher eingekehrt. Tatsächlich fiel Lara jetzt auf, dass es außergewöhnlich mild für die Jahreszeit war. Hope, am Rande von Maine, musste ein ganz besonderes Fleckchen sein.

    Unzählige bunte Lampions und glitzernde Girlanden tauchten das Geschehen in ein märchenhaft anmutendes Licht. Lara konnte unsichtbare Insekten zirpen hören und alles war von einem herrlichen Duft erfüllt, der größtenteils von den Pflanzen ausging.

    Mitten auf dem Platz gab es auch ein riesiges Festzelt, das aber noch fast leer war. Dafür war das Treiben auf dem Festplatz umso lebendiger.

    Auch einige Karussells waren aufgebaut worden, auf denen immer noch etliche Kinder lachend ihre Runden drehten. Das Festgelände war durchflutet mit Lachen und Fröhlichkeit.

    Fast zu schön, um wahr zu sein. Hätte Lara es nicht mit ihren eigenen Augen gesehen, sie hätte es wohl nicht geglaubt. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nicht wenige der Leute, die an ihnen vorbeigingen, grüßten sie freundlich. So, als wären wir alte Bekannte, dachte Lara und grüßte jedes Mal lächelnd zurück. Wieder einmal suchte sie klammheimlich nach dem Filmteam mit ihren Kameras.

    Plötzlich begann der Platz sich zu leeren. Gleichzeitig hörten sie aus der Richtung, wo das Festzelt aufgebaut war, einzelne Töne, so als würden Musiker ihre Instrumente einstimmen.

    „Jetzt sag nicht, hier gibt es eine Liveband, ich flipp aus. Wer weiß, vielleicht gefällt es mir hier doch noch", insistierte Vivien neben Lara und war schon im Begriff, auf das Zelt zuzustürmen.

    „Hey warte, ich komm natürlich mit. Livemusik lass ich mir bestimmt nicht entgehen", rief Lara und rannte ebenfalls los.

    Das Zelt war proppenvoll. Alles was Ohren hatte, war vertreten. Bis ins hohe Alter.

    Hoffentlich ist das keine Seniorenband, dachte Lara im Stillen und richtete ihren Blick nach vorn auf die kleine Bühne.

    Was sie da sah, verschlug ihr die Sprache. Neben einem Schlagzeug lehnte auf einem Gitarrenständer eine sagenhaft teure Gitarre. Das heißt, eigentlich gab es drei davon und ein Keyboard, von dem manche Band nur träumen konnte.

    „Wow, kneif mich mal, ich glaub ich träume."

    Vivien hatte den Grund erfasst, warum in diesem Augenblick ein ohrenbetäubendes Klatschen begann, das schnell in ein rhythmisches Geklatsche überging. „Los, wir müssen weiter nach vorne, die will ich mir aus der Nähe ansehen. Das sind echte Leckerbissen", stammelte sie und zog an Laras Sweater, so dass ihr nichts anderes übrig blieb, als Vivien zu folgen.

    Natürlich war Lara völlig klar, dass ihre liebevolle Freundin nicht von den Instrumenten gesprochen hatte. Sie kannte Vivien schon lange genug, um zu wissen, dass das Objekt ihrer Begierde männlich war. Und in diesem Fall war es sogar in vierfacher Ausführung vertreten. Vivien schaffte es tatsächlich, sie in die dritte Reihe zu bugsieren, was nicht ganz ohne Geschubse vor sich ging.

    „Morgen hab ich bestimmt einige blaue Flecken", beschwerte sich Lara.

    „Dafür wirst du mir dankbar sein", versicherte ihr Vivien und sah sie an.

    „Was suchst du auf dem Boden? Auf der Bühne stehen die vier neuesten Weltwunder."

    Vivien tippte Lara mit ihrem Zeigefinger einige Male auf die Schulter und zeigte dann unmissverständlich in Richtung der von ihr entdeckten Weltneuheiten.

    Lara war gerade dabei gewesen, ihre Schuhe zu begutachten, die total verstaubt waren und nach dem Muster zu urteilen, das sich jetzt darauf abzeichnete, wohl einige Tritte abbekommen hatten. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass ihr jemand auf den Fuß getreten war. Kopfschüttelnd richtete sie endlich ihre Augen dahin, wo alle gespannt und in großer Erwartung hinschauten. Und es wurde ihr mit einem Schlag klar, warum es so still geworden war.

    Wenn ihr die Gegenstände auf der Bühne auch die Sprache verschlagen hatten, so war das nichts im Vergleich zu den Exemplaren der Gattung Mann, die jetzt vor ihren Augen ihre Instrumente zur Hand nahmen.

    Eine Frau betrat die Bühne und begab sich an ein einzelnes, etwas im Vordergrund stehendes Mikrofon. Neidlos musste Lara zugeben, dass sie auf eine anziehende Art schön war. Ihr brünettes Haar war kurz aber sehr elegant geschnitten. Sie war schlank, fast dünn, aber sie wirkte trotzdem weiblich, ja fast mütterlich. Sie war Lara sofort sympathisch, obwohl sie noch kein Wort gesagt beziehungsweise gesungen hatte. Es war allein die Art, wie sie dastand. Herzlich, so als wollte sie gleich alle umarmen.

    Irgendein Geräusch im hinteren Teil der Bühne lenkte Laras Aufmerksamkeit von der jungen Sängerin ab und sie erhob sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Ein leises Raunen ging durch die Menge, so als würden alle gemeinsam den Atem anhalten. Dann wechselte das Licht auf der Bühne und ein einzelner Strahler leuchtete hell auf. Leise, fast zaghaft begann die Band eine Melodie zu spielen, die Lara unter die Haut ging. Sie fühlte es ganz deutlich, gleich würde etwas Bedeutsames geschehen.

    In diesem Augenblick betrat behutsam ein weiterer Mann die Bühne und als er ins Licht kam und das Gesicht erhob, passierte irgendetwas mit der einen Hälfte ihres Herzens.

    2

    „Bitte, sag Ja, was ist das Frühlingsfest ohne Musik?", bettelte Jim.

    „Das ist wie ein Männerabend ohne Bier!", mutmaßte Frank.

    „Oder wie eine Hochzeitsnacht ohne Sex!", konterte Melanie frech grinsend.

    Sie hatten es geschafft. Endlich ließ Samuel Graham den Strohballen fallen, den er eigentlich in die Pferdebox bringen wollte. Er hob langsam den Kopf und schaute einen nach dem anderen an. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst und er zog die Luft tief in seine Lungen.

    „Also schön, und wann legen wir los?", gab Sam nach.

    Er hatte längst erkannt, dass es keinen Sinn machte, stundenlang zu diskutieren. Sie würden eh keine Ruhe geben, bis er zugestimmt hatte. So konnte er wenigstens seine Stallarbeit zu Ende bringen. Die neuen Einjährigen kamen in zwei Tagen, bis dahin musste der erst kürzlich neu errichtete Stall noch fertig ausgestattet werden.

    Und jetzt auch noch ein Auftritt mit der Band. Das bedeutete, mindestens einen Abend für die Probe zu reservieren und außerdem kostete es ihn zwei halbe Tage, bis alles auf der Bühne auf- und später wieder abgebaut war. Aber schließlich waren die Mitglieder der Band seine besten Freunde und außerdem liebte er die Feste auf der alten Wiese in Hope schon, seit er als Kind extra länger aufbleiben durfte, nur um ja alles mitzubekommen. Seine Eltern hatten immer aktiv bei den Festen mitgewirkt und wie stolz war sein Vater gewesen, als er zum ersten Mal mit der Band dort aufgetreten war. Missmutig erkannte er, dass ihn diese Augenblicke vor einem Auftritt immer wieder sentimental werden ließen.

    „Es reicht, wenn wir um acht anfangen, da ist die Stimmung schon auf dem Höhepunkt. Und wir zünden dann das Feuerwerk", bestimmte Jim.

    „Keine Ahnung, von welchem Höhepunkt du sprichst, oder von welchem Feuerwerk du träumst, aber um acht sind doch schon alle besoffen", meinte Melanie lauthals.

    „Quatsch, wenn klar ist, dass wir spielen, bleiben alle nüchtern. Wir sind schließlich die Sensation des Abends", berichtigte Jim die brünette Sängerin der Band.

    „Da könntest du recht haben und wir werden echt gut bezahlt für den Spaß", mischte sich Frank wieder ein.

    Er war schon seit ihrem ersten Auftritt der Manager der Truppe, auch wenn Sam die Lieder schrieb und der eigentliche Boss war. Denn Sam war es gewesen, der die Instrumente gekauft und die Freunde zusammengetrommelt hatte. Schon seit einiger Zeit hatte er in seinem Keller einen Probenraum eingerichtet. Extra schallgedämpft wegen der Gäste und mit allem ausgestattet, was ein Musikerherz höherschlagen ließ. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, denn sie waren gut. Echt gut!

    „Acht Uhr ist gut, schließlich muss vorher alles vorbereitet werden und ihr kennt ja meine Einstellung", beendete Sam das Wortgeplänkel.

    „Erst die Menschen, dann die Tiere und zum Schluss die Gitarre!", zitierten ihn seine Freunde einstimmig. Wie oft hatten sie das schon gehört.

    Dafür ernteten sie einen ernsten Blick vom Boss ihrer Band.

    „Wundert mich, dass du daraus noch keinen Song kreiert hast, meinte Melanie und begab sich zu ihrem Auto. „Bye!, rief sie noch über die Schulter, stieg ein und war auch schon verschwunden.

    „Also dann ist ja alles klar. Probe wie immer, Mittwoch um neun. Gib es an alle weiter, Jim. Ich muss dann auch los. Bye, Männer!"

    Das war grundsätzlich Franks Art, sich zu verabschieden. Kurz und knapp fasste er noch einmal die Fakten zusammen und weg war auch er.

    Ohne sich noch weiter um jemanden zu kümmern, nahm Samuel Graham den fallengelassenen Strohballen wieder auf und begab sich in den Stall. Er wusste, dass Jim alle informieren würde, dafür war er verantwortlich bei der Gruppe. Und man konnte sich blind auf ihn verlassen.

    So war es auch, wenn es um seine Arbeit auf der Ranch ging. Sam vertraute ihm und zeigte ihm das auch oft. Manchmal nur mit einem Schulterklopfen oder sogar nur mit einem Blick.

    Jim fühlte sich nicht zuletzt wegen dieses rückhaltlosen Vertrauens, das Sam in ihn setzte, auf Paradise Garden wie zu Hause. Für ihn war Sam nicht wie ein Boss, sondern wie sein großer Bruder. Und Sam würde auch wie für einen kleinen Bruder alles für ihn tun, wenn er Hilfe bräuchte. Es gab nichts, worüber sie nicht miteinander reden konnten. Und sie hatten schon manche Nacht durchwacht und sich gegenseitig zugehört, wenn Sorgen oder Ängste in einem von ihnen wie Feuer brannten.

    Jim war auch schon mal dabei, wenn Sam mit seinem Vater über den Büchern saß, um neue Investitionen zu kalkulieren und seine Tipps wurden durchaus in die Überlegungen miteinbezogen. Bei der Umsetzung ihrer Idee, noch weitere und wesentlich größere Gebäude auf Paradise Garden zu errichten, hatte Jim wesentlich zum Gelingen beigetragen, indem er einen ehemaligen Schulfreund kontaktiert hatte, der sich mit biologisch unbedenklichen Baumaterialien auskannte. Der Menschen und Tiere wegen hatten sie sich nämlich entschlossen, zukünftig nur noch mit umweltfreundlichen Stoffen und Farben zu arbeiten. Natürlich konnten sich Sam und Jim auch gehörig streiten, wenn es nötig war, aber böse war das nie gemeint, das wussten beide. Und es dauerte nie lange, bis sie wieder die Köpfe zusammensteckten und neue Pläne schmiedeten. Wenn nicht für die Ranch, dann für die Band.

    Außerdem hatten sie eine gemeinsame große Liebe mit sonnenblonden Locken.

    „Kannst du mir mal sagen, wie ich das alles machen soll? Keine Ahnung, wie du dir das vorstellst. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht. In einer halben Stunde erwartet mich Will auf der alten Wiese und zum Friseur muss ich auch noch. Rose weigert sich hartnäckig, mit mir zu tanzen, wenn ich mit diesen Haaren aufkreuze. Ganz davon zu schweigen, dass sie sich endlich mal mit mir fotografieren lässt", gab Peter Graham deutlich zu bedenken und fuhr sich verzweifelt durch sein schwarzes Haar, das mit seinen achtundfünfzig Jahren noch längst nicht so ergraut war, wie bei vielen anderen Männern seines Alters.

    Das ließ Sam hoffen, der jetzt seinen Vater leicht grinsend ansah. Er hatte die Schimpftirade seines Vaters stumm über sich ergehen und sich seine Überraschung nicht anmerken lassen. Normalerweise ließ sich sein Erzeuger nicht so leicht aus der Fassung bringen. Aber wenn Rose King im Spiel war, lernte er seinen Vater tatsächlich noch einmal von einer ganz neuen Seite kennen.

    Wer hätte gedacht, dass Peter Graham noch einmal den Schritt ins Eheleben wagen würde? Sam auf jeden Fall nicht und wahrscheinlich noch nicht mal sein Vater selbst. Bis diese nette, kleine Lady namens Rose, gemeinsam mit ihrer Schwester Elisabeth, in Hope aufgekreuzt war. Rose war verwitwet, Elisabeth hatte nie geheiratet, also waren jetzt beide alleinstehend, aber zu ihrer großen Freude durchaus gut situiert. So kam es, dass sie, ohne lange darüber nachzudenken, ein kleines Hotel mitten in Hope eröffneten und fortan bei allen Aktionen des Städtchens kräftig mitmischten.

    Rose und Elisabeth hatten immer ein Lächeln auf den Lippen, obwohl sie rein äußerlich nicht verschiedener hätten sein können. Elisabeth war für eine Frau sehr groß, einsachtundachtzig, und eher matronenhaft gekleidet. Sie hatte etwas Gouvernantenhaftes an sich, wozu nicht zuletzt ihr dunkelbrauner, streng aus dem Gesicht frisierter Dutt beitrug. Sie war aber von ihrem Naturell her zu allen Menschen, ob groß oder klein, sehr freundlich, hilfsbereit und packte, ohne viel zu reden, kräftig zu, wenn sie gebraucht wurde. Allerdings war sie von sich aus eher ein bisschen zurückhaltend.

    Ganz anders ihre Schwester Rose. Was noch nicht perfekt war, wurde von ihr sofort in Angriff genommen, um es zur Vollendung zu bringen. Keine Frage, ging es dabei einzig und allein um ihre phantasievollen Vorstellungen von Perfektion und Vollkommenheit.

    Ihr hellbraunes Haar, das ihr durch eine moderne, richtig pfiffige Kurzhaarfrisur eine fast jugendliche Nuance verlieh, wurde durch ihre meist bunte, frische Aufmachung noch unterstrichen und ließ sie wesentlich jünger erscheinen. Ihr ebenmäßig geschnittenes Gesicht war zwanzig Zentimeter weiter vom Himmel entfernt als das ihrer Schwester, was sie allerdings in keiner Weise einschränkte. Denn ihre geringere Körperhöhe ließ sie im Vergleich zu ihrer Schwester flinker und geschmeidiger durchs Leben gehen.

    Sie war ein quirliger Wirbelwind, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatte. Sie ging stets auf die Leute zu und mischte sich auch gern mal ungefragt ein. Rose war einfach der Meinung, was man zu einer herzlichen, gut funktionierenden Gemeinschaft beitragen konnte, das hatte man auch gefälligst zu tun. Und wenn irgendwo etwas im Argen lag und ihr das schneller auffiel als anderen, dann machte sie eben den ersten Schritt. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass es nach ihrer Ankunft in Hope keinen Monat dauerte,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1