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Singende Worte: Eine Erzählung aus Geschichten und Gedichten
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eBook141 Seiten1 Stunde

Singende Worte: Eine Erzählung aus Geschichten und Gedichten

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Über dieses E-Book

Ein poetischer Dialog aus Geschichten und Gedichten, welche den Zauber und die Schönheit der Sprache zum Erlebnis werden lassen und zugleich tiefe Einblicke in die vielen verschiedenen Wege und Umwege der Seele geben. Das alles ist eingebettet in eine unterhaltsame Rahmenhandlung in der eine pfiffige und sehr farbenfrohe Studentin einem berenteten Professor beim Umzug hilft und dabei einen überraschenden Fund macht.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum25. Nov. 2021
ISBN9783347488830
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    Buchvorschau

    Singende Worte - Barbara von Stryk

    I

    Er hatte sie sich ganz anders vorgestellt: irgendwie älter, kräftiger und, wie er bei sich mit einem leisen Anflug von Ärger bemerkt, irgendwie seriöser. Er schließt einen Moment die Augen, so geblendet ist er von der Farbenpracht, die da vor ihm steht. Der dicke Pullover, den sie trägt, spiegelt den ganzen Regenbogen. Das kurze, zerzauste Haar verdeckt nur teilweise eine giftgrüne Kappe und das Fahrrad, das sie mit der linken Hand hält und mit der Hüfte geschickt ausbalanciert, ist rosarot. Sie kämpft mit dem Gewicht eines übergroßen Rucksacks (leuchtend blau mit gelben Außentaschen), der auf dem Gepäckträger festgeschnallt ist und streckt ihm beherzt die rechte Hand entgegen. „Karen, stellt sie sich vor und automatisch antwortet er mit „Konrad, angenehm.

    Er ist diesen lockeren Umgangston von seinen Studenten gewohnt, auch wenn er ihm selber immer fremd geblieben ist. Einen Augenblick überlegt er, ob er sie nicht gleich zur Universität zurückschicken und Ersatz von dort anfordern soll. Aber dann fällt ihm ein, dass die Semesterferien schon vor zwei Wochen begonnen haben und inzwischen alle Büros geschlossen sind, die Studentenvermittlung, an die er sich gewendet hat, sicher auch. Als er in ihre blauen Augen schaut, die klar und ein wenig amüsiert seinen Blick erwidern, fühlt er sich ertappt. „Ein Kobold, denkt er, „aber doch nicht ohne Intelligenz. Und auch wohl nicht ganz so jung, wie gedacht.

    „Von wo kommen Sie denn jetzt, fragt er, um etwas Zeit zu gewinnen. „Aus Berlin, antwortet sie knapp. „Mit dem Fahrrad, staunt er? Und sie mit einem Schulterzucken: „ich habe ja schon seit Ende Juli Ferien. „Na, dann kommen sie mal mit, das Gartenhaus liegt gleich da drüben". Sie gehen auf einem Plattenweg um das Gebäude herum und zwischen einigen Büschen hindurch. Es hat geregnet und Karen hat Mühe, das Rad an den Schnecken, die sich sofort auf den Weg gemacht haben, vorbeizuführen und nicht auszurutschen, als es den Hang hinaufgeht. Aber da steht es schon, das kleine Holzhaus. Schön ist es anzusehen, wie es sich unter den Obstbäumen in den Hang duckt. Auf den Seiten ist es fast gänzlich mit Efeu überwuchert, und die Eingangstür ist kaum zu sehen, weil die in voller Blüte stehenden Kletterrosen durch den Regen zu schwer geworden sind und sich die Ranken tief zur Erde neigen.

    „Ich richte das morgen, murmelt Konrad und schiebt einen Zweig zur Seite, um die Tür zu öffnen. Er zuckt zusammen, als von oben ein Schwall Wasser auf beide herunterspritzt. Aber Karen schüttelt sich nur. Sie hat das Rad an einen Baumstamm gelehnt und trägt jetzt den schweren Rucksack ins Haus. „Was haben Sie denn alles da drin, erkundigt sich Konrad neugierig? „Bücher, natürlich, lacht sie ihn an. „Nun, schmunzelt Konrad, „davon gibt es hier aber mehr als genug. Das ist ja wie Eulen nach Athen tragen. „Das ist mir klar, antwortet Karen, „aber ich brauche gerade diese Bücher für meine Dissertation und ich streiche immer alles an. „Naja, meint Konrad etwas nervös. „Ich weiß nicht so recht, ob sie für ihre eigenen Arbeiten hier genug Zeit haben werden. Haben die Ihnen in der Uni nicht gesagt, dass es hier viel zu tun… Karen unterbricht ihn: „ich brauche nicht so viel Schlaf, sagt sie, „keine Sorge, wir schaffen das schon.

    Konrad ist im Begriff umzuziehen und hat dafür Hilfe angefordert. Seit 40 Jahren lebt er in diesem Haus und es ist voll mit einer Unmenge von Aufzeichnungen und angefangenen Manuskripten. Deshalb hat er nach einer kompetenten Germanistikstudentin gefragt, die ihm bei der Durchsicht helfen und auch die zum Teil sehr wertvollen Bücher seiner Bibliothek mit ihm durchgehen und katalogisieren sollte. So schwer es ihm fällt, sich von einigen seiner Schätze zu trennen: in seinem neuen Domizil am Bodensee, im Haus seines Sohnes, wird nicht genug Platz sein, um den Inhalt eines ganzen Lebens unterzubringen. Konrad hat viele Jahre als Geschichtsprofessor an der Münchener Universität unterrichtet und sich als Autor zahlreicher Geschichtswerke und Reiseberichte einen Namen im In- und Ausland gemacht. Eigentlich wäre ihm ein männlicher Helfer lieber gewesen. Aber vor zwei Jahren ist seine Frau verstorben und er hat insgeheim gehofft, dass ihm eine Studentin besser beim Ausräumen ihres Zimmers würde helfen könnte. Weder sein Sohn noch er sind bisher dazu in der Lage gewesen.

    Während Konrad seinen Gedanken nachhängt, hat Karen sich in der Einzimmerwohnung umgeschaut. „Ich glaube, Sie haben hier alles, was Sie brauchen, sagt Konrad und fügt hinzu, dass in der Küche auch einige Lebensmittel sind. „Jetzt kommen Sie erst einmal an. Morgen besprechen wir dann alles Weitere. Können Sie so um neun Uhr ins Haus kommen? „Super" antwortet Karen, und Konrad rechnet damit, dieses von ihm nicht sehr geschätzte Wort in den nächsten sechs Wochen noch des Öfteren hören zu müssen.

    II

    Als Karen am nächsten Morgen das Haus betritt, staunt sie nicht schlecht. Die großen, hellen Räume strahlen eine Gemütlichkeit aus, mit der sie bei Konrad, der ihr etwas kauzig und schroff vorgekommen ist, nicht gerechnet hätte. Ihr gefallen auch die überall gestapelten Papiere und die mit bunten Zetteln markierten Bücher. In dem großen Wohnzimmer ist viel Platz, obwohl die zahlreichen Regale, in denen Karin einige wertvolle Erstausgaben und Raritäten vermutet, gut gefüllt sind. Im Flur hat sie bereits einige Umzugskartons gesehen, aber obwohl überall Zeichen von Aufbruch und zugleich intensiver Arbeit sichtbar sind, wirken die Räume, durch die weiche, ein wenig abgewetzte Ledergarnitur und die schweren Teppiche wohnlich und warm. Seit jeher fühlt sich Karin wie magisch angezogen von allem, was mit Geschriebenem zu tun hat. Ihre kleine Studentenbude im Berliner Wedding sieht nicht viel anders aus, wenn auch die Teppiche und Möbel deutlich weniger gekostet haben.

    Karen setzt sich auf das Sofa und beobachtet Konrad, wie er einige vorbereitete Listen und Aufkleber zusammensucht. „Die Bücher sind größtenteils alphabetisch geordnet, erklärt er. „Aber ich brauche dringend eine Übersicht von allem, was sich hier angesammelt hat. Er stellt eine Karaffe mit Wasser und zwei Gläser auf den Tisch und setzt sich neben sie, bevor er weiterspricht. „Nun, Sie sehen ja, wie viel hier herumliegt. Ich habe die Angewohnheit, manches in Heften, oder auch nur auf Zetteln zu notieren, was mir aber doch wichtig ist. Und mit einem entschuldigenden Lächeln fährt er fort: „später stopfe ich es dann in irgendeine Schublade und vergesse es. Aber jetzt, wo ich nicht mehr unterrichten werde, will ich doch einiges davon ausarbeiten. Und dabei brauche ich ebenfalls Ihre Hilfe. „Kein Problem, sagt Karen und nickt zustimmend, als er die Arbeitsabläufe und Arbeitszeiten erklärt. „Super, dann mal los.

    Seite an Seite beginnen sie zu arbeiten und am Abend ist Konrad verblüfft, wie gut sich Karen in alles hineindenken kann, und wie schnell ihr die Arbeit von der Hand geht. Schon sind die lange vermissten Aufzeichnungen seiner Asienreise aufgetaucht und Karen hat ein System vorgeschlagen, in dem die verschiedenen Unterlagen thematisch zusammengefasst werden können.

    Nach der ersten Woche haben sich die vielen Stapel schon deutlich gelichtet. Karen arbeitet sehr selbstständig, so dass Konrad ungestört an seinem neuen Buch schreiben kann. Jeden Abend besprechen Sie die Ergebnisse des Tages und klären die anfallenden Fragen. Der Einfachheit halber gehen sie in der zweiten Woche zum Du über und Konrad hat sich an Karens Vorliebe für bunte Farben gewöhnt. Heute trägt sie eine gewagte Kombination aus Rot und Violett. Er ist dankbar für die Hilfe dieser zierlichen Person, die ihm da ins Haus geschneit ist. Und er schätzt auch ihre Schweigsamkeit.

    Für den Samstag am Ende der zweiten Woche hat er sie zum Essen eingeladen, auch um etwas mehr über sie zu erfahren. Aber geschickt bringt Karen dann erst einmal ihn dazu, über sich zu berichten. „Ich mag deine Bücher, fällt sie gleich mit der Tür ins Haus, kurz nachdem sie sich in der Gaststätte am Rand des Englischen Garten niedergelassen haben. „Ich habe fast alle gelesen. Konrad ist überrascht, erfährt aber dann, dass sie neben Germanistik auch Geschichte studiert hat. „Deine Reisebücher liebe ich allerdings besonders, fährt sie fort. „Da schreibst du irgendwie viel menschlicher und manchmal fast poetisch. „Menschlicher, hakt Konrad nach? „Kann man denn auch unmenschlich schreiben? Karen sucht nach Worten: „die Sachbücher müssen sich auf Fakten beschränken. Da ist kein Platz für Fantasie oder Seele".

    Versonnen blickt Konrad eine Weile vor sich hin, bis seine Augen drei Jugendliche einfangen, die laut lachend über die Wiese laufen und denen er hinterher schaut. „So etwas ähnliches hat meine Frau auch immer gesagt, sagt er dann. Karen spürt die nachdenkliche Traurigkeit, die jetzt plötzlich in der Luft liegt und fährt behutsam fort: „ohne Fantasie und Seele ist doch die Sprache nicht wirklich lebendig. Ich mag es, wenn der ganze Mensch zu spüren ist und nicht nur seine Gedanken. Aber in der Fachliteratur geht das natürlich nicht, endet sie mit leisem Bedauern und nippt an ihrem Bitter Lemmon. „Deshalb mag ich auch Gedichte", gesteht sie dann, „aber leider nichts zu machen. Klappt bei mir irgendwie nicht. Ich fände es

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