Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Pfadfinderehre: Nicht nur ein Minecraft-Roman
Pfadfinderehre: Nicht nur ein Minecraft-Roman
Pfadfinderehre: Nicht nur ein Minecraft-Roman
eBook273 Seiten3 Stunden

Pfadfinderehre: Nicht nur ein Minecraft-Roman

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Alina und Hannes sind sehr unterschiedlich: Während er als leidenschaftlicher Zocker den ganzen Tag vor dem Rechner hängt, zieht es Alina raus in die Natur. Sie ist mit Herz und Seele Pfadfinderin und die einzigen technischen Dinge, die sie wirklich schätzt, sind ihre Funkgeräte.

Als die Teenager gezwungen werden, ein Wochenende miteinander zu verbringen, kommt es zu einem Unglück. Danach ist nichts mehr, wie es vorher war: Hannes befindet sich in einem unbekannten, finsteren Wald - Alina ist in der Pixelwelt von Minecraft gelandet.

Nur durch Alinas Funkgeräte miteinander verbunden, versuchen sie, gemeinsam den Weg nach Hause zu finden.
SpracheDeutsch
HerausgeberAmrûn Verlag
Erscheinungsdatum16. Dez. 2022
ISBN9783958695078
Pfadfinderehre: Nicht nur ein Minecraft-Roman

Mehr von Hanna Nolden lesen

Ähnlich wie Pfadfinderehre

Ähnliche E-Books

Kinder – Fantasy & Magie für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Pfadfinderehre

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Pfadfinderehre - Hanna Nolden

    Pfad

    FInder

    ehre

    Hanna

    Nolde

    Über die Autorin

    Hanna Nolden lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und Kater Ramses in einem kleinen Waldhäuschen in Niedersachsen. Neben Kurzgeschichten schreibt sie überwiegend Kinder- und Jugendromane zu phantastischen und realistischen Themen.

    © 2023 Amrûn Verlag

    Jürgen Eglseer, Traunstein

    Lektorat: André Piotrowski

    Umschlaggestaltung: Christian Günther

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN TB – 978-3-95869-506-1 / E-Book 978-3-95869-507-8

    Print in the EU

    Besuchen Sie unsere Webseite:

    amrun-verlag.de

    Dies ist kein offizielles Minecraft-Produkt.

    Es ist nicht von Mojang genehmigt oder mit Mojang verbunden.

    Minecraft and its graphics are trademark or registered trademark of Mojang SynergiesAB.

    © 2009-2023 Mojang

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

    v2/23

    Für Birk und Valerie, meine Zockermäuse.

    Vorwort

    Als meine Tochter vor einigen Jahren zu mir kam und mich bekniete, doch bitte Minecraft auf meinem Rechner zu installieren – das Kind hatte damals noch keinen eigenen–, habe ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Valerie war überzeugt davon, dass es mir gefallen würde, aber ich wollte ihr nicht glauben. Minecraft ? Das war doch so ein Modeding! Warum sollte mir das gefallen? Nun kennt mein Kind mich ziemlich gut und sollte recht behalten. Kaum hatte ich das Spiel installiert, war ich ihm auch schon verfallen. Viele Stunden brachte ich damit zu, eine riesige Burg zu bauen, ein Heckenlabyrinth, einen Leuchtturm und vieles weitere mehr. Ich begab mich unter die Erde und suchte nach Schätzen. Ich kämpfte mit Skeletten und Zombies. Und ich schwärmte auf Facebook davon, wie toll das Spiel doch ist. Als dann mein Verleger an mich herantrat und fragte, ob ich ihm ein Buch zum Thema Minecraft schreiben würde, wehrte ich mich nicht mit Händen und Füßen. Ich war sofort Feuer und Flamme. Nun war ich immer ein schneller Schreiber und davon ausgegangen, dass ich das Buch binnen weniger Monate fertigschreiben würde, doch das Leben funkte mir dazwischen und so dauerte es zweieinhalb Jahre bis zur Fertigstellung. Beim Schreiben wurde ich von den Spielentwicklern überholt, die eine verbesserte Version nach der nächsten herausbrachten. Auf einmal konnte man beide Hände benutzen und Schilde tragen. Neue Kreaturen kamen hinzu, andere wurden verändert. Und ich stand vor einem Problem: Von welcher Version handelt denn nun mein Buch? Die Antwort ist dann doch denkbar einfach: Das Buch beschreibt eine Welt, die der Welt von Minecraft ä hnlich ist. Sie orientiert sich vorwiegend an der Version 1.8, wird aber nicht in allen Punkten damit übereinstimmen. Und das ist auch nicht notwendig. Ich hoffe sehr, dass euch, meine lieben Leser und Leserinnen, das Buch trotz der Abweichungen gefallen wird, und wünsche viel Spaß beim Lesen.

    Inventur

    Alinas Mutter telefonierte und Alina wusste auch, mit wem. Mit Linda. Das war die beste Freundin ihrer Mutter. Sie kannten sich seit Alinas Geburt, denn sie hatten sich im Krankenhaus ein Zimmer geteilt. Lindas Sohn Hannes war am gleichen Tag geboren wie Alina. Manchmal glaubte sie, ihre Mütter hätten damals ausgehandelt, dass ihre Kinder einmal heiraten würden, allerdings waren Hannes und sie eher wie Bruder und Schwester. Hm. Nein, nicht ganz so vertraut, dafür sahen sie einander nicht oft genug. Cousin und Cousine kam ungefähr hin.

    »Vielleicht sind sie schon ein bisschen zu alt für so etwas«, sagte ihre Mutter gerade. Alina war im Flur stehen geblieben, dort, wo sie nicht gesehen werden konnte. Zu alt dafür? Das war neu. Sonst hieß es immer zu jung. Trotzdem hatte Alina eine ungute Ahnung. Sie wusste, was unmittelbar bevorstand: das Wellnesswochenende. Ihre Eltern wollten mit Hannes’ Eltern ein Wochenende in einem Romantikhotel verbringen. Ursprünglich hatten sie über die Köpfe ihrer Kinder hinweg entschieden, dass diese ebenfalls das Wochenende miteinander verbringen würden, weil das ja so praktisch war und sie sich schon so lange kannten und sich doch so mochten. Alina hätte das Wochenende lieber bei ihrer Freundin Marie verbracht, die ausgerechnet an diesem Wochenende selbst zu einem Verwandtenbesuch musste. Im Grunde hatte sie nichts gegen Hannes, sie hatten sich bloß nicht viel zu erzählen. Um ehrlich zu sein, könnten sie gar nicht verschiedener sein. Alina war das, was ihre Mutter ein wildes Mädchen nannte. Sie war Pfadfinderin, ging gern Wandern und trieb sich überhaupt am liebsten draußen in der Natur herum. Und Hannes… tja, der hatte nur seine Computerspiele im Kopf. Den ganzen Tag lang konnte er im abgedunkelten Zimmer vor seiner Kiste sitzen und irgendwelche Ballerspiele zocken. Ein paarmal hatte Alina versucht, ihm dabei zuzusehen, aber er hatte quasi in einer anderen Sprache gesprochen. Sie hatte keine Ahnung, was diese ganzen Begriffe bedeuteten, und nebenbei hatte sie sich zu Tode gelangweilt.

    »Warte mal, Linda… ich glaube… ich glaube, ich werde beobachtet. Ich ruf dich heute Abend noch einmal an.«

    Mist! An ihren Schleichfertigkeiten musste Alina wohl noch arbeiten.

    »Hattest du einen schönen Tag, Mäuschen?«, rief ihre Mutter aus dem Wohnzimmer. Alina streifte die Schuhe ab und ging zu ihr.

    »Klar. Wie immer. Und ich habe dich nicht beobachtet. Nur belauscht. Wofür sind Hannes und ich zu alt?«

    Der Gesichtsausdruck ihrer Mutter war Gold wert. Erwischt!

    »Also jaaaa«, druckste sie herum. »Zum einen zu alt für einen Babysitter. Zum anderen vermutlich noch zu jung, um allein zu bleiben. Aber vielleicht auch schon zu alt um…«

    »Pffffft!«, unterbrach Alina ihre Mutter abfällig, denn sie wusste genau, worauf die hinauswollte. »Also ehrlich, Mutz. Ich mag mich vielleicht –und wenn ich vielleicht sage, dann meine ich vielleicht!– schon für Jungs interessieren, aber ganz sicher nicht für Hannes!«

    Wieder ein Mienenspiel für die Götter. Erleichterung, ein kurzer Schreck, gefolgt von Verwirrung.

    »Also wäre es für dich okay, das Wochenende zusammen mit Hannes zu verbringen?«

    Alina zuckte die Achseln.

    »Okay, trifft es in etwa. Ich bin nicht unbedingt scharf darauf, umbringen wird es mich nicht.«

    Alina trat einen Schritt zurück, als ihre Mutter Anstalten machte, sie zu umarmen. Resigniert ließ Mutz die Arme sinken.

    Zu alt für Umarmungen, kommentierte Alina in Gedanken.

    »Ich bin dann mal in meinem Zimmer und überlege, wie ich dieses Wochenende überlebe, ohne den Tod der lähmenden Langeweile zu sterben. Und wie ich frische Luft in Dosen abfülle, um sie in Hannes’ Zimmer zu bekommen, ohne ein Fenster zu öffnen.«

    Sie huschte aus dem Wohnzimmer, schnappte sich ihren Rucksack aus dem Flur und verschwand in ihrem Zimmer, um sich ihren Waldfundstücken zu widmen. Tannenzapfen, etwas Baumrinde und duftiges Moos. Sie fügte die Fundstücke ihrem Diorama auf der Fensterbank hinzu. Ihr kleines Stück Wald für zu Hause. Sie wohnten am Stadtrand und mit dem Rad brauchte sie ungefähr zehn Minuten, um im Wald zu sein. Hannes wohnte mit seinen Eltern in einem Hochhaus mitten in der Stadt. Alina wäre es lieber gewesen, er wäre für das Wochenende hergekommen. Seine Ausreden kannte sie zur Genüge: kein PC, schlechtes WLAN, Langeweile. Alinas Argumente – kein Wald, viel Verkehr, Lärm und Gedränge– ließ er nicht durchgehen. Allerdings war ein Hannes ohne PC und Internet noch unausstehlicher als ein nerdisch sprechender, zockender Hannes in seinem muffigen Zimmer. Also fügte sich Alina in ihr Schicksal. Sie würde sich auf sein Bett pflanzen und in ein Buch vertiefen. Bücher! Bücher waren eine gute Idee. Sie stellte sich vor ihr Regal, ging die Titel durch und überlegte, welches der Bücher sie noch nicht gelesen hatte oder welches es wert war, ein zweites Mal verschlungen zu werden. Am Ende landeten drei Bücher in ihrer Reisetasche: ein neues, ein angefangenes und ein heiß geliebtes. Sie würde sie nicht alle an einem Wochenende gelesen bekommen, trotzdem war es gut, sie dabeizuhaben. Gleiches traf auf ihre Walkie-Talkies zu. Uralte Handfunkgeräte, die quasi unkaputtbar waren, Unmengen Batterien fraßen, aber für Alina die Welt bedeuteten. Sie wusste, dass Hannes nicht mit ihr funken würde. Sie wusste, dass sie sie vermutlich nicht einmal aus der Tasche nehmen würde, dennoch wollte sie sie dabeihaben. Außerdem nahm sie noch ihr Schweizer Taschenmesser und das silberne Sturmfeuerzeug mit, ohne das sie grundsätzlich nicht aus dem Haus ging und das sie an seinem letzten Weihnachten von ihrem Großvater geschenkt bekommen hatte. Zwei Monate vor seinem Tod. Trotz der Bücher würde es wohl ein sterbenslangweiliges Wochenende werden, nur ohne Sterben. Nein, sie würde es überleben und stärker daraus hervorgehen. Wie nach einer Prüfung. Vielleicht, so dachte sie, sollte sie sich ein Hannes-Abzeichen basteln.

    Minecraft

    Headshot!« Hannes riss die Arme in die Höhe. Yeah! Er hatte einen richtigen Lauf. Die Übung der letzten Wochen hatte sich gelohnt.

    »Hannes!«

    »Sekunde«, rief er zurück. Maaaaaannn, musste seine Mutter gerade jetzt stören, wo er die perfekte Stelle für einen Hinterhalt gefunden hatte?

    »Jetzt!«, trällerte seine Mutter. »Sonst kommt der Router mit ins Wellnesshotel.«

    Oh Shit! »Okay, okay. Ich komme.«

    Er setzte das Headset ab und rollte den Schreibtischstuhl zurück. Hannes sah dem Wochenende mit Alina ebenso zwiegespalten entgegen wie sie. Er mochte Alina. Sie war auf ihre Art und Weise irgendwie cool. Er traute ihr Dinge, die er virtuell tat, im wahren Leben zu, schließlich war sie Pfadfinderin, und im Wald ausgesetzt, würde sie vermutlich besser zurechtkommen als er in einem Einkaufszentrum. Aber das war eben nicht seine Welt. Wenn man einen virtuellen Soldaten durch den Wald hetzte, blieb man selbst im Trockenen. Man lief nicht Gefahr, sich zu verletzen. Man fiel nicht der Länge nach in den Matsch und hatte am nächsten Tag auch noch Muskelkater am ganzen Leib. Nein. Seine Welt war das hier: Schreibtischstuhl, Maus und Tastatur.

    »Kommst du jetzt endlich?«, drängelte seine Mutter. »Du hast deinem Vater versprochen, die Koffer ins Auto zu tragen.«

    Hatte er, aber doch nicht mitten in einem Match! Er loggte sich aus.

    »Ich komm ja schon.«

    Es waren tatsächlich zwei große und verdammt schwere Koffer, die er mit seinem Vater zum Auto schleppte. Hannes fragte sich, was seine Eltern da wohl alles eingepackt hatten. Lief man in einem Wellnesshotel nicht eh den ganzen Tag in einem Bademantel herum? Und sie verreisten nur für ein Wochenende! Oder planten sie etwa, sich mit Alinas Eltern abzusetzen und einfach nicht mehr wiederzukommen?

    Als er nach getaner Arbeit in sein Zimmer huschen wollte, hielt seine Mutter ihn am Ärmel fest.

    »Nichts da. Du bleibst. Die Christiansens werden jeden Augenblick hier sein und ich verlange von dir, dass du vernünftig Hallo und Tschüß sagst. Und du wirst Alina nicht wie eine nervige kleine Schwester behandeln, die eh hier zu Hause ist, sondern der perfekte Gastgeber sein. Haben wir uns verstanden?«

    Hannes rollte die Augen. Als ob Alina darauf Wert legte, dass er den perfekten Gastgeber spielte. Dennoch versprach er es seiner Mutter und dann klingelte es zum Glück bereits an der Wohnungstür. Die Christiansens begrüßten seine Eltern laut und stürmisch, wie er es nicht anders gewohnt war. Und Alina verhielt sich genau wie er– schön aus der Schussweite halten und warten, bis die Umarmerei vorüber war. Sie brachte einfach ihre Tasche in sein Zimmer – so viel zum Thema perfekter Gastgeber und Gast–, knuffte ihm gegen die Schulter und grüßte: »Hi, Hannes!«

    »Hey!«, erwiderte er. »Alles klar?«

    Sie nickte. Jetzt kam der Moment, da sich die Eltern von den Kindern verabschiedeten und dabei ein großes Trara machten. Seid anständig. Esst auch etwas Obst, nicht nur Tiefkühlpizza und Schokolade. Keine Klingelstreiche. WTF? Sie waren vierzehn! Hannes nickte alles ab und ließ es genau wie Alina über sich ergehen. Als die Tür ins Schloss fiel und sich eine herrliche Stille in der Wohnung breitmachte, atmeten sie auf.

    »Puh, das wäre geschafft«, kommentierte Alina.

    »Hoffentlich kommen die nicht noch mal zurück, weil sie was vergessen haben oder so.«

    Alina lachte. »Bei dem, was meine Eltern eingepackt haben, hatte ich das Gefühl, sie hätten das gesamte Haus dabei!«

    »Ach, deine Eltern auch?« Er grinste. Irgendwie fühlte es sich toll an, die Eltern aus der Wohnung zu haben. Alina war eine gute Freundin und angenehm unkompliziert, obwohl sie eben nicht so viel gemein hatten. Aber allein hätte Hannes sich doch ein wenig unwohl gefühlt. »Ach, meine Mutter hat übrigens von mir verlangt, dass ich den perfekten Gastgeber spiele. Also, möchtest du was trinken?«

    »Jo«, antwortete sie und ließ ihn gar nicht erst dazu kommen, den perfekten Gastgeber zu spielen. Sie ging in die Küche und holte sich ihren Apfelsaft selbst. In seinem Zimmer schmiss sie sich ganz selbstverständlich auf sein Bett, während er wieder auf seinem Schreibtischstuhl Platz nahm.

    »Und?«, fragte sie. »Hast du was geplant für das Wochenende?«

    »Du meinst außer Tiefkühlpizza, Schokolade und vielleicht etwas Obst?«

    »Jupp.«

    »Hm.«

    Sein Blick ging zum Monitor, wo ihn eine blinkende Anzeige fragte, ob er dem nächsten Match beitreten wollte. Er schloss das Spiel. Nee, bei einem Ballerspiel musste Alina ihm nicht zusehen. Eventuell hatte er ja sogar etwas in seiner Spielebibliothek, das ihr gefiel.

    »Ich weiß nicht. Wir könnten was zocken. Kennst du Minecraft

    Sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch, und so wie sein Blick eben zum Monitor gegangen war, ging ihrer jetzt zu der Reisetasche, die sie am Boden abgestellt hatte. Vermutlich hatte sie wieder ein paar Bücher dabei.

    »Mine… was?«, fragte sie.

    »Minecraft

    Sie sah nicht begeistert aus, während es für Hannes absolut unvorstellbar war, dass sie noch nicht von dem Spiel gehört hatte. Es gab ja nicht nur das Spiel, auch die Merch-Artikel waren überall. Es gab Minecraft-Plüschtiere, Minecraft-LEGO, Minecraft-Kleidung. Es gab sogar Minecraft-Bücher und Bücher lagen zumindest in Alinas Interessengebiet. Er versuchte, es ihr schmackhaft zu machen: »Eigentlich ist das ein richtiges Pfadfinderspiel. Überleben in der Wildnis und so. Willst du es nicht mal versuchen?«

    Er sah in ihrem Blick, dass sie das Angebot ausschlagen wollte und sich dann einen Ruck gab.

    »Also gut, zeig es mir. Aber im Gegenzug gehen wir nachher raus und funken.«

    Oh Mann, sie hatte ihre Steinzeithandys dabei! Doch noch hatte Hannes Hoffnung, dass ihr das Spiel so gut gefallen würde, dass sie das Rausgehen vergessen würde.

    Dreimal

    auf Holz geklopft

    Hannes startete ein neues Spiel. Alina hatte sich einen der Küchenstühle geholt, saß neben ihm und betrachtete mäßig interessiert den Monitor. Die Grafik war pixelig wie bei einem dieser uralten Computerspiele, von denen ihr Vater immer schwärmte. Alina wusste von Hannes, dass es mittlerweile Spiele gab, die ultrarealistisch aussahen, aber hier war das Pixelige wohl gewollt.

    »Es gibt unterschiedliche Modusse …«

    »Modi«, fiel Alina ihm korrigierend ins Wort.

    »Ja, ja. Also, du kannst im Kreativmodus oder im Überlebensmodus spielen. Im Kreativmodus gibt es keine Hungerleiste und man kann nicht sterben. Dafür kann man zum Beispiel fliegen.«

    »Ach«, machte Alina gelangweilt. »Ist ja suuuuuperrealistisch. Hast du schon mal einen fliegenden Pfadfinder gesehen?«

    Hannes ließ sich nicht beirren. »Im Überlebensmodus musst du regelmäßig essen und auf die Herzanzeige achten. Wenn du aus zu großer Höhe fällst oder von einem Monster angegriffen wirst, verlierst du Herzen.«

    »Monster, ja?«, fragte sie ironisch. Hannes ignorierte sie weiter.

    »Um dich besser zu schützen, kannst du dir eine Rüstung bauen.«

    »Klingt echt total nach Pfadfindern!«

    »Eine Rüstung kann aus Leder, Eisen, Gold oder Diamanten bestehen. Außerdem gibt es eine Kettenrüstung, die jedoch nicht gecraftet werden kann. Die kann man nur finden.«

    Alina verkniff sich einen Kommentar über eine Rüstung aus Diamanten. Hannes’ Spielfigur stand auf einer grünen Wiese. Über den blauen Himmel zogen kastenförmige Wolken. Überhaupt war alles mit Ausnahme der Schatten eckig. Trotzdem konnte man die Landschaft erkennen und durchaus als schön bezeichnen. Da wuchsen hohe Bäume mit eckigen Stämmen. Bunte Pixelblumen, die an Mohn, Tulpen und Löwenzahn erinnerten, verzierten die Wiese. Rechts von Hannes war ein See, auf dem Seerosenblätter schwammen und in dem Hühner badeten. Links von ihm erhob sich ein Berg, zunächst bewaldet, dann steinern und an der Spitze mit Schnee bedeckt. Am unteren Bildschirmrand waren verschiedene Anzeigen. Alina sah die beschriebenen Herzen und kleine Fleischkeulen, die vermutlich die Hungeranzeige darstellen sollten. Darunter war ein grauer Balken mit neun Feldern.

    »Das ist ein Teil meines Inventars«, erläuterte Hannes. »Die sogenannte Schnellzugriffleiste. Noch ist sie leer, weil wir ja gerade erst begonnen haben. Das eigentliche Inventar ist größer und man kann jede Menge Zeug hineintun.«

    »Wie in einen Rucksack«, vermutete Alina.

    »Richtig. Und der Schnellzugriff ist so etwas wie die Hosentasche oder ein Werkzeuggürtel. So was in der Art. Am wichtigsten ist es zunächst einmal, einen Unterschlupf zu bauen.«

    Das leuchtete Alina ein. Schutz vor wilden Tieren, Kälte und Nässe.

    »Ein Tag ist dreizehn Minuten lang, gefolgt von einer siebenminütigen Nacht. Und komm mir jetzt nicht mit Realismus. Achtzehn Stunden lang Tageslicht wären bei so einem Spiel echt langweilig.«

    Erneut schluckte Alina einen Kommentar herunter. Bisher fand sie das Spiel alles andere als spannend.

    »Im Dunkeln spawnen Monster. Zombies, Skelette, Spinnen, Hexen, Creeper und Endermen.«

    Sie hätte fragen können, was Creeper und Endermen waren – unter Zombies, Skeletten, Spinnen und Hexen konnte sie sich natürlich etwas vorstellen, auch wenn ihre Vorstellung vielleicht nicht der Minecraft-Version entsprach –, aber sie war sicher, dass Hannes es ihr erzählen würde. Ziemlich sicher, denn er sprach schon weiter: »Daher brauchst du in deinem Unterschlupf eine Lichtquelle. Du kannst im Grunde alles, was du brauchst, selbst herstellen, wenn du die entsprechenden Rohstoffe findest. Wir werden erst mal einen Baum fällen und eine Werkbank bauen.«

    Die Spielfigur begann, auf einen Baumstamm einzuschlagen.

    »Mit der bloßen Hand?«, rief Alina entsetzt.

    »Na ja, eine Axt haben wir noch nicht. Die müssen wir erst bauen.«

    Alina schüttelte den Kopf.

    »Weißt du was? Ich nehme dich nächstes Wochenende mal mit in den Wald und da zeigst du mir, wie du mit der bloßen Hand einen Baum fällst.«

    Hannes lachte. »Ich könnte nicht einmal mit einer Axt oder einer Kettensäge einen Baum fällen. Das weißt du doch, oder?«

    »Japp. Ist mir bewusst.«

    Sie stimmte in sein Lachen mit ein. Zumindest da war er realistisch. Das erste Segment des Baumstammes zerfiel unter der beständig zuschlagenden Hand von Hannes’ Spielfigur. Ein kleiner Holzwürfel landete mit einem leisen Plopp in der Schnellzugriffleiste. Hannes fuhr damit fort, auf den restlichen Baumstamm einzuschlagen, bis nichts mehr außer dem Laub übrig war und sich vier Holzwürfel in seinem Inventar befanden. Das Laub, ebenfalls würfelförmig, schwebte in der Luft und wurde langsam lichter.

    »Wenn der Stamm weg ist, despawnt das Laub und hinterlässt Setzlinge oder manchmal sogar einen Apfel.«

    Alina konnte auf dem Monitor lesen, dass es sich um Eichenholz handelte, doch sie behielt den Kommentar, dass Äpfel nicht auf Eichen wuchsen, für sich. Außerdem wusste sie nicht zu 100 Prozent, was Hannes mit »despawnt« meinte, nahm jedoch an, dass das Laub verschwinden würde. Tatsächlich schwebten nun einige Miniaturausgaben des ursprünglichen Baumes über dem Boden – vermutlich die Setzlinge – und Hannes sammelte sie ein.

    »Die Setzlinge kannst du einpflanzen, aber das ist erst mal nicht so wichtig. Wir öffnen einmal unser Inventar und verwandeln unsere Holzblöcke in Holzbretter.«

    Ein Holzblock ergab vier Holzbretter, was Alina angemessen erschien. Allerdings geschah erneut alles ohne Werkzeug und viel zu schnell. Sie hatte einmal mit einer Kreissäge, unter Aufsicht, aus einem Baumstamm Bretter geschnitten. Das war nicht nur verdammt anstrengend, sondern auch staubig und gefährlich. Alina zumindest hatte vor einer Kreissäge gehörigen Respekt. Da war ihr ihre kleine Laubsäge lieber. All diese Gedanken behielt sie für sich und sah schweigend zu, wie Hannes aus vier Holzbrettern eine Werkbank herstellte und auf der Wiese platzierte. Die sogenannte Werkbank war nichts weiter als ein bemalter Holzblock mit Linien darauf und nicht zu vergleichen mit Alinas Werkbank im heimischen Schuppen, wo man Holzteile einklemmen oder mit Schraubzwingen befestigen konnte. Aber nein, sie behielt es für sich. Sie wollte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1