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Todessound
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eBook370 Seiten5 Stunden

Todessound

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Über dieses E-Book

Weihnachten 1970 bringt für die Bewohner des kleinen Dorfes in der Nähe von Krems unangenehme Überraschungen: heftige Schneefälle und starken, tagelangen Wind. Obendrein ein Rudel von Wölfen. Die Bewohner sind nach der Hilfe der Amerikaner, die einen Krieg verhindert haben, wieder in einen Dämmerschlaf versunken und schenken der Meldung zunächst keinen Glauben, doch die Wölfe dezimieren schon bald die Schafe der Bauern und niemand traut sich mehr auf die Straße. Die Jäger versuchen erfolglos, die Wölfe in der Eiseskälte zur Strecke zu bringen. Doch auch der KGB hat starkes Interesse an diesen Tieren, die über den Todesstreifen des Eisernen Vorhanges nach Niederösterreich entkommen sind. Die Amerikaner, die lange vergeblich versucht haben, Wölfe für den Kriegseinsatz zu trainieren, haben dabei keinen Erfolg gehabt, nun aber werden Agenten der CIA nach Österreich geschickt, um dieser Tiere habhaft zu werden. David und Samuel sind die ersten Leute der CIA, die noch bei schönem Wetter zu Elli geschickt werden. Ein nicht vorhersehbarer Wettersturz bringt Sturm und Schneeverwehungen. Schnell begreift Elli, dass es bei der Sache wieder um einen militärischen Einsatz geht. Den Amerikanern gelingt es schließlich, die Wölfe einzufangen. Einer muss bei Elli gesund gepflegt werden. Ihr Kontakt zur CIA und ihre Pflege des Wolfes bewirken eine Einladung aus Washington, mit der CIA offiziell zusammen zu arbeiten. Das ist aber keineswegs in Ellis Sinne. Sie will endlich ein friedvolles Leben führen. Es kommt aber anders…
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Nov. 2018
ISBN9783746995083
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    Buchvorschau

    Todessound - Roman Moore

    Kapitel 1

    Die langen Wochen, in denen der Nebel das Leben erschwerte und einen längeren Aufenthalt im Freien ungemütlich gestaltete, waren endgültig vorbei. Eine trockene, aber kalte Wetterperiode hatte diese Tage abgelöst. Im Haupthaus waren alle neuen Fenster mit doppelter Verglasung versehen worden. Dazu gab es elektrisch zu bedienende Rollos. Doch einige Fenster, die sich direkt auf den Innenhof richteten, waren mit aus Holz gefertigten Fensterläden ausgestattet worden. Es war ein Anliegen von Elli gewesen. Die aus Kunststoff gefertigten Rollos konnten wohl hochgefahren und jederzeit gestoppt werden, nicht aber eine Fensterhälfte in der Form bedecken, wie sie es wollte. Dazu waren ihr die aus Holz gefertigten Fensterläden vertrauter. Bei starker Sonneneinstrahlung schwenkte sie die Flügel teilweise zu, wie es ihr gefiel. Licht gab es dann genug in den Zimmern. Besonders in dem einen Zimmer, das nun verschiedene Funktionen einnahm. Bibliothek, Büro und auch ein Raum, um sich dort zurückziehen zu können und ungestört zu sein. Dieser Umbau, der noch vor dem Einsetzen der kalten Jahreszeit stattgefunden hatte, war auch von Franz begrüßt worden.

    Warum habe ich in all diesen Jahren nicht daran gedacht und mir mein Leben und das von Elli so schwergemacht, kamen ihm immer wieder seine Gedanken. Froh war er, dass Elli den Hof übernommen hatte. Er musste sich nun nicht mehr um alles kümmern. Die Amerikaner, die noch vor wenigen Wochen auf diesem Gehöft stationiert gewesen waren, hatten Elli in kurzer Zeit eine selbstbewusste Frau werden lassen. Ihrem Einfluss hatte sie es zu verdanken über sich hinauszuwachsen und allen Belastungen gerecht zu werden. Die Tage der Angst, wohin sie gehen sollte, wenn Franz eines Tages nicht mehr leben würde, waren noch nicht vergessen. Auch nicht die überstandenen Kampfhandlungen, die das Gehöft nahezu zerstört hatten.

    Elli sass in ihrem Büro und bemühte sich für Andreas einen Pullover zu stricken. Es sollte ihre persönliche Weihnachtsüberraschung für Andreas werden. Einfacher wäre es gewesen, einen zu kaufen. In Krems waren ihr viele Strickwaren in den Schaufenstern aufgefallen. Aber in Krems war ihr auch der Gedanke gekommen, diesen Pullover selbst anzufertigen. Dort, wo sie die Wolle gekauft hatte, fand sie auch Anleitungen. Damit, sowie dem freundlichen Hinweis der Verkäuferin, andere Kundinnen haben ebenfalls einmal beginnen müssen, war Elli überzeugt, es würde auch ihr gelingen. Immerhin hatte sie den Umgang mit Waffen erlernt, alle Kampfhandlungen nahezu unbehelligt überstanden und nun auch den großen Bauernhof übernommen. Daran hatte sie in all diesen Jahren nie gedacht. Aber ihre erste Strickarbeit erwies sich keineswegs so einfach, wie es sie sich vorgestellt hatte. Als Vorlage diente ein alter völlig abgetragener Pullover von Andreas, den sie von seinen Eltern ausgeliehen hatte. Nichts hatte sie ihnen darüber erzählt, wie der neue Pullover aussehen und wer ihn anfertigen wird. Vorder- und Rückteil, das war ihr sehr rasch gelungen. Die Ärmel mussten immer wieder neu begonnen werden. Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit so sehr, dass es ihr entging, wie die Katze die Wollknäuel aus dem Korb zu ihren Füssen entfernte und sie im Zimmer aufrollte. Andreas hatte lange vor Beginn der Kampfhandlungen dazu beigetragen ihr und das Leben der anderen zu bewahren. Somit war es nicht nur ein Weihnachtsgeschenk, es war ein Dankesagen. Dazu von ihr, die niemals das Stricken erlernt hatte. Es musstet gelingen. Auch das Läuten des Telefons nahm sie nicht wahr. Es befand sich in einem der Zimmer nebenan. Alle Türen waren einen Spalt offen. Franz hörte nichts. Die Sportübertragung war sehr laut und das Fußballspiel interessierte ihn mehr als alles andere.

    Plötzlich schreckte sie auf und lief zum Telefon. Es war der Pfarrer. »Ist es zu spät, um auf einen Sprung vorbeizukommen?«

    »Ist es so dringend?«

    »Ja«

    »Bitte, kommen Sie«

    Elli war irritiert. Es musste etwas nicht Vorhersehbares eingetreten sein. Immerhin war es später Nachmittag und es begann dunkel zu werden. Kaum hatte sie die Fensterläden geschlossen und die Stehlampe angeknipst, läutete es am Tor. Elli schlüpfte in einen Umhang und ging zur Pforte. Die Flutlichtstrahler leuchteten den Hof taghell aus und dem Pfarrer ins Gesicht. Sie bat ihn in die Stube zu kommen. Das wollte er aber nicht.

    »Snowman hat mich vor wenigen Minuten angerufen.«

    »Er hat sich erkundigt, wie es Dir und Franz geht. Er wollte auch wissen, wie die Reparaturarbeiten bei den Häusern verlaufen«

    »Hat er irgendetwas über Matthew und John gesagt? Seit ihrer Abreise gab es weder ein Telefongespräch, noch einen Brief«

    »Nichts hat er mitgeteilt. Ich glaube aber, es wird bald eine Überraschung geben.«

    Damit hatte der Pfarrer alles gesagt, wünschte einen schönen Abend und ging. Elli war beunruhigt. Warum hat er nicht bei ihr angerufen. Bin ich den Leuten in Washington so fremd? Die letzten Wochen waren hart genug gewesen. Den Nachbarn war sie beigestanden, ihre Beschädigungen reparieren zu lassen. Die kleinen Häuschen hatten noch ein Dach bekommen. Der Rohbau war bei allen abgeschlossen aber nur eines war bezugsfertig geworden. Die Außendämmung an der Grundgrenze war durchgeführt worden. Sie hatte die Nachbarn überreden können und diese hatten ein Einsehen gehabt. Die Baulichkeiten standen exakt an der Grundgrenze und die Dämmung ragte in das Gebiet der Nachbarn hinein. Der Stacheldrahtverhau auf der neuen Mauer Richtung Wald, den die Amerikaner noch angebracht hatten, den durfte Elli behalten. Darüber hatte es heftige Diskussionen im Rathaus gegeben. Ihre Argumente, mit einem alten Mann alleine in diesem Gehöft zu wohnen, das sollte man überdenken.

    »Falls man unbedingt an einer Demontage interessiert wäre, müsste sich die Behörde mit einem eventuellen Eindringling auseinandersetzen, der von ihr mit der Schusswaffe Treffer abbekommen würde. An der Pforte gäbe es eine Glocke. Alle friedliebenden Menschen würden sich dort anmelden.«

    Da ihr Schießkunst bekannt war, gab es daraufhin keine weiteren Kommentare. Das Zimmer für Tamara, Matthews Schwester befand sich nun in einem sehr behaglichen Zustand. So konnte sie kommen, wann immer sie wollte. Das eigene Bad, wie sie es sich vorgestellt hatte, das musste bis zum Frühjahr warten. Aber in der alten Dusche war nun eine Heizung. Was Elli fehlte, war ein Gedankenaustausch. Franz, der sie als Kind aufgenommen und der ihr auch den Hof überschrieben hatte, war nun froh, sich um nichts mehr kümmern zu müssen. Marie, die Winzerin, die ihr die Hilfskraft für das Haupthaus vermittelt hatte, wohnte nicht im Dorf. Elli besaß nun das Auto, mit dem die Amerikaner unterwegs gewesen waren. Zu Marie zu fahren, das erforderte Zeit. Wegen jeder Kleinigkeit zu Marie zu fahren, wollte Elli nicht. Es gab vieles, woran Elli dachte. Notwendig wäre es gewesen, darüber zu einem Menschen zu sprechen, der die Angelegenheit nicht aus der Sicht eines Landwirtes betrachten würde.

    Alles war erfolgreich verpachtet worden. Wozu alles behalten? Das war nur eine der vielen offenen Fragen. In den letzten Wochen hatte Elli wenig Zeit für sich gehabt. Nun wollte sie aber mehr Ruhe und die französische Sprache, die sie als Kind beherrscht hatte, auffrischen. Tamara schickte ihr regelmäßig Paris Match. Vieles verstand sie nicht. Mit einem Wörterbuch konnte sie aber den Sinn verfolgen. Die Haushaltshilfe, die war nicht nur eine Hilfe. Auf sie konnte sich Elli verlassen. Fallweise brachte die junge Dame Vorschläge ein, die Elli sehr gefielen und die von ihr akzeptiert wurden. Elli war auch überredet worden, dem Jagdverein beizutreten. Doch beim Preisschießen hielt sie sich zurück. Sollen doch andere die Pokale nach Hause tragen. Im eigenen Keller trainierte sie aber regelmäßig, was ihr Matthew und John beigebracht hatten. Nicht umsonst habe ich es gelernt mein und das Leben anderer zu verteidigen, waren immer wieder ihre Gedanken.

    Nachdem der Pfarrer gegangen war, verstaute sie ihre Strickarbeit und bereitete das Abendessen vor. Franz wollte nach dem Essen noch einen Kriminalfilm ansehen.

    »Möchtest Du Dir diesen Film auch ansehen?«

    »Nein danke, ich muss noch eine andere Arbeit fertigstellen.«

    Ihre Gedanken waren bei der Strickarbeit des Pullovers. Davon sollte aber auch Franz nichts wissen. Auch für ihn wird es eine Überraschung sein. Ihre Gedanken waren dadurch abgelenkt und das Gespräch mit dem Pfarrer bald vergessen.

    Während sie sich wieder der mühevollen Strickerei widmete, läutete das Telefon.

    »Hi« ertönte eine unbekannte Stimme. »Opa kommt«

    Ein Klicken und die Leitung war unterbrochen worden. Am Display erkannte sie die Nummer aus Deutschland. Es irritierte sie ein wenig. Aber sie begann sich zu freuen. Müde ging sie zu Bett und fiel in einen tiefen Schlaf. Viele Träume begleiteten diesen. Am Morgen konnte sie sich an keinen mehr erinnern.

    Kapitel 2

    Sie wird ein solches Telefon noch schätzen lernen, hatte ihr Robert einst geraten. Billig war das Gerät nicht gewesen. Nun war sie die Einzige im Dorf, die einen solchen Apparat Wohnzimmer stehen hatte. Allmählich gewöhnte sich auch Franz an diese Technik und war damit zufrieden. Es bereitete ihm Vergnügen, die Nummer des Anrufers zu erkennen. Das ehemalige Telefon hatte seinen Platz im Keller gefunden. Es fiel ihr ein, am Tor hätte schon lange eine camera montiert sein sollen. Damit konnte man im Haus erkennen, wer davorstand. Immer wieder war gerade diese Montage verschoben worden. Der gestrige Anrufer hatte nur auf David hingewiesen. Ob er alleine oder in Begleitung kommen wird, war ungewiss. Ebenso der Zeitpunkt seines Kommens.

    Kaum in die Küche zurückgekehrt, meldete das Radio überaus starke Sturmböen in Deutschland. Ebenso heftige Schneefälle. Auf einer Autobahn im Raum Hamburg war der Verkehr zum Erliegen gekommen. Ein Lastwagen war mit seinem Anhänger von den Sturmböen erfasst und umgekippt worden. Die Fahrbahnen waren nun blockiert und nachfolgender Verkehr hatte binnen nur wenigen Minuten einen kilometerlangen Stau verursacht. Auf anderen Straßenabschnitten kamen die Schneepflüge nicht weiter, da vor ihnen PKW und LKW ineinander verkeilt, die Fahrbahnen blockierten. In Frankfurt am Main wurden Flüge gestrichen und der Flugverkehr umgeleitet. Als Elli aus dem Fenster blickte, näherte sich ein graues Wolkenband. Das Fensterthermometer zeigte um 11 Uhr am Vormittag plus ein Grad an. Während sie zum Keller unterwegs war, eine Flasche für den Mittagstisch zu holen, setzte ein Flockenwirbel ein. Doch dieser hielt keineswegs an. Die Sonne lachte wieder. Ihr Auto stand Seite an Seite mit dem neuen Traktor in einem neu errichteten Schuppen. Beide Fahrzeuge waren gegen die Unbilden des Wetters geschützt. Während der Zubereitung des Mittagessens setzte wieder ein Flockenwirbel ein. Dieser hielt an. Das Thermometer meldete nun minus zwei Grad. Auf der Beaufortskala konnte sie Windstärke vier erkennen. Das Messgerät war noch von einem der Amerikaner am First montiert und eine Fernleitung ins Wohnzimmer verlegt worden. Das ermöglichte die Windgeschwindigkeit zu erkennen. Es dauerte einige Zeit bis die Flocken liegen lieben. Die nur kurze Sonneneinstrahlung hatte nicht ausgereicht, sie zum Schmelzen zu bringen. Es waren zu viele.

    Beim Kellerabgang gab es eine Überdachung. Dort konnte man einen Schirm aufspannen. Unter dem nun herrschenden Wetter war dies zu vergessen. Für heute und morgen habe ich alles in dem Raum neben der Küche, waren ihre Gedanken. Hoffentlich kommen die bestellten Waren am Nachmittag, während sie die Suppe servierte. Franz hatte keine Lust die gemütliche Wohnung zu verlassen. Am NachMittag wollte er sich einen Film ansehen. Die Nachrichten über den Sturm und einer zehn Zentimeter hohen Schneedecke, die ständig wuchs, hatten ihn überzeugt, nicht das Freie aufzusuchen. Franz sass vergnügt vor dem Fernseher und Elli wartete gespannt auf ihre Bestellung.

    Plötzlich läutete es. Sie nahm den Umhang und ging zum Tor. Der kleine LKW war mit Schnee bedeckt. Elli begrüßte die Männer und bat sie bis zum Kellerabgang zu fahren. Nachdem alles gelagert worden war, vermisste sie den Champagner Dom Perignon.

    »Der war schon ausverkauft«

    »Möchten Sie noch auf eine Tasse Kaffee oder Tee verbleiben?«.

    »Vielen herzlichen Dank, sicherlich dann im Frühjahr, heute war es schwer genug durchzukommen. Wir sind einer Schneeräumung nachgefahren. Auf dieser kleinen Bundesstraße haben wir einige liegengebliebene Fahrzeuge erkennen können. Hoffentlich kommen wir wieder aus dieser Einöde hinaus. An einen Sturm und Schneefall wie diesen, daran können wir uns nicht erinnern.«

    Der Fahrer hatte schon den Motor wieder gestartet und fuhr zum Tor. Im Anrollen wünschte er noch schöne Weihnachten und bedankte sich für das Trinkgeld. Elli schloss das Tor. Zumindest habe ich einige andere Flaschen Champagner, kamen ihr die Gedanken, als sie zum Haus ging. Es setzte ein heftiger Schneefall ein. In den nur wenigen Metern bis zum Haus wurde sie über und über mit Schnee bedeckt. Hoffentlich kommen sie gut nach Krems zurück. Den Schneeschieber und den Besen für den Hof nahm sie ins Haus. Ihre Gedanken begleiteten aber nicht nur die Lieferanten auf ihrer Heimfahrt. Auch David fiel ihr ein. Ist er jetzt bei diesem Wetter unterwegs? Die Rollos wurden heruntergelassen. Elli ging in ihr Zimmer und widmete sich der Buchhaltung. Zwei Stunden später öffnete sie nochmals die Eingangstüre. Die Strahler tauchten den Hof in ein gespenstisches Licht. Die Schneedecke war nun hoch genug, um die beiden Stufen in den Hof verschwinden zu lassen. Der starke Wind heulte und trieb ihr die Flocken ins Gesicht und einige davon auch ins Haus.

    Die Mauer am Ende des Hofes war nicht mehr zu erkennen. Wer nun mit dem Auto unterwegs war, der war den Unbilden der Natur ausgesetzt. Wenn es nicht ein besonders starkes Fahrzeug war, welches auch im Gelände seinen Weg finden konnte, wird es hängenbleiben. Die Stromleitungen schaukelten. Der Schnee konnte auf ihnen nicht liegenbleiben.

    »Wenn die Leitungen unzerstört bleiben, werden wir Strom haben« hörte Elli Franz, der zur Tür gekommen war. »Ich habe noch Kerzen und Petroleum im Keller. Notfalls müssen wir uns damit begnügen. Die Petroleumlampen werden mit Staub bedeckt sein. Sicherlich besser als nichts.«

    Elli schloss die Türe. Es war ihr mulmig zu Mute. Franz war trotz seines Alters auch auf alle Notfälle bedacht gewesen. Kerzen hatte sie keine im Haus und auch keine bestellt. Sie ging und lud die Akkus der Taschenlampen auf. Wenn ich in den Keller muss, dann mit Licht. Franz wird sicherlich nicht die Kerzen holen. Ein Blick auf das Thermometer und die Beaufortskala belehrte sie mit minus drei Grad unter Null und Windstärke sieben.

    »Hätte ich die Türe nicht mit Gewalt festgehalten. Sie wäre mir aus der Hand gerissen worden«. »Du erlebst nun einen nie da gewesenen Wintersturm. Gott sei den armen Teufeln gnädig, die nun auf den Straßen unterwegs sind. Selbst in den Kriegsjahren habe ich das nicht erlebt.«

    Franz sass in seinem Lehnstuhl und seine Gedanken waren weit weg. Den Fernseher hatte er ausgeschaltet. Leise tickte die Uhr. Ab und zu flackerte die elektrische Beleuchtung. Elli getraute sich nicht, Franz in seinen Gedanken zu stören. Leise ging sie in ihr Zimmer. Plötzlich überfiel sie jene Einsamkeit und Verzweiflung, von der sie geglaubt hatte, entronnen zu sein.

    Kapitel 3

    David war mit Samuel schon seit Stunden unterwegs. Sie hatten einen neuen Geländewagen bekommen. Ihre Ausrüstung war für alle nur erdenkliche Fälle vorgesehen. Es war einer jener Fahrzeuge, mit denen man unbedenklich auch in der Wildnis einige Tage überleben konnte. Deutschland lag weit hinter ihnen. Unterwegs waren sie in jenes Dorf, wo Elli wohnte. In der Umgebung von Linz zeigte das Display:

    »Heftiger Schneesturm im Raum St. Pölten. Minus 10 Grad Celsius Temperatur fallend. Wölfe aus Polen über die CSSR Richtung Österreich unterwegs«.

    Bisher gab es nur einen starken Seitenwind. Der schwere Jeep bekam fallweise einen starken Windstoß ab, hielt aber die Spur. Der plötzlich einsetzende Flockentanz beeinträchtigte die Sicht. Mit einem ruhigen, bequemen Fahren auf trockenem Untergrund war es endgültig vorbei. Die Außentemperatur näherte sich 0. Noch vor einer halben Stunde hatten sie 10 Grad +.

    »In dieser Gegend hat es nie einen Blizzard gegeben. Aber diese Entwicklung gefällt mir nicht« meinte David, der lenkte.

    »Bisher konnten wir kleineren Fahrzeugen ausweichen, die der Sturm von ihrer Fahrspur auf die Überholspur getrieben hatte. Für uns ein Glück, keines ist am Dach liegen geblieben.«

    David wollte wissen, was Samuel am Display gelesen hatte. Er teilte es ihm mit und setzte fort:

    »Die Russen werden uns doch nicht zur Begrüßung Wölfe schicken. Vermutlich sind sie irgendwo ausgebrochen und nun Richtung Süden unterwegs. Möchte nur wissen, wie sie es über den Todesstreifen geschafft haben. Oder sie wurden heimlich über jene wenigen Übergangsstellen des Eisernen Vorhanges transportiert und in Österreich freigesetzt. Welchen Sinn soll das ergeben?«

    David sagte nichts. Er hatte andere Informationen erhalten. Einen Teil kannte er schon. Die anderen waren in einem versiegelten Umschlag, den er in seiner Jacke trug. Den zu öffnen, das musste bald geschehen. Anderenfalls würden sie sich von selbst vernichten.

    »Wenn wir Ketten anlegen müssen, wird einer von uns mit ungesichertem Gewehr danebenstehen. Keineswegs aber die Tiere töten.« verkündete David.

    »Ich dachte wir sind auf Weihnachtsurlaub«

    »Das sind wir auch. Und wenn wir schon davon sprechen, kennst Du unseren Auftrag?«

    »Nein«

    »Mindestens einen der Wölfe einfangen und wohlbehalten nach Deutschland transportieren«.

    Samuel blieb vor Erstaunen der Mund offen. Er glaubte zu träumen.

    »Ich habe es nicht verdient mit solch witzigen Bemerkungen konfrontiert zu werden.«

    »Es ist kein Witz. Es ist die bittere Wahrheit. Es ist ein Befehl.«

    Das musste Samuel überdenken. Die überstürzte Abreise. Der neue Jeep. All diese Ausrüstungsgegenstände. Und das fröhliche Lächeln des Kommandanten bei der Abfahrt. Samuel dämmerte es allmählich. Er war David mitgegeben worden, um unter der Bezeichnung eines Weihnachtsurlaubes ein offensichtlich nicht ungefährliches Top-Secret Unternehmen durchzuführen. In der Kaserne war darüber nichts bekannt geworden. Der erst vor wenigen Tagen eingeflogene neue Jeep, dem schenkte man keine große Beachtung. Laufend kam immer wieder eine unbekannte Ausrüstung. Samuel und David gewährte man nur kurze Zeit, um mit der Technik dieses Fahrzeuges vertraut zu werden. Dazu ein dickes Manual-Book. Der starke Schneefall bewirkte bereits eine zwanzig Zentimeter hohe Bedeckung der Fahrbahn. Die dreißig Zoll hohen Räder hatten damit kein Problem. Dennoch verringerte David das Tempo. Bald holten sie vorausfahrende Schneepflüge ein. David blieb hinter ihnen.

    »Wenn die Russen Wölfe geschickt haben, wurde das Wetter auch von ihnen manipuliert?«

    »Durchaus möglich, der Wintersturm, einem Blizzard nicht unähnlich könnte eine Begleitung der Tiere sein.«

    »Was ist Besonderes an den Wölfen?«

    »Sie tragen einen Chip, damit sie gefunden werden können. Sie wurden an Menschen gewöhnt und sie sind fähig, schwere Waffen zu finden.«

    »Wo sollen sich diese Waffen befinden?«

    »In der Nähe jenes Dorfes, wo Elli wohnt. Versuche in der USA, Wölfe zu trainieren, wie es die Russen geschafft haben, sind bisher erfolglos geblieben.«

    »Wenn wir auf diese Tiere stoßen, woher weiß der Wolf, mich in Ruhe zu lassen. Meine Sprachkenntnisse in Russisch sind sehr gering.«

    »Es bleibt uns überlassen, mit ihnen zu kommunizieren«. »Nette Aussichten«.

    Ab und zu stand am rechten Fahrbahnrand ein liegengebliebenes Fahrzeug über und über mit Schnee bedeckt. Als sie endlich von der Autobahn abfuhren und zu der Landstraße kamen, die zum Dorf führte, war die Fahrbahn gerade geräumt worden.

    Nicht lange und der Schneefall hatte diese wieder bedeckt. David blieb vorsichtig. Keine vorausfahrenden Fahrzeuge und auch kein Hinweis, wie die Straße verlief. Ein eventueller Schneefall war nicht vor Ende Jänner erwartet worden. Schneestangen gab es keine. Bei den Bäumen war die Straße frei, aber es bildeten sich Wechten. Vermutlich war das Räumfahrzeug auf eine andere Straße gefahren. Die Wechten wurden größer und es gab viel mehr Schnee auf der Fahrbahn. Plötzlich war an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken. Eine riesige Wechte ragte vom rechten Fahrbahnrand bis in die Mitte der Straße. Sicherlich war darunter eines der Autos, die der Fahrer stehengelassen hatte. Im Scheinwerferlicht war aber deutlich noch der Rand der Wechte auf der linken Fahrbahnhälfte zu erkennen. Dort hatte sie eine Höhe von sechzig Zentimeter erreicht. Und sie wuchs. Der Sturm trieb den Schnee vom Acker auf die Wechte. David hielt an.

    »Wir könnten versuchen unter Zuhilfenahme der Seilwinde auf der linken Seite dieses Hindernis hinter uns zu lassen. Würdest Du bitte das Seil an dem weit entfernten Baum festmachen.«

    Samuel zog sich seine outdoorjacke an und kletterte aus dem Jeep. Der Sturm war zu stark, kaum konnte er sich auf den Beinen halten. Gerade hier blies es kräftig. Dazu kam die niedrige Temperatur. Im Jeep hatten sie gemütliche zwanzig Grad plus. Und draußen gab es minus dreizehn, den Wind und den Schnee. Trotz der warmen Kleidung und den Fellhandschuhen verfluchte Samuel dieses Ansinnen noch im Nachhinein. Wenn sie aber ankommen wollten, musste einer das Seil an den starken Baum befestigen. Und der andere sollte versuchen den Jeep nicht in den Graben zu fahren. Er saß im Warmen, aber es war trotz aller Technik kein einfaches Manöver. David schaltete auf den niedrigsten Gang und Allrad. Langsam wühlten sich die Räder durch die Wechte. David war sich nicht sicher ob der Randstreifen neben der Fahrbahn breit und fest genug war, dieses tonnenschwere Fahrzeug passieren zu lassen. Es gelang. Er stand wieder auf der Fahrbahn, die hier vom Wind freigefegt war. Samuel löste das Seil. Langsam wurde es aufgewickelt. Rasch kam er wieder in die Kabine. »Hier möchte ich nicht liegen bleiben.«

    während er sich die Hände rieb. Das Seil hatte er mit den klammen Händen noch fixiert. Das Fahrzeug stand nun auf einem Straßenabschnitt, auf dem kein Schnee lag. Dort hatte der Sturm allen Schnee hinweggefegt. Der Jeep stand schräg zur Fahrbahn. So konnten sie die riesige Schneewechte von der anderen Seite besser in Augenschein nehmen. Teile eines Kleinlasters waren zu erkennen. Aber nicht der Fahrer.

    »Ich werde nachsehen, ob noch jemand im Wagen ist.«

    Damit stieg Samuel nochmals aus dem Jeep. Wie in einer Windhose wurde der Schnee auf die Wechte getragen. Aber stärker auf jene Seite, der sie sich vorher genähert hatten. Dorthin, wo nun Samuel ging, gab es weniger aufgewirbelten Schnee. Der Wind trieb ihm dennoch den Schnee ins Gesicht. Tränenden Auges erreichte er den Kleinlaster. In der Kabine konnte er keinen Menschen erkennen. Somit kehrte er schleunigst um. Die Spuren, die der Jeep hinterlassen hatte, waren bereits wieder zugeweht. Zurück im Jeep meinte Samuel vergnügt:

    »Zum Glück keine Wölfe«. »Einer stand nur zehn Meter neben der Wechte und betrachtete Dich neugierig. Vielleicht wollte er wissen, ob Du nun in den LKW hineinklettern wolltest«. »Das gibt es nicht, ich habe keinen gesehen«

    »Doch, so rasch wie er gekommen war, so rasch war er wieder verschwunden«. »Und Du hast nichts dagegen unternommen?«

    »Nein, dieser Wolf hat nun Deine Witterung. Die Wölfe haben sicherlich schon Fressbares gefunden. Und an Menschen gewöhnt, kein Interesse, Dir ein Leid zuzufügen.«

    »Ich glaube es nicht. Ich konnte aber mit den tränenden Augen nur wenig erkennen. Das nächste Mal kletterst Du aus dem Jeep.«

    »Einverstanden, weit bis zum Dorf ist es ohnehin nicht. Es wird so sein, wie ich es erfahren habe. Die Wölfe wurden trainiert, Waffen ausfindig zu machen. Wir transportieren genug Waffen aller Art. Vielleicht folgen sie uns schon einige Zeit. Das konnten wir aber nicht erkennen. «

    »Du sprichst mit Hochachtung über diese Tiere. Mir scheint, Du magst sie.«

    »Das ist richtig. Sie haben mir das Leben gerettet. Das konnte ohnehin kein Mensch glauben. Damals im Eismeer, der Pilot kam nicht rechtzeitig aus dem Flugzeug heraus. Er fand sein Grab in der See. Ich war abgesprungen und trieb in einem kleinen Boot. Als ich endlich Land unter meinen Füssen hatte, war ich zu erschöpft um mit dem Funkgerät Verbindung aufzunehmen. Ein Schneesturm brach los. Dagegen ist das, was wir hier erleben ein Lüftchen. Weit kam ich nicht. Zusammengebrochen habe ich das Bewusstsein verloren. Wieder zu mir gekommen, war ich von Wölfen umringt. Ich lag rücklings im Schnee und konnte mich nicht bewegen. Die Glieder waren steif. Meine Gedanken waren bei meiner Einheit. Wenn mich nun die Wölfe fressen wollen, dann sollen sie mich rasch töten, kam es mir in den Sinn. Die Wölfe kamen immer näher und legten sich schließlich neben mich und auf mich. Ich spürte das warme Fell. Es kitzelte mich in der Nase.

    Ich verlor wieder das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, hörte ich den Hubschrauber. Ein Mann wurde zu mir heruntergelassen. Das Funkgerät hatte vermutlich meine Position durchgegeben. Diese Einstellung war im Programm vorgesehen. Bei längerem Nichtmelden wurde die Position gesendet. Die Wölfe stoben auseinander, als der Hubschrauber über mir anhielt. An Bord geholt, hatte ich am Kampfanzug Haare der Wölfe und ich roch nach deren Pisse. Das hat man mir später erzählt. Niemand hat es geglaubt. In der Station wurde der Aufenthalt an Land und auch die Zeit, die ich dort verbracht hatte, genau rekonstruiert. Es waren ungefähr drei Stunden. Während dieser Zeit haben die Tiere neben mir ausgeharrt und mich gegen die Kälte geschützt. Sie liefen weg, als sie dem Mann ansichtig wurden, der am Seil heruntergelassen wurde. Das konnten sich meine Kameraden in der Station nicht vorstellen. Aber in Washington gibt es darüber sicherlich eine Notiz. Dies wird auch der Grund sein, weshalb ich nun wieder in jener Landschaft bin, die ich nur vor wenigen Wochen verlassen habe. Als Begleitung gab man mir Dich mit.«.

    Samuel hatte ruhig zugehört. Er durfte etwas erfahren, das sicherlich nur wenige wussten. David hatte nie davon erzählt. Was er ihm nun anvertraut hatte, war ein Beweis seines Vertrauens, damit vorsichtig umzugehen. Samuel kratzte sich hinter seinem rechten Ohr. Für ihn erschien nun David in einem anderen Licht. Dieser saß neben ihm, als ob nichts Außergewöhnliches eingetreten war oder über etwas Nichtalltägliches Worte gewechselt worden waren. Samuel empfand es plötzlich als eine Ehre mit David zu fahren. Ich werde mich sehr anstrengen müssen, diesen Auftrag nicht zu vermasseln, dachte er sich.

    »Sei, wie Du bist.« kam es von David.

    Samuel musste die Erzählung verarbeiten.

    »Blümelblau wird nasse Unterhosen bekommen, wenn er von den Bauern über Wölfe instruiert wird, die ihre Schafherden dezimieren.« hörte Samuel David sagen. »Uns haben sie schon gefunden. Nette Begleitung.« Wir sind hier auf Besuch und freuen uns auf das Weihnachtsfest.« stellte David fest. »Kommt Matthew ebenfalls?«

    »Das weiß ich nicht. Mir wurde unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt, was ich Dir erzählt habe. Den Jeep sollen wir testen. Mit dem Schneesturm hat man nicht gerechnet. Nebenbei wurde erwähnt, Elli zu besuchen und alle über unsere Aufgabe im Unklaren zu lassen. Sicherlich hat man den Zoll instruiert, keine Fragen zu stellen. Nachdem Deine Geschicklichkeit bekannt ist, war es naheliegend, Dich als Begleiter zu bekommen. Auch deshalb, weil Dir die Gegend keineswegs fremd ist.«

    Damit startete David den Wagen und langsam kämpften sie sich zum Dorf.

    Die restliche Strecke bis zum Dorf war bald überwunden. In den Straßen lag der Schnee stellenweise sehr hoch. Je nachdem wie der Sturm genug Angriffsfläche hatte, neue Wechten zu errichten. Vor dem Tor von Ellis Gehöft hielt David an. Samuel stieg aus und läutete.

    Wer mag nur um acht Uhr am Abend bei einem solchen Wetter bei uns vorsprechen, fragte sich Elli. Sie hüllte sich in den alten Fellmantel, schlüpfte in die viel zu großen Stiefel von Franz und stapfte zur Pforte. Ihr »Hallo« ging im Heulen des Sturmes unter. Taghell war der Hof erleuchtet. Das konnte Samuel erkennen. Nicht aber, ob nun jemand zur Pforte gekommen war. Er musste an die Wölfe denken. Mit seiner rechten Faust schlug er fest an die Pforte und rief »Hallo, ich bin es, Samuel. Ich bin mit David durchgekommen«.

    Elli erkannte die Stimme und öffnete die Pforte einen Spalt. Ihre Augen waren weit offen. Sie glaubte nicht, was sie sah. Vor ihr stand Samuel, dessen Kleidung sich allmählich mit Schnee bedeckte und dahinter das Ungetüm eines Jeeps, dessen Scheibenwischer vergeblich versuchten dem Fahrer Sicht zu verschaffen. Samuel breitete seine Arme aus und Elli ging ihm entgegen.

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