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Die Legende vom Hermunduren: Faust des Legat
Die Legende vom Hermunduren: Faust des Legat
Die Legende vom Hermunduren: Faust des Legat
eBook611 Seiten7 Stunden

Die Legende vom Hermunduren: Faust des Legat

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Über dieses E-Book

Gerwins Wille machte ihn, in einem Pakt mit dem römischen Legat Verginius Rufus, zu dessen Diener. Im Bestreben, den Schutz seines Stammes vor Roms Kohorten zu bewirken, beobachtete er die Schritte des Legat aus nächster Nähe. In einer Bedrohung zum 'Schild' des Legats aufgestiegen, eroberte er bald auch das völlige Vertrauen des Römers. Doch die Feinde des Legat wurden auch zu Gerwins Feinden. Weil er den Absichten dieser Männer im Wege stand, galten deren Bemühungen vorrangig seinem Tod. Ein glücklicher Umstand offenbarte ihm deren verhängnisvollen Plan. Weil Gerwin zu wissen glaubte, wie dem Unheil begegnet werden konnte, stattete ihn der Legat mit Vollmachten zur Umsetzung des eigenen Vorgehens aus. In der Erfüllung dieses Auftrages wuchs Gerwin über sich hinaus und traf Entscheidungen, die ihn vom 'Schild' zur 'Faust des Legat' wachsen ließen.
Die Brüder Scribonius, Statthalter des Kaiser Nero in den Militärterritorien am Rhein und inzwischen die Zuneigung des Kaisers vermissend, wollen die Macht über sieben an der Grenze zu Germanien stationierten Legionen in die Hände des Senats spielen. Soll diese Absicht gelingen, muss der Mann des Kaisers in Germanien, der Legat Verginius Rufus, aus dem Weg geräumt werden. Auch die gallischen Stämme sammeln ihre Kräfte und unterbreiten den römischen Statthaltern am Rhein Angebote, die auf eine Vernichtung des Imperium Romanum hinauslaufen. Kaiser Nero, weit davon entfernt, ahnt nichts von den Vorgängen in den Wäldern Germaniens. Sich im Ruhm olympischer Siege suhlend, mit seinem Können protzend und feiernd, reist er durch die Provinz Achaea, um dort die Herzen der Griechen mit Rezitationen, Gesang und seiner Kithara zu erobern...
Obwohl Nero jeden Machthungrigen, der seine Hände nach Roms Herrschaft streckt, gnadenlos aus dieser Welt tilgt, übersieht er, dass seine Macht auf den Schultern seiner Legionen ruht. Gerade diese Macht aber könnte erschüttert werden, weil nur einer seiner Legaten am Rhein ihm die Treue hält...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Apr. 2020
ISBN9783347036130
Die Legende vom Hermunduren: Faust des Legat
Autor

G. K. Grasse

Geboren im Jahr 1949. Schulzeit, Lehre zum Elektromonteur, Studium zum Ingenieur für Nachrichtentechnik, Diplomstudium und ein nachfolgendes Berufsleben als Diplom-Ingenieur im Technischen Bereich. Nach der Wende eine Zeit der Selbständigkeit im Bereich der Kommunikationstechnik (über zehn Jahre). Anschließend Teamleiter im technischen Bereich Mobilfunk und Breitbandausbau. Mit zunehmendem Alter prägten sich andere, neue Interessen aus. Nach umfangreichen persönlichen Studien zu historischen Ereignissen begann der Autor 2011 mit dem Schreiben historischer Romane. Das vorrangige Interesse gilt der Zeit des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt. Die im freien Germanien lebenden Stämme stoßen mit den über den Rhein vordringenden Legionen des Römischen Imperiums zusammen. Welche Widersprüche entwickeln sich und welchen Einfluss hat die Zivilisation der Römer auf das Leben der Stämme? Das sind den Autor interessierende Fragen und er versucht das Leben und die Kämpfe betroffener Germanen in historischen Romanen zu beschreiben.

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    Buchvorschau

    Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse

    Vorbemerkung des Autors

    Worterklärungen und ein Personenregister befinden sich am Ende des Romans. Die erstmalige Erwähnung von Personen und von erklärungsbedürftigen Begriffen sind im Text mittels Kursiv- und Fettdruck hervorgehoben.

    Die Register sind seitenbezogen gestaltet, d. h., dass Erklärungen nach der Seitenzahl geordnet sind, an der im Text die erstmalige Erwähnung auftritt.

    Aus dem Lateinischen übernommene Bezeichnungen wurden der deutschen Schreibweise angepasst.

    Damit der geneigte Leser nicht auf Informationen verzichten muss, sind wichtige Informationen und auch darüber hinausgehend Wissenswertes in der Form eines eigenständigen

    Kompendium’

    mit dem Titel

    „Was sich noch zu Wissen lohnt…"

    zusammengefasst.

    Dem Romanzyklus liegen die Kriterien der versuchten Einhaltung der historischen Wahrheit und der möglichst verständlichen Darstellung zugrunde.

    Historiker, die sich mit dieser Zeit auseinandersetzen, sind sich, aufgrund dürftiger Quellenlagen, widersprüchlicher Erkenntnisse und auch abweichender Interpretationen, nicht immer in der Publikation zu einzelnen Sachverhalten einig. Deshalb möchte der Autor vorausschickend erklären, dass diese Schilderungen weder alle derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse in sich vereinigen, noch den Anspruch auf Vollkommenheit und detailgetreue Richtigkeit erheben.

    Ein Autor historischer Romane ist nur ein Beobachter aller Veröffentlichungen, die den Zeitraum, den Ort und auch sonstige Themen wie Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Militär, Kultur und Religion betreffen und verfolgt auch zwangsläufig die Erkenntnisse der historischen Forschungen. Ihm steht dichterische Freiheit’ zu, die im breiten Spektrum wissenschaftlicher Widersprüchlichkeit und natürlich auch mit der Darstellung eines eigenen Verständnisses der historischen Situation, ausgenutzt wird. Trotzdem ist er kein Wissenschaftler und somit nur begrenzt in der Lage, das breite Spektrum der Erkenntnisse vollständig richtig zu erfassen, zu bewerten und in Vollkommenheit wiederzugeben.

    Der Autor benötigte für die Absicht, einen historischen Roman zu verfassen, eine Arbeitsgrundlage bzw. eine Hypothese.

    Diese vereinfachte Form historischer Grundlagen könnte ein Historiker fordern, nicht zu veröffentlichen. Was der Historiker zu verurteilen veranlasst sein könnte, wird der Leser möglicherweise freudig zur Kenntnis nehmen. Er wird des Autors vereinfachtes Verständnis historischer Zusammenhänge aufnehmen, um sich ein eigenes Bild dieser Zeit und der im Roman geschilderten Ereignisse zu erstellen. Wo der Historiker, in seiner Erkenntnis von Forschungsergebnissen, zögert auf Zusammenhänge zu schließen, darf der Autor diese wahrnehmen und verwerten. Dies bot dem Autor die Möglichkeit ein logisches Gebilde überlieferter Ereignisse zu einem spannenden historischen Roman zu verdichten.

    Mit anderen Worten ausgedrückt, wird der Leser und nicht der Historiker, den Stab über dem Autor brechen …

    Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen …

    Was die Historie über den Stamm der Hermunduren berichten kann …

    Die Romanfolge zeichnete bisher das Leben einer Stammesabspaltung der Hermunduren, beginnend um 64 n. Chr. im Territorium am Main, nach.

    Die Hermunduren erschlossen sich den neuen Lebensraum auf Wunsch Roms. Zunächst, so ist es überliefert, prägte Freundschaft die Beziehungen. Doch zu keiner Zeit der Existenz des Imperium Romanum blieben Beziehungen zu den Nachbarn friedlicher Natur…

    Zwischen der römischen Eroberungspolitik und dem Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang der Bevölkerung im Barbaricum existierten ein großer Zusammenhang mit Wechselbeziehungen unterschiedlichster Art und ein fundamentaler Widerspruch mit Hass und Feindschaft, der im Kontext zur historischen Zeit und dem Territorium stand.

    Die Römer, unbestritten zur Weltmacht gelangt, und die Barbaren, mit ihren zahlreichen Stämmen und Sippen, trafen am Rhein aufeinander. Weder Rom noch die Barbaren des freien Germaniens erkannten diese natürliche Grenze als von den Göttern gegeben an.

    Die segensreiche Botschaft der Zivilisation in die Wälder des Nordens getragen zu haben, wird zumeist den Römern zugeordnet.

    Für den Barbar dagegen fällt die Rolle des beutegierigen, mordenden und plündernden Kriegers ab. Doch stimmt diese Pauschalisierung?

    Besaßen die germanischen Stämme nicht auch Lebensbedürfnisse?

    Bildete der Schutz des Lebens eigener Kinder und Familien gegen jeden Feind, ob Mensch oder Natur, nicht doch den Kernpunkt jeder kriegerischen Handlung germanischer Sippen. Selbst dann, wenn die Germanen auszogen, neuen Lebensraum zu erringen …

    Wenn aber unterschiedliche Lebensumstände und Kulturen an einer Grenze aufeinandertreffen, stellt sich die Frage nach der Dominanz, und somit zur Vorherrschaft, die gegenseitigen Einflüsse betreffend.

    Die Historie überliefert uns Kenntnisse zu den Wirkungen, die das Imperium Romanum, auf die von Rom eroberten Gebiete am Rhein und bis weit in die Germania Magna hinein hinterließ.

    Gab es auch Einflüsse, die aus der Germania Magna kommend, im von Rom beherrschten Territorien, Auswirkungen zeigten? Wenn ja, dann fehlt uns heute möglicherweise ein eindeutiger Nachweis…

    Warum aber sollte es nicht so gewesen sein, war doch keine Grenze so undurchlässig, wie von den Errichtern angestrebt… Mögen die Auswirkungen auch von nur bescheidenem Charakter gewesen sein, so sind sie, wenn auch nicht überliefert, dennoch kaum bestreitbar…

    Die Überlieferung von den Hermunduren, einem germanischen Stamm, der in den Zeitenläufen dadurch verschwand, dass er irgendwann in anderen Völkern aufging, besitzt scheinbar kaum Bedeutung für das große Rom.

    Der Einfluss und die Charakterisierung einer Freundschaft zwischen Rom und den Hermunduren wird jedoch selbst von den Römern nicht geleugnet… Warum kann dann nicht ein einzelner Hermundure der Ausgangspunkt für diese Freundschaft gewesen sein?

    Von Andrei nacu aus der englischsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30143245

    1. Botschaft eines Chatten

    66 nach Christus - Sommer (18. September)

    Germania Magna - Territorium der Hermunduren

    Der Chatte tat vorerst, was ihm auferlegt war. Er strebte der Richtung der dunklen Nacht zu, die er dadurch erkannte, dass die höchste Sonne in seinem Rücken strahlte.

    Auch dort, irgendwo in seinem Rücken, vermutete er den Aufpasser der Hermunduren, der seinem Weg einige Zeit folgte. Die erhaltene Warnung zwang ihn, beständig in der einmal eingeschlagenen Richtung zu verbleiben.

    Bog er ab oder drehte gar um, würde ihm der Hermundure den Weg verlegen, die einmalige Warnung ausstoßen und auf jedem Fall vor ihm bei seinen Gefährten eintreffen. Dass, so glaubte der Chatte, bedeutete den Tod seines Bruders.

    Er erkannte, dass dieses Vorgehen das Leben des Bruders gefährdete. Weil er nicht wissen konnte, bis zu welcher Stelle ihm der Hermundure folgen würde, blieb eine ständige Bedrohung des Bruders…

    Der Hermundure sprach davon, eine Warnung zuzubilligen. Nutzte er die Warnung zum rechten Zeitpunkt, war sein Bewacher bereits umgekehrt, könnte er seinerseits dem Hermunduren folgen und den richtigen Augenblick für eine Befreiung des Bruders abpassen. Ein wenig sonnte er sich in dem Ruhm, den Bruder beschützen zu können und glaubte an den Erfolg eines solchen Verlaufes.

    Dann aber holten ihn die Erlebnisse der vergangenen Nacht ein.

    Ihr Angriff begann kurz vor dem Morgen, aber noch immer im Dunkel der Nacht. Sie hatten den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite und waren in der Zahl der Krieger überlegen…

    Plötzlich durchdrang ein Gedanke seine Erinnerungen, den er besser hätte vorher Bedenken sollen. Die Fremden waren zwei Krieger und ein Knabe, ein Zwerg oder was auch immer sie von dem dritten Begleiter der Fremden dachten… Sie aber waren insgesamt fünf chattische Krieger… oder eben doch nicht?

    Nur ein Krieger führte die jungen Burschen an und dieser Krieger glaubte, den Hermunduren einen tödlichen Streich spielen zu dürfen. Er spornte sie an, den Angriff zu wagen, sich zu behaupten und den Stolz ihrer Väter und Mütter zu ernten…

    Der Ablauf aber bewies, dass ihr Anführer sich und die Fähigkeiten der Jungmänner überschätzte. Den Hermunduren billigte er nur ein schreiendes, feiges Weglaufen zu. Inzwischen wusste der Jungmann, dass Hermunduren nicht schreiend wegliefen…

    Irgendetwas an den Überlieferungen der Älteren schien nicht zu stimmen… Er grübelte eine Weile darüber nach, bis er es begriff.

    Nur die Siegreichen kehrten zurück…

    Das diese dann ihren Mut, ihre Entschlossenheit und ihr Können in den schillerndsten Farben darstellten, zwang sich in sein und der Anderen Denken. Die nicht Zurückkehrenden konnten nichts mehr erzählen…

    Der Pfad der Ehre, auf den sie vorbereitet wurden, so wurde ihm bewusst, war ein sehr langer Pfad, der nicht immer mit Ruhm und Ehre endete. Dabei war ihr Aufenthalt in der Wildnis nur der erste kleine Schritt auf diesem Pfad…

    Sein Vater hatte ihnen erklärt, dass vor der ruhmreichen Tat erlernt werden musste, wie ein Krieger in der Wildnis überleben konnte… Wo fanden sie Nahrung und Wasser, wie war eine gute Feuerstelle vorzubereiten, wie gelang es, auch im Regen, Feuer anzuzünden, was musste getan werden, eine Speise zuzubereiten, wo sollte gelagert werden, welche Sicherheit erforderte ein Lager der Nacht, wie schützte sich der Krieger vor der Unbill der Natur und vor Gefahren durch wilde Tiere? Vater endete mit dem Feind, der auch wusste, wie er sich zu verhalten hatte…

    Der Jungmann begriff, dass er gerade diesem Teil der Erklärungen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Ihr Anführer verleitete sie, nach der erfolgreichen und unbemerkten Beobachtung der Hermunduren, diesen Angriff zu wagen. Sie wollten eigentlich nur deren Pferde und sonnten sich schon im Ruhm einer erfolgreichen Tat…

    Was aber empfanden die Hermunduren bei ihrem Angriff?

    Im Nachhinein, sich in die Lage der Anderen versetzend, begriff er, dass der Angriff einer Todesdrohung gleich kam. Ein bedrohter Krieger wehrt sich und weil es Nacht war, erkannten die Hermunduren nicht, dass eigentlich nur Knaben angriffen…

    Wer also beging den entscheidenden Fehler?

    Der Jungkrieger erfasste den Umfang der gemachten Fehler und sah sich dabei in seiner Erkenntnis ausgerechnet vom Anführer der Hermunduren bestätigt. Sprach dieser doch davon, dass die Hermunduren nicht erkennen konnten, wer den Angriff führte. Wollten sie überleben, waren sie zum Kampf gezwungen und wussten dennoch nicht, in welcher Überzahl ein Feind angriff.

    Sie wehrten sich mit aller Macht, sowie allem Geschick, und fragten weder nach Erfahrung, noch nach dem Alter der Angreifer. Sie töteten Feinde… Das aus der Übermacht der Chatten plötzlich eine Unterlegenheit hervorging, lag auch an der Fehleinschätzung ihres Anführers.

    Es war nicht falsch, die Hermunduren zu beobachten, auch wenn dies hätte schon fehlschlagen können… Den Angriff auszuführen, bedeutete aber mit der Gegenwehr rechnen zu müssen und in diesem Vergleich zwischen den Chatten und Hermunduren steckte eine Überraschung, die ihr Ausbilder übersah.

    Es war die Erfahrung und Kampffähigkeit der Angegriffenen, von dem er, durch das nach seiner Gefangennahme folgende Belauschen der Sieger, Kenntnis erhielt.

    Der Krieger Irvin war zweifellos erfahren und das war ihm schon zuvor anzusehen… Der als Simo bezeichnete war zumindest im Umgang mit einer Waffe erfahren… Den Zwerg aber nicht zu beachten, war ein entscheidender Fehler. Er sah dessen Messerwurf und ließ er diese Bewegung in seiner Erinnerung noch einmal ablaufen, überzeugte der Wurf ihn von der Fähigkeit dieses Unscheinbaren.

    Wenn er so recht bedachte, dass ihm dieser Junge folgen sollte, oder der Irvin genannte, begannen seine Hände, die den Zügel des Pferdes hielten, zu zittern. Nein, das durfte nicht sein…

    Der Jungkrieger der Chatten fand sich in der Erkenntnis wieder, dass der Tod seiner Gefährten dem Versagen ihres Anführers geschuldet blieb und nicht den Hermunduren zuzuschreiben war…

    Der Gedanke, so wie er sich in seinem Kopf festsetzte, erregte inneren Argwohn… Woher kam diese Folgerung? Je mehr er darüber nachdachte, sich auch dagegen wehrte, desto mehr verfestigte sich der Gedanke als Erfahrung seines noch jungen Lebens…

    Der Anführer der jungen Chatten hatte sie in eine Bedrohung geführt, der er und sein Bruder, nur mit knapper Not entgingen… Die Gefährten und der Anführer aber waren tot.

    Also war alles, was der ältere Chatte lehrte oder erzählte eine Lüge?

    Der Reiter versank tiefer in seinen Gedanken und achtete zu wenig auf seinen Weg. Fast wäre er, von einem über dem Pfad hängenden Ast, vom Pferd geworfen worden. Der Schlag des Astes traf ihn, fegte ihn aber nicht vom Rücken seines Tieres. Sich im letzten Moment zurückbeugend, entkam er dieser Gefahr.

    Zurückblickend sah er den Ast und auch seinen Verfolger, der in gehörigem Abstand seiner Spur folgte. Es war der junge Hermundure.

    Der Chatte kehrte zu seinen Überlegungen zurück, sorgte sich aber von jetzt an mehr um seinen Weg und mögliche Gefahren.

    Nicht alles, was der Anführer ihnen beibrachte, war schlecht. Mit Sicherheit aber gehörte dieser chattische Krieger zu denen, die ihre Fähigkeiten überschätzten. Die gleiche Beurteilung hätte dem Anführer der Hermunduren ein wohl ganz anderes Urteil zugebilligt…

    Er erfasste den Unterschied zwischen einem erfahrenen Krieger und einem ruhmsüchtigen Mann. In diesem Augenblick trennte er, für sich zwar nur mehr vom Gefühl her, zwischen seinem Anführer und diesem Irvin. Der Hermundure musste Kampferfahrung besitzen und den Tod fürchten, was ihn aber nicht dazu verleitete, jeden Gegner gleich töten zu wollen. Der Krieger der Hermunduren war so gelassen genug, in Jungmännern, wie sie es waren, keine Bedrohung erkennen zu wollen, obwohl auch er deswegen nicht gleich leichtfertig vorging. Er wollte weder Töten noch Foltern und er gab ihnen eine Gelegenheit, sich zu bewähren.

    Irvin sah wohl ihre Verbindung als Zwillinge. Er dachte an den Schmerz, den der eine Zwilling erfahren würde, wäre sein Bruder gefoltert worden…

    Die Gedanken des jungen Chatten führten ihn Schritt für Schritt zu einer neuen Erkenntnis und diese endete in der Gewissheit, den Ratschlägen des Hermunduren zu vertrauen.

    Er ging sie alle noch einmal durch, hole dir eine Waffe, damit du in der Wildnis überlebst, meide deinen Stamm, deine Sippe, deine Familie und Freunde, denn du offenbarst euer Versagen… Deinem Bruder kannst du nur Hilfe bringen, wenn du erfolgreich bist… Erfolg ist, wenn du uns in der gesetzten Frist findest… Das gelingt nur, findest du den Fürst der Mattios und dann brauchst du noch sein Vertrauen…

    Der junge Chatte stoppte sein Pferd, glitt von dessen Rücken und suchte sich im Wald einen Knüppel, der als Waffe geeignet erschien. Ein Wurzelstock, mit breiter, kurzer Wurzel, ein stabiler, aber handlicher Stamm, in der Länge seines Armes, war das Beste was er fand.

    Sein Pferd erneut besteigend, dachte er über den Stamm der Mattios nach. Würde er in die Richtung der sinkenden Sonne reiten, käme er nach Hause.

    Dort aber durfte er nicht hin. Dies begriff er. Also musste es, weiter zur aufgehenden Sonne hin, einen anderen Stammesteil der Chatten geben, der dann möglicherweise diesem Fürst folgte. Er glaubte ungefähr zu wissen, wo die Grenze seines Stammesteils zum Nachbarn lag.

    Folgte er seinen Vorstellungen, dann war er zu dicht am eigenen Stammesgebiet, was ihm hätte zum Verhängnis werden können…

    Also zog er in die Richtung der aufgehenden Sonne. Er behielt die höheren Berge, die die Grenze des eigenen Stammesgebietes bildeten, in seinem Rücken.

    Weil sich zu seiner rechten Hand auch Berge erhoben, die aber nicht an die Höhe der anderen Bergkette heranreichten, glaubte er sich in der richtigen Richtung. Über diese Berge, zur aufgehenden Sonne zu, das brachte in mit Sicherheit zu den Hermunduren, denn irgendwo dort mussten deren Sippen leben…

    Er folgte der Niederung, fand ein Lager zur Nacht in Büschen, wusch sich des Morgens in einem der Bäche und ritt mit knurrendem Magen weiter. Hunger zwang ihn über den Tag. Ein paar späte Früchte des Waldes, Haselnüsse und irgendwelche Beeren, mussten genügen.

    Mit dem Schmerz des Hungers Schlaf zu finden, war auch nicht so leicht. Wieder fand er am Morgen einen Bach und dann einige gut im Wald versteckte Hütten.

    Der Hunger zerrte an seinem Inneren und so entschloss er sich, die kleine Ansammlung von Hütten zu umreiten und dann längere Zeit zu beobachten.

    Bis zu diesem Zeitpunkt konnte er nur wenige Siedler auszumachen. Wollte er wissen, ob es Chatten oder Hermunduren waren, musste er in der Dämmerung näher heran. Also band er sein Pferd in einer Buschgruppe an und schlich bis zur Grenze der Umzäunung.

    Kaum in eine gute Position gelangt, wurde er in seinem Rücken angesprochen…

    „Was schleichst du durch die Büsche, Fremder?"

    Erschrocken wandte er sich um, erkannte einen auf ihn gerichteten Frame und die Gestalt, sowie das Gesicht eines älteren Mannes.

    Der junge Chatte tat, was ein Krieger auf dem Pfad der Ehre niemals tun würde…

    Obwohl er sich anschlich und somit eine Gefahr darstellen musste, sagte er einfach „Ich habe Hunger!"

    „Dann geh voran, dem kann abgeholfen werden…" hörte er Worte, die keine Gefahr verhießen. Neben den Alten fanden sich ein etwas Jüngerer und ein ganz Junger, beide mit einem Frame bewaffnet, ein.

    Der junge Chatte hatte verloren, wenn es sich um Feinde handelte. Weil er die Ansammlung der dürftigen Hütten längere Zeit beobachtete, war er anscheinend entdeckt worden. Die Bewaffneten gelangten, ohne von ihm gesehen worden zu sein, in seinen Rücken und erwarteten ihn, als er sich erneut annäherte. Auch verlegten sie ihm den Fluchtweg.

    Eine Hüttentür öffnete sich. Mit drei Framen im Rücken trat er ein.

    „Mutter, der Bursche hat Hunger! Gib ihm etwas und dann stellen wir ein paar Fragen…"

    Der Blick des jungen Chatten irrte über die Dürftigkeit der Hütte, die ihm nichts zur Zugehörigkeit zu irgend einem Stamm verriet. Zuletzt blieb sein Blick an dem Jüngeren hängen. Sein Haar war ungeschnitten lang. Er war sicher, vor sich Chatten zu haben…

    Während er eine dünne Suppe, mit etwas unerfindlich Dicken darin, was aber kein Fleisch war, in sich hinein schaufelte und dazu an einem Fladenstück Brot kaute, dachte er sich eine Lügengeschichte aus. Er wusste, die Geschichte sollte möglichst einfach sein…

    Waren es Chatten, würden sie es verstehen, wenn er von einem Überfall der Hermunduren berichten würde. Wären es Hermunduren, so glaubte er, weil er diesen Anwohnern bisher nichts getan hatte, würden diese ihm auch nichts tun. Er schob die Holzschüssel von sich, dankte dem Alten für seine Gastfreundschaft und wartete.

    „Mit der Gastfreundschaft… hob der Alte an „… ist es so eine Sache… Ein Gast schleicht sich nicht an…

    „Was sollte ich sonst tun, wollte ich wissen, zu welchem Stamm ihr gehört?"

    „Warum musst du das Wissen?"

    „Würden mich Hermunduren willkommen heißen, wäre ich ein Chatte? Wie reagierten Chatten auf einen Hermunduren…"

    „Höre auf mit dem Unsinn…"

    Der junge Chatte spürte, dass dieser Empfang anders verlief, als er es sich vorgestellte hatte.

    „Was meinst du?" fragte er leise zurück.

    „Ist doch egal, ob Chatte oder Hermundure, wenn du als ehrlicher Gast kommst…"

    Daran dachte der Chatte zu keinem Zeitpunkt. Ein Gast war ein Gast, wie auch im Hause seiner Eltern… Ihm war dieser Gedanke gar nicht in den Sinn gekommen, weil er aus einer Bedrohung kam, die er selbst verschuldete. Also glaubte er die ganze Zeit an ihn umgebende Feinde. Wie sollte er darauf antworten?

    „Was ist nun, seid ihr Chatten?" fragte er noch einmal voller Hoffnung. Der junge Chatte begriff, dass ein Vorprellen nützlicher wäre, denn ein Schweigen oder nach Ausflüchten suchen…

    „Ist es nicht unwichtig, ob ich Chatte oder Hermundure bin, wenn ich dich in Gastlichkeit aufnahm? Du hast mein Brot gebrochen… grunzte der Alte und fügte leiser werdend an: „Was meinst du, wie wichtig dies für mich wäre, zwischen zwei so mächtigen Stämmen? Ich habe es vergessen, wo mein Vater, nein sein Vater oder war es vielleicht dessen Vater oder gar dessen Vorfahre schon, herkam und hier eine Hütte baute… Es ist zu lange her, als das wir uns erinnern könnten…

    „Dann seid ihr keine Chatten?" fragte der Gast leise

    „Es ist ohne Bedeutung, junger Chatte! Warum sollte ein junger Mann, ob nun Chatte oder Hermundure, ein Feind sein? Ist er nicht hilflos, hungert, schlief tagelang im Wald? Du trägst keine Waffe, nicht einmal ein Messer, der Knüppel… na ja… Ich sehe darin keine Bedrohung, sondern nur, dass sich ein vielleicht Ängstlicher gegen Gefahren schützt… Bist du ängstlich, junger Chatte?"

    „Und du, alter Mann?" Der junge Chatte und griff nach seinem Knüppel. Der alte Mann lachte.

    „Wäre ich ängstlich, hätte ich dich sofort getötet!"

    „Hättest du es denn gekonnt?" fuhr der Jungkrieger auf.

    „Meinst du, mein junger Gast, ich könnte in dieser Wildnis überleben, wäre ich nicht zum Töten bereit? Auch ich war einst jünger und folgte dem Ruf meines Fürst zum Kampf. Dort musste ich auch die Waffe anwenden, wollte ich überleben… Also, was gibt dir Grund, an meiner Fähigkeit zu zweifeln… "

    „Dein Alter und vielleicht auch deine Weisheit…" Der Chatte antwortete sehr leise.

    „Oho, ein junger Chatte, auf dem Weg der Ehre gescheitert, spricht von Weisheit… "

    Fast hätte der junge Chatte eine das Scheitern aufhellende Frage gestellt und so seine Beteiligung an einem Versagen zugegeben. Im letzten Moment beherrschte er sich. Gab es kein Eingeständnis, gab es auch keine Schuld!

    Dennoch sollte ihm schnell eine Antwort einfallen, die diese Behauptung des Alten aus dem Denken räumt.

    „Du hast recht. Ein Gast ist ein Gast, auch wenn er, wie ich, das Anklopfen versäumte… Bin ich ängstlich? Ja und auch nein! Habe ich eine Waffe, außer dem Knüppel? Nein, dafür aber ein Pferd im Wald…"

    „… nicht mehr! Es steht in unserem Stall… warf der Junge ein und fügte an „… ich sah dich kommen, dein Pferd verbergen, uns beobachten und dachte mir, dass du Hunger hattest und Hilfe brauchen könntest…

    „In diesem Fall, Alter, ist es wirklich ohne Bedeutung, welchem Stamm du angehörst… brachte der Chatte gepresst hervor. „… deinen Sinnes ist es, einen Gast zu ehren und Hilfe zu bieten… Ich kann Hilfe gebrauchen…

    Der Chatte überlegte. Er zögerte. Gestand er das Scheitern, war der Ruf des Bruders zerstört, ob der Alte nun die Schande empfand, bezeugte oder auch verkünden würde…

    „Ich kann zwar Hilfe gebrauchen, aber kann keine Geschichte erzählen… Ich nehme, was ich bekomme! Hilfe ohne Geschichte oder auch keine Hilfe, dafür aber mein Pferd und meine Freiheit, sonst muss ich mir dies erkämpfen…"

    „Langsam, junger Chatte, mit dem Kampf ist es auch so eine Sache… Erschlägst du unsere Familie, was ich nicht glaube, wird dich mein Stamm suchen und töten, und deine Familie auch! Damit wäre dir nicht geholfen… Erschlage aber ich dich, würde ich diese Tat, weil sie unnötig ist, mein Leben lang verfluchen… Du schützt ein Geheimnis, dass dir dein Leben wert ist… Also… Der Alte schien ein letztes Mal zu zögern. „… wird dir geholfen! Der Alte brachte zum Ausdruck, was er dachte und verkündete einen Entschluss.

    Fasst wäre der junge Chatte dem Alten um den Hals gefallen. Endlich wendete sich das Blatt des Unglücks…

    „Welche Hilfe brauchst du?" fragte der Alte und musterte den jungen Gast.

    „Ich muss dich trotzdem fragen, ob du Chatte oder Hermundure bist…, denn bist du ein Hermundure, wirst du keine Antwort auf meine Bitte wissen…"

    „Stelle doch erst die Frage und sieh dann, wie die Antwort ausfällt…" Der Alte schien auch klug genug, ein Geheimnis hüten zu wollen.

    Noch einmal wog der junge Chatte ab, was er verlieren könnte oder gewinnen würde und sprach dann seinen wichtigsten Wunsch aus.

    „Ich muss zum Fürst der Mattios!"

    Der Alte dachte nach. „Das wird nicht einfach… Kennst du den Fürst?"

    „Nein, aber ich bringe eine Botschaft…"

    „Von wem?"

    „Ist die Herkunft mehr von Bedeutung, als die Tatsache, dass ich die Botschaft trage?"

    „Du stellst eine kluge Frage… Eine Botschaft kann viel bedeuten… Gutes oder Schlechtes? Ich habe schon Boten gesehen, die eine schlechte Botschaft nicht überlebten…"

    „Ich werde über die Botschaft kein Wort verlieren… Beschreibe mir, wo ich den Fürst finde und keiner der Deinen übernimmt einen Teil meiner Schuld…"

    „Das ist ein guter, ein ehrlicher Vorschlag, der auch eine Antwort verdient… Magst du auch eine schlechte Botschaft bringen, wird dir der Fürst dennoch zuhören und dich für deinen Mut lohnen. Hier in diesem Gebiet herrscht seit einiger Zeit zwischen Chatten und Hermunduren Frieden. Jeder Mann beider Stämme würde dich bedenkenlos führen, deshalb werde auch ich es tun…"

    „Du willst mich führen, Alter?"

    „Ja, auch wenn es meine letzte Reise sein sollte… Ich bringe dich zu Fürst Swidger. Wir werden diese Nacht schlafen und Morgen stehst du vor dem Fürst der Mattios. Du hast mein Wort!"

    Am Morgen brachte der Jüngere sein Pferd und einen Gaul, der schon besserer Zeiten erlebt zu haben schien.

    Der Alte kroch förmlich auf den Rücken des Grauen und sie begannen einen, dem Alter des Pferdes und seines Begleiters, geschuldeten Ritt.

    „Werden wir auch bei diesem Tempo noch heute ans Ziel gelangen?" fragte der Jüngere nach einiger Dauer ihrer eher schleichenden Vorwärtsbewegungen.

    „Aber ja! Wir werden zum rechten Augenblick am Ziel sein…" Der Alte ließ sich weder durch Bitten, noch Schimpfen beirren.

    Die Sonne stieg hoch und wieder nieder, der Tag glitt in die Dämmerung, als sie einen größeren Hügel hinan stiegen und vor dessen Kuppe aufgefordert wurden, abzusitzen.

    Der Alte wandte sich um. „Bleib auf deinem Pferd, mein Junge!"

    „Gebt eure Waffen ab oder ihr bleibt draußen!" herrschte den Alten ein Wächter der Siedlung an, die sich hinter einem hohen Pfahlwall verbarg.

    Der Alte beugte sich etwas vor, winkte dem Wächter näher zu kommen und verkündete: „Komm etwas näher mein Freund, ich kann nicht mehr so gut sehen und hören… Deshalb tritt an mich heran, damit ich dich erkenne und deine Bitten verstehe…"

    Der Wächter folgte dem Wusch des Alten und als dieser den Wächter in der Reichweite seiner Arme wusste, ergriff er den Kerl am Nacken und brüllte „Tor auf!", was auch sofort geschah.

    Den Wächter mit sich schleifend, stürmte der sich plötzlich an bessere Zeiten erinnernde Klepper, mit dem Alten und dem im Nacken gepackten Wächter, durch das Tor.

    Der junge Chatte folgte im Schritt seines Pferdes.

    Der Alte stoppte seinen Gaul vor der Hütte am Tor, warf den Wächter vor die Füße eines jungen, großen und starken Mannes.

    „Peitsche ihn für seine Dummheit! Mich derart aufzufordern, mir zu drohen, den Zutritt zu verweigern, verdient wenigsten zehn prachtvolle Hiebe! Sich aber noch von mir Greifen lassen, verdoppelt die Anzahl!" Der Alte sprühte vor Zorn und der große Anführer duckte sich, als wäre er eben geschlagen worden…

    „Warum stellst du solch einen Dummkopf ans Tor? Habe ich dir das beigebracht oder verkommt ihr hier zu einem wertlosen Haufen… Tor zu, ihr Faulpelze, wenn ihr nicht mehr die Stimme und Erscheinung eures Herrn erkennt, werde ich euch schleifen, dass euch das Wasser im Arsch kocht, eure Eier im Schweiß sieden und euch Hören und Sehen vergeht… Hole den Rest des Haufens vom Lager, lass die Kerle stehen, bis ich erneut hier auftauche oder du wirst dich in die Schinderei einordnen…"

    Die Wut des Alten traf den Anführer der Wache wie ein Schlag. Der Alte ritt einfach weiter. Er kümmerte sich nicht um das Durcheinander hinter sich.

    Der junge Chatte war erstaunt, überrascht, verblüfft und beunruhigt zu gleich. Dieser würdige, gelassene Alte wurde zu einer Bestie, als er die Nachlässigkeiten der Wache erkannte, die er einst selbst anführte.

    Sie ritten weiter bergan, trafen auf andere Chatten, auf Krieger, Weiber, Kinder und alle blieben stehen, verbeugten sich vor dem Alten und musterten dessen Begleiter eindringlich.

    Das Haus, vor dem sich der Alte von seinem Gaul gleiten ließ, in seiner bisherigen Lahmheit verweilend, war das Prächtigste. Starke Stämme lieferten das Holz der Stützen, Türme, Wände und auch für dessen Portal. Auf der obersten Stufe stand ein noch verhältnismäßig junger Mann.

    „Swidger, Herr, du wirst deiner Wache mehr Aufmerksamkeit schenken müssen… Die Wichte kennen mich nicht mehr, verweigerten mir den Zutritt und ließen mich, als ich den Kerl am Genick hatte, ohne Widerstand hinein…"

    „Lass ab, alter Freund! Du solltest erkennen, dass deine glorreiche Zeit vorbei ist. Übernimmst dich zu schnell… Ich werde mich deiner Bitte annehmen… Doch komm herein! Wer ist der Junge an deiner Seite? Dein Jüngster ist das nicht…"

    Der Alte schüttelte den Kopf.

    „Nein Herr, der Bursche wollte gestern allein und ohne Waffen meine Siedlung erobern…" Der Mann lachte herzlich.

    „Du machst einen Scherz? Der Fürst machte einen freundlichen Eindruck. „Halt ihm zugute, dass er dich nicht kennt…

    „Aber ja doch, junger Fürst, obwohl die Vorführung am Tor ihn eines Besseren belehrt haben dürfte…"

    „Nun komme endlich herein und bring den mutigen Krieger mit!" bestimmte der Fürst und drehte sich um.

    Er schritt ihnen voran in einen prunkvollen großen Raum, klatschte zweimal in die Hände und rief: „Zwei Becher Met vom Besten und einen Becher guter Milch für den jungen starken Krieger…"

    Hurtige Hände und Füße brachten, was der Fürst verlangte.

    „Herr, was ist das?" wagte der junge Chatte zu fragen.

    „Milch einer Kuh! Koste, es schmeckt, auch ich trinke gelegentlich davon…"

    „Herr, Wasser tut es auch, wenn es schon kein Met sein soll…" Der junge Chatte zeigte Mut.

    „Knaben bekommen bei mir keinen Met! Die Meisten sind zu dumm, diese Ehre in Maßen zu würdigen und Dummköpfe gibt es ohnehin zu viele… "

    Die Hände klatschten erneut. „Ein Becher Wasser für unseren Jungmann!" befahl er und erneut sprangen jüngere Frauen, seiner Forderung nachzukommen.

    Der Fürst beobachtete den jungen Chatten, als beide Becher vor ihm standen, er sah dessen zögern und dann den Griff nach der Milch.

    Dem ersten Schluck gebührte Vorsicht, der zweite zeigte Verwunderung und der Dritte brachte Bewunderung hervor. Der vierte Schluck fiel vorerst der Mäßigung zum Opfer.

    Der Alte trank in vollen Zügen, wischte sich seinen Mund ab und auch er musterte den Mitgebrachten.

    „Warum kommst du zu mir?" fragte Swidger.

    „Der Junge hat eine Botschaft für dich!"

    „Nanu, ein Jungmann… verwunderte sich Swidger. „Was für eine Botschaft sollte dies sein…

    „Mir nannte er sie nicht und ich bin auch nicht erpicht darauf, sie zu kennen, wenn nur deine Ohren die Kunde vernehmen sollten… Ich gehe mir etwas Spaß mit der Wache zu gönnen…, wenn du nicht dagegen sprichst…"

    „Nein, nein! Gönne dir, was du einst liebtest…"

    Der Alte verließ die Halle.

    Langsam schwenkte die ganze Aufmerksamkeit des Fürst auf den jungen Gast.

    „Du hast riesiges Glück, auf ihn getroffen zu sein…" Mit dem Nicken des Kopfes in die Richtung der Tür zeigte der Fürst an, wen er meinte.

    „Herr, das sehe ich auch so… Er kam mir schwach vor, als ich auf ihn traf… doch am Tor…"

    „… werden sie zittern, bis er die Burg verlässt." Der Fürst lächelte.

    „Welche Botschaft bringst du und von wem?

    „Herr, der Mann, der mir die Botschaft auftrug, sagte, ich solle nur vor dir sprechen. Du würdest meine Worte verstehen…"

    „Dann sprich!"

    „Wir waren vier Jungmänner und ein Krieger zur Vorbereitung auf den Pfad der Ehre. Wir beobachteten Fremde, wohl Hermunduren, und glaubten deren Schwäche zu erkennen. Der Krieger sprach uns Mut zu, also wollten wir den Kampf…"

    „… gehörst du zu den Mattios? Wie heißt der Krieger?" unterbrach Swidger den Jüngeren, mit aufwallenden Zorn in der Stimme.

    „Nein, ich bin kein Mattios… auch der Krieger nicht…"

    „Der Gegner…"

    „Zwei Krieger und ein Knabe, dürr, klein, krummbeinig…"

    „… du meinst den Kleinen?" unterbrach der Fürst und der Gefragte nickte.

    „Die beiden Krieger?"

    „Noch jung…, Herr, aber sehr erfahren…"

    „Berichte weiter!"

    „Drei von uns sind tot, nur mein Zwillingsbruder lebt noch…"

    „Weiter!" Des Fürst Freundlichkeit schwand von Augenblick zu Augenblick. Seine Fragen und Aufforderungen wirkten zunehmend härter.

    „Was willst du von mir? Ihr selbst tragt die Schuld, also nehmt die Wahl der Götter auch an!" Die Worte klangen wie ein Urteil dieses Herrschers und der junge Chatte verzweifelte.

    „… der Mann, der mir die Botschaft gab, sagte, du würdest verstehen und helfen, Herr…"

    „Warum sollte ich? Ich verbot jeden Gang zu Hermunduren… Folgt ihr dem Pfad, dann geht zu den Römern! Aber auch das ist Unsinn… schimpfte der Fürst. „Wie viele von euch Dummköpfen kommen von dort zurück? Weißt du das? Nicht einmal die Hälfte der jungen Krieger… Wofür diesen sinnlosen Tod, um Mut zu beweisen? Er schüttelte den Kopf. „Es ist nur Dummheit, die bewiesen wird… Wer war der Mann, der dir die Botschaft gab und wie lautet die Botschaft?" herrschte Swidger den jungen Chatten an. Der Fürst war wütend.

    „Der Kleinere nannte den Anführer Irvin, ein noch junger Krieger… "

    Der Fürst pfiff durch die Zähne. „… und der Dritte?"

    „Der Anführer sprach ihn als Simo an. Er war kein Hermundure… Er sagte, der Krieger sei unwichtig… Du würdest ihn und den Kleinen erkennen… "

    „Wer sagte dies…"

    „Irvin…" unterbrach der Jüngere.

    Swidger stand auf. Er umkreiste den Tisch.

    „Die Botschaft?"

    „Ich bin die Botschaft!"

    „Du?" Es erfolgte eine neue Runde um den Tisch.

    „Was an dir ist diese Botschaft?" Swidger war verwirrt, warum nur schickten Gerwin und auch Irvin immer solche rätselhaften Mitteilungen… Er versank im Nachdenken.

    „Was an dir ist die Botschaft?" wiederholte er langsam, als käme gerade diesen Worten die entscheidende Bedeutung zu.

    „Falls ich dir nicht allein begegnete, sollte ich drei Worte verwenden, die dich zur Aufmerksamkeit veranlassen würden…"

    „Ich höre…"

    „Moenus, Salu und Mündung!"

    Swidger umkreiste erneut den Tisch. Er schien sich in die Worte zu verbeißen und murmelte Unverständliches vor sich hin.

    Der junge Chatte verstand kein Wort. Schließlich sammelte sich der Fürst und bekannte: „Es hätte genügt, mich aufzurütteln…"

    „Trotzdem, was an dir ist die Botschaft?" Der Fürst blieb hartnäckig.

    „Ich lebe, gelange zu dir, berichte und kehre zurück, dann Herr werden mein Bruder und ich leben! Scheitere ich, geht mein Bruder in die Sklaverei. Hole ich Hilfe, wird unsere Schande bekannt… Nur du würdest verstehen… "

    Swidger nahm die Umkreisung des Tisches erneut auf.

    „Wo triffst du auf deinen Bruder, falls du Erfolg hast?"

    „Ich weiß nicht… Einer deiner Krieger aber kennt den Ort und du den Krieger… Gewinne ich dein Vertrauen, wirst du helfen und schickst mich mit dem Krieger zurück…"

    „In welcher Frist?"

    „Bis zum ersten Schnee…"

    „Ist das alles?"

    „Herr, er wollte nicht, dass ich deinen oder auch seinen Namen kenne… Doch seinen Namen hörte ich aus dem Mund des Kleineren. Ich fragte ihn trotzdem, weil ich hoffte, sein Name könnte mir helfen… Er aber verweigerte. Du würdest misstrauisch, versuchte ich mit dem Namen deine Hilfe zu erbitten…"

    „Er hat recht! Ja, ich kenne ihn und auch den Kleinen… Ihr hättet nicht mit zehn Kriegern siegen können… Der Kleine und seine Messer bringen in einem Augenaufschlag schon allein acht Tote, wenn er gezwungen wird… Vor Irvin nehmen, wie ich weiß, selbst stärkste Römer die Beine in die Hand… Ihr Brüder seid darüber hinaus vom Glück begünstigt. Irvin tötet nicht ohne Zwang… Ihr habt im Dunkel angegriffen… Hätte er euch gesehen, wäre nur der Krieger gestorben, aber keiner deiner Gefährten…"

    „Herr, ich brauche sechs Tage bis zu dem Ort, wo ich auf meinen Bruder treffe… Hilf mir…"

    „Zuerst will ich sehen, ob du meine Hilfe verdienst! Du bleibst bei mir! Geh, danke dem Alten, denn er verdient deinen Dank."

    Er klatschte in die Hände. Eine junge Frau erschien.

    „Wir haben einen Gast, richtet ihm ein Zimmer, gebt ihm zu Essen und Trinken und dann rufe mir Hakon!"

    Hakon kam erst am nächsten Morgen.

    „Herr, du hast gerufen?"

    „Ich habe eine Aufgabe für dich, die nur du erfüllen kannst…"

    „Was soll ich tun?"

    „Ich habe einen Gast, der meine Hilfe will. Ein Freund sagt mir, ich kann dem jungen Chatten vertrauen. Dennoch möchte ich, dass du prüfst, ob das stimmt!"

    „Herr, das kann auch jeder andere Mann der Mattios…"

    „Den Teil schon, nur das Folgende nicht… Also wecke ihn, Freunde dich an und wenn du glaubst, dass er meine Hilfe verdient, komm zu mir und berichte! Die Frauen zeigen dir, wo er übernachtete…"

    Einige Tage und Nächte später hatte Swidger den Gast schon fast vergessen, als plötzlich Hakon vor ihm stand. Ihm schienen fast zehn Tage vergangen…

    „Du brauchst aber lange…"

    „Herr, ich kann dir trotzdem keine Antwort geben…"

    „… du kannst nicht?" fragte Swidger verblüfft.

    „Herr, was soll ich berichten, wenn der Bursche immer tut, was man ihm sagt, freundlich ist und auch hilfsbereit, aber keine Frage zu seinem Leben, seiner Herkunft oder auch zu Wünschen der Zukunft beantwortet… Das Einzige was mir auffällt ist eine Unruhe, die sich von Tag zu Tag steigert…"

    „Du hast diesen Teil deines Auftrages sehr gut erfüllt! Bringe ihn zu mir!"

    Hakon kam dem Wunsch seines Fürst sofort nach.

    „Chatte, hast du einen Namen?"

    Wimmo, Herr!"

    „Und dein Bruder…

    „Werno!"

    „Hakon wird dich zu Irvin bringen!"

    „Herr, wohin?" fragte Hakon irritiert nach.

    „Du bringst den Jungmann zu der Villa, wo du, in Irvins Begleitung, einst Gerwin fandest! Der Junge bleibt in deinem Schutz, bis du ihn Irvin übergeben kannst! Geht! Aber zögere nicht, der Junge steht in einer Frist!"

    Hakon nickte nur, fasste den Jüngeren am Arm und zog ihn aus der Halle des Fürst der Mattios.

    2. Brückenschlag

    66 nach Christus - Sommer (19. September)

    Imperium Romanum – Mogontiacum

    Die begonnene Reise in den Süden gestaltete sich vom ersten Tag an als wenig schwierig.

    Belletor war für Sexinius ein angenehmer Gefährte, der sich von ihm kaum unterschied. Das den neuen Gefährten irgend etwas merkwürdiges umschwirrte, fühlte der frühere Centurio bald.

    Sexinius erinnerte sich, dass Gerwin wieder sehr schnell den Rückweg zur Legion antrat.

    Deshalb, nun ständig auf ihr gemeinsames Vorhaben ausgerichtet, beobachtete er seinen zukünftigen Begleiter und war nicht auf dessen vollständige Verwandlung vorbereitet.

    Belletor entledigte sich seiner Uniform und übergab deren Teile, einschließlich der von ihm genutzten Parma, an die Wirtin der Taverne.

    Das dieser dabei recht geschickt vorging, gefiel Sexinius.

    Belletor sprach Eponia mit freundlichen Worten an, rühmte ihre Schönheit und wusste im Vorhinein, dass eine so gelobte Frau einer freundlichen Bitte wohl kaum widerstehen könnte. Eponia nahm die Kleidung und Ausrüstung entgegen, lächelte und damit war die Sache abgeschlossen.

    Allein ihr Lächeln war geneigt, so empfand es zumindest Sexinius, den Graukopf Viator um diese Frau zu beneiden…

    Aus dem eher unscheinbar wirkenden Legionär Belletor war ein Handelsreisender geworden, der mit seiner neuen Kleidung, lederner Bracae, dunkelblauer Tunica und Chlamys eine Wandlung vollzog.

    Zwei Dinge fielen Sexinius im Vorgang des Umkleidens auf.

    Das Erste war der am Körper des Legionärs verborgene Schmuck.

    Um den Hals des neuen Gefährten hingen zwei Ketten. Die Eine trug einen Ring, der dem früheren Centurio nicht gänzlich unbekannt erschien. Die zweite Kette war wohl etwas feiner gearbeitet. An ihr prangte ein kleines Eichenblatt als Anhänger. Mehr aber beeindruckte Sexinius der am linken Oberarm getragene Ring, der sich oberhalb des Oberarmmuskels auf die Haut presste.

    Belletor bemerkte den Blick und das Erstaunen.

    „Etwas Eitelkeit ist auch einem ansonsten armen Legionär wie mir sicher gestattet…" grinste Belletor ihn an und glaubte damit die Angelegenheit als abgeschlossen.

    Zweifellos wäre dies auch so geblieben, begegnete Sexinius nicht schon einmal ein Ring wie der an der etwas gröberen Kette.

    „Mir gefällt dein Armreif und auch die Kette mit dem Eichenblatt erscheint mir sehr wertvoll… Den anderen Ring aber sah ich schon einmal bei anderen Legionären… Ich hatte selbst einen solchen Mann in meiner Centurie und kann mich gut seiner Ehrenhaftigkeit erinnern… Das allein wirft die Frage auf, wie du zum Ring der Evocati gekommen bist? In meiner Erinnerung hatten sich deine Worte eingegraben, dass du noch einige Tage zu dienen hättest… Verzeih meine Verwunderung und meine Neugier… "

    „Du kennst diese Art Ringe?" Belletor bemerkte seinen Leichtsinn. Er stutzte ob seiner Unvorsichtigkeit und wurde sich dann bewusst, dass er diese Art Schmuck auf der gesamten Reise hätte kaum vor den Augen des Gefährten verbergen können. Er spielte auf Zeit, denn die Antwort musste weiterer Neugier vorbeugen und für endgültige Verhältnisse sorgen.

    „Mein Evocati trug solchen Ring… Er aber war stolz darauf und zeigte ihn am Finger… Zweifellos bist auch du stolz auf die dir verliehene Ehre, zumal du schon Evocati zu sein scheinst, während du noch dienst? Andererseits schmückte der Ring deinen Hals, aber unterhalb der Tunica…" Sexinius sah Belletor damals lächelnd an und wartete auf eine Erklärung.

    „Woran liegt dir mehr, Sexinius?" erwiderte Belletor.

    „Was meinst du?" Der frühere Centurio reagierte verwirrt.

    „Ist es mein Vertrauen und meine Achtung, an der dir mehr liegt oder zwickt dich die Neugier?" knurrte Belletor.

    „Ich ziehe Achtung und Vertrauen vor… blaffte Sexinius zurück. „… dennoch erscheint mir wichtig, dass diese Vorzüge keine einseitige Sache sind… führte er seine Antwort danach zu Ende.

    Sie starrten sich für einen Augenblick an. Die Fronten waren markiert.

    „Wie hältst du es mit Geheimnissen?" Noch immer stand der Augenblick im Feuer einer Bewährung. Belletor spürte es. Er brauchte Zeit, sich eine gute Antwort zurechtlegen zu können und durfte dabei dennoch kein Wort über seine Geheimnisse verlauten lassen.

    Sexinius, mit Unverständnis zum Sinn der Frage geschlagen, antwortete und baute selbst die Brücke, über die Belletor bedenkenlos schreiten konnte.

    „Meine Geheimnisse sind eines Freundes würdig… Geheimnisse, die mir nicht allein gehören, bedürfen der Zustimmung der Anderen…" hörte Belletor und verstand.

    „Dann gehen wir davon aus, dass die Antwort auf deine Fragen erst erfolgt, wenn ich Andere um Rat ersuchen konnte…" Belletors Miene zeigte Freundlichkeit.

    Damit war dieser Teil der Überraschung, daraus folgender Neugier und Zweifel, vorerst zerstreut. Belletor begriff, dass der Gefährte seine Worte im Kopf behalten würde und erkannte auch die Antwort, die eines

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