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Besuch von Drüben: Kurzgeschichten über Begegnungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits
Besuch von Drüben: Kurzgeschichten über Begegnungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits
Besuch von Drüben: Kurzgeschichten über Begegnungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits
eBook86 Seiten1 Stunde

Besuch von Drüben: Kurzgeschichten über Begegnungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits

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Über dieses E-Book

Sechs Kurzgeschichten, die einen fantasievollen Blick durch die eigentlich undurchdringliche Mauer zwischen dem Diesseits und dem Jenseits vermitteln.
Geschichten über menschliche Schicksale und der Frage nach dem Warum.
Geschichten über Begegnungen und Gespräche zwischen den Welten, die zum Nachdenken anregen. Mal traurig und mal heiter. Mit der Frage: Wie geht es weiter?
SpracheDeutsch
HerausgeberTraumwelt Verlag
Erscheinungsdatum5. Okt. 2022
ISBN9783939362524
Besuch von Drüben: Kurzgeschichten über Begegnungen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits

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    Buchvorschau

    Besuch von Drüben - Bouxsein Stefan

    Begegnung mit einem Engel

    Wie jedes Jahr an Heiligabend machte ich mich auch an diesem Abend wieder auf den Weg. Selbst der Besuch meiner Tochter, die mich dieses Jahr erstmals mit ihrer eigenen Familie besuchte, konnte mich nicht davon abhalten. Ganz im Gegenteil. Marie war im Sommer Mutter geworden und kurz darauf hatte sie geheiratet. Mein Schwiegersohn Carsten war Bauingenieur und verdiente gutes Geld. Die junge Familie baute gerade ein Haus, circa 200 km von meiner Wohnung entfernt. Die beiden wollten es nicht bei einem Kind belassen. Zwei oder drei sollten es schon sein. Entsprechend großzügig planten sie auch ihr neues Zuhause. Ich war ganz vernarrt in meine Enkelin Johanna. Aber zwei oder drei von der Sorte zu bespaßen, wäre mir wahrscheinlich doch zu anstrengend. Und so hoffte ich insgeheim, dass die beiden sich mit dem nächsten Kind noch etwas Zeit ließen.

    Carsten hatte angeboten, mich auf dem Spaziergang zu begleiten. Doch das lehnte ich ab. Dieser alljährliche kleine Ausflug an Heiligabend hinüber zur Brücke war mein jährliches Ritual. Dabei musste ich allein sein. Mein Schwiegersohn war auch ganz froh darüber, draußen wehte ein kalter Wind und es schneite. Nach dem gemeinsamen Essen, ich hatte eine Gans zubereitet und dazu Rotkohl serviert, waren die jungen Eltern müde geworden und hatten es sich auf der Couch bequem gemacht. Johanna schlief friedlich in ihrem Kinderbettchen, das ich extra für solche Gelegenheiten angeschafft hatte.

    Ich zog mir Mütze, Schal und Handschuhe an, schlüpfte in die Stiefel und begab mich auf den Weg. Das Schneetreiben wurde heftiger und ein kalter Wind pfiff über die Felder. Mein Haus lag am Rand einer kleinen Ortschaft, außer mir war keine Menschenseele unterwegs. Gemächlichen Schrittes lief ich den Feldweg entlang zu dem Wäldchen hinüber. Es lagen schon einige Zentimeter Schnee auf dem Boden, die Landschaft erstarrte unter der weißen Pracht. Die Zeit schien stillzustehen. Mir kam es fast so vor, als würde die Schneedecke nicht nur die Felder, Wiesen und Straßen bedecken, sondern auch all die Probleme und Sorgen, die mich zeit meines Lebens geprägt hatten. Ich lächelte zufrieden in mich hinein, stapfte durch den Schnee und war in Gedanken mit wohligen Gefühlen bei der kleinen glücklichen Familie, die ich über die Feiertage in meinem Heim beherbergte. Marie war kurz nach dem Abitur von zuhause ausgezogen, um in einer Stadt weit weg von unserem Dorf ein Medizinstudium zu absolvieren. Nun war aus meiner kleinen Tochter eine Ärztin, Ehefrau und Mutter geworden. Sie war glücklich und hatte noch große Pläne.

    Auch ich war als junger Mann einmal glücklich und voller Zukunftspläne gewesen. Ich hatte einen guten Job bei einer Versicherungsgesellschaft und war frisch verliebt, bevor mein Leben in kürzester Zeit wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war.

    Mein Weg führte mich um das kleine Wäldchen herum bis zur Wolfsschlucht. Die Schlucht war schmal und konnte über eine Fußgängerbrücke überquert werden. Wenn man sich auf der Mitte der Brücke befand, ging es fast fünfzig Meter in die Tiefe. Unten lag Felsgeröll in einem ausgetrockneten Flussbett. Ich blieb wie jedes Jahr an diesem symbolträchtigen Abend in der Mitte der Brücke stehen, lehnte mich gegen das Geländer und schaute nach unten in die Dunkelheit.

    Als ich vor dreißig Jahren das erste Mal hier stand, war ich fest entschlossen gewesen. Einige Monate zuvor hatte ich zunächst völlig überraschend meinen Job bei der Versicherung verloren. Ich war nicht der Einzige, der einem Sparprogramm zum Opfer fiel, doch für mich war es nur der Anfang einer Serie von Schicksalsschlägen gewesen. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich noch guter Dinge und von mir und meinen Qualitäten völlig überzeugt. Das Leben bestand aus Herausforderungen, denen ich mich stellte. Ich bewarb mich bei mehreren Unternehmen um eine neue Anstellung und wurde zu einigen Vorstellungsgesprächen eingeladen. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis ich mich wieder in Lohn und Brot befand. Natürlich zu einem höheren Lohn als zuvor, da gab es für mich gar keine Zweifel. Die beschlichen mich erst, als nach und nach die Absagen eintrafen. Mein Selbstwertgefühl bekam seine ersten leichten Schrammen. Aber so schnell ließ ich mich nicht unterkriegen. Ich verfügte immerhin über einige Ersparnisse, mit denen ich eine längere Durststrecke überbrücken konnte. Vor allem sah ich es als Kapital an, dass ich für mich arbeiten lassen wollte. So funktionierte schließlich der Kapitalismus. Als gelernter Versicherungskaufmann kannte ich mich in diesen Dingen aus. Ich investierte in Wertpapiere. Zunächst in Aktien, kurz darauf auch in Optionsscheine. Tatsächlich vermehrte sich mein angelegtes Kapital und ich wurde risikofreudiger. Mein kleiner Reichtum wuchs an, obwohl ich keine Arbeit hatte. Die Arbeitssuche avancierte zur Nebensache, stattdessen suchte ich nach immer lukrativeren Anlagemöglichkeiten und fand sie natürlich auch.

    Meine Beziehung mit Karin lief derweil sehr harmonisch und ich machte mir ernsthaft Gedanken darüber, bei welcher Gelegenheit ich ihr einen Heiratsantrag unterbreiten sollte. Karin arbeitete als Krankenschwester, wir kannten uns schon drei Jahre und seit einem Jahr wohnten wir zusammen. Während ich über das Heiraten nachdachte, schien Karin aber ganz andere Zukunftspläne zu schmieden. Jedenfalls war sie eines Tages mit Hab und Gut aus unserer Wohnung verschwunden. Zurückgeblieben war nur ein handgeschriebener Zettel, den ich auf dem Küchentisch vorfand. Sie teilte mir mit, wie sehr sie unsere gemeinsame Zeit genossen hatte, sich nun aber von mir zu trennen gedachte und wünschte mir für die Zukunft alles Gute. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, fand überhaupt keine Erklärung für diese neue Wendung in meinem Leben und stellte fest, dass Karin meine verzweifelten Anrufe ignorierte. Ich hatte keine Ahnung, wo sie abgeblieben war, ob sie mit einem anderen durchgebrannt war oder ob ich sonst irgendwas verpasst hatte.

    Diese Mischung aus Schmach und Ungewissheit ließ mich des Öfteren zur Flasche greifen.

    Der kalte Wind pfiff mir ins Gesicht, während ich auf der Brücke stand und mir wie

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