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Elf Perlen: Neue Märchen aus der Heimat der Brüder Grimm
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Elf Perlen: Neue Märchen aus der Heimat der Brüder Grimm
eBook145 Seiten1 Stunde

Elf Perlen: Neue Märchen aus der Heimat der Brüder Grimm

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Über dieses E-Book

"Elf Perlen", elf neue Märchen junger Autorinnen und Autoren, sind das Ergebnis des gleichnamigen Literaturwettbewerbs. Die Märchen sind im Hier und Jetzt verankert, sie spiegeln heutiges Leben in einer außerordentlich komplex gewordenen Welt. Sie handeln von Träumen, Sehnsucht, Lust und Leid, von der Frage nach dem Selbst oder auch dem Tod, von dem Verhältnis von Jung und Alt oder zwischen Mann und Frau.
SpracheDeutsch
HerausgeberAllitera Verlag
Erscheinungsdatum26. Sept. 2013
ISBN9783869065854
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    Buchvorschau

    Elf Perlen - Allitera Verlag

    Die Poesie der Perlen

    Ein Vorwort

    »poesie ist das, wodurch uns unsere sprache nicht nur lieb und theuer, sondern woran sie uns auch fein und zart wird, ein sich auf sie nieder setzender geistiger duft.«

    Dieser schöne Satz stammt aus Jacob Grimms Rede auf Schiller aus dem Jahr 1859. Er zieht sich als Leitgedanke durch dieses Buch wie auch das Projekt, dem es sich verdankt.

    »Neue Märchen aus der Heimat der Brüder Grimm«: Das heißt zunächst einmal, dass die hier veröffentlichten Erzähltexte junger deutschsprachiger Autorinnen und Autoren mit den Brüdern Grimm in enger Verbindung stehen, besonders mit deren berühmter, in ihrer Heimat Nordhessen entstandener Märchensammlung. Vor 200 Jahren, im Dezember 1812, erschien der erste, 1815 der zweite Band der Kinder- und Hausmärchen, die seither eine beispiellose Karriere als Weltliteratur erfahren haben.

    Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm waren aber, wie bekannt ist, nicht nur Märchensammler, sondern unglaublich produktive und politisch engagierte Germanisten. Sie haben zahlreiche Quellen wie Volkslieder, Sagen, das Hildebrandlied oder auch Rechtsalterthümer zugänglich gemacht, haben, wie Jacob, eine monumentale Deutsche Grammatik oder, wie Wilhelm, Zur Geschichte des Reims geschrieben und ein Jahrhundertprojekt wie das Deutsche Wörterbuch auf den Weg gebracht: eine Arbeit an unserer Sprache, die noch immer auf vielfältige Weise Einfluss auf die heute entstehende Literatur nimmt.

    Die neuen Märchen verdanken sich zugleich einem außergewöhnlichen Projekt: Der geistige Duft, von dem Jacob schreibt, hat sich auch auf die Perlen, elf führende Hotels in der GrimmHeimat, der Wirtschaftsregion Nordhessen, gelegt und die Hoteliers inspiriert, das Wirken der Brüder in ihren Häusern fortleben zu lassen. So entstand in Zusammenarbeit mit der Stiftung Brückner-Kühner der Literaturwettbewerb »Elf Perlen«: Elf Autorinnen und Autoren im Alter von bis zu 35 Jahren wurde damit ermöglicht, während eines einwöchigen Aufenthalts in den Hotels und von diesen mit einem Fördergeld bedacht, jeweils ein neues Märchen zu verfassen.

    Auf die Ausschreibung hin gingen 130 Bewerbungen ein, auch aus der Ferne, etwa aus der Ukraine oder sogar Kamerun. Fünf Lektoren namhafter Verlage haben daraus eine Auswahl getroffen und die ausgezeichneten elf Perlen-Literaten bei der Abfassung ihres Märchens betreut. Die Ergebnisse sind nun, nach Namen alphabetisch aufgefädelt, auf den folgenden Seiten zu lesen.

    »Darin bewährt sich jede ächte Poesie, daß sie niemals ohne Beziehung auf das Leben seyn kann«, heißt es im Vorwort der Kinder- und Hausmärchen. Das gilt auch für die neuen Märchen. Sie spiegeln heutiges Leben in einer außerordentlich komplex gewordenen Welt, dargestellt aus der poetischen Einbildungskraft junger Menschen. Sie handeln von Träumen, Sehnsucht, Lust und Leid, von der Frage nach dem Selbst oder auch dem Tod, von dem Verhältnis von Jung und Alt oder zwischen Mann und Frau. Man findet sich in anderen Ländern wieder, in Fantasiewelten oder auch an Orten, die Hotelerfahrung verraten.

    Natürlich haben wir es hier nicht mit Volks-, sondern mit Kunstmärchen zu tun, die meist ohne Happy End, aber mit originellen Handlungen, psychologisch ausgeleuchteten Figuren und einer immer wieder anders kunstvollen und bilderreichen Sprache ausgestattet sind. Die Grimmschen Märchen sind deutlich präsent, wir begegnen Hänsel und Else, Marie und Frau Holle. Wir treffen aber auch auf Figuren wie den Löwenmenschen oder Peter, den Mann ohne Schatten, auf Alice im Wunderland oder die Venus von Willendorf. Und in allem erfahren wir aufs Neue die uralte Lust am Erzählen und den frischen geistigen Duft der Poesie.

    Friedrich W. Block

    Stiftung Brückner-Kühner

    »poesie ist das, wodurch uns unsere sprache nicht nur lieb und theuer, sondern woran sie uns auch fein und zart wird, ein sich auf sie nieder setzender geistiger duft.«

    Jacob Grimm, Rede auf Schiller, 1859.

    Elf Perlen. Die Autorinnen und Autoren der neuen Märchen

    Katharina Bendixen

    Rabea Edel

    Joseph Felix Ernst

    Marjana Gaponenko

    Constantin Göttfert

    Nancy Hünger

    Mónika Koncz

    Christina Maria Landerl

    Sascha Macht

    Barbara Schinko

    Ellen Wesemüller

    Katharina Bendixen

    Ich bin nicht Else

    Ist Else drinnen? Ich klopfe dreimal an das raue Holz der Tür. Die Nacht hat sich herabgesenkt, den Tag habe ich auf dem Feld verschlafen. Ich sollte ernten, weiß ich noch, Hans hatte mir das aufgetragen. Ich aber aß zuerst, dann schlief ich ein, und als ich aufstand, war ein Schellen um mich. Auf einmal wusste ich nicht mehr, bin ich Else, oder bin ich’s nicht? Bin ich die Frau von Hans, oder bin ich’s nicht? Zu Hans will ich gehen, sagte ich mir, um ihn zu fragen, ob Else schon zu Hause ist. Schnell lief ich übers Feld, hinter mir das Schellen, als verfolgte mich ein Zwerg mit einem Schellenring. Ich wurde irr und irrer, bin ich Else, bin ich’s nicht, bin ich’s, bin ich’s nicht?

    Ja, sie ist drinnen!, höre ich jetzt Hans. Ich nehme meine Hand vom Holz, durchs Fenster sehe ich, Hans sitzt am Tisch, mit Brot, Braten, Wasser, sicher hat das Else für ihn aufgetragen. Ich weiß nicht, wer ich bin, wenn ich nicht Else bin, und was will dieser Zwerg von mir? Bis in den Wald verfolgt er mich, zum Schlafen schiebe ich das Laub beiseite. Auch er wälzt sich und lässt dabei die Schellen klingen. Ich glaube nicht, dass Else je im Wald geschlafen hat, dazu noch neben einem Zwerg. Sie ist die Frau von Hans, die Nächte verbringt sie an seiner Seite. Wie kann ich meinen Namen wiederfinden, ist es nicht so, dass es kein Leben ohne Namen gibt?

    Ich glaube, Else ist noch nie im Wald erwacht, nie musste sie sich feuchte Blätter aus den Haaren streichen. Das Bett, das Hans und sie sich teilen, ist weiß, ich kann nicht Else sein. Kaum habe ich mich aufgerichtet, höre ich das Schellen. Der Zwerg ist nicht mehr da, die Schellen hängen an einem Garn um meinen Hals, wer bin ich, wenn ich nicht Else bin? Ich kehre Elses Dorf den Rücken, das Schellen macht mich immer irrer. Die Sonne trocknet meine Sachen. Eine Kutsche überholt mich, der Kutscher ruft mir etwas nach. Erst da merke ich, dass meiner Bluse ein Ärmel fehlt. Ich muss ihn in der Nacht verloren haben, an einem Ast, am rauen Holz der Tür, oder gestern auf dem Feld, als ich noch dachte, dass ich Else bin, die Frau von Hans. Ich wische mir den Staub der Straße vom Gesicht, in der Ferne erkenne ich ein Dorf.

    Nie würde Else an fremde Türen klopfen, ich aber versuche es überall, mit Händen, die dreckiger sind, als Elses Hände jemals waren. Wer bin ich?, rufe ich durchs Holz, habt Ihr mich irgendwo gesehen? Ich klopfe fester, rufe lauter: Ich brauche einen Namen, wisst Ihr keinen? Kennt Ihr mich wirklich nicht? Doch niemand tritt heraus, bloß der Bürgermeister fährt mich von der Schwelle an: Du schellst und schreist das ganze Dorf zusammen! Ich stehe ruhig, damit die Schellen schweigen, und sage: Ich habe mal gehört, es gibt kein Leben ohne Namen. Der Bürgermeister höhnt: Und keinen Tod, wie klug von dir! Als ich nichts mehr sage, fährt er fort: Wenn du deinen Namen nicht weißt, sperre ich dich in die Schreibstube. Es wäre zu deiner Sicherheit, es kam schon vor, dass einer sich entzweigerissen hat, bloß wegen seines Namens. Er ist gestorben, unter Qualen, nebenbei gesagt.

    Wenn er gestorben ist, dann gibt es doch ein Leben ohne Namen oder zumindest einen Tod? Das denke ich nur bei mir, der Bürgermeister schimpft schon wieder: Was starrst du so? Auf seinen schmalen Bart habe ich gestarrt, denn ich erinnere mich an einen anderen Bürgermeister mit einem solchen Bart. Er war viel dicker als dieser hier und stand auf dem Dorfplatz, mit Elses Vater und der kleinen Else. Schaut unsre dumme Else an, sagte Elses Vater, sie hört die Fliegen husten, nichts als Zwirn hat sie im Kopf, welchem Mann soll das gefallen? – Da habe ich einen Rat für Euch, flüsterte der dicke Bürgermeister Elses Vater zu, verbreitet einfach, dieses dumme Ding sei klug, dann wird sich einer finden. Er kniff in Elses Wange: Bist du nicht klug?, und strich die Weste glatt, mit Armen, die zu kurz waren für seinen dicken Bauch. Ich erinnere mich, dass Else Angst bekam, ihr Vater fuhr sie an: Was drückst du meine Hand so fest, du dummes Ding? Berichtigte sich

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