Backnang Stories 2017
Von Melanie Zecca, Kerstin Wenger, Florian Weidner und
()
Über dieses E-Book
Diese Fragen und noch mehr beantwortet dieses Buch. Die 20 besten Geschichten des Schreibwettbewerbes "Backnang Stories 2017"
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Rezensionen für Backnang Stories 2017
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Buchvorschau
Backnang Stories 2017 - Melanie Zecca
www.leserattenverlag.de
Ein Gruß(wort) direkt aus dem Backnanger Kino Universum
Immer schon lagen Schrift und Bild in den Köpfen der Menschen nahe beieinander. Ob die Bilder zur Schrift nun nur in der Fantasie oder aber auf der Kinoleinwand erstrahlen – sie können immer etwas erreichen. Sie können uns träumen oder in andere Welten abtauchen lassen, sie können beflügeln, uns emotional erreichen UND – sie können animieren.
Animieren konnten auch Tanja Kummer und Marc Hamacher vom Leseratten Verlag, indem sie 2014 erstmals einen Schreibwettbewerb für Kurzgeschichten ausriefen, die in irgendeiner Weise einen Bezug zu unserer schönen Heimatstadt Backnang haben sollten. Ob sie da schon ahnten, wie kreativ die Autorinnen und Autoren tatsächlich sind? Dass uns in einem einzigen Buch wie in diesem hier Gespenster, eine Sonnenfinsternis, eine philosophierende volltrunkene Sängerin, Zombies, ein Einhorn, Baileys-Pralinen, mystische Geisterkatzen, Vampire, Mücken auf Blutsaugerurlaub, eine Jugendgang oder eine Hexe im Plattenwald begegnen?
Wir sind schon sehr gespannt auf die Lesungen, die ja immer an ganz verschiedenen Orten stattfinden. Ob in der Stadtbücherei, im Juze, bei Sascha Wolter oder auch bei uns im Kino Universum, wo wir seither viel Spaß hatten. Mal gab es Kurzfilme zwischendrin, mal schneite der Nikolaus herein und dann wieder stellte sich heraus, dass Verleger Marc Hamacher ein Sänger ist, der mal schnell solo oder mit den Autoren Marina Heidrich und Marcus Burkhardt eine musikalische Umrahmung zaubern kann. Multitalente kann man da nur sagen. Besonders überraschend war der (natürlich lautstark musikalische) Auftritt der Lohkästrampler, die schwungvoll den Saal stürmten. Schließlich waren sie die Hauptprotagonisten einer der Gewinner-Geschichten. Welch ein Highlight.
Nun gratulieren wir nicht nur denjenigen ganz herzlich, deren Werke den Weg ins neue Buch gefunden haben, sondern wir bedanken uns bei allen, die ihre Geschichten eingesandt und uns somit an ihrer Fantasie teilhaben lassen. Etwas, das man selbst geschrieben hat, ist zunächst immer etwas ganz Persönliches. Dies mit anderen zu teilen – dazu gehört eine große Portion Mut. Danke, dass ihr alle diesen Mut hattet. So werdet auch ihr animieren: uns dazu, zu lesen und viele andere dazu, es euch gleich zu tun!
Annegret Eppler
Kino Universum Backnang
Vorwort
Der Zustrom an Geschichten für die Backnang Stories ist weiter ungebremst und mit dieser Ausgabe 2017 setzen wir die Tradition so fort, wie wir sie uns gewünscht haben. Vielen Dank an alle Teilnehmer - weiter so, Ihr seid alle super!
Dabei zeigen die Autorinnen und Autoren immer wieder, wie sie am Puls der Zeit hängen. So dürfen aktuell natürlich auch keine Einhörner fehlen. Außerdem haben wir diesmal auch einige eher gruselige Geschichten dabei. Alles in allem zeigt sich wieder die Vielfalt der Fantasie der Backnangerinnen und Backnanger.
Wie immer an dieser Stelle möchte ich mich bei den Sponsoren der Preise für die Gewinnergeschichten bedanken, welche im Buch immer an der entsprechenden Stelle erwähnt werden. Und den vielen Backnanger Einzelhändlern, welche uns bei der Bewerbung unseres Backnang Stories Projektes unterstützen. Ein weiterer Dank geht an die Jury, die sich allen Geschichten angenommen haben. Die Bewertung fand wie immer anonym statt, also ohne dass die Jury wusste, vom wem welcher Beitrag geschrieben wurde. Auf unserer neu erstellten Facebookseite (www.facebook.com/BacknangStories) werden wir zusätzlich zur Verlagshomepage aktuell über das Projekt schreiben, die Autoren, Sponsoren, Jurymitglieder vorstellen, aber natürlich auch über Projektentwicklungen und Termine informieren. Wir würden uns über ein Besuch und ein Like freuen.
Auch traditionell wird es zwischen Mitte November 2017 bis Mitte Dezember 2017 mehrere Lesungen aus den Backnang Stories 2017 geben. Wir haben einen bunten Strauß an Veranstaltungsorten gebunden und hoffen, dass Sie die Zeit finden, hier und da einfach dabei zu sein, um die Autorinnen und Autoren zu unterstützen.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch den Hinweis geben, dass es auch 2018 einen Schreibwettbewerb und die Backnang Stories geben wird. Oft wurde ich am Verlagsstand gefragt, ob wir denn auch ein reines Kinderbuch im Programm hätten. Sicherlich sind viele der bisherigen Geschichten aus der Buchreihe auch für Kinder und Jugendliche geeignet, aber eben nicht alle. Deswegen steht die kommende Ausgabe für 2018 unter dem Motto Backnang Stories 4Kids. Wir suchen also bis zum Einsendeschluss am 01. Mai 2018 gezielt Geschichten, die für Kinder und Jugendliche geeignet sind.
So … aber nun viel Spaß mit dem aktuellen Band und den tollen Geschichten.
Marc Hamacher
Leseratten Verlag
Sabine Baumert
Sabine Baumert unterrichtet an der Backnanger Jugendmusikschule, deren zentrales Unterrichtsgebäude im Bandhaus untergebracht ist. Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.
Wenn sie nicht gerade mit Musik oder dem Schreiben beschäftigt ist, erkundet sie gern per Fahrrad die Umgebung oder macht Handarbeiten. In ihrem Haushalt in Kornwestheim leben auch die Wellensittiche Pitti und Krümel.
Der Brief
Backnang, im Juni 1946
Nachdenklich schaut Edda Thiel auf den dicken Brief, der vor ihr auf dem einfachen Küchentisch liegt. Da steht als Empfänger nur: Edda Thiel, Bac-nang. Der Name der Absenderin auf der Rückseite ist ihr vollkommen unbekannt. Gerade ist Max, der junge Postbote, wieder auf seinem klapprigen Fahrrad davongerast.
»Tari, trara, die Post ist da«, hatte er übermütig gerufen, als er ihr den Brief aushändigte. Er war sich sicher, dass sich Edda über diese private Post freuen würde. Sonst brachte er ihr meist offizielle Briefe von Behörden oder Rechnungen.
Andererseits konnte er nur wegen diesen anderen Sendungen überhaupt vermuten, wer mit dem Empfänger gemeint sein könnte. Edda Thiel und ihre Schwester Irmi wohnten noch gar nicht lange in dem beschaulichen schwäbischen Städtchen. Durch Frau Hägele, die neugierige Nachbarin, hatte Max erfahren, dass die beiden Schwestern die einzigen Mitglieder ihrer Familie waren, die die Flucht aus dem weit enfernten Ostpreußen heil überstanden hatten.
»Die schwätzet so komisch, wisset Se«, hatte Frau Hägele dem Max einmal vertraulich zugeflüstert. Und Sachen würden die beiden kochen – das könne er sich gar nicht vorstellen, wie seltsam das manchmal aus der Küche des kleinen Häuschens riechen würde.
»Immerhin ist unser merkwürdiger Name gut dafür, dass man für Briefe an uns keine Straße dazuschreiben muss«, hatte Edda vorhin zu Max gesagt.
Herr Maurer, Max’ Vorgesetzter im großen Backnanger Postamt, war allerdings gar nicht damit einverstanden gewesen, dass Max den Brief zustellte. Schließlich müsse ein Brief ordnungsgemäß mit Namen, Ort und Straße des Empfängers adressiert sein. Sonst sei er an den Absender zurückzuschicken. Doch die jungen Postbeamten hatten schließlich Herrn Maurer dazu überreden können, Max den Brief mit in seine große Posttasche zu geben. Der Brief sah so aus, als habe er schon einen sehr viel weiteren Weg zurückgelegt als nur von Heidelberg nach Backnang. An einigen Stellen war der Umschlag eingerissen, hinten sah er aus, als sei er in einen schweren Regenguss geraten. Nur weil der Absender mit Kugelschreiber geschrieben war, konnte man ihn überhaupt noch lesen. Und dann waren vorn so merkwürdige Zeichen, die aussahen wie kleine quadratische Bilder. Neben dem Empfänger stand in roten Buchstaben: Return to Germany.
»Weiß einer, was das bedeutet?«, fragt Max in die Runde seiner jungen Kollegen.
»Irgendwas Ausländisches«, vermutet der rothaarige Erwin.
»Und, verstehst du es?«, fragt Max.
»Noi, i kann a bissle Hochdeitsch, des langt mer«, findet Erwin. Und überhaupt, klar sei der Brief von weit her, schließlich käme er aus dem Land der Gelbfüßler.
Nun sitzt die junge Frau mit dem dunklen Lockenkopf und den braunen Augen, in die Max ewig schauen könnte, in ihrem Häuschen und überlegt, was sie mit dem Brief machen soll. Einerseits brennt sie vor Neugier, ihn gleich zu öffnen. Andererseits möchte sie ihre Schwester Irmi an der Aufregung teilhaben lassen. Also warte ich lieber, bis Irmi von der Arbeit nach Hause kommt, denkt Edda. Die hat im Gegensatz zu ihr gleich Arbeit in einer Lederfabrik unten an der Murr gefunden und hat heute Frühschicht. In einer Stunde müsste sie zu Hause sein. So lange werde ich es schon noch aushalten, denkt Edda. Sie verbringt sowieso viel Zeit mit Warten. Denn die württembergische Schulbehörde tut sich offenbar schwer damit, Eddas Abschluss als ausgebildete Erzieherin von einer angesehenen ostpreußischen Fachschule anzuerkennen. Solange sie von dort keinen Bescheid hat, betreut Edda Peter, Ruth und Jochen, die Kinder der Nachbarsfamilie, die die junge Frau sofort in ihr Herz geschlossen haben.
Januar 1946, Nanchang in China
»Schau mal, was da für ein merkwürdiger Brief bei uns eingegangen ist«, wendet sich die junge Postbeamtin Yulan an ihren gleichaltrigen Kollegen Tian. Dessen Name bedeutet Himmel und ihrer Magnolie. Beides passt insofern sehr gut zusammen, als Tian immer im siebten Himmel schwebt, wenn er in Yulans Mandelaugen schaut. Sie sieht so zart und zerbrechlich aus, dass Tian den Namen einer zarten Frühlingsblüte absolut passend für sie findet. Leider ist Yulan an der Arbeit weitaus mehr als an ihrem Kollegen interessiert. Obwohl sie den schon sehr nett findet. Aber Privates hat nun mal in der nüchternen Poststation nichts zu suchen. Tian seinerseits steigt unwillig von Wolke sieben ein paar Stufen tiefer in die Niederungen des chinesischen Postleralltags. Auch er inspiziert den Brief aus merkwürdigem Papier, der auch so seltsam verschlossen ist.
»Stimmt, so etwas habe ich auch noch nie gesehen«, pflichtet er Yulan bei.
Es ist den beiden ein Rätsel, wie die Sendung mit den seltsamen Zeichen auf der Vorderseite überhaupt in die große Stadt im Südosten Chinas gelangen konnte. Wie die chinesische Bilderschrift sehen die jedenfalls keinesfalls aus. Da würde man den zweiten Namensbestandteil von Nanchang mit Schriftzeichen schreiben, die ein wenig so aussehen wie ein kleiner Stapel Bücher.
»Aber irgendwie müssen wir den Brief ja zustellen«, sagt Tian, der zwar nicht sonderlich ehrgeizig ist, aber immerhin einer Familie mit vielen Postbeamten entstammt, der Pflichterfüllung über alles geht.
Der Abteilungsleiter der beiden ist gerade auf einer Schulung. Er hat gesagt, er habe großes Vertrauen zu seinen jungen Beamten. »Entscheidet ihr ruhig auch einmal etwas alleine.«
»Ich habe auch schon eine Idee, wer uns da weiterhelfen könnte«, freut sich Yulan. Ihre jüngste Schwester arbeitet am Hauptbahnhof im Fahrkartenverkauf und hat ab und zu mit ausländischen Fahrgästen zu tun, die auf der Hauptstrecke von der Hauptstadt Peking in die große südchinesische Stadt Nanchang unterwegs sind. »Meine Familie müsste jetzt eigentlich zu Hause sein«, überlegt Yulan. »Dann können wir sie gleich mal fragen, und ich kann dich meiner Familie vorstellen. Die fragen sowieso schon immer, mit wem ich denn da arbeite.«
Da ist Tian wieder auf seiner Wolke sieben angekommen. Dass er so schnell einmal zu Yulan nach Hause kommen könnte, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt.
Bei Yulan zu Hause wird er freundlich begrüßt. Ihre Eltern und Geschwister freuen sich, jemanden von ihrer Arbeitsstelle kennenzulernen, denn sie arbeitet noch nicht lange dort. Nun hält auch Tian eine Schale mit dampfendem Tee in der Hand.
»Hast du schon einmal so etwas gesehen?«, fragt Yulan ihre Schwester Ling.
»Doch, ich weiß zwar nicht, was es bedeutet. Aber ich weiß, dass Menschen aus Europa so schreiben. Manchmal kommen Fahrgäste zu uns, die Angaben zu ihrer Fahrt in dieser Schrift dabei haben. Morgen ist meine Kollegin Lien wieder da, die kann euch sicher weiterhelfen. Da kaufen die meisten schon ihre Fahrscheine für den Expresszug nach Peking, der übermorgen geht. Lien betreut die ausländischen Passagiere. Am besten kommt ihr bei ihr vorbei.«
Am nächsten Morgen macht sich Yulan auf den Weg zum Hauptbahnhof. Beinahe hätte sie das Wichtigste vergessen, nämlich den Brief. Aber zum Glück hat Tian aufgepasst. Er geht nicht so gerne vom Büro weg, zumal sein Chef weg ist und wenigstens immer ein Beamter vor Ort sein sollte. Aber er ist sehr gewissenhaft und hat gleich gemerkt, dass seine temperamentvolle Kollegin beinahe den Brief vergessen hätte, weil sie in Gedanken schon am Bahnhof war.
Dort heißt es sich allerdings in Geduld zu üben, denn an Liens Fahrkartenschalter warten jede Menge Leute darauf, sich eine Fahrkarte für den Zug zu sichern. Wer keinen Fahrschein mehr ergattert, muss dann nämlich eine Woche bis auf den