Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel
Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel
Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel
eBook140 Seiten1 Stunde

Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der fast vergessene Künstler Berthold Reichel aus Kappeln an der Schlei hat in seiner kurzen Schaffensphase ein sehr großes Erbe hinterlassen. Dazu zählen auch Märchen, die 1927 im "Hexenkoffer" erstmalig in Buchform erschienen sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberAnno Stock
Erscheinungsdatum17. Sept. 2019
ISBN9783967246803
Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel

Mehr von Berthold Reichel lesen

Ähnlich wie Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Natur und Magie - Märchen und Geschichten von Berthold Reichel - Berthold Reichel

    Knackwuß

    Vorwort / über Berthold Reichel

    Herdecke, 28.08.2019

    Berthold Reichel begleitet mich seit meiner frühesten Kindheit. Meine Mutter saß oft bei mir oder meinen Geschwistern am Bett, um uns Geschichten vorzulesen. Dazu zählten natürlich bekannte Märchen der Gebrüder Grimm oder die fantastischen Abenteuer der Pippi Langstrumpf. Manchmal kam es aber auch vor, dass Mama ein Buch von „Opa selig mit ins Kinderzimmer nahm. Schon früh erfuhr ich, dass der geheimnisvolle Opa nicht „Selig mit Vornamen hieß, sondern Berthold. Und dass es mich um meinen Urgroßvater handelte, den selbst mein Vater und seine Geschwister nicht mehr kennenlernen konnten. Mein Vater ist Jahrgang 1941, sein großer Bruder war kaum älter – und Berthold Reichel verstarb 1936. Wahrscheinlich rührte daher die Formulierung „Opa selig": Eben der Opa, der nicht mehr unter den Lebenden weilte, aber weiterhin ein fester Teil der Familie blieb. Kein Wunder, bei dessen ungeheurer Kreativität und Schaffenskraft, die er in seinem viel zu kurzen Leben unterzubringen wusste.

    Berthold Reichel wurde am 23.08.1881 in Bordesholm geboren und wuchs anschließend in Rendsburg auf. Früh muss er sich für den Beruf des Lehrers entschieden haben, zu dem er in Apenrade (heute dänisch Åbenrå) und Eckernförde ausgebildet wurde. Als solcher arbeitete er kurzzeitig in Prinzenmoor und Neumünster. 1913 kam er dann als Mittelschullehrer für Biologie, Kunst, Musik und Englisch nach Kappeln an der Schlei.

    Als fantasievoller, vielseitig interessierter junger Mann begann er schon früh, Märchen, Geschichten und Gedichte niederzuschreiben. Es gibt auch einige Lieder, deren Melodien und Texte von Berthold Reichel stammen.

    Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 war er Soldat. Sein Talent im Anfertigen von Scherenschnitten hatte er wohl schon Jahre vor Kriegsbeginn entdeckt und muss bald schon sehr geschickt darin gewesen sein. Das Schneiden wurde jedenfalls zu einem so wichtigen Hobby, dass er Schere und Papier mit an die Front nach Flandern und Frankreich nahm. Womöglich, so lassen sich Auszüge seiner ebenfalls dort entstandenen, schriftlichen Kriegserinnerungen interpretieren, erntete er dafür anfangs einigen Spott seiner Kameraden. Spätestens, als er Wartezeiten im Schützengraben damit überbrückte, ebenjene mit Papier und Schere zu portraitieren, erwiesen sie ihm aber höchsten Respekt. Doch schon jetzt waren es nicht nur Portraits, sondern Tiere, Eindrücke aus der Natur, Tiere, Hexen, Nymphen und allerlei andere Fabelwesen, die er zu Papier brachte. Der Hintergrund dafür ist rasch erklärt: Im Schützengraben erinnerte sich Berthold gerne an seine Geschichten und unterhielt damit seine Kameraden. Vielleicht ist ihm dabei der Gedanke gekommen, dass bebilderte Geschichten besser funktionieren als solche, die aus reinem Text bestehen. Womit er den richtigen Riecher gehabt haben dürfte, denn ich war schon immer begeistert vom zeitlosen und oftmals sehr naturnahen Charakter seiner Scherenschnitte.

    Nach dem Krieg half ihm sein Talent, das inzwischen erworbene Kappelner Haus abzuzahlen und die Familie zu ernähren. Denn als Mittelschullehrer wurde er nur dürftig bezahlt, also freute er sich über Aufträge als Künstler. Einige Zeitschriften und Verlage ließen ihn Grimms Märchen und Theodor Storms Novellen illustrieren. Im Jahre 1927 erschien mit dem „Hexenkoffer" auch sein erstes Buch, das er mit eigenen Scherenschnitten illustrierte.

    Als er 1936 an den Folgen einer Tuberkulose starb, hinterließ er nicht nur eine junge Familie, sondern auch einen kreativen Schatz, dessen sich die Familie annahm.

    Seine Tochter Agnes, meine Großmutter, betätigte sich als Töpfermeisterin ebenfalls kreativ. Außerdem griff sie selbst gerne zur Schere, um die Motive ihres Vaters nachzuschneiden. Auch war es ihre Idee, einige der schönsten Motive als Postkarte herauszubringen und zu verkaufen.

    In der nächsten Generation ging die Töpferei an ihren Sohn Rüdiger, meinen Onkel, weiter. Mein Vater Gerhard hingegen griff nach dem Tode meiner Großmutter 1992 das „Projekt Scherenschnitt" auf, um es zu erweitern. Gemeinsam mit meiner Mutter überträgt er die Kunst Berthold Reichels (sowie die vieler anderer Scherenschnittkünstler) auf Postkarten, Tischkarten, Tischlaternchen, Geschenkanhänger, Lesezeichen und mittlerweile auch auf die von mir und meiner Lebensgefährtin Joana ersonnenen Schokobanderolen. Meine Mutter Ulrike Saß-Stock ist zudem als Kunsthandwerkerin geschickt darin, die Scherenschnitte zu Sägeschnitten zu machen: Unter ihren Händen entstehen aus Sperrholz schöne Dinge wie Bücherständer, Fotomappen und Weihnachtsdekoration. Die genannten Produkte verkaufen meine Eltern vor allem auf Kunsthandwerker- und Weihnachtsmärkten.

    Inzwischen ist die nächste Generation von Berthold Reichels Erben erwachsen. Meine Cousine Debora betreibt die Kappelner Töpferei noch immer an gleicher Adresse. Da ich mich, quasi als Spätberufener, für den Beruf des freien Texters, Redakteurs und Autors entschieden habe, fühle ich mich dem geistigen Erbe meines Urgroßvaters ebenfalls verbunden. Für mich stehen dabei allerdings nicht die Scherenschnitte, sondern die Märchen und Erzählungen von Berthold Reichel im Mittelpunkt. So natürlich auch Märchen, wie sie 1927 im „Hexenkoffer in Buchform veröffentlicht wurden. Diese wurden sogar, wie kann es anders sein, von Berthold Reichel mit Scherenschnitten illustriert. Leider sind nicht mehr alle Märchen und Erzählungen von Berthold Reichel erhalten geblieben, manches liegt mir auch nur in Fragmenten vor. Beispielsweise die Geschichte von „Däumerlings Weihnachtsfeier, die den Einzug in dieses Buch gefunden hat. Hier scheint der Schluss der Geschichte zu fehlen, aber der mir vorliegende Auszug bildet bereits ein „brauchbares" Ende.

    Ansonsten habe ich mir erlaubt, zwecks besserer Lesbarkeit einige Schreibweisen abzuändern. Das betrifft insbesondere die Verwendung von „ss und „ß. Ich hoffe, mir sind darüber hinaus keine Fehler mehr durchgerutscht. Für die Formulierungen in Plattdeutsch kann ich dies sicher am wenigsten versprechen, denn meine Kenntnisse dieser Sprache sind allenfalls als marginal zu bezeichnen. Immerhin muss ich für diesen Part keine Zensur mehr durch Berthold Reichel befürchten. Ich hoffe nun, ich beziehungsweise wir haben mit diesem neuen Buch seiner alten Geschichten ganz im Sinne von Berthold Reichel gehandelt. Mögen sich also auch künftige Generationen an seinem geistigen Erbe erfreuen.

    Meine Lebensgefährtin jedenfalls war nicht nur von den Texten, sondern auch von den schönen Illustrationen der Märchen und Geschichten begeistert. Insbesondere deshalb, weil sich seine Scherenschnitte so punktgenau auf die jeweiligen Geschichten beziehen, werden diese äußerst lebendig.

    Nun also viel Spaß beim Lesen und Träumen!

    Anno Stock

    Die Feuerkieke

    Der kleine Knud Ramstedt spannte seine Schlittschuhe unter, seine schönen, neuen Holländer. Auf dem zusammengefrorenen Seegras saß er und ließ sich’s nicht verdrießen, ob ihm auch die Hände rot und blau froren. Scharfer Ostwind blies, sodass der feine Schnee von heute Vormittag wie weißer Staub über das Eis dahinwirbelte. Und hätte Knuds elterliche Hütte nicht im Schutze eines hohen Felsens gelegen, er mochte wohl die Dachschindeln abgedeckt haben, um damit Schlitten zu spielen auf der blanken, wundervollen Bahn. Wer weiß, wann’s wieder solche herrliche Gelegenheit zum Schliffschuhlaufen gab. Vielleicht in Jahren nicht, denn gewöhnlich war das Eis von Schnee bedeckt, zerbrochen und holperig. Knud stand auf und stampfte, dass die Schlittschuhe klirrten. Ja, die saßen bombenfest. So konnt’s denn losgehen!

    Sausend glitt er dahin über die glänzende Fläche. Hei, welch eine Lust, so dahinzufliegen, getrieben und fast getragen von den mächtigen Armen des Windes. Das Eis glitzerte und blinkte in dem klaren Mondlicht. Knuds Schlittschuhe schienen und funkelten und seine dunklen Augen leuchteten vor Vergnügen. Ja, die monatelange Winternacht hatte ihr Gutes, wenn sie für gewöhnlich auch ziemlich eintönig war und Knud jedes Mal in ein Freudengeschrei ausbrach, wenn die Sonne zum ersten Mal wieder über den Horizont guckte.

    Der Knabe hatte sich ein gutes Stück von Ufer entfernt und wollte schon umkehren, dem Licht in seinem Elternhaus, das wie ein Stern sich von dem dunklen Fels abhob, wieder zueilen, da hörte er weiter draußen ein ängstliches Vogelgeschrei. Um zu sehen, was es gäbe, ließ sich Knud noch ein Stück vorwärtstreiben. Als er endlich die Ursache des Geschreis entdeckte, schien das Licht in seinem Elternhause fast erloschen. Im Eis aber fanden sich drei mächtige Seevögel eingefroren, dergleichen Knud noch nie vorgekommen waren. Die größten Gänse wären wie Küklein erschienen im Vergleich mit ihnen. Kläglich schrien sie und versuchten loszukommen, aber es war ihnen unmöglich. Da sie nicht bösartig zu sein schienen, kniete Knud mitleidig bei ihnen nieder und streichelte sie. Da wurden sie stille und schauten ihn mit den grauen Augen flehend an. Knud merkte bald, dass das Eis in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht sehr dick sein konnte und deshalb wollte er versuchen, sie zu befreien. Vorsichtig hackte er mit seinen Schlittschuhen bei ihnen herum, half mit seinem großen Taschenmesser nach und da auch die Vögel selbst gewaltige Anstrengungen machten dauerte es nicht lange, bis sie sich endlich mit freudigem Gesang in die Lüfte erhoben und vom Winde getragen Knuds Blicken entschwanden.

    Nun wollte er nach Hause, aber das war leichter gedacht als getan.

    Der Ostwind hatte an Heftigkeit noch bedeutend zugenommen und so sehr sich der Knabe auch abmühen mochte, er kam nicht einen Schritt vorwärts. Nein, im Gegenteil, ein besonders starker Windstoß erfasste ihn und trieb ihn unaufhaltsam weiter vom Lande ab, weiter und weiter in die ungewisse, monddämmernde Ferne. Nun war die Reihe des Schreiens an Knud. Er schrie und heulte so laut er nur konnte, aber der Ostwind heulte mit und pfiff ihm spöttisch um die Ohren. Und niemand war da, der Knud hören konnte.

    Bald hatte er alle Anstrengungen aufgegeben, zurückzukommen und flog Meilen über Meilen vor dem Sturme dahin, voll Schrecken

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1