Dämonenhasser Tony Ballard - Neue Abenteuer 16 - Zwei Horror-Romane
Von A. F. Morland
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Dieses Buch enthält die Romane:
Der tiefe Fall der Spinnenfrau
In der Unterwelt des Leichenfressers
Nancy Meeker duschte, zog sich um und verließ Gogos Fitnesstempel. Sie fuhr mit dem Lift zur Tiefgarage hinunter, und in ihrem Kopf rotierten die irrsten Gedanken. Ich habe Emma Kingsley gesehen, dachte sie. Sie hielt sich am Fensterglas fest, als gäbe es keine Schwerkraft für sie, und starrte mich hasserfüllt an. Ich weiß, dass das unmöglich ist, aber sie war da. Das kann ich mir nicht eingebildet haben. Sie war so ... realistisch ...
Der Fahrstuhl hielt an, die Tür öffnete sich und die Boutiquen-Besitzerin blickte in eine halb volle Garage. Sie parkte ihren Renault Espace, wenn möglich, stets an der selben Stelle. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, hatte ihr Lieblingsonkel immer gesagt, und das war ihrer Ansicht nach nicht von der Hand zu weisen.
Sie trat aus dem Aufzug und hatte den Wunsch, ehestens nach Hause zu kommen, sich einen Entspannungsdrink zu nehmen, die Beine auf den Tisch zu legen und an nichts mehr zu denken. Vor allem nicht an Emma Kingsley, die auf einmal an Fassaden hochklettern und über Glasscheiben krabbeln konnte.
Ihre Schritte hallten durch die große, menschenleere Garage. Sie fühlte sich beobachtet.
A. F. Morland
A. F. Morland schrieb zahlreiche Romane und ist der Erfinder der Serie Tony Ballard.
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Dämonenhasser Tony Ballard - Neue Abenteuer 16 - Zwei Horror-Romane - A. F. Morland
Dämonenhasser Tony Ballard - Neue Abenteuer 16 - Zwei Horror-Romane
A. F. Morland
Tony Ballard ist der Dämonenhasser. Er kämpft gegen die Mächte der Finsternis und begegnet dem Unfassbaren. Vampire, Dämonen, Werwölfe und andere Kreaturen der Schattenwelt sind seine unbarmherzigen Gegner. Erfolgsautor A. F. Morland schuf diese einzigartige Horror-Serie, die jetzt endlich auch im E-Book vorliegt.
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Titelbild: Werner Öckl
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© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Der tiefe Fall der Spinnenfrau
A.F.Morland
Ein Friedhof sollte eigentlich ein Ort der Stille sein. Ein Platz, an dem man die Verblichenen zur letzten Ruhe gebettet hat, damit sie ewigen Frieden finden. Lange Zeit war das auch hier so. Doch dann...
Einsam und verlassen breitete sich der St. Michael Cemetery am nördlichen Stadtrand Londons im tristen Grau der feucht-kühlen Abenddämmerung aus.
Auf einem der verwitterten Grabsteine saß ein schlanker Rabe und glotzte mit seinen pechschwarzen Augen neugierig in die kompakte Stille.
Ab und zu öffnete er seinen großen, harten Schnabel, mit dem er selbst gefrorene Erde aufhacken konnte, und stieß ein lautes Krächzen aus, als wollte er jemanden rufen. Doch das war nicht seine Absicht.
Ihm ging es lediglich darum, auf diese Weise – wie unter seinesgleichen üblich - sein Revier „abzustecken": Soweit man ihn hören konnte, war demnach alles seines.
Der unschöne Ruf flog, vom kühlen Wind getragen, weit über die dicht gedrängten Grabstätten hinweg und löste sich irgendwo in der endlos scheinenden Weite einer trist anmutenden Einsamkeit auf. Bedrückender, ehrfurchtgebietender und deprimierender konnte die traurige Vergänglichkeit menschlichen Lebens kaum dargestellt werden. Auf allen Friedhöfen dieser Welt kann man die Gerechtigkeit des Todes mit beeindruckender Deutlichkeit erkennen. Er macht keinen Unterschied, ist unbestechlich und für keine Kompromisse zu haben.
Junge, Alte, Frauen, Männer, Kinder ... Für ihn sind alle Menschen gleich. Er rafft sie gnadenlos dahin, ohne Ansehen der Person.
Die Reichen genauso wie die Bettelarmen. Ob Fürsten, Könige oder Penner, das ist ihm völlig egal. Wenn ihre Zeit abgelaufen ist, trifft sie seine Sense.
Wieder stieß der Rabe seinen hässlichen Schrei aus, und diesmal wurde er gehört. Unter der Erde hob ein Wühlen, Schaben und Kratzen an.
Es hörte sich an, als würde jemand einen Tunnel graben – und genau das passierte in diesem Moment. Der Rabe wurde unruhig. Er hatte offenbar etwas oder jemanden geweckt und drehte nun den Kopf nervös hin und her, während die unheimlichen Geräusche rasch näher kamen, und als der große Vogel endlich den Entschluss fasste, sich abzustoßen und davonzufliegen, durchbrachen zwei schleimig glänzende Hände mit dicken, spitzen Krallen die trockene Friedhofserde.
Sie schossen dem Raben schneller entgegen, als dieser zu reagieren vermochte, packten ihn und rissen ihm brutal die Flügel ab.
Als sein Körper vor dem Grabstein aufschlug, durchbohrte ein großer kahler Schädel, an dem zahlreiche Erdkrümel klebten, den rissigen Boden.
Eine nach Verwesung stinkende Fratze, wie sie widerwärtiger nicht aussehen konnte, erschien, ein mit spitzen Zähnen gespicktes Maul klappte auf und verschlang in Gedankenschnelle den schreienden Vogel.
Normalerweise besteht die Hauptnahrung eines Ghouls ja aus Leichen – je angefaulter, desto lieber -, doch das heißt nicht, dass sich Lebewesen jedweder Art vor ihnen sicher fühlen dürfen, denn sie fressen auch Säugetiere, Vögel und Menschen, wenn sich ihnen die Chance dazu bietet.
Sobald sich der unheimliche Leichenfresser den Raben gierig ins Maul gestopft hatte, zog er sich gleich wieder schmatzend zurück. Erde rieselte so lange hinter ihm nach, bis sich das Loch, das er aufgebrochen hatte, restlos gefüllt hatte und kaum mehr zu sehen war.
*
Sie waren hinter mir her. Zehn, zwölf gottverfluchte Schwarzblütler. Ein ganzes Rudel. Kopflose Scheusale. Und jedes Einzelne gierte nach meinem Leben.
Ich war ausgepowert, torkelte durch einen dichten, finsteren Wald. Meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Meine Lungen brannten ganz entsetzlich – als hingen sie in einer großen, überhitzten Fritteuse.
Ich versuchte mich immer wieder zu verstecken, aber meine Verfolger stöberten mich jedes Mal innerhalb kürzester Zeit auf und jagten mich weiter.
Fuck! Diese gefährlichen Höllenwesen wollten mich zu Tode hetzen. Genau darauf legten sie es an. Und ich? Ich hatte nichts, womit ich mich hätte wehren können.
Sie hatten mir alles abgenommen – meinen magischen Ring, meinen Colt Diamondback und meinen Dämonendiskus. Sie hatten mir nichts gelassen.
Ich war „nackt" und drohte schon sehr bald völlig entkräftet zusammenbrechen. Wenn das passiert, bin ich geliefert, hallte es in meinem schmerzenden Kopf. Mir war, als würde ich Salzsäure schwitzen. Das Zeug brannte so sehr in meinen Augen, dass ich kaum noch sehen konnte, wohin ich lief und worauf ich meinen Fuß setzte.
Diesmal geht es dir an den Kragen, Tony Ballard, dachte ich verzweifelt. Irgendwann werden sie dich kriegen, Dämonenhasser, darauf kannst du wetten. Da sie keine Menschen sind, werden sie auch nicht müde. Sie werden dich so lange vor sich hertreiben, bis du zusammenbrichst, und dann ... Ich weigerte mich, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Eine aus dem Boden ragende, verkrüppelte Wurzel stellte mir ein Bein. Das tat höllisch weh, doch ich schrie nicht, um meinen Verfolgern nicht zu verraten, wo ich war.
Ich verlor das Gleichgewicht, knallte auf den Boden und kugelte einen steilen Hang hinunter. Jeder Stein, der auf meinem Weg nach unten im Boden steckte, gehörte mir. Ich hatte mit allen schmerzhaften Kontakt.
Endstation meiner rasanten „Reise" nach unten war ein Bachbett. Kaltes Wasser spritzte hoch und stürzte sich in meine Kehle. Ich schluckte und musste husten.
Das ließ sich nicht vermeiden. Ich konnte nur hoffen, dass es die Kopflosen nicht gehört hatten. Doch genau das war das Problem: Sie hörten viel zu gut.
Selbst wenn ein Floh gefurzt hätte, wäre es ihnen nicht entgangen. Aber vielleicht hatte das Rauschen des Baches mein Husten übertönt.
Ich hoffte es. Triefnass kroch ich unter einen ausgeschwemmten Uferüberhang, der aus Wurzeln, Steinen und wenig Erde bestand, und betete zu Gott, dass die Schwarzblütler meine Spur verloren hatten.
Menschen, selbst wenn sie clevere Fährtenleser waren, ließen sich bisweilen auf diese Weise abhängen. Aber diese Teufel? Das Wasser war so saukalt, als käme es unter einem Gletscher mit meterdickem Eis hervor. Ich drohte heftig mit den Zähnen zu klappern.
Das hätten meine Verfolger mit Sicherheit gehört, deshalb biss ich in meinen Handballen, um es zu verhindern, und wartete gespannt.
Das war meine allerletzte Chance. Ich konnte meine Flucht nicht fortsetzen. Dazu reichte meine Kraft nicht mehr. Plötzlich ... Kein Wasser und kein Plätschern mehr.
Das Bachbett war auf einmal komplett leer. Wie hatten die Kopflosen das gemacht? Hatten sie das Wasser weiter oben gestaut? Oder umgeleitet?
Ich rührte mich nicht von der Stelle, hätte mich am liebsten in den nassen Sand, auf dem ich lag, eingegraben. Wie lange würde es diesmal dauern, bis sie mich erneut gefunden hatten? Womit orteten mich diese Bastarde? Nur mit ihrem außerordentlich guten Gehör? Oder standen ihnen noch andere Sinne beziehungsweise Hilfsmittel zur Verfügung?
Geräusche ... Ganz in meiner Nähe. Ich wagte kaum noch zu atmen. Meine ausgefransten Nerven standen kurz davor, zu zerreißen. Gleich – gleich haben sie dich wieder entdeckt, ging es mir durch den Sinn. Gib auf, Tony. Du kannst ihnen nicht entkommen. Niemand kann das. Stell dich der bitteren Realität und ergib dich in dein unabwendbares Schicksal.
*
Emma Kingsley war wahrlich kein Sonntagskind. Nichts war in den 24 Jahren ihres turbulenten Lebens jemals glatt gegangen. Es hatte immer irgendwelche unvorhersehbare Komplikationen gegeben. Ob in der Schule, im Beruf oder in der Ehe – nie waren die Dinge so abgelaufen, wie sie es gerne gehabt hätte. Immer war überall schon nach kurzer Zeit der Wurm drin gewesen. Das hatte damit begonnen, dass sie als Kind ein kleines, unscheinbares, ja sogar ziemlich hässliches Entlein gewesen war.
Von allen verspottet, ausgegrenzt, gemieden, gemobbt. Niemand, nicht einmal sie selbst und auch ihre Eltern nicht, hätte sich damals vorstellen können, dass aus ihr eines Tages ein wunderschöner Schwan werden würde. Aber so war es gekommen. Doch selbst das war für sie – man hätte es kaum für möglich gehalten - ein Fluch gewesen.
Ihre Eltern hatten sich nach zehnjährigem Ehekrieg getrennt. Der Vater hatte sich bald danach zuerst gewaltsam betrunken und dann aufgehängt.
Die Mutter hatte sich einem schmierigen Gigolo an den Hals geworfen und war mit ihm nach Kanada ausgewandert, und Emma war bei ihrer arthrosegeplagten Großmutter aufgewachsen. Mit 19 Jahren hatte sie Oliver Kingsley gegen den Rat ihrer Großmutter geheiratet.
Einfach, um allen zu zeigen, dass sie imstande war, ihrem Leben Wert und Sinn zu geben, es aus eigener Kraft zu meistern und dem Schicksal jenes Glück abzuringen, auf das sie, wie jeder andere auch, ein Anrecht hatte, das ihr aber schon so lange verwehrt war. Man braucht es fast nicht zu erwähnen, dass das Ehebündnis nicht gehalten hatte, obwohl es von beiden Seiten genug Liebe und körperliches Begehren gegeben hätte. Grund war Olivers krankhafte Eifersucht gewesen.
Er hatte Emma zu sehr geliebt und begehrt und ganz für sich allein haben wollen, und sie war ihm auch ehrlich treu gewesen. Doch sie hatte nicht verhindern können, dass andere Männer ihr bisweilen höchst peinliche und unangenehm begierige Blicke hinterher warfen – wie auch? -, und das hatte Oliver nicht ertragen.
Es hatte ihn rasend gemacht. Er hatte behauptet, sie würde solche lüsternen Blicke herausfordern – mit ihrem erotischen Hüftschwung, mit ihrem bezaubernden Lächeln, mit ihrer aufreizenden Kleidung, mit vielversprechenden Gesten ... Die Wahrheit war, dass Emma mit ihrer wilden blonden Lockenpracht und ihren perfekten Traummaßen einfach zu schön war, um unbeachtet zu bleiben.
Doch das ließ ihr extrem eifersüchtiger Ehemann nicht gelten. Er fing an, ihr immer öfter Vorhaltungen zu machen und einen Streit nach dem andern vom Zaun zu brechen.
Und wenn er sich dann so richtig in Rage geredet hatte, rutschte ihm auch schon mal die Hand aus – was ihm hinterher natürlich jedes Mal entsetzlich leid tat. Jedenfalls behauptete er das, und weil sie ihn trotz allem liebte, verzieh sie ihm immer wieder. So lange, bis er den Bogen zu sehr überspannte. Als er sie einsperrte, nicht mehr aus dem Haus ließ, sie wie eine Sklavin hielt und immer öfter schlug, floh sie zu ihrer Großmutter und reichte die Scheidung ein.
Es folgten noch einige sehr hässliche Wochen, doch dann war die Sache ausgestanden. Und nun lebte sie allein in einer kleinen Mansardenwohnung, in der es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt war, und wenn es stark regnete, bildete sich in der Küche an der Decke stets ein feuchter Fleck. Da Emma nach wie vor außerordentlich hübsch war, hätte sie jederzeit einen anderen Mann haben können, doch fürs Erste wollte sie von Liebe, Lust, Leidenschaft und all dem kitschigen Kram darum herum nichts mehr wissen.
Vielleicht später einmal. Aber mit Sicherheit nicht jetzt. Von dieser „Droge" war sie erst mal weg. Doch damit waren die Schicksalsschläge für sie noch lange nicht zu Ende. Die Fortsetzung folgte auf dem Fuß, indem Emma ihren Job als Dessous-Verkäuferin verlor.
Dadurch konnte sie die Raten für ihr Auto nicht mehr bezahlen. Und das wiederum hatte zur Folge, dass ihr Wagen eingezogen wurde. Man hätte meinen können, dass das Maß nun voll wäre, dass es schon genug Prügel für Emma Kingsley gegeben hätte. Doch weit gefehlt. Jetzt wurde auch noch ihre innig geliebte Großmutter sehr krank, und Emma fuhr so oft wie möglich zu ihr, um ihr den Haushalt zu machen und sie zu pflegen.
Und dann ... wurde sie auch noch – ganz bestimmt ohne ihr Zutun - von einem finsteren Geschöpf, in Gestalt einer schwarzen Spinne, ausgesucht und heimgesucht.
*
Als der erste Kopflose mich entdeckte, war mir klar, dass ich verloren hatte. In meinem turbulenten Leben, das ich dem Kampf gegen Geister, Teufel und Dämonen gewidmet hatte, war zu lange zu vieles gut gegangen, obgleich es hin und wieder schon nicht mehr danach ausgesehen hatte.
Mehr als einmal war ich dem Totengräber buchstäblich im allerletzten Augenblick gerade noch mal von der Schippe gerutscht, doch heute hatte ich mein Glückskontingent endgültig restlos aufgebraucht.
Der „Dusel-Topf" war leer. Rien ne vas plus. Nichts geht mehr ... Ich stand langsam auf. Meine tropfnasse Kleidung hing tonnenschwer an mir. Meine Hände waren zu Fäusten