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Kurzgeschichten Band 3
Kurzgeschichten Band 3
Kurzgeschichten Band 3
eBook262 Seiten3 Stunden

Kurzgeschichten Band 3

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Über dieses E-Book

Sammlung von Kurzgeschichten, die ab 1956 in zahlreichen, auch internationalen, Zeitungen und Zeitschriften publiziert wurden
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum6. Juli 2022
ISBN9783756290918
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    Buchvorschau

    Kurzgeschichten Band 3 - Helmut Pätz

    Inhaltsverzeichnis

    Nicht mehr allein

    Guter Rat - nicht mal teuer

    An einem Freitagmorgen

    Baujahr Anno dazumal

    Nichts Besonderes

    Sie antwortete nicht

    Träume gingen in Flammen auf

    Das Fahrrad

    Der alte Schrank

    Die Angst hockt auf der Tribüne

    Rache eines Vielgetretenen

    Ein stiller Sieger

    Es war Vater

    Großväter und Enkel

    Ein Mensch wie Krawuttke

    Nur aus Notwehr

    Sie blieb bis zuletzt

    Alfred bedankt sich

    Bertram beschwert sich

    Das geschenkte Lächeln

    Vor der letzten Runde

    Warten nach Mitternacht

    Die Bewerbung

    Die Gesellschafterin

    Die Heldin

    Die letzte Fahrt

    Edel Steine - jetzt und einst

    Eine höfliche alte Dame

    Fremde bunte Welt des Anatole

    Geld spielt keine Rolle

    Glücklicher Irrtum

    Nachts spielten sie Karten

    Wer zuletzt lacht

    Wie jeden Morgen

    Zu Gast bei Monsieur Fernand

    Zum letzten Mal

    Zwischenlandung

    Alexander - der neue Redakteur

    Alles beim alten

    Der Herr aus dem Fernseher

    Der Stein der Weisen

    Der Waffenhändler

    Die „Herzogin" und ihr Hund

    Eine merkwürdige Begegnung

    Immer nur Zaungast

    Kathi entscheidet sich

    …hat ja auch noch Zeit

    Auf dein Wohl, Vater

    Lebenslauf

    Schau in die Regenpfütze

    Zwischenspiel an der Ampel

    Nur leichte Bewölkung

    Begegnung im Warenhaus

    Diesmal kam er nicht zu spät

    Eine verrückte Idee

    Er wollte nicht sein Großvater sein

    …einmal Stammgericht

    Es machte ihm nicht mehr so viel aus

    Fort mit dem Gerümpel

    Kuss am Morgen

    Letztes Rendezvous

    Sie hatten beide grüne Augen

    Warten auf den Bus

    Abstellgleis

    Alberto, der Zauberer

    Alter Gauner Mario

    Antik

    Binnies Haus war es

    Der heiße Wind kam von Osten

    Die Fischer von Cintaro

    Drei Männer würfeln

    Erdöl aus der Tiefe Siziliens

    Liebe in Cintaro

    Mario und der Ruhm

    Noch kein Ende abzusehen

    Piranhas

    Streik in Texas

    Unter den feurigen Kreisen der Sonne

    Als Napoleon zweimal starb

    Bitterer Wein auf Korsika

    Eine Rechnung wird beglichen

    Kleine Bank am Meer

    Fahrt ins Blaue

    Fünftausend Dollar

    Halvorsen zieht die Uhren auf

    Ich schenk‘ sie Ihnen

    In Pietros Eisdiele

    Kein Interesse für Schmetterlinge

    Nicht mehr allein...

    Ich sah sie jeden Morgen, wenn ich die Brötchen vom Bäcker holte, und oft auch später, wenn ich von irgendwelchen Besorgungen heimkehrte. Dabei war sie mir anfangs gar nicht aufgefallen, die unscheinbare alte Frau, und ich glaube, es war wohl eigentlich auch ihr Hund, der, sorgsam an der Leine geführt, mein Interesse für sie zuerst wachrief. Obwohl auch an ihm nichts Besonderes war. Ebenso unauffällig wie die Frau, trottete er dicht neben ihr daher. Trotzdem gefiel er mir.

    Viele Male war ich den beiden begegnet, und auf plötzlich dann war es, als seien wir alte Bekannte. Wir nickten einander zu und wünschten uns einen guten Tag.

    Und dann trafen wir uns eines Tages im nahen Park. Wir wechselten ein paar Worte, sprachen über allerlei Belangloses. Dann setzten wir uns auf eine Bank. Der Hund, der kleine, jetzt von der Leine losgelassen, tobte zwischen den Bäumen umher, um zwischendurch immer wieder zu uns zurückzukehren und, aufgeregt und laut bellend, darauf zu warten, dass einer von uns einen Stock warf, den er dann eifrig mit der Rute wedelnd, uns zu Füßen legte.

    Sie hängen wohl sehr an dem Hund?

    Sie sah mich an, eine ganze Weile, dann nickte sie heftig.

    ... oh ja, sehr... aber Sie müssen wissen, das war nicht immer so. Und eigentlich war er auch gar nicht mein Hund. Ich wollte ihn überhaupt nicht haben... damals... Sie verstummte, aber nun war ich neugierig geworden.

    Ihr Mann hätte den Hund eines Tages von einer Geschäftsreise mitgebracht, erzählte sie dann. Er hatte gleich sein Herz an das Tier gehängt. Sie nicht! Warum auch - sie hatte doch ihren Mann und den Haushalt. Das war ihr genug. Ein Hund, pah, das war doch nur etwas für Müßiggänger. Ihr Mann hatte nur den Arm um sie gelegt und gelacht. Aber den Hund gab er nicht wieder weg. Nun, trotzdem waren sie glücklich miteinander... bis zu dem Tag, an dem sie ihr den Mann nach Hause brachten. Das Herz hatte nicht mehr wollen. Er hatte sich nicht quälen müssen, aber für sie gab es keinen Trost. Kinder hatten sie nicht. Was also sollte sie noch auf dieser Welt? Nein, sie mochte einfach nicht mehr, und so hatte sie dagelegen, viele Wochen lang. Nächte ohne Schlaf, in denen der Schmerz sie immer wieder überwältigte.

    Eines Tages aber hatte es an der Tür gekratzt und gejault. Der Hund! Bekannte, die ihn zu sich genommen hatten, brachten ihn nun wieder zurück. Sie könnten ihn auch nicht länger bei sich haben. Sie verstand das zunächst überhaupt nicht, aber bald begriff sie, warum die anderen es getan hatten. Und tatsächlich hatte sie sich aufgerafft aus dem Abgrund der Verzweiflung. Da war auf einmal wieder ein Geschöpf, das man ihr anvertraut hatte, das sie nicht im Stich lassen durfte. Da war wieder jemand, der sie brauchte, für den sie sorgen musste, der ständig an ihrer Seite war, Tag für Tag, und der in der Nacht durch seinen leisen, schnaufenden Atem verriet, dass man nicht mehr allein war. Da war jemand, der wieder eine gewisse Unruhe und Lebhaftigkeit in die stillen Räume brachte, der einem, selbst nach kürzester Abwesenheit, mit blanken Augen und überschäumender Freude empfing. Ja, und von da an hatte sie wieder angefangen zu leben. Trauer und Leid rückten allmählich von ihr ab, und das Leben rings um sie her war auf einmal wieder da...

    Ich blieb auf der Bank sitzen und sah ihnen nach, wie sie sich davontrollten, die alte Frau und ihr Hund, der plötzlich über eines der Blumenbeete jagte, einem tief fliegenden, verspäteten Vogel hinterher. Ich dachte an all die Tiere, die großen und kleinen, und an die vielen Geschichten, die man sich immer wieder von ihnen erzählt. Und auch dieser kleine Vierbeiner, grau und etwas krummbeinig, der allein durch die Tatsache seines unscheinbaren Daseins einem Menschen ins Leben zurückhalf, - war er nicht auch einer von ihnen?

    Irene Pätz

    Guter Rat – und nicht mal teuer

    Eines Tages setzte Mrs. Harvey ihren altmodischen Hut auf, wartete zwanzig Minuten auf den Bus und fuhr ins Rathaus. Wenig später nur saß sie dem für das Telefonwesen zuständigen Sachbearbeiter, einem kleinen Männchen hinter einem riesigen Schreibtisch, gegenüber.

    ... ich bin Mrs. Harvey, Sir... so geht das nicht weiter... Ihre Augen funkelten. ... das mit dem Telefon...

    Das Männlein nahm die Brille ab. Was ist mit dem Telefon?

    ... jedesmal, wenn ich jemanden anrufe oder wenn ich angerufen werde, kratzt, schnarrt und schrillt es in der Leitung, als säße der Teufel selber darin, und plötzlich ist dann die Verbindung ganz unterbrochen...

    Ihr Gegenüber nahm eine Karteikarte aus dem Kasten. Mrs. Harvey, Mrs. Harvey, ja, hier haben wir es schon... aber es war doch jemand bei Ihnen, um den Schaden zu beheben, jedenfalls ist das hier vermerkt.

    Ja, gewiss, es war einer bei mir, aber das war vor zehn Jahren. Er hatte sich alles damals angesehen. Am Telefon lag es nicht, hat er gesagt - es lag an der Zuleitung, draußen auf der Straße. Das Kabel war wohl nicht in Ordnung. Aber das konnte er nicht ändern. Es liegt zu tief. Aber ich sollte jedesmal, wenn ich telefonieren wolle, einen Kessel kochendes Wasser in einen Spalt zwischen zwei ganz bestimmte Pflastersteine gießen. Dann ginge es schon - hat er gesagt.

    Na, und? ... es ging tatsächlich, Sir, seit zehn Jahren nun schon.

    Das Männlein legte behutsam die Karteikarte beiseite. ... aber bedenken Sie die hohe Gasrechnung, fuhr sie fort, für das viele heiße Wasser, die mir neben den hohen Telefongebühren entsteht, besonders, wo das Gas wieder um so viel teurer geworden ist... und dann die Unannehmlichkeiten, vor allem sonntags, wenn ich in Derby anrufe, um mir die letzten Rennergebnisse durchgeben zu lassen. Ich sage dann immer, sie möchten einen Augenblick warten, die da in Derby, bis ich das kochende Wasser in das Loch zwischen die beiden Pflastersteine gegossen habe. Aber bis heute scheinen die das noch nicht begriffen zu haben, denn wenn ich wieder im Hause bin, hat man am anderen Ende den Hörer schon wieder aufgelegt... es muss etwas geschehen, Sir, unbedingt.

    Das Männchen nahm seine Brille ab, sah sie an, eine ganze Weile, und nickte dann. Sie haben Recht, Madam, da muss etwas geschehen. Ich werde darüber nachdenken. Kommen Sie bitte in einer Woche wieder...

    Eine Woche später saß Mrs. Harvey wieder vor dem riesigen Schreibtisch und sah erwartungsvoll das kleine Männchen an, das lächelnd ihre Karteikarte in der Hand hielt.

    Ich hab's, Madam, sagte es frohlockend und hob triumphierend den Finger in die Luft. Eine bedeutungsvolle Pause entstand. Mäuschenstill war es im Raum, und sie sahen sich an, Mrs. Harvey und das kleine Männlein. Nur eine Fliege summte um die Lampe - dann ein Räuspern:

    ... also, hören Sie, Madam... heißes oder gar kochendes Wasser ist völlig unnötig... kaltes Wasser tut es auch.

    Und abschließend, mit großer Würde, knallte er den Deckel des Karteikastens zu.

    Helmut Pätz

    An einem Freitagmorgen

    Es war Freitag, und es regnete. Sie hasste Freitage, und sie mochte keinen Regen.

    Sie stampfte mit dem Fuß auf, und man sah sie erstaunt an. Aber sie achtete nicht darauf. Sie stand inmitten der Passanten, die darauf warteten, dass die Ampel die Überquerung frei gab. Dies schien nicht ihr Tag zu sein; nichts wollte ihr gelingen an diesem Morgen, nicht einmal die tägliche Hausarbeit. Darum hatte sie kurzentschlossen den Mantel übergeworfen und war hinausgeeilt, um sich ihren Unmut in den Straßen abzulaufen. Aber es half alles nichts. Alles und jedes ärgerte sie, die Autos, denen sie wegen der vielen Regenpfützen ständig ausweichen musste, die Passanten mit den sperrigen Regenschirmen und auch die Ampeln an den Kreuzungen, die sie ständig am Weitergehen hinderten.

    Es war zum Verzweifeln!

    Schon gestern hatte es damit angefangen, als Heinz nach Hause kam. Sie sah es ihm sofort an. Wie ungerecht verteilt war doch das Glück! Immer traf es nur die anderen. Konnte es nicht einmal eine Ausnahme machen, ein einziges Mal nur? Wieder war es nichts geworden mit der erwarteten Beförderung und der damit verbundenen Gehaltserhöhung. Und dabei hatten sie doch dieses Mal so fest damit gerechnet. Also würde nichts aus der neuen größeren Wohnung werden, die sie sich in diesem Jahr erhofft hatte, nichts aus dem eleganten Hosenanzug aus der kleinen Boutique an der Ecke, nichts aus dem Videorecorder... nichts, nichts, überhaupt nichts! Sie hätte losheulen mögen, hier, auf der Stelle.

    Da legte sich zaghaft eine Hand auf ihren Arm. Ach, bitte, würden Sie mich mit über die Straße nehmen?...

    Aufgeschreckt sah sie in das Gesicht einer Frau, nur wenig älter als sie selbst, ein Gesicht, in dem die Augen ausdruckslos in einer unbestimmte Ferne suchten. Und dann sah sie in ihrer Hand den Stock mit der weißen Farbe, wie er tastend den Kantstein absuchte.

    Sie war gemeint, ausgerechnet sie. Es standen doch so viele Leute um sie herum... Einen Augenblick lang war sie betroffen, aber dann hakte sie kurzentschlossen den Arm der Frau bei sich ein. Irgendwie überkam sie ein unerwartetes Gefühl der Beschämung und alles, was sie eben noch so bedrückt hatte, fiel von ihr ab.

    Und wie von Zauberhand gelenkt, schalteten die Ampeln plötzlich auf Grün. Die Autos fuhren wieder an, aber jetzt schienen sie vorsichtig die Pfützen zu umfahren, und jemand am Steuer lächelte ihr sogar zu, als sie mit der Blinden am Arm den Fahrdamm betrat. Der heftige Regen schien ein wenig nachzulassen, und irgendwo zwischen den grauen Wolkenfetzen schimmerte ein Stückchen azurblauer Himmel durch. Während sie über den regenfeuchten Asphalt schritten, fand sie plötzlich, dass nicht das wichtig war, was sie eben noch dafür gehalten hatte und dass das Beste, was einem das Leben geben kann, mit Geld nicht zu erkaufen ist. Sie fand sogar, dass es schön war, die schillernden Regenpfützen sehen zu können und in sie hineintreten zu können, absichtlich, aus purem Übermut, wenn man wollte...

    Vielen Dank, hörte sie da die leise Stimme der Frau neben sich. Ich danke Ihnen vielmals.

    Nein, ich danke Ihnen, sagte sie schließlich. Aber das hörte die Frau schon nicht mehr, als sie, mit dem Stock tastend, wieder zwischen den Menschen untergetaucht war.

    Es regnete immer noch. Aber es störte sie nicht mehr.

    Irene Pätz

    Baujahr Anno dazumal

    An der Kreuzung musste er halten. Die Ampel zeigte Rot und gab den Querverkehr frei. Links ging es zum Autofriedhof und nach rechts in die Lackiererei. Heute würde er nach links fahren, - die letzte Fahrt in diesem Wagen. Wirklich, man hatte seit langem nichts Ähnliches mehr gesehen wie sein Gefährt. Kein Wunder - Baujahr Anno dazumal! Vor Jahren schon hatte man in der Werkstatt gegrinst, wenn er damit vorgefahren kam. Jetzt hatte er es einfach satt, weiterhin mitleidiges Aufsehen zu erregen mit diesem alten Vehikel.

    Er sah sich noch einmal um. Das Auge wanderte über die Innendecke, die dunkel war und rissig, über das Armaturenbrett mit den zersprungenen Gläsern, über Uhr und Tachometer. Einen Öldruckmesser hatte er schon lange nicht mehr. Wozu auch? Das hatte man sowieso in den Fingerspitzen. Diese uralten Modelle waren weit aus robuster als die supermodernen Schlitten.

    Ein, zwei Scheine würden sie vielleicht noch zahlen, dachte er, einen gewissen Altertumswert hat das Auto eventuell noch. Aber gleich darauf kamen Zweifel auf. Was hatte ein Freund erst kürzlich gesagt? Mensch, sei froh, wenn Du nicht noch draufzahlen mußt!

    Sein Blick wanderte weiter. Über die Blumenvase, die rechts neben der Windschutz- scheibe hing. Das Glas war trübe vom verdunsteten Wasser, und der Sprung darin war noch deutlich zu erkennen. Ullas Schuld war es gewesen, damals, als sie sich mit Heinz gebalgt hatte. Immer hatten sie sich gestritten, die Kinder, als sie noch klein waren. Eine glückliche Zeit war das gewesen, damals...

    Eigentlich hatte der Motor bis auf den heutigen Tag noch keine richtigen Mucken gehabt. Der gute, alte Motor! Er allein war bestimmt noch immer sein Geld wert.

    Schade, dachte er, und lehnte sich zurück. Die Rücklehne knarrte wie eh und je, und ihm war, als hörte er hinter sich wieder die endlosen, doch niemals ernst gemeinten Zänkereien der Kinder, und fast hatte er das Gefühl, die Hand seiner Frau auf seinem Arm zu spüren und ihr glückliches Lachen zu hören, wenn sie hinausfuhren in ihren unbeschwerten Sonntag.

    So etwas vergisst man einfach nicht.

    Da hörte er plötzlich das ungeduldige Hupen hinter sich, neben sich. Die Ampel war auf Grün umgesprungen. Nur er allein stand noch mit seinem alten Wagen an der Straßenecke. Einige der umstehenden Fußgänger lachten. Über ihn? Über das Auto?

    Auf einmal fühlte er eine ungeheure Erleichterung. Sollten sie doch lachen, wenn es ihnen Spaß machte. Alle. Er selbst hatte sich entschieden in diesen wenigen Minuten, die wie ein halbes Leben an ihm vorbei geglitten waren, und er fuhr an, leicht und behutsam.

    Ja, sollen sie doch alle lachen, dachte er mit grimmiger Freude und bog ab, nach rechts, in die Lackiererei. Helmut Pätz

    Nichts Besonderes

    Nur wenige Schritte vor mir gingen sie. Wir hatten zufällig denselben Weg, wie es sich manchmal so ergibt.

    Es war nichts Besonderes an ihnen. Im Gegenteil. Alles an ihnen war eigentlich unauffällig, ja schlicht, fast ärmlich. Er trug die große Einkaufstasche und sein Schritt passte sich fürsorglich der trippelnden Gangart seiner Gefährtin an. Auch an ihr war alles Vergangenheit, von den ausgetretenen Schuhen bis zu den schütteren Haaren, die sorgfältig zu einem festen Knoten gedreht waren.

    Nein, es war wirklich nichts Besonderes an ihnen. Und doch blieb hin und wieder ein Passant stehen. Sogar junge Leute sahen ihnen verstohlen nach. Denn die beiden Alten, - sie gingen Hand in Hand. Ob sie die verkehrsreiche Straße überquerten oder längere Zeit vor einer Schaufensterauslage verweilten, nie lösten sich auch nur für einen einzigen Augenblick ihre Hände voneinander. Ganz fest hielten sie sich, diese Hände, und sie blieben miteinander verbunden, ganz gleich, ob ihre Besitzer in ein lebhaftes Gespräch vertieft waren oder in bedächtigem Schauen verharrten.

    Und während ich so hinter ihnen herging, fiel mir auf einmal mein Besuch von gestern abend ein: Sie,

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