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Losing Game: Zwischen Liebe und Gesetz
Losing Game: Zwischen Liebe und Gesetz
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eBook638 Seiten9 Stunden

Losing Game: Zwischen Liebe und Gesetz

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Über dieses E-Book

San Francisco:
Samantha – jung, rassig, provokant und kriminell. Als Mitglied einer der gefährlichsten Gangs in San Francisco, den -Five Dogs-, gehören Raub und Mord zum täglichen Leben der jungen Frau. Sie ahnt nicht, dass die neue Aushilfslehrerin, auf die Sam ein Auge geworfen hat, eine Undercover-Polizistin ist und sie schon lange im Visier hat.
Um näher an Sam und den -Five Dogs- heranzukommen, beginnt die Polizistin Neve eine Liaison mit Sam. Für beide beginnt ein Spiel, bei dem keine der Frauen die Spielregeln kennt. Sam spürt das erste Mal in ihrem Leben wahre Liebe, während Neve immer tiefer im Sumpf der Kriminalität versinkt.
Durch einen Vorfall, der Neve alles nimmt woran sie glaubt, werden die Karten neu gemischt und die Polizistin muss sich zwischen der Liebe und dem Gesetz entscheiden. Niemand weiß, ob sie dieses Spiel gewinnen oder verlieren wird. Gefühle die weit über den Tod hinausgehen, fesseln Sam und Neve aneinander.
Aber das Leben bestimmt die Spielregeln…
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum13. Juni 2015
ISBN9783847632771
Losing Game: Zwischen Liebe und Gesetz
Autor

Valuta Tomas

... weil das schreiben eine Herzensangelegenheit für mich ist. Besuchen Sie Valuta Tomas auch auf ihrer HP: http://autorin-valuta-tomas.jimdo.com/

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    Buchvorschau

    Losing Game - Valuta Tomas

    Prolog

    Ein klatschendes Geräusch ertönt, als eine mehrseitige Akte aus dünner Pappe auf den Küchentisch geschmissen wird. Eine abgestellte Bierflasche nimmt nur wenige Zentimeter daneben Platz. Ein Sack aus Fleisch und Knochen lässt sich auf einen der Stühle fallen und pustet schwer aus. Schlanke und gepflegte Finger greifen nach der Akte. Kurze, unlackierte Fingernägel fummeln nach einer Kante der Pappe, um es mit einem Schwung zur Seite zu klappen. Eine weitere dünne Akte erscheint. UC Berkeley Extension Schule wurde in schwarzen Buchstaben auf die graue Fläche gedruckt.

    »Na da bin ich ja mal gespannt«, atmet eine weibliche Stimme schwer. Die makellosen Finger umgreifen die Bierflasche und führen sie an zierlich schmale Lippen. Mehrere Züge befördern das alkoholische Getränk die Kehle hinab. Ohne ein schmatzendes oder schlürfendes Geräusch zu erzeugen, wird die Bierflasche wieder auf den Platz zurückgestellt. Nun fallen die blau-grünen Augen vollständig auf die Akte. Mit vollem Körpereinsatz beugt sie sich über den kleinen Haufen Papiere und schlägt das graue Stück Pappe um.

    »Cheerleader-Snob, Cheerleader-Snob, Football-Snob, Cheerleader-Snob, Football-Snob, Football-Snob, reicher Papi-Snob, reicher Porno-Snob«, murmelt die Stimme gelangweilt und sichtlich genervt. Blatt um Blatt schmettert sie die Papiere zur Seite. Auf jedem sind junge Leute mit Profilfoto zu sehen und berichten mit wenigen Worten über die Persönlichkeit dieser Leute.

    Sie liebt ihren Job. Dadurch kommt sie an mehr Informationen, als Otto-Normal-Verbraucher. Manchmal möchte sie diesenVorteil eher nicht genießen, weil sie auch unangenehme Informationen erhält und doch ist jede einzelne hilfreich für sie. Schon durch den ersten Blick auf die Fotos, weiß sie, welcher Typ von Mensch hinter der gezeigten Fassade steckt. Zu achtundneunzig Prozent traf sie bisher immer ins Schwarze. Mal exakt, mal musste sie ein paar Umwege laufen, um ihr Ziel zu erreichen. Aber geschafft hat sie es immer.

    »Hola, wen haben wir denn da? Du bist kein Snob«, grinst sie und rupft das bedruckte Papier aus der Akte. Ihr Blick erfasst tiefbraune Augen. Ein stechender Blick ergreift sie. Unkontrolliert schlägt ihr Herz einmal stärker auf. Warm, weich, beißend und mit unglaublicher Aggressivität, blicken diese braunen Augen in die Kamera. Die Technik hat für den Bruchteil einer Sekunde diesen Augenblick festgehalten und präsentiert der Frau eine Persönlichkeit, die sie so noch nicht erlebt hat. Weder beruflich noch in ihrem Privatleben.

    Ihr eigenes Leben ist so oder so anders als das ihrer Nachbarn. Abgesehen davon, dass sie nichts von den Männern hält und lieber Frauen hinterher blickt, hat sie sich ihr Leben so aufgebaut, dass kaum jemand damit klar kommt. Die große und wahre Liebe hat sie bis heute nicht gefunden. Will sie auch nicht. Sie will keine Gefühle zulassen. Wozu auch? Diese treiben die Menschen nur in Konflikte, denen sie lieber aus dem Weg geht. Ernsthafte Beziehungen sind ebenso nichts für sie. Sie hat keine Lust sich großartig zu binden und ist chronisch untreu. Sie liebt die Frauen einfach zu sehr, als dass sie sich jemals nur für eine entscheiden könnte. Auf der Straße laufen so wundervolle und wunderschöne Geschöpfe umher. Wie kann man sich da auch nur für eine Frau entscheiden? Und dann vielleicht auch noch für den Rest des Lebens? Nein auf gar keinen Fall. Das ist nichts für sie. Sie will leben und das Leben genießen. Sie will die Frauen genießen. Sie hat schon einigen Damen das Herz gebrochen und auf den nächsten Müllhaufen geschmissen. Auch wenn sie den Frauen von Anfang an ehrlich gegenüber war und ihnen erklärte, dass eine feste Beziehung nichts für sie sei, blendeten die Frauen diese Tatsache aus. Umso schwerer war es dann für jede weibliche Persönlichkeit, wenn sie die Frau ihres Herzens plötzlich an den Lippen einer anderen sahen. Ihr selbst war das aber egal. Sie warnte jede von ihnen. Wenn sie nicht hören wollten, war das nicht ihr Problem.

    Mit einem erneuten Schluck Bier, wandert sie weiter über die Seite voller Informationen dieser jungen Frau.

    »Hochintelligent, Ausnahmetalent, Störfaktor, unsoziales Verhalten den Lehrern und Mitschülern gegenüber, respektlos, Mitglied der Five Dogs«, erweitert sie ihr Wissen.Erstaunt zieht sie eine Augenbraue hoch. Sie blickt zu dem Foto zurück.

    »Aha, du bist also ein Hund?! Sehr interessant. Ein bisschen jung, oder meinst du nicht auch?«, philosophiert sie weiter. Ihr wird keine Antwort gegeben. Stattdessen wandert sie mit ihrem Blick über die straffe, faltenfreie, südländische Haut. Kakaobraun und samtweich. Schwarze Haare, volle Lippen, weiche Wangenknochen.

    »Lecker«, murmelt sie und trinkt einen weiteren Schluck Bier.

    »Trotzdem zu jung«, grinst sie, blickt kurz auf das Foto zurück und legt das Papier zur Seite.

    »Und wer bist du?« Ein weiteres aggressives Augenpaar schaut sie an. Nicht so voller Brutalität wie die Mitschülerin zuvor, aber doch ausreichend genug um aufzufallen.

    »Störfaktor, unsoziales Verhalten den Lehrern und Mitschülern gegenüber, respektlos, Mitglied der Five Dogs«, liest sie und kennt diese Angaben schon.

    »Ach nein, ein kriminelles Duo. Auf dieser Schule?«, brummt sie und holt sich das Blatt der Südländerin zurück. Sie hält beide nebeneinander und schwenkt mit den Augen zwischen den Gesichtern hin und her. Die andere Mitschülerin ist blond und genauso jung wie ihre Kollegin.

    »Euch werde ich dann mal im Auge behalten.« Sie nimmt noch einen großen Schluck aus der Flasche und stellt sie mit einem lauten Knall auf den Tisch zurück. Schwerfällig hievt sie sich vom Stuhl. In der Tür bleibt sie stehen, blickt kurz zu den Papieren zurück und lächelt schwach.

    »Bis morgen. Gute Nacht«, grinst sie fies und stellt das Licht aus.

    GAME START

    Wie ein Mikroskop fokussiert sich Sams Blick auf einen silbernen Mercedes SLK 55, der in mäßiger Geschwindigkeit über den Schulparkplatz der UC Berkeley Extension Schule rollt. Die Blicke einiger Schüler ziehen sich auf den Wagen, weil man so ein schickes Vehikel eher selten auf diesem Gelände sieht.

    Sams Aufmerksamkeit fällt auf die Fahrzeugführerin, die dieses silberne Schmuckstück sicher durch die Reihen steuert. Ihre Augen weiten sich.Ungewollt schluckt sie schwer. Ihrer Freundin Laura entgeht dies natürlich keineswegs. Sie lehnt sich auf der Ladeklappe eines schwarzen 89´er Chevy Pick Up zu ihr hinüber und grinst bis zu den Ohren. Mit einem Finger stupst sie Sam an den Mundwinkel.

    »Dir hängt da etwas Sabber heraus«, stachelt sie auf Sams fokussierten Blick, der noch immer der Mercedesfahrerin gilt.

    »Wow, verdammt ist die heiß«, haucht sie hypnotisiert.Sie beobachtet die Fahrerin, die ihren Wagen in eine Parklücke steuert und den Motor ausstellt. Sie lehnt sich zum Beifahrersitz, um dort in ihrer Handtasche zu wühlen. Mit einem Griff an den Hinterkopf, zieht sie ein Haargummi heraus, das ihre dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Achtlos lässt sie es in der Handtasche verschwinden.

    Die Fahrerin steigt aus, schließt die Tür und steuert auf das Schulgebäude zu. Sie muss auf direktem Weg am Pick Up von Sam und Laura vorbei..

    »Du oder ich?«, haucht Laura flüsternd in das Ohr ihrer Freundin. Die reagiert nicht. Sie verfolgt noch immer jeden Schritt der Mercedesfahrerin. Ihre Augen weiten sich begeistert, als die Frau an ihnen vorbeiläuft.

    »Heißer Wagen schöne Frau, sie haben Geschmack«, ruft sie ihr zu.

    »Danke«, murmelt die Fahrerin und wühlt in ihrer Handtasche, als wenn sich dort ein unendliches schwarzes Loch befinden würde. So kleine Taschen können aber auch unglaublich groß sein.

    »Ok, du«, stöhnt Laura geschlagen.Sie blickt der Frau ebenfalls hinterher, die ihren Weg zum Schulgebäude fortsetzt. Fast hat es den Anschein, als wenn sie sich von nichts und niemanden aufhalten lassen würde.

    Laura stupst Sam in die Seite und richtet deren Aufmerksamkeit auf eine große Tasche, die die Frau bei sich trägt.

    »Die ist Lehrerin, willst du wirklich immer noch?«, lacht sie gehässig. Sie scheint aber noch immer nicht bei ihrer Freundin anzukommen, weil diese ohne ein Wort von der Ladefläche springt, der offensichtlichen Lehrerin folgt und sich unterwegs eine Zigarette anzündet.

    »Ich habe sie hier noch nie gesehen. Welche Klasse unterrichten sie?«, fragt sie unaufgefordert und läuft ungebeten neben der Frau her. Als wenn sie die Frage nicht gehört hätte, läuft die Frau einfach weiter, was Sam als recht unfreundlich einstuft. Provokant stellt sie sich der Frau in den Weg und blickt sie auffordernd an.

    »Ich bitte freundlich um eine Antwort auf meine gestellte Frage«, säuselt sie ungewöhnlich höflich und lächelt die Frau an. Diese hebt ihren Blick und sieht Sam das erste Mal direkt an. Sie schaut sie mit ihren blaugrünen Augen über den Rand der hellblauen Sonnenbrille an. Sam glaubt für einen kurzen Moment, ein kleines Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben. Oder war es doch eher ein schnelles und kurzes Augenbrauenzucken? Sie weiß es nicht und kann sich auch nicht mit dieser Sachlage auseinandersetzen, als die Frau nach der Zigarette in ihrem Mund greift, ihr brutal von den Lippen reißt und mit einer Fußbewegung auf dem Boden austritt.

    Sofort dringt ein lautes Raunen über den Parkplatz, das eindeutig von Laura kommt, die diese Situation leise und zurückhaltend beobachtet. Sam kann nicht glauben kann, was hier passiert ist. Wut steigt in ihr auf, während sie fassungslos auf die zertretene Zigarette blickt.

    »Hast du ein Problem?«, faucht die Mercedesfahrerin mit einer hellen, aber dominanten Stimme.

    Sam hebt den Kopf, blickt der Frau direkt in die Augen und will gerade Luft holen, um sie wie eine Milbe zusammenzustauchen. Denn niemand wagt es so mit ihr umzugehen, niemand! Auch nicht so eine hinreißende und wunderschöne Frau wie die, die ihr im Augenblick gegenübersteht.

    Sie will zum ersten verbalen Angriff ansetzen, als plötzlich ein Bild vor ihrem inneren Auge auftaucht. Sie sieht sich selbst in einem kleinen Raum stehen, der in einem merkwürdigen Rotlicht getaucht ist. Die Mercedesbesitzerin hat ihr Gesicht in ihren Händen. Sie küsst Sam zärtlich, aber zugleich unglaublich gierig.

    Wie bei einem Filmriss ist das Bild plötzlich verschwunden. Mit offenem Mund und geweiteten Augen steht Sam der Fahrerin erschrocken gegenüber. Fassungslos starrt sie sie an. Diese reagiert nicht darauf und murmelt nur irgendwas von »Ich hoffe, dass ich nicht in deiner Klasse unterrichte« und setzt ihren Weg zum Schulgebäude fort. Gekonnt lässt sie Sam stehen.

    Sofort ist Laura an der Seite ihrer Freundin. Mit großen Augen schaut sie sie an. Sam steht noch immer wie eine Salzsäule da und blickt der Frau hinterher.

    »Scheiße Sam, was war das denn? Wieso hast du sie nicht fertig gemacht?«, bombardiert Laura ihre Freundin mit Fragen und blickt bestätigend auf die letzten Überreste der Zigarette. Sam starrt der Fahrerin hingegen noch immer hinterher und murmelt irgendwas von »Die muss ich haben.«. Laura schaut der Frau ebenfalls nach und schüttelt mit dem Kopf.

    »Lass die Finger von ihr. Die ist Lehrerin und mindestens zehn Jahre älter. Sie passt überhaupt nicht in dein Beuteschema«, verwirft sie Sams Aussage und blickt zum Schulgebäude, in dem die Frau mittlerweile verschwunden ist.

    »Außerdem stimmt irgendwas nicht mit ihr. Sie ist mir etwas zu tough«, murmelt sie.

    »Es ist mir scheiß egal wer sie ist und wie tough sie ist. Ich will sie und die ganzen Hindernisse machen das Ganze nur noch interessanter«, grinst Sam und läuft zu ihrem Pick Up zurück.

    Argwöhnisch blickt Laura ihr hinterher. Sams helle kakaobraune Haut, verleiht ihr einen exotischen Touch, wobei sofort ihre braunen Augen auffallen. Ihre schwarzen langen Haare sind zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden.Lediglich zwei Strähnen hängen an den Seiten heraus.

    Sams Augen drücken einerseits unfassbare Aggressivität aus, anderseits sind sie zugleich unglaublich warm. Passend zu ihren ausdrucksstarken Augen, umschließt eine dicke Kette ihren schon fast zierlichen Hals. Dog Tags hängen über dem schwarz-roten Top an ihrer Brust herunter. Auffallend ist ihre Armyhose, die offen über der Hüfte sitzt und den Blick auf einen schwarzen Stringtanga freigibt. Mit dem Piercing an der rechten Augenbraue, den drei Ringen an jeder Hand und den dünnen Lederarmbändern an ihren Handgelenken, macht sie einen recht maskulinen Eindruck, was aber durch ihre schlanke Figur und die weichen Gesichtszüge wieder ausgeglichen wird.

    Bei dem Anblick ihrer Freundin huscht Laura ein undefinierbares Grinsen über das Gesicht. Sofort steht sie hinter ihr, als diese die Ladeklappe des Pick Ups schließt.

    »Ok, machen wir einen Deal. Was meinst du wie lange du brauchst?«, fragt sie leise.

    »Drei Tage«, antwortet Sam. Überrascht zieht Laura die Augenbrauen hoch.

    »Drei Tage? Du warst schon mal besser, aber gut. Wenn du es nicht schaffst, schnappe ich sie mir, abgemacht?« Sie schiebt Sams Haare zur Seite und beginnt an ihrem Hals zu knabbern. Sam schließt die Augen und spürt, dass Lauras Hand nach vorne wandert. Ohne Umwege gleitet diese zuerst in die Hose und dann in den Tanga.

    »Abgemacht, aber…,«, pustet Sam schwer unter den Berührungen und dreht sich zu Laura um.

    »du wirst sie nicht kriegen, dafür werde ich schon sorgen« grinst sie dreist. Auffordernd küsst sie ihre Freundin, bis beide einen eindeutigen Pfiff über den Parkplatz hören können. Sam löst sich von Laura und blickt in die Richtung, aus die der Pfiff kam. Sie sieht einen von den Footballjungs, der eindeutig gierig zu ihnen herübergafft.

    »Halt deine beschissene Klappe, sonst stopfe ich sie dir und schlage dir deine scheiß Grütze aus deinem verfuckten Schädel, du verdammte Sau!!«Brüllend versprüht Sam eine Aggressivität, die sie auf ungesunde Art und Weise zu dem Typen wirft. Eingeschüchtert zieht der sofort seinen Kopf ein und sucht das Weite.

    Eine halbe Stunde später sitzt sie auf ihrem Tisch im Klassenraum. Sie beachtet kaum die um sie versammelte Schülertraube, die sich lediglich bei ihr einschleimen, damit Sam ihnen nicht bei der nächstbesten Gelegenheit die Fresse poliert. Der einzige Mensch dem sie auf dieser Schule vertraut, ist Laura. Und die sitzt einen Tisch vor ihr und kippelt leichtfertig mit dem Stuhl. Laut schmatzend kaut sie auf einem Kaugummi herum.

    Während die Schüler irgendwelche uninteressanten Geschichten erzählen, bemerkt Sam als einzige,dass die Tür zum Klassenzimmer geöffnet wird und die Mercedesbesitzerin den Raum betritt.

    »Ach nein, wen haben wir denn da?«, kichert sie bissig und klatscht Laura gegen den Hinterkopf, damit die ihre Aufmerksamkeit ebenfalls der Lehrerin widmet.

    »Na das kann ja heiter werden«, stöhnt diese genervt. Mit Sam zusammen, beobachtet sie die Frau, die ihre Handtasche neben den Lehrerpult auf den Boden stellt. Die Aktentasche legt sie direkt auf das verbrauchte Holz. Sam beugt sich nach vorne und blinzelt durch die Lücken, die ihre Mitschüler um sie herum bilden. Sie beobachtet die neue Lehrerin, die ausdruckslos durch die Klasse blickt, bis sie ihre Konzentration auf die versammelte Traube richtet. Die dort befindlichen Schüler haben sie noch immer nicht bemerkt. Die Lehrerin dreht sich gleichgültig zur Tafel um, nimmt ein Stück Kreide und schreibt mit großen Buchstaben Neve Stewart auf den grünen Untergrund. Dann setzt sie die Kreide waagerecht unter die geschriebenen Wörter und zieht diese quälend langsam unter dem Namen entlang. Sofort ertönt ein lautes Quietschen, das unbarmherzig durch die Klasse schreit. Es fordert sämtliche Schüler dazu auf, sich vor Schmerzen die Ohren zu zuhalten. Alle blicken zur Tafel, wo sich die Lehrerin innerlich zu amüsieren scheint. Es muss ihr einen gewaltigen Spaß gemacht haben, die Kreide quietschend unter ihrem Namen langgezogen zu haben. Denn sie legt die Kreide seelenruhig zurück, dreht sich in die Klasse und blickt die Schüler nüchtern an.

    »Setzen!«, befiehlt sie, was jeder Schüler nach dieser Aktion ohne Wiederrede sofort macht.

    »Wahnsinn, ist die fies«, stöhnt Laura, schüttelt mit offenem Mund den Kopf und reibt sich die Ohren.

    »Das gefällt mir«, grinst Sam und setzt sich auf ihren Platz.

    »Also, mein Name ist Neve Stewart. Ich bin für die nächsten zwei Wochen, in denen eure Mathematiklehrerin Ms. Jackson krank ist, ihre Vertretung.« Neve lässt ihren Blick über die etwas gelangweilten Gesichter der Schüler (die im Alter zwischen neunzehn und einundzwanzig sind), wandern. Sie muss feststellen, dass es scheinbar niemanden interessiert, ob sie nun anwesend ist oder nicht.

    »Neve, ein wunderschöner Name für eine ebenso wunderschöne Frau«, lacht Sam frech. Mit einem Bleistift tippt sie währenddessen in einem monotonen Rhythmus auf ihrem Tisch herum. Die Haltung eines Sacks Kartoffeln eingenommen, gammelt sie gleichgültig auf ihrem Stuhl. Als Neve die Schülerin erkennt, rollt sie kaum sichtbar, aber genervt die Augen.

    »Würden sie sich bitte aufrecht hinsetzen, den Bleistift hinlegen und mir sagen wie sie heißen?« Teilnahmslos geht Sam dieser Aufforderung nach, beugt sich nach vorne und schaut der Lehrerin direkt in die Augen.

    »Sie wissen ganz genau wer ich bin«, lacht sie ruhig undgeheimnisvoll. Irgendwas stimmt hier nicht, das spürt Neve. Nur was es ist, weiß sie nicht. Denn das wird sie erst in der nächsten Sekunde auf eine Art und Weise erfahren, die ihr die Galle hochkommen lässt.

    Sam greift sich an den Hinterkopf, zieht das Haargummi heraus, wuschelt sich durch die langen Haare und legt ihren Kopf schief. Sie lächelt die Lehrerin so verführerisch an, dass jeder Wachs in ihren Händen werden würde.

    »Ich bin ihr wunderschönster wahr gewordener Traum, der sie irgendwann verführen wird«, grinst sie. Ein lautes Raunen ertönt von den Mitschülern, was einem Hundegebell ähnelt. Ein Klopfkonzert mit den Fäusten auf den Tischen folgt.

    »Ach wirklich?«, fragt Neve kühl und unbeeindruckt.

    »Interessant zu erfahren, dass sie wissen was ich träume. Ich hingegen…«. Sie setzt sich mit einer Gesäßhälfte auf den vorderen Rand des Lehrerpults und muss dabei zwei Knöpfe ihres weißen Kostüms öffnen. Sofort kommt deswegen ein johlendes »Ausziehen!« von Sam. Sie blickt ihre Lehrerin provokant an und zwinkert ihr zu. Neve schiebt diese Geste allerdings sofort in die dunkelste Ecke, welches ihr Gehirn aufweisen kann.

    »ich hingegen, sehe nur eine pubertierende Göre die sich wie in einem Kindergarten aufführt.« Ein lautes Lachen stürzt durch die Klasse, das abrupt stirbt, als Sam einen wütenden Blick durch den Raum schmeißt. Neve registriert das, konzentriert sich aber weiterhin auf ihre Schülerin.

    »Und wie ist jetzt bitteschön ihr Name? Oder soll ich sie die nächsten zwei Wochen mit pubertierende Göre ansprechen?« Wieder ertönt dieses Raunen von allen Schülern, das erneut Sam gilt.

    »Sam«, antwortet sie um die Klasse zum Schweigen zu bringen.

    »Sam und weiter?«, fragt Neve gelangweilt von diesem Spiel, das absolut unter ihrem Niveau ist.

    »Schauen sie doch ins Klassenbuch. Sie als Lehrerin müssten doch eigentlich lesen können.« Sofort bricht die Klasse wieder in lautes Gelächter aus. Laura streckt ihre Hand nach hinten aus, in die Sam auch gleich triumphierend lachend einschlägt. Diese Runde ging definitiv an sie.

    Die Lehrerin geht um den Pult, öffnet die oberste Schublade und holt ein großes Buch heraus, das in einen roten Umschlag gefasst ist.

    Seite um Seite blättert sie sich durch den Schmöker, geht langsam und scheinbar vollkommen in das Buch vertieft zum Platz ihrer Schülerin und bleibt direkt davor stehen. Allerdings schlägt sie dann das Buch im Bruchteil einer Sekunde zu undknallt es ohrenbetäubend laut auf Sams Tisch. Diese zuckt erschrocken zusammen. Mit beiden Händen stützt sich die Lehrerin am Tisch ab. Mit diesem typischen Ich-bin-die-Lehrerin,-Sie-sind-die-Schülerin-Blick, schaut sie Sam an.

    »Also, Ms. Samantha Rodriguez«, betont sie ihren Namen.

    »Ich würde mit ihren weiteren Äußerungen mir gegenüber etwas vorsichtiger sein, ansonsten finden sie sich vor der Klassentür wieder. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

    »Aber sicher doch Ms. Stewart«, trällert Sam frech und ironisch.

    Genervt von diesem Kindertheater, das ihr schon einige Zeit vom Unterricht geklaut hat, dreht sich Neve von Sam weg und geht an Laura vorbei. Eigentlich will sie endlich mit dem Unterricht beginnen, als sie den Knall eines platzenden Kaugummis hört. Immer noch genervt, blickt sie zu Laura zurück und sieht, dass ihre Schülerin wie ein Wiederkäuer auf einem Kaugummi herumkaut. Sie dreht sich zu ihr um, bleibt neben ihr stehen und schaut sie von oben herab an.

    »Was denn??«, keift Laura gereizt. Neve hält ihr lediglich ihre flache Hand vor den Mund.

    »Kaugummi«, faucht sie eiskalt.

    Als wenn sie so etwas nicht alleine entscheiden könnte, dreht sich Laura fragend zu Sam um. Etwas überfordert beobachtet Neve diese Handlung, bis Sam eine Kopfbewegung auf die offene Hand macht.

    »Na los, mach schon.« Laura öffnet ihren Mund, schiebt den Kaugummi heraus und lässt ihn auf die Hand der Lehrerin fallen. Angeekelt schaut Neve das zermatschte Etwas an. Ehe Laura reagieren kann, holt sie mit der Hand aus und knallt den Kaugummi auf ihr offenes Mathematikbuch. Sofort schießt Laura wütend in ihrem Stuhl hoch.

    »Ey!!«, brüllt sie wütend. Bevor Laura aber richtig warm werden kann, hört Neve einen zweiten Kaugummi platzen. Gereizt, weil sie weiß von wo der Knall kam, geht sie zu Sam zurück. Provokant grinsend schmatzt sie auf einem Kaugummi herum. Neve hält auch ihr die flache Hand vor den Mund. Anstatt den Kaugummi einfach aus dem Mund fallenzulassen, beugt sich Sam über die Hand, nimmt sie vorsichtig in ihre eigene und nähert sich mit den Lippen der Innenseite. Erst jetzt lässt sie den Kaugummi aus dem Mund fallen. Sie lehnt sich in den Stuhl zurück und lacht ihre Lehrerin neckisch an.

    »Bitteschön Ms. Stewart.« In dem Moment in dem Neve den Kaugummi auf Sams offenes Buch schlagen will, zieht sie es weg.

    »Sie sind zu langsam«, lacht die Schülerin. Neve geht mit dem Kaugummi in der Hand um Sams Platz herum und knallt ihn im vorbeigehen auf Lauras Buch. Die Schülerin konnte das Buch bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal von ihrem eigenen Kaugummi befreien.

    »Ey!!«, brüllt sie erneut.Als sie vom Platz aufspringen will, drückt Sam von hinten einen Fuß gegen den Stuhl und hindert sie somit am Aufstehen.

    »Bleib sitzen Laura, ganz ruhig!« Blitzschnell dreht sich Laura zu ihr um.

    »Die tickt doch nicht mehr ganz richtig. Die hat echt eine Schraube locker. Sam, sie hat mein Buch ruiniert«, schimpft sie lautstark.

    »Na und? Lass sie doch, sie weiß eben nicht mit wem sie es zu tun hat.« Laura dreht sich wieder nach vorne und beobachtet ihre Lehrerin, wie die in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch greift. Sichtlich angewidertvon den Kaugummiresten, wischt sie sich die Handfläche ab.

    »Für meinen Geschmack hat sie etwas zu viel Mut.« Wie ein beleidigtes Kleinkind, rutscht sie wütend in ihren Stuhl und schleudert das mit Kaugummi verklebte Buch mit einer kurzen Handbewegung vom Tisch.

    »Sollte jemand diese Klasse noch einmal mit einem Kaugummi im Mund betreten, solange ich hier unterrichte, der kann sich darauf einstellen, sich ein neues Mathematikbuch kaufen zu müssen«, warnt sie alle anderen Schüler. Laura schaut sie hingegen ernst an.

    »Und von ihnen erwarte ich, dass sie morgen mit einem neuen Buch hier sitzen!«

    »Sie können mich mal am A….!«. Sofort bricht Laura den Satz ab, als sich Sam nach vorne beugt und ihr gegen den Kopf schlägt. Sie dreht sich zu ihr um, schaut sie wütend und zugleich fragend an, wendet sich dann aber wieder nach vorne.

    »Die soll bloß aufpassen was sie macht«, faucht sie. Wütend verschränkt sie die Arme vor der Brust.

    Erst jetzt beginnt Neve mit dem eigentlichen Unterricht. Schon nach einigen Minuten schreibt sie mehrere Rechenaufgaben an die Tafel. Fragend blickt sie durch die Klasse. Jeder Schüler weiß, dass sie jemanden sucht der sich dort vorne vor allen anderen blamiert.

    Als sich keiner freiwillig meldet, geht sie durch die ganze Klasse, bleibt neben Sam stehen und hält ihr die Kreide entgegen.

    »Da sie so tolle Sprüche auf Lager haben, wie sie mittlerweile unter Beweis gestellt haben, können sie mir jetzt zeigen ob sie Mathematik genauso gut beherrschen.«

    »Für sie tue ich doch alles«, grinst Sam frech und nimmt ihrer Lehrerin die Kreide aus der Hand. Sie schaut ihr dabei direkt in die Augen und legt ihre Finger auffallend provokant um Neves Hand.

    Während sie scheinbar problemlos alle Aufgaben löst, beobachtet Neve die anderen Schüler, die sichtlich erleichtert sind, dass nicht sie vorne an der Tafel stehen.

    »Fertig Ms. Stewart«, trällert Sam ironisch, begibt sich zum Platz zurück und hält Neve die Kreide entgegen. Als sie danach greifen will, zieht Sam die Kreide weg. Der erste Griff geht ins Leere. Die Schülerin streckt ihrer Lehrerin erneut das weiße Stück entgegen. Wieder greift Neve ins Leere, weil Sam mit einem kaum zumutbaren frechen Grinsen, die Kreide wieder wegzieht. Gleich darauf bietet sie ihrer Lehrerin diese zum dritten Mal an.

    »Sie sind einfach zu langsam.«, lacht sie.

    Bewusst geht Neve ein Schritt auf ihre Schülerin zu. Fast Angesicht zu Angesicht stehen sie sich gegenüber.

    »Wenn sie mich verarschen wollen, müssen sie schon etwas früher aufstehen«, kontert sie im ruhigen Ton. Sie zeigt mit dem Zeigefinger ihrer geschlossenen Hand auf die von Sam, in der sich die Kreide befindet. Sam öffnet sie und starrt im wahrsten Sinne des Wortes ins Leere. Da, wo sich bis eben noch die Kreide befand, ist mittlerweile gähnende Leere. Sie schaut ihre Lehrerin mit einem überraschten Blick verwirrt an. Im selben Moment wandert das vermisste Stück Kreide langsam aus Neves Hand.

    »Ich glaube, sie sind die langsamere von uns beiden.« Zuerst grinst Neve ihre Schülerin mit einem ironisch triumphierenden Lachen an, wird dann aber schlagartig ernst, geht an ihr vorbei zur Tafel und kreist das von ihr aufgeschriebene Ergebnis ein. Schweigend wird sie von der Klasse beobachtet.

    »Ich bin erstaunt, dass sie die Aufgaben so schnell gelöst haben. Aber das Ergebnis…,«. Sie tippt mit der Kreide auf die Zahlen des Ergebnisses.

    »ist leider vollkommen falsch.« Ein kurzes Lachen ertönt in der Klasse, von dem sich Sam allerdings keineswegs verunsichern lässt. Entspannt setzt sie sich auf ihren Stuhl.

    »Anstatt hier ein Minus einzusetzen, hätten sie… .«.

    »Hätte ich ein Plus einsetzen müssen, ich weiß«, unterbricht Sam ihre Lehrerin, die sie daraufhin erstaunt und zugleich fragend ansieht.

    »Wenn sie das richtige Ergebnis wissen, warum haben sie es dann nicht an die Tafel geschrieben?«

    »Weil ich sehen wollte ob es ihnen auffällt«, lacht Sam. Sofort bricht die ganze Klasse wieder in dieses hundeähnliche Gebell und das Klopfkonzert aus. Erneut schlägt Sam auf die von Laura nach hinten gereichte Hand ein. Gleich darauf führt sie zwei Finger an ihre Lippen und beginnt laut zu pfeifen, wobei sie Neve keine Sekunde aus den Augen lässt. Sie schaut Sam mit einem erbosten Blick an, bis ihre Schülerin ihr plötzlich mit einem, für heute das erste Mal, netten Lächeln zu zwinkert.

    Kurz vor Stundenende wirft Neve einen Blick in die hinterste Reihe zu Sam. Gelangweilt und verträumt schaut die Schülerin aus dem Fenster. Ihr Daumen drückt ununterbrochen auf einem Kugelschreiber herum, was sich in einem leisen Klicken wiedergibt.

    »Ms Rodriguez, sie sehen so verträumt aus, dass sie bestimmt Lust haben, die Klasse an ihrem Traum teilhaben zu lassen?«, reißt sie Sam aus den Gedanken, die daraufhin frech grinst und sich aufrecht hinsetzt.

    »Aber gerne doch, Ms. Stewart. Ich habe gerade davon geträumt, dass ich mich in der Nähe von Griechenland auf der Insel Lesbos befinde, falls sie dieses kleine Fleckchen Erde kennen…«

    »Der Name dieser Insel ist mir ein Begriff«, unterbricht Neve ihre Schülerin. Sie weiß plötzlich, dass es keine gute Idee war sie auf ihren Traum anzusprechen.

    »Also…,«, fährt Sam fort.

    »wie gesagt. Ich bin also auf dieser Insel und verführe gerade eine wunderschöne Frau, die ihnen übrigens sehr ähnlich sieht und…«.

    »Raus!«, unterbricht Neve ihre Schülerin mit einem scharfen Ton und zeigt auf die Klassentür. Als Sam sich nicht bewegt, wird sie lauter.

    »Raus, habe ich gesagt!!« Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen, steht Sam ganz langsam von ihrem Platz auf, geht an ihrer Lehrerin vorbei, wirft ihr einen Blick zu und öffnet die Klassentür.

    »Ich will für sie hoffen, dass sie sich, wenn ich in fünf Minuten rauskomme, vor der Tür befinden«, droht sie im scharfen Ton.

    »Aber sicher doch, Ms. Stewart«, trällert Sam ironisch und knallt die Tür hinter sich zu.

    Nach dem besagten Zeitraum verlässt Neve den Klassenraum. Sie ist nicht im Geringsten überrascht, dass sich Sam nicht vor der Tür befindet. Zielstrebig geht sie auf die Damentoiletten zu, weil sie ihre Schülerin nur dort vermutet. Mit einem lauten Knall öffnet sie die Tür. Sie sieht Sam bei offenem Fenster auf der Fensterbank sitzen und rauchen.

    »Hat ihnen schon jemand gesagt, dass Rauchen ungesund ist?«, fragt sie eiskalt. Erschrocken über das plötzliche Erscheinen ihrer Lehrerin, verschluckt sich Sam an dem eben geholten Lungenzug.

    »Ja, aber der ist schon tot. Lungenkrebs«, lacht sie ironisch, beginnt aber schwer zu husten. Neve geht zu ihr hin, reißt ihr die Zigarette aus der Hand und schmeißt sie aus dem Fenster. Zuerst blickt Sam der Zigarette hinterher, wirft dann aber einen wütenden Blick zu ihrer Lehrerin.

    »Sag mal, haben sie dir ins Gehirn geschissen?? Was zum Teufel glaubst du eigentlich wer du bist??«, faucht sie aggressiv.

    »Ich an ihrer Stelle würde aufpassen was sie zu mir sagen! Sie haben keine Ahnung mit wem sie sich hier anlegen!«, entgegnet ihr Neve sauer, die sie daraufhin flüchtig von oben bis unten mustert. Ehe Neve sich versieht, schlingt Sam einen Arm um ihre Hüfte und zieht sie zu sich an die Fensterbank.

    »Nimm sofort deine Finger weg!!«, keift Neve rasend. Sie duzt Sam das erste Mal, woraufhin die nur achtlos grinst.

    »Du handelst dir unheimlichen Ärger ein, wenn du nicht sofort deine Finger von mir nimmst!« Neve wird immer angriffslustiger, als sie Sams Hand auf ihrem Po spürt.

    Plötzlich schiebt Sam blitzschnell eine Hand in Neves Nacken, zieht sie zu sich heran und küsst sie auffordernd. Provokant und mit einem hinterlistigen Funkeln in ihren Augen, schaut sie ihrer Lehrerein währenddessen direkt in die Augen. Von einer Sekunde zur anderen reißt sich Neve von ihr los. Ohne darüber nachzudenken, dass sie sich damit beträchtlichen Ärger einfangen kann, holt sie aus und verpasst ihrer Schülerin eine schallende Ohrfeige, die in der Toilette beängstigend widerhallt.

    Mit einer Hand an der Wange, dreht Sam ihren Kopf zu Neve zurück. Im ersten Moment schaut sie sie mit dieser unglaublich brutalen Aggressivität in den Augen an, lächelt dann aber schwach. Mit der Zungenspitze gleitet sie spielerisch über ihre Lippen.

    »Wusste ich es doch«, lacht sie. Sie scheint von irgendetwas überzeugt zu sein.

    »Du stehst auf Frauen. Dein Blick vorhin auf dem Parkplatz, als du mich das erste Mal angesehen hast, hat dich verraten.«

    »Du bist doch krank«, zischt Neve.

    »Nein, nur ehrlich. Aber so wie du dich verhältst, scheinst du damit nicht öffentlich umzugehen, um deinen Schein zu wahren. Schade eigentlich, denn dein Blick hat mir verraten, dass dir gefällt was vor dir steht«, lacht Sam stichelnd. Als sie sich allerdings die Frechheit herausnimmt und ihre Hand auf Neves Po legt, vergisst diese fast wer sie ist. Blitzschnell greift sie nach der Hand, dreht das Handgelenk brutal nach außen und zieht Sam gleichzeitig von der Fensterbank.

    Mit einem lauten Schmerzensschrei, hockt Sam auf den Knien und blickt Neve von unten herab wütend an. Ihre Augen sind von einem Moment zum anderen so dunkel und hasserfüllt geworden, dass Neve nicht nachvollziehen kann, wie jemand von einer Sekunde zur anderen so schnell und so brutal umschalten kann.

    »Du bist tot, das schwöre ich dir!! Du bist tot!!«, brüllt Sam mit dieser, zu einer Frau nicht passenden Brutalität. Neve ist für ihren Geschmack eindeutig zu weit gegangen.

    »Halt die Klappe! Ich lasse mich von dir doch nicht verarschen! Du bist doch selbst für das verantwortlich was du machst. Also mache mich nicht für deine Entscheidungen und die daraus resultierenden Ergebnisse verantwortlich!«, faucht Neve sauer und lässt Sams Handgelenk los. Die hält sich schmerzend die Hand und blickt Neve von unten herab wutentbrannt an.

    Langsam steht Sam vom Boden auf und lässt ihre Lehrerin nicht aus den Augen. Sie geht an ihr vorbei, schiebt ihre offenen Haare zur Seite und gibt somit den Blick auf eine Tätowierung im Nacken frei, die aus einer römischen Fünf und einem schwarzen Rottweiler besteht. Dieser sieht mit seinen gefletschten Zähnen äußerst brutal und gefährlich aus.

    »Wenn du damit etwas anfangen kannst, würde ich an deiner Stelle in nächster Zeit aufpassen was du machst! Ansonsten könnte es sein, dass dir zufällig ein kleines Missgeschick passiert!«, raunt sie.

    »Du drohst mir?«, lacht Neve unbeeindruckt von dem was ihre Schülerin gesagt hat. Wieso sollte sie sich auch einschüchtern lassen? Sam ist nichts anderes, als einer dieser hoffnungslosen Fälle, die in der heutigen Zeit verzweifelt versuchen Aufmerksamkeit zu erlangen. Egal, was es am Ende kostet.

    »Ich warne dich! Niemand, wirklich niemand geht so mit mir um, ohne dafür die Quittung zu bekommen!« Sam öffnet die Tür zum Schulflur und dreht sich zu Neve um.

    »Ich würde verdammt vorsichtig sein, Sam. Du hast nämlich nicht die geringste Ahnung wen du vor dir hast«, entgegnet ihr Neve, als sie neben ihr an der Tür steht.

    »Du weißt nicht wer ich bin, stimmt´s?«, lacht Sam.

    Neve macht einen Schritt an sie heran, ganz darauf bedacht ihr nicht zu nahe zu kommen. Ein geheimnisvolles Schmunzeln umgibt ihre zierlichen Lippen.

    »Dafür, dass du zu den Five Dogs gehörst, hältst du dich aber ganz schön zurück mit deiner Brutalität, für die ihr ja so bekannt seid«, spricht sie leise. Offensichtlich will sie niemanden hören lassen, dass sie wirklich etwas mit dieser Tätowierung anfangen kann.

    »Du kennst uns? Kompliment«, lächelt Sam erstaunt, wird dann aber wieder frech.

    »Wenn du uns kennst, woher nimmst du dir dann den Mut, so mit mir umzugehen?«

    »Ich habe dir schon in der Klasse gesagt, dass du für mich nur eine pubertierende Göre bist. Daran ändert auch deine Tätowierung nichts, mit der du meinst, etwas beweisen zu wollen.«

    Mit einem Stoß gegen die Schulter, schubst Neve ihre Schülerin in den mittlerweile gefüllten Schulflur. Sie will dieses Theater endlich beenden.

    Kaum hat Sam ihr Gleichgewicht wieder gefunden, dreht sie sich blitzschnell um, baut sich vor Neve auf und blickt ihr direkt in die Augen. Bei dieser schnellen Drehung weht der Duft eines Männerparfüms in Neves Nase. Ungewollt prescht eine Gänsehaut über ihren Körper. Sie hat das Gefühl knallrot zu werden. Ihre Wangen werden heiß. Sicherlich gleicht sie in diesem Augenblick einem frisch gekochten Hummer. Die Haut kribbelt vor lauter Aufregung.

    Erschrocken über diese körperliche Reaktion, blickt Neve flüchtig an Sam vorbei. Noch nie hatte ein Parfüm solch eine Wirkung auf sie.

    Sam, die gerade mal fünf Zentimeter kleiner ist, als Neve, sieht die rötliche Farbe auf der zarten Hautihrer Lehrerin und lächelt verschmitzt. Arrogant spricht sie sich dieses Ergebnis selbst zu. Langsam hebt sie einen Arm und will Neve erneut ihre Hand in den Nacken schieben, als diese ihren Arm brutal festhält. Sie will sich kein weiteres Mal von ihr berühren lassen.

    Etwas überrascht, blickt Sam auf Neves Hand. Ein Lächeln brennt sich auf ihren Lippen fest. Blitzschnell greift sie nach Neves Ärmel und zieht ihn herunter. Als sie die Gänsehaut auf dem Arm sieht, blickt sie Neve in die Augen. Mit einem Ruck reißt sie sich von ihrer Hand.

    »Danke für das Kompliment. Ich weiß, dass ich verdammt gut rieche«, grinst sie unverschämt, greift ihr in den Nacken und zieht sie an sich. Es fehlen nur Millimeter die sich ihre Lippen voneinander trennen. Es vergehen nur zwei Sekunden, in denen Neve einen völligen Black Out hat und überhaupt nicht auf diese Situation reagiert. Sam beobachtet sie ganz genau. Sie sieht den erschrockenen Gesichtsausdruck. Sie spürt Neves Atem auf ihren Lippen. Ein selbstgerechtes Grinsen festigt sich auf ihrem Gesicht. Sie weiß, dass sie Neve mit dieser unvollendeten Berührung durcheinander bringt.

    Erschrocken darüber, dass sie für zwei Sekunden unfähig war zu reagieren, will sich Neve von Sams Hand reißen, als diese sie von alleine loslässt. Kokett dreht sie sich um. Mit purer Absicht peitscht sie ihre Haare provokant in Neves Gesicht, um sie erneut ihr Parfüm einatmen zu lassen.

    »Bis morgen Ms. Stewart und immer schön sauber bleiben!«, lacht Sam. Sie verlässt die Toilette und liest auf dem Weg zum Ausgang, Laura auf.

    Auf dem Weg zu ihrem Wagen, muss Neve an Sams Pick Up vorbei. Argwöhnischen wirft sie einen Blick auf dieses schwarze Monster. Sie fragt sich, wie so ein junges Mädel an so einen Wagen kommt, beantwortet sich die Frage aber selbst, weil sie weiß, in welcher Gang Sam ist. Von daher tauscht sie die Auto-Frage gegen die, weshalb Sam bei den Five Dogs ist und wie sie da hineingekommen ist.

    Mit diesen Gedanken beschäftigt, nimmt sie im letzten Moment einen aufheulenden Motor wahr. Sams Chevy macht plötzlich einen kleinen Satz nach vorne und bremst mit der Stoßstange direkt vor ihren Beinen ab. Reflexartig macht Neve einen großen Sprung zur Seite. Wütend blickt sie zur Windschutzscheibe des Chevy. Laura kann sich vor Lachen kaum halten. Sam schmunzelt leicht. Sie schiebt eine schwarze Sonnenbrille etwas die Nase herunter, schaut Neve über den Rand direkt an und grinst unverschämt.

    »Bleiben Sie mir treu, Ms. Stewart«, trällert sie durch das offene Fahrerfenster. Demonstrativ gibt sie Gas. Neve springt zur Seite und blickt dem Chevy wütend hinterher. Mit quietschenden Reifen fährt der Wagen vom Parkplatz und macht seinen Pferdestärken alle Ehre.

    Gegen späten Nachmittag fährt Neve zu ihrem Hauptjob und durchquert dabei mehrere Straßen, bei denen sie aus beruflichen Gründen weiß, dass dieses Viertel den Five Dogs gehört. Zu wissen, dass eine junge pubertierende Göre zu dieser Gang gehört und dieses Viertel praktisch mit ihrem Leben verteidigt, wird Neve für einen kurzen Moment anders. Sie weiß selbst, dass nur die Mutigsten und Härtesten auf diesen Straßen überleben können. Aber auch so ein junges Ding wie Sam?

    Hektisch blickt sie sich um und sieht Sams Pick Up am Straßenrand parken. Ihre Aufmerksamkeit fällt auf einen Basketballplatz, der mit einigen jungen Leuten gefüllt ist.

    Neugierig parkt Neve ihren Wagen hinter dem Chevy und wirft ihre Augen zum Platz. Schon nach wenigen Momenten macht sie Sam ausfindig. Sie sitzt auf einer mit Graffiti übersäten Bank und lässt sich von Laura einen Zopf flechten.

    Wenige Augenblicke später ist sie fertig. Erstaunt zieht Neve eine Augenbraue hoch. Laura schiebt von hinten ihre Hand in Sams Top und danach in ihren BH. Regungslos lässt sich Sam das gefallen. Laura beugt sich etwas herunter, flüstert ihr etwas ins Ohr und greift dann nach einer ihrer Hände. Bestimmend zieht sie ihre Freundin von der Bank und schleift sie hinter sich her, bis beide an einem Baum ankommen.

    Als Neve beobachtet, dass Laura sie küsst, weiten sich ihre Augen. Ihr Blick haftet sich an die beiden Frauen, die in ihren Handlungen stürmischer werden. Neve weiß worauf das hinausläuft. Sie schluckt schwer.

    Erschrocken über diesen Anblick, beobachtet sie, wie Lauras Hände unter Sams Top wandern und deren Brüste massieren. Hektisch fummelt Sam an Lauras Hose herum. Fast zerreißt sie den Reißverschluss.

    »Verdammt, sucht euch ein Zimmer«, schimpft Neve.

    Sams Hand verschwindet in Lauras Hose. An der Reaktion der jungen Frau, weiß Neve, was Sam dort sucht und erfolgreich fündig wird.

    Plötzlich schreckt Neve in ihrem Sitz hoch, als sie sehen kann, wie drei junge Typen den Platz verlassen und direkt auf ihren Wagen zusteuern. Ohne sich anmerken zu lassen, dass sie den Platz beobachtet, greift sie hektisch nach ihrem Handy. Planlos tippt sie darauf herum, nur um für die Jungs beschäftigt genug auszusehen.

    »Tja, da haben Frauen es echt leichter«, lacht einer der Typen. Aus dem Augenwinkel kann Neve sehen, dass ein anderer den Kopf schüttelt, als die drei an ihrem Wagen vorbeilaufen.

    »Ist ja auch kein Wunder, dass Sam auf Frauen steht. Nachdem Leon und Jonathan sie damals vergewaltigt haben, kann ich es schon verstehen, dass sie nie wieder einen Typen an sich ranlässt«, murmelt einer der Typen. Neves Augen weiten sich geschockt. Vergewaltigt? Sam wurde vergewaltigt??

    »Wenn wir damals gewusst hätten was die beiden vorhatten, wäre das mit Sicherheit nicht passiert«, verstummen langsam die Stimmen der jungen Kerle, als sie sich immer weiter von Neves Wagen entfernen.

    Geschockt sitzt Neve erstarrt auf dem Ledersitz. Fassungslos blickt sie mit großen Augen auf das Handydisplay. Vergewaltigt!! Vergewaltigt!! Vergewaltigt!! Immer wieder schießt dieses eine Wort durch ihren Kopf. Sie hatte schon oft genug mit diesem Thema zu tun. Aber nun zu wissen, dass eine Schülerin von ihr, dass Sam, ebenfalls vergewaltigt wurde, bringt sie völlig aus der Fassung. Wie muss sie gelitten haben? Dabei und danach? Wie muss sie sich gefühlt haben, als die Männer sie wie ein Stück Vieh behandelt haben und einer nach dem anderen über sie hergefallen ist? Wie hat sie das alles verarbeitet? Hat sie diese Dreckskerle angezeigt? Wie zum Teufel konnte das nur passieren?

    Die Antwort liegt eigentlich klar auf der Hand. Sam ist in einer Gang! In der falschen Gang! Da nimmt keine andere Gang Rücksicht drauf, sondern nimmt sich das, was man kriegen kann. Und wenn es gegen den Willen einer Frau ist. Egal! Es wird sich einfach genommen und damit basta!

    Noch immer in den schockierenden Gedanken steckend, blickt Neve mit mattem Blick auf den Basketballplatz und ist über sich selbst überrascht. Denn dort ist ein Spiel schon voll im Gange. Wie lange muss sie in ihren Gedanken versunken gewesen sein, dass sie das nicht mitbekommen hat?

    Ihr ist es eigentlich egal, denn der Tatsache, dass so ein junges Mädchen vergewaltigt wurde, gebührt unendlich viel Zeit.

    Neve wandert mit ihrem Blick über den Platz und verfolgt das Spiel, bei dem sie erstaunt feststellen muss, dass Sam richtig gut ist. Sie spielt absolut präzise und in keinster Weise wahllos. Sie scheint ihre Schritte vorher genau zu überlegen, bevor sie ihren Körper bewegt. Alles ist bis ins kleinste Detail bedacht. Auch der Sprung und Wurf zum Korb, ist exakt geplant. Dass aber ein junger Mann von der gegnerischen Mannschaft, ebenfalls hochspringt und sie im Sprung direkt vor dem Korb so heftig anrempelt, dass sie wie ein Sack Kartoffeln auf den Beton prallt, war mit Sicherheit nicht von ihr geplant.

    Aber anstatt sich vor Schmerzen auf dem Boden zu winden, ist Sam sofort wieder auf den Beinen. Lautstark brüllend geht sie sofort auf den Typen los. Blitzschnell herrscht eine brennende Stimmung auf dem Platz, die Neve bis zu ihrem Wagen spüren kann. Kopfschüttelnd, weil sie nicht fassen kann, dass Sam so unglaublich aggressiv ist, sieht sie mit an, wie sie einem ihrer Kollegen den Ball aus den Händen reißt und dem Typen mit einem brüllenden Kommentar direkt in den Magen schmettert.

    Das Spiel geht weiter. Neve weiß, dass Sam diese Aktion in keinster Weise ungesühnt auf sich sitzen lassen wird. Ihre Rache stellt sie unter Beweis, als der gegnerische Typ zum Korb hochspringt und den Ball versenken will. Sam springt ebenfalls hoch. Bevor der Kerl den Ball aber zum Korb bewegen kann, holt sie mit einem Arm aus und schmettert ihren Ellenbogen direkt in das Gesicht ihres Gegners. Dieser knallt gleich darauf mit einer blutenden Nase auf den Boden. Sam reißt ihre Arme hoch. Sie deutet somit an, dass sie keinerlei Schuld an seinem kleinen Unfall hat. Und doch verrät ihr boshaftes Grinsen alles. Sie beugt sich zu dem Typen herunter, holt mit einer Faust aus und schlägt ihm diese mitten ins Gesicht. Fast wie eine Verrückte, rast ihre steinerne Faust immer wieder auf den jungen Kerl. Sams Kollegen und Laura stehen neben ihr. Amüsiert beobachten sie dieses kleine Spektakel. Noch nicht einmal die Kollegen von diesem Spinner kommen ihm zur Hilfe. Sie stehen regungslos daneben und sehen zu, wie Sam ihm ein neues Gesicht verpasst.

    Kein Wunder, dass Sam bei den Five Dogs ist. Wer wegen eines unfairen Basketballspiels so dermaßen ausrastet, hat nichts in einer anderen Gang verloren. Denn dafür sind die Five Dogs bekannt. Auch wenn Neve sich bisher noch nicht so dermaßen mit dieser Bande beschäftigt hat, weiß sie, dass die Five Dogs unglaublich brutal, aggressiv und unberechenbar sind. In dem einen Moment lächeln sie einem vertraut ins Gesicht, aber man muss sich nicht einmal umdrehen, um gleich darauf eben dieses Gesicht von einer Kugel zerfetzt zu bekommen. Denn das ist ihnen vollkommen egal.

    Es gehen auch viele Morde auf deren Konto. Bei dem Gedanken, dass Sam eventuell auch schon einen Menschen getötet haben könnte, läuft Neve ein eiskalter Schauer über den Rücken.

    Irgendwie ängstlich, weil Neve diesen Gedanken in ihrem Kopf nicht weiter reifen lassen will, dreht sie den Zündschlüssel ihres Wagens. Sie nimmt den Blick von dieser Brutalität ab, die Sam an den Tag legt. Sie weiß, dass nicht mehr viel von dem Gesicht des Typen übrig bleiben wird.

    Im Stadtteil Soma angekommen, biegt sie in die Bryant Street und hält vor dem San Francisco Police Department. Schwer atmend, weil sie das Gefühl hat, dass Zementblöcke an ihrem Körper hängen, steigt sie aus und hievt sich die wenigen Stufen zur Eingangstür hoch. Die Bilder von Sam brennen noch immer in ihrem Kopf. Sie bemerkt zuerst gar nicht, dass ein Polizist das Department verlässt, sie nickend anlächelt und eine Hand auffallend weit ausstreckt. Neve blickt kurz darauf und schlägt dann ohne Worte ein.

    »Viel Spaß heute«, lächelt der Polizist. Neve nickt nur und betritt das Department. Direkt nach der Eingangstür befindet sich auf der linken Seite ein großer Tresen. An der gegenüberliegenden Wand steht eine Reihe von Stühlen, die wie jeden Tag bis zum erbrechen überfüllt sind. Landstreicher, Penner, Prostituierte, Drogenhändler, Geschäftsleute. Hier tummelt sich täglich alles was auf zwei Beinen läuft und auch nur annähernd Dreck am Stecken hat.

    Neve klopft einmal auf den Tresen, betritt den hinteren Teil des Departments und lässt sich wie ein Sack auf einen Stuhl an einem der vielen Schreibtische fallen. Sie zerfließt regelrecht in dem Stuhl. Schnaufend legt sie den Kopf in den Nacken.

    »Na du, wie war dein Tag bis jetzt?«, fragt eine Männerstimme. Neve hebt den Kopf und blickt in das recht junge Gesicht ihres Kollegen, der sie erwartungsvoll anschaut. Er versteckt dabei das halbe Gesicht hinter einer Kaffeetasse.

    »Ist noch was da?«, fragt Neve, ohne die gestellte Frage des Mannes beantwortet zu haben und macht eine Kinnbewegung auf die Tasse.

    »Klar, wenn du auf die Suppe von heute Morgen stehst.« Leicht angewidert, rümpft Neve die Nase, hievt sich aber trotzdem aus dem Stuhl und kommt zwei Minuten später zum Tisch zurück, um erneut in den Stuhl zu versinken. Sie trinkt einen großen Schluck Kaffee und schüttelt sich angewidert.

    »Schönen Dank auch«, murmelt sie angeekelt.

    »Ich vergesse doch immer wieder wie anstrengend so eine Schule sein kann. Zwei Stunden Unterricht ist schlimmer als eine Zwölf-Stunden-Schicht«, flucht sie. Aus einer geöffneten Schublade holt sie eine Waffe und das dazugehörige Waffenholster heraus, befestigt alles mit schnellen Griffen an ihrer Hose und klemmt sich die Polizeimarke an den vorderen Bund. Sie atmet tief durch und blickt zu ihrem Kollegen.

    »Und Jake, was liegt heute an?« Ihr Kollege schüttelt flüchtig den Kopf.

    »Nichts Besonderes, nur den Bericht von unserem Fall am Samstag beenden und dann haben wir noch ein Treffen mit J.R.« Neve lehnt sich in den Stuhl zurück und grinst spitzbübisch.

    »Ach, versucht der Hahn mal wieder ein Korn zu finden?«, kichert sie frech und trinkt einen weiteren Schluck von diesem misslungenen Experiment, das sich Kaffee schimpft.

    Gegen Mitternacht lenkt Jake seinen Wagen aus der Bryan Street unter die Unterführung des James Lick Freeway, der am Ende in die Oakland Bay Bridge mündet. Irgendwie recht gelangweilt folgt Neve ihm mit ihrem Wagen. Ihre Wege werden sich nach diesem Meeting für den heutigen Tag trennen.

    Sie steigt aus, geht zu Jake, der gemütlich in seinem Auto sitzen bleibt und klopft an das Fahrerfenster. Gleich nachdem es ein Stück weit geöffnet ist, hält sie ihm eine Hand entgegen.

    »Heute bist du dran.« Ohne zu zögern, holt Jake sein Portemonnaie und drückt Neve fünfzig Dollar in die Hand. Währenddessen tastet sie die Gegend mit ihrem Blick ab, bis sie eine flüchtige Kopfbewegung nach vorne macht.

    »Da ist er«, murmelt sie, woraufhin Jake zu einem der Stützpfeiler blickt. Dort versteckt sich ein kleiner schmächtiger Mann.

    Mit schweren Schritten, weil ihr Akku für heute mehr als leer ist, schleift sich Neve zu ihm. Schon auf dem halben Weg bekommt sie einen Brechreiz, als ihr klar wird welcher Gestank ihr von J.R. gleich entgegenkommen wird. Er ist ein Penner von der Straße, der seine Fühler in sämtliche Richtungen ausgestreckt hat. Und genau aus dem Grund ist er sehr nützlich und hilfreich für die Polizei.

    »Was hast du für uns?«, fragt Neve, als sie J.R. mit sicherem Abstand gegenübersteht. Hektisch blickt sich der Mann um. Er schaut sogar völlig nervös zum Beton des Freeway hoch, der über ihren Köpfen rauscht.

    »In zwei Tagen treffen sich die Outer Sunsets mit den Five Dogs in der Chestnut Street, nahe dem Jack Early Park, um Waffen gegen Drogen zu tauschen«, berichtet er hektisch. Bei den Worten Five Dogs fängt Neves Herz zu rasen an. Sofort hat sie Sams Gesicht vor Augen. Innerhalb einer Sekunde betet sie, dass sie sie dort nicht antreffen wird. Denn das würde ihr den ganzen Abend vermiesen.

    »Weißt du wie viele dabei sein werden?«, fragt Neve, ohne sich die Nervosität, die gerade in ihrem Körper tobt, anmerken zu lassen.

    »Ich denke mal, dass es der normale Standard sein wird. Vier von beiden Seiten.« Neve bedankt sich nickend und hält J.R. den fünfzig Dollarschein entgegen. Als er sich diesen schnappen will, zieht sie ihn zurück.

    »Was genau weißt du über die Five Dogs?«, fragt sie ohne

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