Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Pin ins Herz: Liebesroman
Pin ins Herz: Liebesroman
Pin ins Herz: Liebesroman
eBook236 Seiten3 Stunden

Pin ins Herz: Liebesroman

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Verliere nie den Glauben an die Liebe. Sie ist die stärkste Kraft und lässt uns so einiges ertragen.
Vom Freund verlassen, den Job verloren und mit den Folgen kämpfend muss Emmi sich endlich mal wieder um sich selbst kümmern. Sie nimmt allen Mut zusammen und verwirklicht ihren Traum. Ein Jahr im Ausland. Zusammen mit Freundin Lizzie bricht sie auf in ein Abenteuer, das so ganz anders verläuft als geplant.
Gelingt es Emmi, zwischen all den Gefühlen aus Lebensmut, großer Liebe und unfassbaren Ereignissen, sich selbst zu finden?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum18. Apr. 2018
ISBN9783746717654
Pin ins Herz: Liebesroman

Ähnlich wie Pin ins Herz

Ähnliche E-Books

Romanzen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Pin ins Herz

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Pin ins Herz - Katrin Wiedmaier

    Pin-ins-Herz-03-5-18

    Katrin Wiedmaier

    Pin ins Herz

    Roman

    Über die Autorin

    Schreiben ist für Katrin Wiedmaier eine Leidenschaft, der sie seit ihrer Jugend verfallen ist. Kein Wunder also, dass sie diese Leidenschaft mit der Gründung einer Agentur auch zu ihrem Beruf gemach hat. «Pin ins Herz» ist ihr Debüt-Roman - und die Verwirklichung eines Jugendtraums. Die gebürtige Schwarzwälderin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Rottenburg am Neckar.

    PROLOG

    Wie konnte es nur soweit kommen? Ich stecke definitiv in einer mittelschweren Lebenskrise. Und alles nur wegen einem Mann, zumindest hat es mit ihm angefangen. Es wird Zeit, endlich aktiv etwas gegen diese lähmenden Gefühle zu unternehmen. Ich gehe mir selbst auf die Nerven und muss mich endlich zusammenreißen und aus diesem anhaltenden Tief klettern, das unsägliche Verlustgefühl und meinen verletzten Stolz hinter mir lassen. So kann es einfach nicht weitergehen. Ich möchte wieder die lebensfrohe, unternehmungslustige Frau werden, die ich mal war. In den letzten Monaten quälte ich mich durch Liebeskummer und vernachlässigte dabei soziale Kontakte und die Menschen, die mir nahestehen. Wenn ich nur im Ansatz geahnt hätte, wie schnell es gehen kann, dass jemand mein Leben auf den Kopf stellt und ich gezwungen bin, eine völlig neue Richtung einzuschlagen ....

    TEIL 1

    Kapitel 1

    Freitagmorgen. Shit, ich komme schon wieder zu spät zur Arbeit. Der Wecker zeigt 8.30 Uhr, oh man, ich habe das Klingeln einfach nicht gehört. Auch wenn das Büro nur fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt liegt, gönne ich mir meist den Luxus, diese Strecke mit dem Auto zurückzulegen. Zu allem Überfluss rauche ich auch noch hastig die erste Zigarette des Tages und schnipse die Kippe, während ich auf dem Firmenparkplatz zu meinem bezahlten Stellplatz fahre, wenig elegant aus dem Fensterspalt. Ich hasse solchen Stress am Morgen. Der Duft von frischgebrühtem Kaffee steigt mir beim Betreten der Küche in die Nase. Diesen glückseligen Umstand verdanke ich einem Timer an meiner alten Filtermaschine, den ich unter der Woche auf 7.15 Uhr programmiert habe. So marschiere ich eilig mit der übervollen Tasse des schwarzen Gebräus ins Bad und kann wenigstens ein paar Schlucke genießen, während ich in Windeseile die Morgenwäsche vollziehe. Ohne dieses herrlich duftende, meine Lebensgeister weckende Getränk, bin ich zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen. Unter Stress funktioniere ich immer perfekt, da bleibt mir nämlich keine Zeit, lange nachzudenken. Auf dem Weg zur Garderobe bleibt mein Blick an meinem Spiegelbild hängen. Ich sehe jeden Morgen das Gleiche - traurige, glanzlose Augen, die mein sonst recht attraktives Gesicht fade erscheinen lassen. Meine braunen Augen sind eigentlich mein großer Pluspunkt, denn wenn ich nicht gerade deprimiert bin, leuchten diese, von geschwungenen Wimpern eingerahmten Seelenfenster, nämlich unheimlich schön. Sie sind recht groß und rund, was mir in meiner Jugend mal den Spitzname Teddy eingebracht hat. Dieser Gedanke bringt mich immerhin zum Schmunzeln. Doch momentan kann man schon sagen, dass mein zerrissenes Inneres auch in äußerlichen Ausmaßen sichtbar ist. Kein Glanz, kein Ausdruck, nicht einmal meine Lachfältchen um die Augen sind momentan sichtbar. Selbst meine sonst so glänzenden hellen Haare hängen, als wären sie gelangweilt von mir, an meinem Kopf. Genervt und noch deprimierter raffe ich meine Handtasche vom Board, steck den Schlüssel achtlos in die Hosentasche und sprinte die Treppe nach unten.

    Als hinge mein Leben davon ab, stecke ich meine Karte in die Stempeluhr, 9:01 Uhr, yeah, das ist gerade noch einmal gut gegangen. Die Kernarbeitszeit beginnt um 9.00 Uhr, so kann ich endlich einen Gang zurückschalten. Während ich gemächlich durch den schmalen weißen Flur den Weg ins Büro schlendere, geben die Sohlen meiner Schuhe auf dem hellgrauen Linoleumboden quietschende und schmatzende Geräusche von sich. Dabei fällt mir eine alte Weisheit ein, die ich mal irgendwo gehört habe. Sie besagt, dass Schuhe, deren Sohlen quietschen, nicht bezahlt sind. Dabei habe ich sie bezahlt, ehrlich. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hüpfe ich die Treppe in den ersten Stock, schnell noch einen Bleistift aus der Tasche gefischt, um meine langen Haare zu einem improvisierten Knoten hochzustecken. Ich schwinge die Handtasche unter den Schreibtisch, schalte den PC ein, lasse mich auf den schwarzen Drehstuhl plumpsen und schaue gedankenverloren aus dem Fenster, während sich mein Rechner betriebsbereit macht. Ich mag diesen Anblick. Die Shet-Dächer der Versandabteilung ragen empor, in dem Gebäudeteil gegenüber sehe ich die Kollegen aus der EDV hinter den Scheiben vorbeihuschen. Der Himmel ist übersät mit hellgrauen Wolken, die der Sonne keine Chance lassen, sich irgendwo durchzumogeln. Wer weiß, mittags schafft sie es bestimmt, wenigstens zwischen den Wolken hervor zu blitzen.

    Der Vormittag läuft gut, ich gebe ein paar Korrekturabzüge der neu übersetzten Prospekte frei, telefoniere mit der Druckerei und mit der Werbeagentur bespreche ich ein laufendes Projekt. In der kurzen Mittagspause setze ich mich zum Essen auf eine Bank hinter dem Gebäude. Ich kann doch noch ein paar Sonnenstrahlen genießen, die sich zwischen den Wolken hindurchschieben können und sauge sie auf, als wären sie wertvolle Energie, die mich den Nachmittag überstehen lässt. Hm, vermutlich sind sie für mich heute genau das. Ich schaffe es gerade noch, die aktuellen Unterlagen von meinem Schreibtisch zu klauben, und falle in letzter Minute im Meetingraum der Vertriebsabteilung ein. Wie immer mit einem aufgesetzten Lächeln in die Runde. Es geht um neue Werbemittel für die anstehende Messe und ich weiß schon jetzt, worauf das hinausläuft. Wie immer wollen sie Dinge haben, bei denen mir bereits klar ist, dass sie im Endeffekt zu teuer sein werden. Und ich könnte mir die ganze Mühe und Zeit sparen, überzeugen lässt sich jedoch im Vorfeld niemand. Sie müssen jedes Mal erst schwarz auf weiß sehen, was sie sich mit ihrem ohnehin mageren Budget doch nicht leisten können. Und auch dieses Mal behalte ich recht. Statt vernünftiger Ergebnisse, weil realistisch, gibt es jede Menge Arbeit für mich. Ich stecke gerade im Lektorat eines Textes, als um 16.30 Uhr das Telefon klingelt.

    «Emmi, kommen Sie doch mal bitte in mein Büro, ich möchte etwas mit Ihnen besprechen», höre ich die Stimme meines Chefs. Arglos nehme ich Block und Stift in die Hand und hüpfe fröhlich eine Etage tiefer. Immerhin wird das eine der letzten Amtshandlungen heute für mich sein, denn das das Wochenende ist zum Greifen nah.

    Kapitel 2

    «Emmi, unsere Entscheidung hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Es tut mir wirklich sehr leid, weil ich mit Ihnen eine fleißige, kompetente Mitarbeiterin verliere, aber Sie wissen doch, wie das läuft.» Mir wird heiß und kalt zugleich, ich will das nicht hören.

    «Zuerst wird immer an der Werbung gespart, und Sie sind nun einmal, wie es der Sozialplan vorgibt, die Einzige, die unverheiratet ist und keine Kinder hat.»

    Obwohl ich in dem Moment weiß, dass er es ehrlich meint und seine Miene auch echtes Bedauern ausdrückt, tut es weh, was ich da gerade höre.

    «Ok, ich nehme an, es ist egal, was ich jetzt sage oder tue, dies ist eine bereits gefällte Entscheidung, oder?» Der letzte Funken Hoffnung, an dem ich mich gerade kurz vor einer Panikattacke festhalte, schwingt in diesem Satz mit, vielleicht gibt es einen kleinen Spalt irgendwo. Doch der Funke fliegt davon, noch bevor ich mir richtig Gedanken darum machen kann.

    «Ja Emmi, diese Entscheidung steht fest und ich persönlich finde es wirklich bedauerlich. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes sagen.» Er zieht die Schultern nach oben und hebt die Hände in die Luft, um sein Bedauern auszudrücken. Ein Gedanke formt sich in meinem Gehirn wie lästiges Ohrensausen. Ich vernehme eine Stimme, kann sie aber erst lokalisieren, als ich dieses fiese Flüstern höre, das vor Schadenfreude nur so trieft. Es ist mein innerer Schweinehund, dem vermutlich grad einer abgeht.

    «So liebe Emmi, jetzt hast du keine Ausrede mehr, jetzt wird sich etwas in deinem Leben verändern, ätsch. Selbst schuld, du hättest einfach mal eher deinen Arsch hochkriegen sollen. Blöd, dass du es nicht leiden kannst, wenn andere über dich bestimmen. Tja, sag nicht, ich wäre dir damit nicht ständig in den Ohren gelegen.»

    Mir ist, als würde ich Selbstgespräche führen. Dieser Gedanke fühlte sich so real an, dass ich für einen Moment echt verwirrt bin. Ich höre dem Chef gar nicht mehr zu, der irgendwas von Abschlussprojekten und Messe erzählt, stattdessen schweife ich meilenweit ab. Die letzten Monate hat sich ein ansehnlicher Batzen auf meinem Konto angehäuft, da ich aufgrund meines Liebeskummers jegliches Sozialleben außerhalb meiner vier Wände und auch die meisten Vorschläge meiner Freundin kategorisch abgelehnt habe. Die Lust daran ist mir wirklich gründlich vergangen und dazu gehören leider auch die monatlichen Shopping-Touren. Ich könnte doch meinen Traum verwirklichen. Ich könnte jetzt endlich tun, was ich schon immer wollte, ins Ausland gehen und Lebenserfahrung sammeln. Ich bin frei, schießt es mir durch den Kopf, und noch bevor ich vor Erleichterung dümmlich vor mich hin grinse, was überaus peinlich und schwer erklärbar wäre, macht mir dieser Gedanke angst. Ich will das ja, ich will ja, dass sich etwas ändert, aber ich hätte schon gerne selbst entschieden, was, wann und wie. Ich mag es grundsätzlich nicht, wenn jemand über mich bestimmt, hier kann ich jedoch nichts dagegen tun. Das lähmt mich. In angespannter Atmosphäre wünschen wir uns ein schönes Wochenende, ha der war gut, und ich schleiche zurück an meinen Platz. Geistesabwesend ziehe ich den Bleistift aus meinen Haaren und schiebe sie mir so dicht an die Augen, dass ich wenigstens das Gefühl bekomme, unsichtbar zu sein. Bei kleinen Kindern funktionierte das doch auch, dass sie sich vor den Augen der Erwachsenen verstecken und sich dann ernsthaft wundern, dass man sie findet. An diesem Abend bin ich nicht wie gewohnt die Letzte im Büro, sondern die Erste, die geht. Ohne auf die mitleidigen Blicke meiner Kollegen einzugehen, straffe ich meine Schultern, blicke sie direkt an und verabschiede mich betont fröhlich von Ihnen. Ich würde hier und jetzt nicht in Tränen ausbrechen, darauf habe ich einfach keine Lust. Und es würde rein gar nichts an der Situation ändern. Ich lief hier in der Vergangenheit schon viel zu oft mit vom Heulen verquollenen Augen rum, damit muss jetzt endlich Schluss sein. Wenn mir die Entscheidung über Änderungen meiner Zukunft schon nicht selbst überlassen wird, dann mach ich das jetzt richtig. Liebes Schicksal, das kannst du haben!

    Ein entscheidendes Plus für meinen Chef ist die Tatsache, denke ich, während ich den Flur entlanglaufe, dass er mir wenigstens an einem Freitagnachmittag eröffnet hat, dass ich den Einsparmaßnahmen unserer Firma zum Opfer gefallen bin. Ich strecke kurz den Kopf in die Tür der Personalabteilung und verabschiede mich von meiner Kollegin, die bis vor Kurzem noch in meiner Marketingabteilung tätig war.

    «Er hat es dir also doch noch heute erzählt.» Sie klingt zufrieden. Das wiederum macht mich stutzig.

    «Warum sagst du das in so zufriedenem Tonfall?»

    «Emmi, ich habe ihn gebeten, es dir möglichst heute noch zu sagen, weil du dann das ganze Wochenende hast, um diese Information sacken zu lassen.» Sie legt mir die Hand auf die Schulter.

    «Sieh mal, wenn er es am Montag verkündet hätte, müsstest du die ganze Woche gute Miene zum bösen Spiel machen. Und das wollte ich dir einfach ersparen. Es ist doch echt tragisch genug, dass du bald nicht mehr hier bist.» Sie klingt wehmütig.

    «Ja, vermutlich hast du recht, danke dafür. Dann geh ich jetzt mal nach Hause und lass sacken», gebe ich kleinlaut zu. Sie muss mir nichts weiter erklären, das würden wir nächste Woche in Ruhe tun, sie meint nur, ich kann mir den Resturlaub auch ausbezahlen lassen, denn wenn ich all meinen Urlaub nehmen würde, wäre ich nicht mehr lange da. Zudem ist die Abfindung, die mir nach 12-jähriger Betriebszugehörigkeit zusteht, nicht zu verachten und kann wohl erst mal als Trostpflaster herhalten. Ich danke ihr und wünsche auch ihr ein schönes Wochenende. Ob es Absicht war oder nicht, es verschafft mir persönlich tatsächlich zwei Tage, in denen ich in meinen vier Wänden alleine meine Wunden lecken und über die weitere Zukunft nachdenken kann. Hoch die Hände – Wochenende.

    Auf dem Heimweg lege ich im Supermarkt meines Dorfes einen Stopp ein und kaufe noch genau die Dinge, von denen ich der Meinung bin, sie könnten mich beim Wunden lecken und beim Pläne für die Zukunft schmieden, unterstützen. Tiefkühlpizza, Cola, Zigaretten und eine Flasche meines Lieblingsweines, ein relativ teurer spanischer Crianza. Und mit teuer meine ich alles, was über fünf Euro geht. Ziemlich beerig und schwer, aber genau das, was ich heute Abend brauchen würde. Ich fühle mich unwohl und ausgerechnet heute sitzt meine ehemalige Nachbarin an der Kasse, die mich schon von klein auf kennt. Erfreut wie immer, wenn sie mich sieht, lächelt sie mich an. Zu meiner Überraschung sagt sie aber heute nichts zu den Einkäufen, die vor ihr auf dem Band liegen. Und das will was heißen, denn das tut sie sonst immer. Manchmal hasse ich sie auch dafür, denn ihre gut gemeinten Kommentare hinterlassen nicht selten ein schlechtes Gewissen bei mir. Da kommen dann solche Bemerkungen wie «na Emmi, bekommst du heute Abend Besuch? Diese Pizza habe ich auch schon mal mitgenommen, als es schnell gehen musste.»

    Und ich stelle mir immer vor, was ich dann antworten würde: «Nein Frau Singer, ich bekomme heute keinen Besuch, ich habe heut Mädelsabend mit mir selbst, und ich bin einfach zu faul zum Kochen.» Aber natürlich schaffe ich das nie. Alles, was ich spontan zustande bekomme, ist ein aufgesetztes Lächeln. Aber dann, sobald sich die Schiebetüren des Ladens hinter mir geschlossen haben, dann liefert mir mein unzuverlässiges Hirn unzählige schlagfertige Möglichkeiten. Immer das Gleiche.

    Ich habe mir auch schon oft überlegt, ob ich einfach mal nur absolut gesunde Dinge aufs Band lege, nur um dann ihren Kommentar darauf zu hören. Leider kommt mir dieser Gedanke immer erst, nachdem mein Einkaufskorb mit typischen Single-Produkten beladen ist. Ich bin schon an der Tür, da höre ich ihre Stimme, vermutlich wie alle anderen Leute auch, die sich momentan im Laden befinden.

    «Ich wünsch dir ein tolles Wochenende Emmi.» Bestimmt nett und ohne Hintergedanken gemeint, interpretiere ich in diesem Moment eine Spur von Mitleid in ihre Stimme. Hat sich mein Schicksal denn so schnell bis zu ihr rumgesprochen? Wundern würde es mich nicht, in diesem Dorf kann man einfach keine Geheimnisse haben. Ich werde paranoid, vermutlich merkt sie einfach, dass ich heute nicht so fröhlich und ausgelassen bin wie sonst immer. Und gesprächig bin ich schon gar nicht. Sesam, schließ dich heute bitte etwas schneller. «Danke, Ihnen auch, tschüss», ist dann aber auch alles, was ich zustande kriege, bevor die Schiebetür sich hinter mir schließt.

    Ich steige also mit meinen unglaublich gesunden Einkäufen die Stufen bis zu meiner Maisonette-Wohnung hoch und ausgerechnet jetzt gerade drückt sich mein mitteilungsbedürftiger Vermieter im Flur rum. Bleibt mir denn heute gar nichts erspart? Es ist zu spät, um zu flüchten, er hat mich bereits gesehen.

    «Hallo Herr Schnell, Sie, ich bin heut sehr in Eile, schon viel zu spät dran.» Schon die ersten Stufen hinter mir, höre ich gerade noch den vorwurfsvollen Einwand des älteren Mannes.

    «Ja ja, ihr jungen Leute, immer in Eile. Dann will ich mal nicht schuld sein, wenn Sie was auch immer verpassen», sprachs und macht seine Haustür eine Spur lauter zu als üblich. Herrje, jetzt ist er auch noch eingeschnappt. Als hätte ich sonst keine Sorgen gerade. Die Erleichterung, seinen Inquisitionsfragen für heute entkommen zu sein, überwiegt aber bei Weitem. Ich habe sowieso den Eindruck, dass er ab einer gewissen Uhrzeit am Fenster hängt und nur darauf wartet, bis ich nach Hause komme, um mich dann vollzuquatschen. Gut, er ist Rentner, aber ist das mein Problem? Meinen Gedanken nachhängend finde ich an der Wohnungstür zu allem Überfluss noch das Schild «Kehrwoche.» Wie ich das hasse. Ich verstehe ja, wieso man ab und an putzen muss und meist macht mir das auch Spaß, weil ich dabei laute Musik höre. Aber erstens mach ich nun wirklich keinen Schmutz, wenn ich die paar Stufen im Treppenhaus hochlaufe und zweitens doch nicht alle zwei Wochen. Genervt nehme ich das Schild ab und lege es auf meinen schwarzen Schuhschrank, der links neben der Türe an der Wand steht. Ok, bei genauerer Betrachtung ist er wirklich etwas staubig, räume ich resigniert ein und stecke den Schlüssel in das Schloss der Wohnungstür. Mechanisch streife ich mir die Schuhe von den Füßen, lege den Schlüssel achtlos auf den Glastisch unter meinem Garderobenspiegel und betrachte mein Gesicht im Spiegel. Kein Wunder hatte die Kassiererin vorhin Mitleid mit mir. Traurige Augen starren mir entgegen, ich sehe aus wie das personifizierte Elend. Die Tüte mit den Einkäufen stelle ich auf dem Küchentisch ab, dann knall ich mich erst mal der Länge nach auf die Couch. Wenn ich mich auf meiner kuscheligen schwarzen Ledercouch ausstrecke und meinen Kopf in das Sammelsurium bunter Kissen bette, die ich alle als meine Lieblingskissen betrachte, stellt sich normalerweise immer recht schnell ein Entspannungszustand bei mir ein. Doch ich warte vergeblich drauf, heute funktioniert das nicht. Ich fühle mich klein, mir ist irgendwie übel und bin total durcheinander. Ich würde jetzt gerne weinen. Ich habe mal gelesen, dass weinen in solchen emotional angespannten Situationen unheimlich befreiend sein soll, ähnlich wie ein Gewitter nach einem schwülen Tag. Aber es kommen keine Tränen. Stattdessen fängt mein Kopfkino an, die Gedanken in einer irren Geschwindigkeit in meinem Hirn durcheinanderzuwirbeln, dass mir fast schwindelig wird. Arbeit verloren – arbeitslos – kein Geld – Freiheit – ich kann endlich tun, was ich möchte – morgens nicht mehr auf den Wecker angewiesen sein, der mich sowieso immer im Stich lässt – in Ruhe einen Kaffee auf meinem Balkon genießen und dabei erst einmal überlegen, was ich so mit dem Tag anfangen kann. Das Karussell dreht sich immer schneller – sozialer Abstieg – Isoliertheit – Mitleid – Einsamkeit – Strand – Meer – ja ich will zuerst ans Meer – Strandspaziergänge – lange Nächte unter Palmen – Abschied – meine persönlichen Dinge packen – das Karussell wird zur Achterbahn. Und wenn das auch nichts gänzlich Neues für mich ist, geht es mir heute definitiv zu schnell. Ich presse die Fingerspitzen an meine Schläfen und versuche es mit bewussten Atemübungen. Nichts passiert, die erhoffte Linderung bleibt aus, der Druck lässt nicht nach. Hat sich denn heute alles gegen mich verschworen?

    Soll ich meine Mutter anrufen? Meine Schwester? Meine beste Freundin Lizzie? Sie würde wahrscheinlich

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1