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Warum, Frankenfish?: Teil 2: Nemesis
Warum, Frankenfish?: Teil 2: Nemesis
Warum, Frankenfish?: Teil 2: Nemesis
eBook257 Seiten3 Stunden

Warum, Frankenfish?: Teil 2: Nemesis

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Über dieses E-Book

Warum, Frankenfish? ist wieder da! Wäre dieser Roman ein Film, man hätte längst ein Buch daraus gemacht!
Größer als Ben Hur, futuristischer als Star Trek und witziger als Love Story hat dieser Roman alles, was einen preisverdächtigen Streifen ausmacht: eine halbwegs schöne Frau, keinen Sex und einen Helden, der eigentlich nur seine Ruhe und Hartz IV haben möchte.
Doch stattdessen muss er in seinen alten Job und in die kleine Videothek zurückkehren. Und damit fangen die Probleme an, denn Benny's World of Movies, eine riesige Videotheken-Kette, hat eine Filiale in unmittelbarer Nachbarschaft eröffnet. Und was mit gesundem Konkurrenzdenken und Sticheleien beginnt, gerät bald völlig außer Kontrolle, denn:
Es kann nur einen geben!
SpracheDeutsch
HerausgeberUBOOKS
Erscheinungsdatum23. Apr. 2013
ISBN9783939239970
Warum, Frankenfish?: Teil 2: Nemesis

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    Buchvorschau

    Warum, Frankenfish? - Christoph Straßer

    Warum, Frankenfish? 2

    NEMESIS

    Christoph Straßer

    Roman

    – Anti-Pop –

    1. Auflage Juli 2011

    Titelbild: Ulrike Beck

    www.ulrikebeck.com

    ©opyright 2011 by Christoph Straßer

    Lektorat: Franziska Köhler

    Satz: nimatypografik

    ISBN: 978-3-939239-97-0

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder

    eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher

    Genehmigung des Verlags gestattet.

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    www.ubooks.de

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    EPISODE II

    NEMESIS

    Ein Jahr später.

    Unser tapferer Held hatte sich der Horde von Kunden mutig entgegengeworfen, und das in einer nicht enden wollenden 14-Stunden-Schicht. Entgegen der eigenen Erwartung hatte er diesen grässlichen Tag überlebt und konnte – zumindest physisch – unbeschadet den Heimweg antreten.

    Und auch wenn alles in ihm schrie und ihn anflehte, es nicht zu tun, ging er am folgenden Tag wieder in die kleine Videothek am Rande der Stadt und jeglicher Vernunft, um dort seinen Dienst zu tun.

    Und das Schicksal schien es gut mit ihm zu meinen. Bereits kurze Zeit nach den furchtbaren Ereignissen erreichte unseren Helden die

    Nachricht vom Feuertod des verhassten Arbeitsplatzes. Verwunderung und Glücksgefühle

    durchströmten seinen ermatteten Körper und

    seine weinende Seele, und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich frei.

    Doch während noch die Endorphine in seinem Körper tanzten, zogen erneut dunkle Wolken am Horizont auf. Das Arbeitsamt, das nichts von seiner finsteren Macht eingebüßt hatte, wollte unter allen Umständen verhindern, dass unser Held, seines Philosophiemagisters zum Trotz, einen Beruf ergriff, der ihn glücklich machte und ausreichend Geld verdienen ließ.

    Und so tat das Amt, was es am besten konnte

    und wofür es von jeder denkenden Kreatur unserer Galaxis am meisten gefürchtet wurde: Es schrieb einen Brief. Einen Brief, der die Welt unseres Helden erneut ins Wanken brachte und ihn glauben ließ, dass es unmöglich schlimmer für ihn kommen könnte.

    Noch ahnte er nicht, wie falsch er mit dieser Einschätzung lag ...

    Prolog

    Zitternd halte ich den Brief in Händen, den ich zwar bereits zum dritten Mal gelesen habe, dessen Inhalt sich aber nicht bis in mein Bewusstsein wagt. Oder vielmehr: Der Inhalt erhält keinen Zutritt zu meinem Bewusstsein. Aber irgendwann, nach Minuten, kapituliert mein Innerstes schließlich und gestattet dem Schreiben uneingeschränkten Zugang zu meiner Wahrnehmung.

    Ich schüttle den Kopf.

    Nein, das kann unmöglich wahr sein, denke ich und lese den Brief vom Arbeitsamt erneut.

    Deswegen freuen wir uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr vorheriger Arbeitgeber großes Interesse daran hat, Ihr Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

    Dem folgt die übliche Belehrung über die Konsequenzen meiner eventuellen Weigerung, noch einmal in dieser gottverdammten Videothek zu arbeiten.

    Ich vergesse, den Briefkasten wieder zu schließen, und schlurfe mit hängenden Schultern die Stufen hinauf zu meiner Wohnung. Den Brief halte ich dabei in der Hand wie ein kleines Mädchen seinen Teddy.

    Im Wohnzimmer lasse ich mich auf die Couch sinken und seufze laut.

    Das kann doch nicht wahr sein, denke ich.

    Die Videothek war abgebrannt, vor noch nicht einmal einem Jahr. Die konnten dieses Monster doch unmöglich wieder aufgebaut haben! Unmöglich!

    Ich schlage die Hände vors Gesicht und die Erinnerung an den schönsten Tag meines bisherigen Lebens drängt in mein Bewusstsein.

    Ich hatte im Bett gelegen und verzweifelt an die Decke gestarrt, als das Telefon geklingelt hatte.

    Ich hatte abgenommen und die Zentrale war dran gewesen. Es hätte einen Kurzschluss gegeben, und die Filiale, in der Malte und ich gearbeitet hatten, wäre abgebrannt. Vollständig. Leider.

    Ich hatte die Nachricht stumm aufgenommen, da es mir unangebracht erschienen war, am Telefon freudig oder gar euphorisch zu klingen, was ich sprechenderweise auf keinen Fall hätte verhindern können.

    Das wenige Tage darauf folgende Schreiben meines Arbeitgebers, in dem stand, dass er mich nicht weiterbeschäftigen könne, hatte ich lächelnd und achselzuckend zur Kenntnis genommen und mich einfach wieder arbeitslos gemeldet.

    Doch jetzt war der Traum vorbei. Der Traum, vielleicht doch irgendwann in meinem studierten Beruf arbeiten zu können. Der Traum, nie wieder eine DVD in Händen halten zu müssen.

    Ich nehme die Hände vom Gesicht und kann quasi augenblicklich alles wieder riechen: den kalten Zigarettenrauch, die Chips, das Popcorn, den billigen Teppich, den heiß laufenden DVD-Player.

    Gott!

    Es muss Gott sein!

    Kein anderes Wesen in diesem kalten und schwarzen Universum hätte die Muße und die Möglichkeit, mich derart zu verhöhnen und zu bestrafen. Wofür auch immer.

    Oder der Teufel?

    Könnte es der Teufel sein?

    Möglicherweise habe ich früher, ich meine in einem anderen Leben, einen Pakt mit ihm geschlossen. Ein Pakt, aus dem ich mich mit okkulten Kräften oder schwarzer Magie zu winden versucht habe. Und der Teufel hat mich dennoch erwischt und schickt mich nun auf eine qualvolle und nicht enden wollende Odyssee, um mir seine Macht zu demonstrieren und mir vor Augen zu führen, dass ein Handel mit Mephisto gilt. Immer.

    Wie in Angel Heart.

    Möglich wäre es doch.

    Zumindest kann ich es momentan nicht ausschließen.

    Ich blicke durch ein Fenster nach draußen. Es regnet nicht. Warum auch. Ich bin nicht in New Orleans und treffe mich auch nicht mit Robert De Niro.

    Aber auch ohne verregnete Straßen in tristem Grau in Grau, steigt in mir Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit auf. Und die Erkenntnis, dass sich nichts ändern wird. Ich bin hier gefangen in einem Leben, dem ich mich bereits entronnen glaubte.

    Aber ich kann nicht entrinnen. Niemals. Das wird mir schlagartig bewusst, es wird mir zur Gewissheit.

    Ich bin ein Gefangener in dieser Welt. Ebenso gut kann ich versuchen, nicht mehr zu atmen oder zu essen. Und auch wenn es mir eine Zeit lang gelänge, wüsste ich doch immer, dass dieser Zustand des Triumphs eben ein zeitlich begrenzter ist. Zwangsläufig.

    Niemand überlistet den Teufel.

    Ich springe vom Sofa auf und presse mir die Fäuste auf die Schläfen.

    «NEEEEEEIIIIIIIIINNNNNN!!!!!», schreie ich und sinke auf die Knie.

    Ein Tag ohne Blut ist wie ein Tag ohne Sonnenschein.

    Ich schlucke und sehe mich noch einmal um; in der Straße hat sich nichts verändert, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin.

    Die kleine Videothek ist tatsächlich wieder vollständig aufgebaut worden, und bei der Gelegenheit hatte man die Schaufenster vergrößert und das Firmenlogo prangte nun in doppelter Größe über dem Eingang.

    Ich krame den Schlüssel aus der Hosentasche und schließe auf.

    Es ist jetzt kurz nach acht Uhr morgens. Vorhin habe ich in der Zentrale meinen Arbeitsvertrag unterschrieben und bin gebeten worden, doch zwei Stunden früher im Laden zu sein, da ich noch die CD mit den Kundendaten einspielen und die Fenster dekorieren müsse.

    Malte hatte kein Interesse gezeigt, wieder hier zu arbeiten, hatte man mir mitgeteilt. Offenbar hatte er sein Studium abgebrochen, da man ihm eine Vollzeitstelle in einer Behindertenwerkstatt angeboten hatte. Soweit ich weiß, wollte er nach seinem Sonderpädagogik-Studium sowieso in dieser Richtung tätig werden.

    Schlau von ihm, nicht wieder hier anzufangen, denke ich. Auch wenn sein aktueller Job sich von diesem hier höchstwahrscheinlich nicht gravierend unterscheidet, wird er vermutlich zumindest besser bezahlt.

    «Machen Sie jetzt auf?», quiekt eine Stimme hinter mir und lässt mich hochfahren.

    Ich drehe mich um und sehe einen kleinen Jungen, der zu mir aufschaut.

    «Nein», antworte ich. «Erst um zehn.»

    «Wann ist zehn?», fragt der Kleine und kratzt sich mit seinen schwarz geränderten Fingernägeln einen Pickel im Gesicht auf.

    Ich presse angewidert die Lippen aufeinander.

    «In ... in zwei Stunden», sage ich und schiebe die Tür auf.

    «Kann ich nicht jetzt schon mal gucken? Dann können Sie mir das festhalten und meine Mutter kommt mir das leihen. Dann ist das noch nicht weg.»

    «Wir haben heute den ersten Tag wieder auf. Es ist noch alles da, wenn du gleich kommst. Versprochen.»

    «Woher wissen Sie das?»

    «Ich weiß es», sage ich und will den Laden betreten.

    «Woher wissen Sie das?», hält mich der Junge auf.

    «Ich arbeite hier. Ich weiß alles.»

    «Wie viel ist fünf Milliarden mal siebzehneinhalb?»

    «Was?», frage ich und drehe mich noch einmal um.

    Der Bengel bricht in schallendes, helles Gelächter aus.

    «Sie wissen überhaupt nicht alles. Hahahahahahaha ...»

    Ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, quetsche ich mich mitsamt meinem Rucksack durch den schmalen Türspalt und drehe den Schlüssel von innen zweimal im Schloss herum.

    Hinter mir gackert noch immer der Rotzlöffel und presst seine fettige Nase gegen die Scheibe.

    Ich versuche, die diabolische Fratze zu ignorieren, schalte die Lichter an und fahre den Computer hoch.

    Nichts hatte sich hier verändert. Theke und Regale sind noch immer, oder besser, wieder an ihrem alten Platz. Telefon, Fax, Computer und all die anderen Gerätschaften sind gegen modernere Versionen ausgetauscht worden, die sich jedoch nicht groß von ihren Vorgängern unterscheiden.

    Auch hat man wieder einen billigen DVD-Player an einen Verstärker angeschlossen, um den Laden mit Musik beschallen zu können.

    Ich krame in den Schubladen und Fächern in der Nähe des Gerätes, kann aber nirgendwo eine CD entdecken.

    Großartig, denke ich. Wenn die Hirnis von der Zentrale nicht schon eine Scheibe eingelegt haben, darf ich den Tag in aller Stille verbringen.

    Ich schalte den Player ein und höre tatsächlich das piepsende Geräusch einer CD, die eingelesen wird. Ich öffne die Lade und das Gerät spuckt die Scheibe aus.

    Kracher-Hits der 80er Jahre!!!

    Wunderbar. Der Soundtrack meines ersten Arbeitstages würde also aus vor langer Zeit zu Recht vergessener Pop-Hits bestehen.

    Ich schlendere in den Pornokeller, der ebenfalls renoviert worden ist, aber dennoch so muffig riecht wie eh und je.

    In der Abstellkammer entdecke ich, dass sogar eine neue Trittleiter angeschafft wurde. Ich nehme sie heraus, klappe sie auf und greife mir eine Rolle Klebeband aus einer Schublade. Aus meinem Rucksack ziehe ich das kleine Kissen, das ich von zuhause mitgebracht habe. Nach einer etwa zehnminütigen Bastelei ist es befestigt.

    «Kinder, kommt schnell», seufze ich, «Papa ist wieder zuhause.»

    ***

    Mit einem schleifenden Geräusch springt die CD aus dem Laufwerk, und der Bildschirm zeigt die Meldung, dass alle Kundendaten vollständig übertragen wurden.

    Ich werfe einen Blick auf die billige Micky-Maus-Wanduhr: kurz vor neun.

    Draußen vor den Schaufenstern tummeln sich bereits Leute, die es nicht abwarten können, bis ich die Videothek aufschließe.

    Ich stelle fest, dass einige von ihnen gar nicht unsympathisch wirken, aber was nützt mir das. Sobald sie hier über die Schwelle treten, verwandeln sie sich in Kunden. Und dieser Gedanke lässt mich frösteln.

    Normale Menschen wollen freundlich behandelt werden. Kunden wollen hofiert werden.

    Normale Menschen diskutieren und schätzen die Meinung anderer Menschen. Kunden haben immer recht.

    Normale Menschen kümmern sich um ihre Mitmenschen. Kunden interessieren sich nur für sich selbst.

    Ich fühle mich wie der letzte Überlebende einer Kleinstadt, der sich in einer alten Hütte verschanzt hat, während sich draußen bereits eine Horde Zombies versammelt, die ihm «Gehirn, Gehirn» heulend nach dem Leben trachtet.

    Ich versuche, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, und schlendere die Regale entlang. Es ist schon einige Zeit her, dass ich eine Videothek betreten habe. Auch privat habe ich diese Geschäfte gemieden.

    Ich komme an einem Eckregal vorbei, das wie alle anderen Regale an der exakt selben Stelle steht, wo es sich früher auch befunden hat.

    Ich rüttle ein wenig daran und erinnere mich lächelnd, dass seinerzeit der Fußboden an dieser Stelle etwas uneben war, so dass einem ständig die Filmcover ...

    Etwas Schweres kracht mir hart auf den Schädel. Ich sehe Sterne und gehe stöhnend zu Boden.

    Nach kurzer Bewusstlosigkeit komme ich wieder zu mir und sehe, wie mich ein wuchtiges Kunstharz-Monster mit der Aufschrift Silent Hill – Willkommen in der Hölle zähnefletschend anstarrt.

    Noch immer zittrig hebe ich die Figur auf und stelle sie zurück auf das Regal, schiebe sie aber so weit nach hinten, dass sie nicht wieder herunterfallen kann.

    Ich wanke zurück hinter die Theke und setze mich auf die Trittleiter. Meine Hand ertastet eine riesige Beule unter meinem Haar.

    «Scheiße», maule ich und massiere meine Schläfen, die beinahe hörbar pochen.

    Der Boden ist also noch immer nicht gerade, so viel weiß ich jetzt zumindest.

    Ich greife mir meinen Schlüsselbund und gehe zur Tür.

    Bis ich öffnen muss, habe ich noch Zeit, so dass ich mir etwas zu essen holen kann. Außerdem wird mir ein kleiner Spaziergang sicher gut tun.

    Ich habe die Tür noch nicht ganz geöffnet, als mir schon die ersten Kunden entgegenströmen.

    «Machen Sie jetzt auf?»

    «Kann ich schon rein?»

    «Nehmen Sie auch die Filme aus anderen Filialen zurück?»

    «Hast du das neue GTA da?»

    «Wie viel Kaution nehmt ihr für ’ne Wii?»

    Von allen Seiten prasseln Fragen auf mich ein, die meine Kopfschmerzen nur verschlimmern.

    Ich nicke beschwichtigend und ziehe die Tür hinter mir zu.

    «Bitte», sage ich. «Ich komme gleich wieder. Wahrscheinlich. Und dann mache ich um zehn auf.»

    «Auf meiner Uhr ist schon gleich halb zehn.»

    «Auf meiner auch.»

    «Sonst macht ihr doch immer um neun auf. Ich muss zur Arbeit, wie stellt ihr euch das vor?»

    «Ich bin gleich wieder da. Ich schwöre», sage ich und gehe zwei Schritte zum Nachbargebäude.

    Als die Haustür sich hinter mir schließt, höre ich, wie Ruhe in die Meute einkehrt. Anscheinend hat man sich damit abgefunden, dass es noch nicht zehn Uhr ist.

    Im Hausflur sehe ich schon die Toilette am Ende des Ganges. Das kleine Bad, bestehend aus Toilette und Waschbecken, ist noch immer neben den Stufen zu finden.

    Wieso auch nicht, denke ich. Das Feuer hat nur die Videothek zerstört, nicht das Nachbarhaus. Also gab es auch keinen Grund, dort etwas zu verändern oder gar zu modernisieren. Ich schließe die Toilettentür ab, damit sich keine ungebetenen Nachbarn einfinden, bevor ich das Gebäude wieder verlasse.

    Ich atme durch und überquere die Straße. Auf der anderen Seite gibt es noch immer den Backshop.

    Ich trete ein, und die Verkäuferin sitzt wie eh und je schief und gelangweilt auf einem Hocker und starrt auf den Boden. Die einzige Veränderung, die ich an ihr feststellen kann, ist ein schmales Piercing durch die Unterlippe. Aus dem kleinen Küchenradio, das auf einer Arbeitsplatte steht, quäkt irgendein Mist von Bon Jovi.

    Es dauert einige Sekunden, bis die junge Frau mich wahrnimmt. Dann grüßt sie mit einem leisen «Morgen», ohne mich jedoch dabei anzusehen.

    In den letzten Monaten ist es mit ihr anscheinend weiter bergab gegangen.

    Sie wird niemals hier rauskommen und das scheint sie zu wissen.

    Ich lade mir zwei Muffins auf ein Plastiktablett und gehe damit an die Kasse.

    «Zweivierzig», flüstert sie, ohne auf mein Tablett zu sehen.

    Schlimm, denke ich.

    Wenn es so weit ist, dass man die unterschiedlichsten Backwaren bereits an ihrer Aura erkennt, sollte man wirklich ernsthaft über einen Jobwechsel nachdenken.

    Ich zahle, stopfe die Muffins in eine Tüte und verlasse diesen trostlosen Ort.

    Als ich auf den Bürgersteig trete, drehen sich mir von der gegenüberliegenden Straßenseite aus synchron etwa fünfzehn Gesichter zu.

    «Um zehn!», rufe ich.

    «Auf meiner Uhr ist schon gleich Viertel vor zehn!», ruft irgendwer zurück.

    Ich gehe in die andere Richtung und verschwinde hinter einer Hausecke.

    Ziellos spaziere ich durch die Straßen, bis ich einen kleinen Park erreiche.

    Ich hocke mich auf eine Bank und knabbere lustlos an einem der beiden Muffins herum.

    Meine Kopfschmerzen lassen langsam nach, was mich beruhigt. Eine Gehirnerschütterung kann ich also ausschließen.

    Ich sehe kurz auf meine Uhr, die mir zeigt, dass es jetzt bereits kurz vor zehn Uhr ist.

    Um meine Füße versammeln sich langsam Tauben in der Hoffnung, etwas von meinem Gebäck abzubekommen.

    Ich werfe ihnen einige Bröckchen zu, und die Vögel picken gierig alles auf.

    Die haben’s gut, denke ich. Sitzen einfach nur rum und warten, dass man ihnen was zu futtern gibt.

    Ich nehme den zweiten Muffin aus der Tüte. Er ist mit Schokolade überzogen, was mich wieder ein wenig freundlicher stimmt. Vielleicht haben die ganzen Frauenzeitschriften ja recht und Schokolade ist gut für die Laune.

    Und, na ja, warum sehe ich eigentlich so schwarz? Ich habe wieder einen Job, werde also wieder mehr Geld verdienen. Zudem werde ich ja in sieben

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