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Fairview - Feuerteufel
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eBook267 Seiten3 Stunden

Fairview - Feuerteufel

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Über dieses E-Book

Seit etwas mehr als drei Monaten lebt William Justice nun als Chief of Police in Fairview, Georgia, nachdem er das NYPD verlassen hatte, um den Tod seiner geliebten Frau besser verarbeiten zu können. Inzwischen hat er sich gut eingearbeitet und muss erkennen, dass auch in den Südstaaten nicht alles eitel Sonnenschein ist. Zwei Serientäter halten nicht bloß das Sheriff Department des Countys auf Trab, sondern auch William selbst befasst sich mit den Taten, die sich bis nach Fairview erstrecken – zudem muss er einen erneuten Schicksalsschlag verkraften. Sein Team unterstützt ihn derweil bei der Aufarbeitung liegen gebliebener Fälle seines Vorgängers, wobei sich überraschend weitere Abgründe auftun …

Auch der dritte Teil des FAIRVIEW-Vierteilers ist ein Kriminalroman des klassischen Sub-Genres ›Roman Noir‹ beziehungsweise der ›Hard Boiled Detective Stories‹, die sich mit all ihren Facetten deutlich vom herkömmlichen Krimi abheben, da sie mehr die Charaktere an sich denn die Taten oder Ermittlungen in den Vordergrund rücken.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Dez. 2017
ISBN9783742759948
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    Buchvorschau

    Fairview - Feuerteufel - Lars Hermanns

    Samstag, 30. Mai 2015

    GA-140, Canton, Georgia

    Die Sonne strahlte am Himmel, die Temperaturen des noch sehr frühen Vormittags lagen bereits bei knapp 20°C, die Vögel zwitscherten, und überall im Wald konnte man das Summen der Bienen und das Zirpen der Grillen hören. Nicht mehr lange, und die zumeist hohe Luftfeuchtigkeit der Region würde in die bekannte Schwüle des Südens umschlagen. Diese bedingte, dass das Leben in Georgia oftmals etwas gemächlicher ablief als beispielsweise in New York. Ein Umstand, der dem neuen Chief des Fairview Police Departments durchaus recht war. Doch nicht immer waren die warmen Tage des nahenden Sommers von Gemütlichkeit geprägt. So sollte sich auch dieser Samstagmorgen alles andere als ruhig und angenehm erweisen.

    Was für ein Scheißtag!

    William saß an seinen roten Dodge RAM gelehnt, trank – für ihn gänzlich ungewohnt – einen schwarzen Kaffee und verstand die Welt nicht mehr. O.C. Thomas, sein Freund und Sheriff vom Cherokee County, saß seinerseits in seinem Ford Crown Victoria Sheriff Dienstwagen und unterhielt per Funk Kontakt zu seiner Einsatzzentrale.

    Kurz nach sechs Uhr hatte er William über Handy darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Jogger die nackte Leiche einer Frau gefunden hatte. Da sie vereinbart hatten, bei der Verbrechensaufklärung innerhalb des County zusammenzuarbeiten, um State Police und FBI nach Möglichkeit außen vor zu halten, hatte sich William selbstverständlich bereit erklärt, umgehend zum Leichenfundort zu fahren.

    Als die beiden Männer am Fundort eingetroffen waren, hatten sie feststellen müssen, dass es sich bei der Toten um Cynthia Myers handelte. Der Coroner hatte die Leiche am Fundort bereits grob untersucht und dabei zahlreiche Hämatome, Schnitt- und Stichverletzungen entdeckt, die teilweise bereits einige Tage alt waren. Seine Kollegen vom Kriminallabor hatten derweil erkannt, dass die Leiche hier bloß abgeladen worden war, da sich keinerlei Kampfspuren entdecken ließen. Der Fundort im Wald lag nur wenige Meter von der State Route 140 entfernt, und die gefundenen Reifenspuren ließen vorerst auch noch keine weiteren Schlüsse zu. Zwar wurden gerade Gipsabdrücke von den Spuren genommen, doch hatten die Labortechniker bereits mitgeteilt, dass man sie vermutlich nicht eindeutig würde zuordnen können. Laut Coroner ließ die Lebertemperatur darauf schließen, dass der Tod voraussichtlich zwischen drei und vier Uhr morgens eingetreten sein musste. Auch das Stadium der Totenflecken deutete seinen Ausführungen nach auf einen Tod vor weniger als sechs Stunden hin, während das aktuelle Einsetzen der Totenstarre auf einen Todeszeitpunkt vor mindestens drei bis vier Stunden hindeutete.

    Nun war es bereits sieben Uhr durch, und William verstand die Welt nicht mehr. Wer konnte ein Interesse daran gehabt haben, Cynthia Myers zu töten? Natürlich kamen ihm sofort die beiden Männer in dem schwarzen BMW und später in dem gleichfalls schwarzen Chrysler 300 in den Sinn, doch verwarf er diesen Gedanken auch direkt wieder. Denn wenn sie Cynthia hätten töten wollen, hätten sie dies schon sehr viel früher tun können. War es vielleicht doch bloß ein dummer Zufall gewesen?

    Während er weiter an seinem inzwischen kalt gewordenen Kaffee nippte, kam O.C. Thomas auf ihn zu. »Ich habe der Zentrale mitgeteilt, um wen es sich bei der Toten handelt. William, es tut mir so leid.«

    »Danke, O.C.« William sah noch immer ungläubig zu Cynthia und den Kriminaltechnikern hinüber.

    »Kann ich irgendwas für dich tun?«

    »Finde denjenigen, der das getan hat.«

    O.C. blickte zunächst William und anschließend den toten Körper Cynthias an, ehe er weitersprach: »Du und ich, wir wissen, dass du die Untersuchung nicht leiten darfst, da du unmittelbar betroffen bist. Cynthia war deine Freundin. Doch ich hätte gern, dass du mich und mein Department unterstützt.«

    »Danke, O.C. – das werde ich. Versprochen.«

    »Denkst du, dass es etwas mit den Typen zu tun haben könnte, die Cynthia und dich immer wieder beobachtet haben?«

    »Hmm, ich denke es eigentlich nicht. Wäre es den Männern in den Fahrzeugen nur darum gegangen, hätten sie Cynthia doch schon sehr viel früher töten können. Nein. Ich denke, da ist etwas ganz anderes am Laufen.«

    »Kann ich irgendwas für dich tun, mein Freund?«, fragte O.C. nun erneut.

    »Ja. Melde dich bitte, sobald der Coroner mehr weiß. Ich möchte mit dabei sein, wenn er dich über seine Erkenntnis informiert.«

    »Das werde ich. Was wirst du nun tun?«

    »Nach Hause fahren, denke ich. Du weißt, dass ich um neun Uhr Schießtraining mit meinen Leuten habe.«

    »Wenn du möchtest, kann ich meine Deputies darum bitten, bei deinen Kollegen vorbeizufahren und ihnen mitzuteilen, dass das Training heute ausfällt.«

    »Danke, doch das werde ich lieber selbst tun.«

    »Falls du jemanden zum Reden brauchst: Ich bin jederzeit für dich da.« Mit diesen Worten legte O.C. seine rechte Hand tröstend auf Williams rechte Schulter, ehe er sich wieder zum Coroner aufmachte, der Cynthias toten Körper gerade in seinen Transporter tragen ließ.

    Whiteleaf Drive, Fairview, Georgia

    Brenda Lee Fox wusste nicht, was sie sagen sollte. Gerade eben hatte sie einen Anruf von ihrem Chief erhalten, dass das Schießtraining heute ausfallen werde. Sie konnte spüren, dass etwas nicht stimmte. Der Chief war die ganze Woche über schon etwas seltsam gewesen. Und eben am Telefon klang er überhaupt nicht gut. Sie machte sich ernsthafte Sorgen um ihn; irgendetwas war los mit ihm, und sie spürte es bis in ihre Haarspitzen, dass etwas nicht stimmte.

    James, ihr Ehemann, war gerade noch im Bad und würde gleich zu seiner Tankstelle an der Interstate aufbrechen, um dort wieder die Stellung zu halten. Was sollte sie also daran hindern, sich ganz normal fertig zu machen und anschließend nachzusehen, was mit ihrem Chief los war?

    Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

    William legte sein Festnetztelefon wieder auf die Ladestation und setzt sich in einen der beiden Sessel vor dem Kamin. Er hatte soeben seine Mitarbeiter nacheinander darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Training heute ausfiele. Was für ein Scheißtag!

    Natürlich hatte er sich Sorgen gemacht, als Cynthia vor einer Woche nicht aufzufinden war; schließlich hatten sie sich beide immer auf den Freitagabend und das anschließende Wochenende gefreut. Cynthia allgemein sogar noch mehr als er, da sie ihm deutlich mehr Gefühle entgegenbrachte als er im Gegenzug selbst bereit war. Er wusste, dass sie ihn liebte. Und auch er hegte langsam mehr und mehr Gefühle für sie; doch waren sie niemals so intensiv, wie Cynthia es eigentlich verdient hätte. Gordon Malone, Williams Freund und Mentor aus Manhattan, hatte ihm immer wieder zu verstehen gegeben, dass dies völlig okay sei, solange er stets offen und ehrlich mit Cynthia umginge. Und das hatte William auch getan. Cynthia hatte gewusst, dass William seine verstorbene Frau über alles liebte. Angela Justice war zwei Tage vor Weihnachten auf offener Straße erschossen worden, und der Täter konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Und nun hatte jemand Cynthia ermordet …

    William stand kurz auf und nahm sich das gerahmte Bild vom Kaminsims. Es zeigte seine Frau Angela mit ihrem strahlenden Lächeln, das er immer so sehr an ihr geliebt hatte. Und wieder spürte er den Schmerz in seiner linken Brust, wenn er daran dachte, dass sie erschossen worden war, weil sie zwei Tage vor Weihnachten noch Geschenke für ihn kaufen wollte. Einen Kaschmirpullover und eine Peterson 302 Pfeife mit Silberolive. Diese Pfeife rauchte er seither nur bei sich zu Hause vor dem Kamin, wo er in aller Ruhe an seine Frau denken konnte. Ein Umstand, den Cynthia akzeptiert und toleriert hatte. Etwas, das alles andere als selbstverständlich war. Er küsste das Foto und stellte es zurück auf den Sims, danach ging er nach oben und stellte sich unter eine heiße Dusche.

    1 Police Plaza, Manhattan, New York

    Es verging kaum ein Samstag, an dem Commissioner Gordon Malone nicht im Hauptquartier des NYPD an seinem Schreibtisch saß und arbeitete. Noch immer war er auf der Suche nach dem Maulwurf, der seiner Meinung nach das New York Police Department unterwanderte und geheime Informationen verkaufte. Zusammen mit der Abteilung Internal Affairs, die als Abteilung für innere Angelegenheiten sozusagen die Polizei der Polizei darstellte, und deren direkter Vorgesetzter er nun einmal war, hatte er mehrere Köder ausgelegt, um den Maulwurf zu enttarnen. Doch leider war dies bislang nur bedingt von Erfolg gekrönt gewesen. Immerhin galt es nun als ziemlich sicher, dass der Maulwurf innerhalb des Drogendezernats zu suchen war – Williams ehemalige Abteilung. Internal Affairs hatte deswegen insgeheim die einzelnen Mitarbeiter überprüft und dabei auch deren finanziellen Hintergründe durchleuchtet. Bisher allerdings noch ohne Erfolg.

    Vielleicht, überlegte er, sollte man daher wirklich in Betracht ziehen, William zumindest für eine gewisse Zeit nach New York zurückzuholen, damit er seine frühere Abteilung durchleuchten könne. Holly Kissinger, Gordons Deputy Commissioner und rechte Hand sowie Pressesprecherin, hatte diese Idee bereits vor einiger Zeit an ihn herangetragen. Und Jennifer O'Malley, seine Assistentin und persönlicher Bodyguard, hatte dem zugestimmt.

    Zu viel war in letzter Zeit geschehen. Nicht bloß die Ermordung von Williams Frau Angela, sondern all die Morde seit Ende 2014, die mit diesem in Verbindung zu stehen schienen. Und niemand kannte die Abteilung besser als William Justice, der sie immerhin als Lieutenant geleitet hatte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, was man tun könnte. Dieses Vorhaben dem Bürgermeister von New York schmackhaft zu machen, dürfte kein allzu großes Problem darstellen. William genoss den Ruf des Wild Bill, des knallharten Ermittlers mit immens hoher Erfolgsquote.

    Die Frage war eigentlich nur, ob man dem Amtshilfeersuchen in Fairview nachkommen würde. Schließlich hatte William dort eine große Verantwortung übernommen und steckte selbst noch bis zum Hals in Arbeit. Immerhin bestand sein Auftrag darin, das angekratzte Image des Fairview Police Departments wieder aufzupolieren, nachdem man seinen Vorgänger, Chief George W. Rooney, der Bestechung und Unterschlagung überführt hatte. Doch vielleicht, dachte Gordon, könnte man dies im Sommer in Betracht ziehen und vorsichtig nachfragen. Sie würden sich dann lediglich über die Dauer des Sondereinsatzes klar werden müssen.

    Daher setzte er sich hinter seinen PC und fing an, sich entsprechende Notizen für später zu machen.

    Sweetwater Creek Drive, Fairview, Georgia

    William hatte sich gerade im Bad fertig gemacht und wieder angezogen, als er ein Auto vorfahren und kurz danach die Türklingel hörte. Er steckte sich daher schnell das Holster mit seiner Pistole, einer Walther P99, an den Gürtel und stieg die Treppe hinab. Als er die Tür schließlich öffnete, staunte er nicht schlecht.

    »Guten Morgen, Chief«, begrüßte ihn Brenda Lee freudig. »Ich hoffe, ich störe nicht.« Williams Kollegin war mit 1,65 m deutlich kleiner als er und von athletischer Gestalt, was sie deutlich leichtgewichtiger und trainierter als die meisten Frauen in den USA machte. Ihre rotbraunen Naturlocken hatte sie in einem Pferdeschwanz gebändigt und trug an diesem Morgen eine hellblaue Jeans und darüber ein rotes Sweatshirt der Georgia University sowie weiße Turnschuhe.

    William, wie so oft in blauer Jeans und mit weißem Hemd bekleidet, war noch etwas perplex, erwiderte dennoch verhalten ihr Lächeln. »Brenda Lee? Guten Morgen. Kommen Sie doch bitte rein.«

    Gemeinsam gingen sie in Richtung Küche.

    »Möchten Sie etwas trinken? Vielleicht einen Tee?«

    »Danke, Chief. Aber bitte nur, wenn es Ihnen keine Umstände macht.«

    William stellte den Wasserkocher an und bereitete für Brenda Lee eine Tasse mit Schwarztee vor.

    »Schön haben Sie es hier«, bemerkte sie, während sie ihren Blick durch den großzügigen Küchen- und Wohnbereich schweifen ließ. »Ich war schon lange nicht mehr am Sweetwater Creek und wusste gar nicht, dass es hier so schöne Häuser gibt.«

    »Danke. Es freut mich, dass es ihnen gefällt. Ihr Tee ist gleich so weit. Es tut mir leid, dass ich Ihnen keinen Kaffee anbieten kann.«

    Nachdem er den Tee für sie beide aufgebrüht hatte, bat er Brenda Lee zu den beiden Sesseln vor dem Kamin, wo sie sich gemütlich hinsetzten.

    »Chief, was ist los?«, fragte sie ihn unverblümt.

    »Was meinen Sie?« William konnte spüren, dass Brenda Lee etwas zu ahnen schien.

    »Nun, Sie waren schon die ganze Woche über so anders als sonst. Irgendwie hatte ich ab und zu das Gefühl, als wären Sie mit Ihren Gedanken ganz weit weg gewesen.«

    William erstaunte Brenda Lees empathische Fähigkeit nicht wirklich, daher entschloss er sich, es ihr zu sagen: »War das so deutlich zu sehen?«

    »Ich habe es zumindest gespürt. Ja.«

    Nach einer kurzen Pause antwortete er schließlich: »Cynthia ist tot.«

    Brenda Lee erschrak sichtlich. Damit hatte sie nicht gerechnet. »Oh … my … Lord! Was ist passiert?«

    So erzählte ihr William, dass Cynthia am Freitag vor acht Tagen nicht zu ihm gekommen war, obwohl sie sich beide auf ihr gemeinsames Wochenende gefreut hatten. Dass er sie überall gesucht habe, ihren Truck jedoch nirgends hatte finden können. Auch über ihr Handy und das Festnetz war sie nicht zu erreichen gewesen. Daher habe er sich Sorgen um sie gemacht. Schließlich erzählte er Brenda Lee vom heutigen Vormittag und der schrecklichen Entdeckung, die er und O.C. Thomas hatten machen müssen.

    »Chief, es tut mir so unendlich leid. Sie schienen so glücklich mit Cynthia zu sein. Und nun das. Kann ich irgendetwas für Sie tun?«

    William blickte sie traurig an: »Bitte behalten Sie es zunächst für sich. Ich möchte nicht, dass es die anderen vor unserem Briefing am Montag erfahren. Ich möchte es ihnen selbst sagen.«

    »Ich verstehe.«

    »Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«

    »Chief, ich bitte Sie. Das war doch selbstverständlich.«

    Er blickte sie nur weiter traurig an.

    »Lassen Sie mich bitte wissen, wenn ich irgendetwas für Sie tun kann. Ich möchte Sie nur sehr ungern mit Ihrer Trauer allein lassen.«

    »Danke«, entgegnete William mit ruhiger, kontrollierter Stimme, »es geht schon.«

    »Wann werden Sie zum Coroner nach Canton fahren?«

    »Der Sheriff wollte mich vorher anrufen, damit ich mit ihm zusammen hin kann. Möchten Sie mich begleiten?«

    Brenda Lee war erstaunt über dieses Angebot, mit dem Sie nicht gerechnet hatte. »Sehr gern.«

    Cherokee County Sheriff Department, Canton, Georgia

    Es war bereits vierzehn Uhr durch, als William und Brenda Lee gemeinsam das Sheriff Department in der Bezirksstadt Canton betraten. Sheriff Thomas hatte William unmittelbar nach dem Anruf des Coroners auf dem Handy informiert, dass sie nun gemeinsam ins gerichtsmedizinische Institut kommen könnten, um Näheres zu erfahren. Hatte O.C. Thomas William bisher stets an Bud Spencer aus den 1970er Jahren erinnert – sowohl optisch als auch vom Humor her –, sah man ihm heute an, wie ernst die Sache war. Auch würde sich so manch einer wundern, der ihn vielleicht für einen einfältigen oder gar hinterwäldlerischen Kauz gehalten haben mochte. Hinter der freundlichen Fassade und seinem herzhaften Lachen war Sheriff O.C. Thomas nichtsdestotrotz ein verdammt guter Polizist, der nicht umsonst wiedergewählt worden war.

    Nachdem sie sich kurz im Büro des Sheriffs getroffen hatten, betraten sie nun gemeinsam das rechtsmedizinische Institut im Untergeschoss des County Gebäudes. Hier waren die Wände weiß gekachelt, und es war deutlich kühler als in den Räumlichkeiten darüber. Brenda Lee und William waren beide noch nie hier unten gewesen. Während der damaligen Besichtigung des Cherokee County Sheriff Departments hatte O.C. Thomas sie lediglich in die Bereiche geführt, die unmittelbar mit der Zusammenarbeit mit dem Fairview Police Department zusammenhingen. Damals war von einer Kooperation bei Kapitalverbrechen noch nicht die Rede gewesen.

    Der Sheriff führte sie durch eine stählerne Tür in den dahinter liegenden Raum, der William auf erschreckende Art und Weise an den 23. Dezember 2014 erinnerte. Damals waren er und Gordon in der Pathologie eines Krankenhauses in Manhattan gewesen, um Angelas Leiche zu identifizieren.

    Entgegen der Flure, war dieser große Raum der Pathologie nicht weiß gekachelt. Vielmehr hatte man sich hier für einen hellen Blauton entschieden, der den Raum noch kälter wirken ließ als er ohnehin schon war. Zwei Mediziner – ein Mann und eine Frau – waren gerade damit beschäftigt, alles sauber zu machen und aufzuräumen, als sie ihre Gäste bemerkten.

    »O.C., danke, dass Sie vorbeikommen konnten«, begrüßte die Ärztin ihre Besucher.

    »Hallo Viola«, erwiderte O.C. den Gruß und wies auf seine beiden Begleiter. »Darf ich vorstellen? Chief William Justice und Officer Brenda Lee Fox vom Fairview Police Department. Dr. Viola Alexander, die leitende Rechtsmedizinerin des Cherokee County.«

    William reichte ihr zum Gruß die Hand und spürte, dass sie bereits zu wissen schien, wer er war. Dr. Viola Alexander schien knapp älter als er selbst sein, war mit 1,70 m ein Stückchen kleiner als er und mit nicht ganz siebzig Kilogramm auch nicht wirklich übergewichtig. Erstaunlich in Williams Augen war eigentlich nur, dass man sie hier im Süden der USA auf einem solch hohen Posten tätig sein ließ. Doch die augenscheinlich sehr selbstbewusste Afroamerikanerin hatte die zuständigen Stellen des County offensichtlich durch ihr Können und ihr Auftreten überzeugt.

    Während sie noch Brenda Lee begrüßte, schloss sich ihnen der zweite Mitarbeiter der Pathologie an, den William vorhin bereits am Leichenfundort angetroffen hatte. Dieser war deutlich jünger als William – er schätzte ihn auf höchstens dreißig Jahre –, nahezu gleich groß und vermutlich auch genauso schwer. Seine braunen Haare sahen ein wenig wirr aus, was vermutlich von der Kopfbedeckung herrühren könnte, die er mit großer Wahrscheinlichkeit während der Untersuchung getragen haben dürfte. Die Anteilnahme in seinen Augen ließ William erkennen, dass die beiden Ärzte ganz genau wussten, wer er war, und wie er zu

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