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Pyjamamord: Halls und Bruckners dritter Fall
Pyjamamord: Halls und Bruckners dritter Fall
Pyjamamord: Halls und Bruckners dritter Fall
eBook256 Seiten3 Stunden

Pyjamamord: Halls und Bruckners dritter Fall

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Über dieses E-Book

Es sind drei Schaufensterpuppen, die auf Autobahnparkplätzen in der Nähe Hamburgs gefunden wurden. Alle sind mit einem Pyjama bekleidet. Blut, menschliche Haut, Verwesung! Es riecht nach Tod! Riecht es auch nach Mord? Puppenmord! Alles schon dagewesen? Kriminaloberkommissar Kurt Bruckner denkt aber, dass es sich nicht um einen Scherz handelt. Er legt die Fakten dem ehemaligen US-Profiler Tillman Halls vor. Bruckner und Halls dritter Fall! Ein Täter, der sich nicht zeigt, eine Spurensuche, die weit in die Vergangenheit reicht.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Mai 2014
ISBN9783847638162
Pyjamamord: Halls und Bruckners dritter Fall
Autor

Ole R. Börgdahl

Ole Roelof Börgdahl wurde am 23.05.1971 in Skellefteå, Schweden, geboren. Er wuchs in Skellefteå, Malmö und Lübeck auf. Das Lesen ist für Ole R. Börgdahl ein wichtiges Element des Schreibens. “Ich habe keine Lieblingsbücher, ich kann aber Bücher nennen, die mich beeindruckt haben. Hierzu gehört der Zyklus Rougon-Macquart von Émile Zola und Suite Francaise von Irène Némirovsky. Bei Zola gefällt mir die reiche Sprache, bei Suite Francaise hat mich das Schicksal von Irène Némirovsky bewegt.”

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    Buchvorschau

    Pyjamamord - Ole R. Börgdahl

    Das Buch

    Pyjamamord - Halls und Bruckners dritter Fall

    Es sind drei Schaufensterpuppen, die auf Autobahnparkplätzen in der Nähe Hamburgs gefunden wurden.

    Alle sind mit einem Pyjama bekleidet. Blut, menschliche Haut, Verwesung! Es riecht nach Tod! Riecht es auch nach Mord? Puppenmord! Alles schon dagewesen?

    Kriminaloberkommissar Kurt Bruckner denkt aber, dass es sich nicht um einen Scherz handelt. Er legt die Fakten dem ehemaligen US-Profiler Tillman Halls vor. Bruckner und Halls dritter Fall! Ein Täter, der sich nicht zeigt, eine Spurensuche, die weit in die Vergangenheit reicht.

    Die Tillman-Halls-Reihe:

    Alles in Blut - Halls erster Fall (2011) - 978-3-8476-3400-3

    Morgentod - Halls zweiter Fall (2012) - 978-3-8476-3727-1

    Pyjamamord - Halls dritter Fall (2013) - 978-3-8476-3816-2

    Die Schlangentrommel - Halls vierter Fall (2014) - 978-3-8476-1371-8

    Leiche an Bord – Halls fünfter Fall (2015) – 978-3-7380-4434-8

    Weitere Romane von Ole R. Börgdahl:

    Fälschung (2007) - 978-3-8476-2037-2

    Ströme meines Ozeans (2008) - 978-3-8476-2105-8

    Zwischen meinen Inseln (2010) - 978-3-8476-2104-1

    Faro (2011) - 978-3-8476-2103-4

    Tod & Schatten (2016) - 978-3-7380-9059-8

    Die Marek-Quint-Trilogie:

    Tod und Schatten - Erster Fall (2016) - 978-3-7380-9059-8

    Blut und Scherben - Zweiter Fall (2017) - 978-3-7427-3866-0

    Kowalskis Mörder - Dritter Fall (2018) - 978-3-7427-3865-3

    Mittwoch, 13. März 2013

    Auf meinem Dachboden stehen noch drei Umzugskartons, die vor vier Jahren ungesehen gleich dort oben abgestellt wurden. Es sind die beruflichen Überbleibsel meiner Zeit in Quantico. Ich bin im Schnitt alle drei Monate einmal auf unserem Dachboden. Am Wochenende war es wieder so weit. Ich hatte den Sonntagvormittag gebraucht, um die Kinderzimmermöbel meines Ältesten auseinanderzubauen. Wir hatten ihn erst zwei Tage zuvor mit zeitgemäßerem Mobiliar ausgestattet. Das Bett war zu klein, der Schreibtisch zu niedrig geworden, und so hatten wir auch gleich Schränke und Regale ausgetauscht. Mit den neuen Möbeln hatte ich keine Arbeit. Alles wurde angeliefert und von den Männern der Spedition zusammengebaut und aufgestellt. Gegen ein entsprechendes Trinkgeld hatten mir die Leute sogar geholfen, die alten Sachen in die Garage zu tragen. Wir standen dann vor der Frage Sperrmüll oder Dachboden. Eva hat sich für den Dachboden entschieden. Ich habe nicht gefragt warum. Ich kann mir nur denken, dass sie an unsere Enkelkinder gedacht hat. Ich muss allerdings auch sagen, dass die Möbel für den Sperrmüll in der Tat noch zu gut waren. Was nicht schon zerlegt war, musste ich folglich auf Dachbodenformat bringen und in Einzelteilen über zwei Treppen hinaufschleppen. Ich musste oben auf dem Dachboden Platz schaffen, optimieren, umräumen. Und dann habe ich sie gefunden, die drei Umzugskartons. Ich habe sie gleich wiedererkannt. Das blaue Walmart-Logo war vorne und hinten auf die Kartons gedruckt. Ich hatte alle unsere Umzugskartons bei dem Walmart am Southpoint Parkway in Fredericksburg gekauft. Wir hatten nachher viele verschenkt und die Restlichen lagen gefaltet und gestapelt im Lagerraum unseres Immobilienbüros, alle bis auf diese drei.

    Ich hatte zunächst nur ein Auge auf die Kartons geworfen. Nach meinem vierten Gang brauchte ich eine Pause. Ich hockte mich auf einen der Teppichreste, mit denen wir den Dachboden ausgelegt hatten. Ich rutschte ein Stück näher heran, sodass ich den ersten Umzugskarton mit ausgestreckten Armen erreichen konnte. Ich trommelte mit den Händen auf die Pappe. Ich robbte schließlich noch ein Stück vor und klappte den Deckel auf. Ganz oben lagen lose Blätter, die schon etwas durcheinandergerutscht waren. Die große Büroklammer aus Kunststoff, die die Papiere zusammengehalten hatte, war offensichtlich gebrochen. Einige Fragmente rutschten mit einem Klacken in die Tiefen des Kartons. Ich raffte die Blätter zusammen und besah mir den Inhalt. Es war eine Zusammenstellung von Büchern, Zeitschriften und Inventar aus meinem Büro in der Schule. Ich hatte einiges an Literatur in Dauerausleihe und musste das meiste bei meinem Austritt natürlich wieder zurückgeben. Ich hatte alles abgehakt. Dort wo der Haken fehlte, erinnerte ich mich, die Sachen nicht mehr gefunden zu haben. Es war nicht sehr viel. Das Exemplar einer forensischen Zeitschrift, die Ausgabe vom November 2008. Ein dreibändiges Lexikon, von dem mir sofort wieder einfiel, dass ich es einem Kollegen geliehen hatte. Ich faltete die Blätter und legte sie neben mich auf den Teppich. Ich kramte weiter in dem Karton und förderte einige Bücher hervor. Ich blätterte kurz in James Brussels Casebook of a Crime Psychiatrist. Es war eines der älteren Werke des Profilings, fast schon ein Klassiker und stammte aus den sechziger Jahren. Ich erinnerte mich, dass die Schule einen Bestand von fünfzig, sechzig Exemplaren hatte, die aber fast alle immer ausgeliehen waren. Ich hatte meines ebenfalls aus diesem Bestand, da das Buch seit Jahren vergriffen war. Ich hatte es schließlich behalten dürfen.

    Als Nächstes fand ich zwei Bücher von Holmes & Holmes. Die Autorennamen waren echt: Ronald M. Holmes und Stephen T. Holmes. Ich las die Titel der Bücher. Contemporary Perspectives on Serial Murder war einer Disziplin gewidmet, die in der Polizeiarbeit eher selten vorkam. Nur im Fernsehen oder in reißerischen Kriminalromanen gab es diese große Häufung von Serienmördern. Im echten Leben waren sie so selten, dass man ihre Namen kannte. John Knowles, der Casanova Killer oder Chester Turner, der Southside Slayer. Ich kannte sogar den Namen und die Fälle eines deutschen Killers: Friedrich Haarmann, der den schaurigen Beinamen Schlächter von Hannover trug. Die Einstufung als Serienmörder war abhängig von der Anzahl der Opfer und dem Zeitraum, über den die Morde vom Täter begangen wurden. In der Fachliteratur lag die Schwelle bei fünf Opfern und bei den Umständen und den Beziehungen der Opfer untereinander. Wer bei einem Bankraub fünf Wachleute erschoss, war kein Serienmörder. Wer sich innerhalb eines Jahres willkürlich drei Opfer aussuchte, gehörte dagegen schon in diese Kategorie. Aber das war alles Theorie, ein Versuch der kriminologischen Einordnung. Ich schaute nach, was ich sonst noch von Holmes & Holmes besaß: Profiling Violent Crimes, ein relativ neues Buch. Ich blätterte es durch und erinnerte mich, dass ich es in meinem letzten Jahr in Quantico viel für den Unterricht verwendet hatte.

    Gleiches galt für die kleine DVD-Sammlung. Das ganze CSI-Zeugs, Crime Scene Investigation. Die Serie CSI-New York lag mir wegen der Örtlichkeit noch am nächsten. Ich hatte einzelne DVDs an die Schüler verteilt, mit der Aufgabe, die Fälle, die Ermittler und die Ermittlungsmethoden auf Authentizität zu analysieren. Es hatte dazu geführt, dass trotz aller Professionalität, der Schauspieler Gary Sinise in der Rolle des Detective Mac Taylor als einer der ihren angesehen wurde. Ich sortierte die DVD-Hüllen. Von CSI-New York hatte ich die Staffeln eins bis drei, von CSI-Maimi eins bis fünf und von CSI-Crime Scene Investigation sogar die Staffeln eins bis acht. Die meisten Folgen hatte ich mir selbst gar nicht angesehen.

    Ich legte die DVDs wieder in den Karton zurück. Dabei hätte ich fast zwei weitere Bücher übersehen: Applied Criminal Psychology und Offender Profiling beide von Richard Kocsis. Letzteres interessierte mich. Es war ein umfassendes Werk zum Thema Profiling und es war ebenfalls noch relativ neu. Ich blätterte auf die Verlagsseite, erste Auflage 2005. Das Inhaltsverzeichnis erstreckte sich über sechs Seiten. Die Themen waren wirklich sehr umfassend. In den ersten Kapiteln begann es mit psychologischen und soziologischen Täter-Opfer-Profilen zu Gewaltverbrechen. Im zweiten Teil des Buches wurde die eher technische Seite beleuchtet, die Crime Scene. Spurensuche, Spurenanalyse und Forensik waren die Stichworte. Der dritte Teil schließlich, war der Arbeit des Ermittlers, des Profilers gewidmet.

    Ich begann in einzelnen Kapiteln zu lesen. Nach einer Viertelstunde wurde es mir zu kalt auf dem Dachboden und ich beschloss, das restliche Möbelschleppen auf den Nachmittag zu verlegen. Ich verschloss den Umzugskarton und sah noch einmal kurz in die anderen beiden. Hier hatte ich nur meine Unterrichtsmanuskripte und die Kopien der schriftlichen Arbeiten meiner Schüler. Es wäre sicherlich sehr interessant gewesen, auch noch dieses Material durchzuschauen, aber ich verschob es auf später.

    *

    Am Sonntag hatte ich doch nicht mehr die Gelegenheit, mich näher mit Kocsis Offender Profiling zu beschäftigen. In der Hoffnung, im Büro mehr Ruhe zu finden, hatte ich das Buch am Montagmorgen gleich in meine Tasche gesteckt. Nach einem Telefonmarathon von über einer Stunde brachte Frau Sievers mir meinen zweiten Kaffee und ein Stück Bienenstich. Ich wühlte in meiner Aktentasche, fand das Buch und lehnte mich in meinem Bürostuhl zurück. Ich studierte noch einmal das Inhaltsverzeichnis. Es gab ein Kapitel, das schon gestern mein Interesse geweckt hatte. Ich blätterte auf Seite hundertfünfundvierzig und begann im Abschnitt The Crime Classification Manual zu lesen.

    Als das Telefon erneut klingelte, war ich schon drauf und dran, gar nicht abzunehmen. Der Anruf würde bei Gustav landen, und wenn es wirklich für mich war, dauerte es höchsten eine Minute, bis Frau Sievers zu mir kam, um nachzusehen, was los war. Ich entschied, dass mir diese Minute Aufschub auch keinen Vorteil brachte. Ich schwang in meinem Sessel nach vorne und hätte beinahe das ganze Telefon umgerissen, als ich nach dem Hörer griff. Ich drückte auf die Rufannahme und musste mich auf meinem Platz erst wieder stabilisieren, sodass ich den Anrufer nicht gleich verstand. Ich hörte nur den Hall seiner Stimme, aber das reichte, meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Ich räusperte mich und presste den Hörer an mein Ohr.

    »Hallo, Entschuldigung, Bruckner, sind Sie das?«

    »Wollten Sie mich taub machen?«, lachte Bruckner, »oder sind Sie vom Stuhl gefallen?«

    »Das eine wollte ich natürlich nicht, das andere habe ich gerade noch verhindert.«

    »Würde auch nicht zu Ihnen passen«, entgegnete Bruckner und lachte noch einmal. Ich hörte, wie er Luft holte und sich dann räusperte. »Ist immer lustig mit Ihnen, leider habe ich in den letzten Monaten nicht viel zu lachen gehabt.«

    »Und Sie fallen immer gleich mit der Tür ins Haus.«

    »Mache ich das?«

    »Jetzt gerade machen Sie es, noch bevor ich Sie fragen kann, wie es Ihnen seit dem Sommer ergangen ist.«

    »Dann fragen Sie doch«, entgegnete Bruckner.

    »Gut«, erwiderte ich, »wie ist es Ihnen ergangen?«

    »Beschissen!« Bruckner lachte.

    »Hört sich nicht so an.«

    »Doch, doch, beschissen ist schon richtig, zutiefst beschissen. Die Sache vom Sommer hängt mir noch nach.«

    »Aber das war doch gar nicht Ihre Schuld.«

    »Na, ich bitte Sie, wie sieht das denn aus. Ich ermittle bei einem ehrenwerten Bürger und das Ganze artet in einen SEK-Einsatz aus.«

    »Wer hat behauptet, dass Sebastian von Treibnitz ein ehrenwerter Mann war?«

    »Da gibt es genug Leute, und das Schlimme ist, dass diese Leute Einfluss haben. Ich musste sogar Angst haben, verklagt zu werden.«

    Ich hatte von der Geschichte erfahren. Magdalena von Treibnitz war bis zum heutigen Tage nicht verhandlungsfähig und wurde gleich nach den Vorfällen vom 2. August letzten Jahres in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Bruckner hatte kein Geständnis bekommen. Der Prozess gegen den Entführer des kleinen Jérôme von Treibnitz war ausgesetzt, weil auch die Leiche des Kindes noch nicht gefunden wurde.

    Bruckner griff meine Gedanken auf. »Hilke schweigt seit seinem Geständnis, das damit nicht viel Wert ist. Und die Treibnitz spielt die Verwirrte. Da hat ein ehrlicher Polizist keine Chance und so sehen es leider auch meine Chefs. Ich werde ziemlich kurzgehalten, sodass ich nichts mehr anrichten kann. Ich hatte schon überlegt, zu schmeißen. Wenn die Täter sich mit einer Klatsche aus der Verantwortung ziehen können, dann muss mir das doch auch möglich sein. Ich habe Kollegen, die sich darauf berufen. Psychologischer Stress! Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, meine Situation dadurch zu verbessern und den Kopf wieder freizubekommen.«

    »Davon hat mir Hartmann nichts berichtet. Ich habe Hartmann mal in der Europapassage getroffen, Ende Januar. Der hat sich ja wieder gut erholt.«

    »Ich weiß«, meinte Bruckner, »hat er mir erzählt, ich meine, dass er sie mal getroffen hat.« Ich merkte, wie Bruckner am Telefon zögerte. »Schade, dass Sie sich nicht auch mal bei mir gemeldet haben.«

    »Sorry, aber so bin ich eben. Außerdem hätten Sie ja auch ...«

    »Hab’ ich doch jetzt«, warf Bruckner sofort ein und lachte wieder. »Also Schwamm drüber. Irgendwie kommen wir ja immer wieder zusammen, oder?«

    »Das hört sich nicht gut an, das endet meistens in einem Fall.«

    »Ich hab’ keine richtigen Fälle mehr, nur noch unwichtigen Kleinkram.«

    »Dann ist es wieder ein Cold Case. Bitte hören Sie damit auf.«

    »Auch kein Cold Case. Mein Chef hat den Staatsanwalt davon überzeugt, dass die ganze Angelegenheit ein Scherz ist.«

    »Aber das ist ja noch schlimmer als ein Cold Case, mit Mord scherzt man doch nicht.« Diesmal musste ich lachen.

    Bruckner blieb ein paar Sekunden still.

    »Hallo, sind Sie noch dran«, fragte ich, »oder habe ich endlich ein Mittel gefunden, Sie loszuwerden?«

    »Ja, ja, ich bin noch dran.« Bruckners Stimme klang etwas ernster als zuvor. »Ich nehme das wichtig, für mich ist das kein Scherz«, sagte er nach einem weiteren Zögern.

    »Gut, meinetwegen, dann erzählen Sie.«

    »Nein, nicht am Telefon.« Bruckners Stimme blieb ernst. »Wir müssen uns unbedingt treffen. Ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe auch wieder Material, das ich Ihnen zeigen möchte.«

    »Sie schildern das ja sehr dramatisch. Ist es denn wirklich so dringend? Ich weiß gar nicht, ob ich heute überhaupt Zeit habe, jedenfalls nicht am Vormittag.«

    »Nein, nein, so ist es nicht, ich will nur keine Zeit verlieren. Sie kennen mich ja.« Bruckner machte eine Pause. »Ich würde mich freuen, wenn Sie ... Also ich habe gleich auch noch einen Termin. Aber geht es nicht vielleicht doch bei Ihnen am Nachmittag.«

    »Gut, aber nicht vor zwei«, sagte ich.

    »Drei, mir wäre drei Uhr lieber.« Bruckners Stimme klang jetzt wieder heller.

    Ich überlegte kurz. »Gut, abgemacht, drei Uhr. Kennen Sie noch die Wohnung in Altona?«

    *

    Bruckner kannte die Adresse noch. Wir verabschiedeten uns auf später. Ich stellte mein Telefon zurück in die Ladeschale und lehnte mich in meinem Bürostuhl ganz zurück. Ich konnte nicht entscheiden, wie ernst Bruckners Situation wirklich war. Hartmann hatte mir nur wenig erzählen können. Er selbst war wieder voll und ganz beim Erkennungsdienst und hatte in den vergangenen Monaten nicht mehr viel mit Bruckner zu tun gehabt. Ich erinnerte mich an die Presse, die bis in den September hinein den Fall der Eheleute von Treibnitz breitgetreten hatte. Am Ende konnte den Lesern auch die kleinste Information präsentiert werden. Die Vorstrafe von Caroline Upp und ihr Verhältnis zu Sebastian von Treibnitz, die Gerüchte um die Vaterschaft bis hin zur Rolle von Klaus Hilke. Magdalena von Treibnitz wurde immer mehr als das Opfer dargestellt. Es gab Interviews mit ihren Ärzten, die schließlich von der Staatsanwaltschaft unterbunden wurden, was aber die öffentliche Fürsprache für Magdalena von Treibnitz noch erhöhte. Es schien so, als wenn sie von der Mörderin zum Opfer wurde. Selbst das Vorgehen des SEK, des Sondereinsatzkommandos, wurde kritisiert. Es gab Stimmen, die behaupteten, Linda Salbert und Sebastian von Treibnitz seien erst durch den angeblich überzogenen SEK-Einsatz zu Tode gekommen.

    Ich konnte mir gut vorstellen, dass Bruckner bei seinen Vorgesetzten lange Zeit in der Schusslinie stand und für den ganzen Rummel verantwortlich gemacht wurde. Vielleicht suchte er das Gespräch mit mir, um genau diese Dinge noch einmal aufzuarbeiten. Vielleicht gab es gar keinen neuen Fall. Ich überlegte, ob so etwas zu ihm passen würde. Ich kam zu keinem Schluss. Ich hatte ihn schließlich noch nie in einer Phase des Misserfolgs erlebt.

    Es klopfte hastig und Frau Sievers steckte den Kopf zur Tür herein. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was sie mir sagen wollte.

    »Sie müssen sofort nach Hause. Ihre Frau hat angerufen. Ihre Tochter hatte einen Unfall.«

    »Beth!«, rief ich und schnellte aus dem Bürosessel hoch. Frau Sievers erkannte wohl die Panik in meinen Augen und klärte mich rasch über die tatsächliche Tragweite des Unfalls auf.

    »Sie ist auf dem Schulspielplatz mit dem Kopf irgendwo angestoßen. Es soll schon nicht mehr so stark bluten, aber Ihre Frau sagt, dass Sie mit ihr ins Krankenhaus will.«

    »In welches Krankenhaus?«

    »Das hat Ihre Frau mir nicht gesagt.«

    »Aber ich muss doch wissen, in welches Krankenhaus ich zu fahren habe«, rief ich.

    »Nein, nein!« Frau Sievers schüttelte den Kopf. »Ihre Frau und Ihre Tochter sind noch zu Hause in Osdorf. Sie sollen gemeinsam ins Krankenhaus fahren.«

    Ich nickte. »Und es blutet nicht mehr so stark?«

    »So hat sie es formuliert«, bestätigte Frau Sievers.

    Ich war schon am Schrank, hatte meine Jacke herausgeholt und verließ schnellen Schrittes das Büro. Von unterwegs rief ich meine Frau an, sprach auch mit meiner sechsjährigen Tochter, sagte ihr, wie tapfer sie sei und dass ich gleich bei ihnen wäre. Ich brauchte zwanzig Minuten nach Hause und noch einmal zehn, bis wir es zur Asklepios Klinik in Altona geschafft hatten und dort im Wartezimmer der Notaufnahme saßen. Nach einer halben Stunde waren wir endlich an der Reihe, obwohl es mir schien, dass wir an diesem Morgen die einzigen Patienten waren. Ich hatte Beth die ganze Zeit Mut gemacht und ihr erzählt, dass es nicht wehtun würde und dass sie morgen in der Schule den anderen Kindern eine echte Seeräubernarbe zeigen könnte. Sie war dann so enttäuscht, als der Arzt verkündete, die Verletzung müsse nicht genäht werden, dass sie beinahe wieder zu weinen begann. Sie bekam dann immerhin ein extragroßes Pflaster. Der Arzt schloss eine Gehirnerschütterung aus. Wir sollten nur wieder ins Krankenhaus zurückkommen, wenn es Beth doch noch übel werden sollte und sie sich übergeben müsse. Die ganze Angelegenheit war nach einer weiteren halben Stunde überstanden. Wir fuhren nach Hause. Eva legte das Kind sofort schlafen. Beth war allerdings schon wieder aufgestanden, noch bevor ich erneut auf dem Weg ins Büro war.

    *

    Bruckner war pünktlich. Bevor er an der Wohnungstür klingeln konnte, hatte ich ihm schon aufgemacht. Er trat einen Schritt vor und sah sich um.

    »Wusste ich’s doch. Haben Sie immer noch keinen Mieter gefunden?«, fragte er.

    »Doch! Ist schon wieder frei, seit Februar.«

    Bruckner sah sich um und überlegte. »Wo ist denn das Bett, da war doch so eine Futonmatratze, oder?«

    Ich nickte. »Die ist hinüber. Die sah so aus, als wenn der Mieter eine Fahrradkette darauf repariert hätte, Öl-

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