Trevellian und das Gesicht des Mörders
Von Thomas West
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Über dieses E-Book
Trevellian und das Gesicht des Mörders
Krimi von Thomas West
Der Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.
Hugh Lennox, ein ehemaliger Undercover-Spezialist des FBI, wurde in New York erschossen; nach seiner Pensionierung einige Jahre zuvor war er von Chicago nach Manhattan gezogen. FBI Agent Jesse Trevellian und seine Kollegen kannten das Opfer, umso mehr beißen sie sich in den Mordfall fest. Zuerst geht man von einem Racheakt eines Verbrechers aus, den Lennox seinerzeit als Bundespolizist gefasst hatte … Doch dann wird eine Galeristin brutal ermordet, die Lennox' Fotos ausstellte, die der Ex-Agent, ein Fotokünstler, in einer belebten Straße im Big Apple aufgenommen hat ...
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Trevellian und das Gesicht des Mörders - Thomas West
Trevellian und das Gesicht des Mörders
Krimi von Thomas West
Der Umfang dieses Buchs entspricht 112 Taschenbuchseiten.
Hugh Lennox, ein ehemaliger Undercover-Spezialist des FBI, wurde in New York erschossen; nach seiner Pensionierung einige Jahre zuvor war er von Chicago nach Manhattan gezogen. FBI Agent Jesse Trevellian und seine Kollegen kannten das Opfer, umso mehr beißen sie sich in den Mordfall fest. Zuerst geht man von einem Racheakt eines Verbrechers aus, den Lennox seinerzeit als Bundespolizist gefasst hatte ... Doch dann wird eine Galeristin brutal ermordet, die Lennox' Fotos ausstellte, die der Ex-Agent, ein Fotokünstler, in einer belebten Straße im Big Apple aufgenommen hat ...
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
1
Gezittert hatte er eigentlich nie. Auch früher nicht, ganz am Anfang. Nicht einmal beim ersten Mal, wenn er sich recht erinnerte. Aber gut, das war lange her.
Ohne Hast nahm er den Kolben aus dem Koffer, wickelte ihn aus dem schwarzen Samttuch, nahm den Lauf aus dem Koffer, wickelte ihn aus, schob Lauf und Kolben zusammen.
Das erste Mal – Gott im Himmel! Er musste immer schmunzeln, wenn er sich erinnerte, auch jetzt. Er hatte geglaubt, der Brustkorb würde ihm zerspringen, so sehr klopfte ihm das Herz damals. Er hatte geglaubt in die Hosen pinkeln zu müssen, so aufgeregt war er gewesen damals.
Das Magazin war voll, das wusste er genau, trotzdem prüfte er es, bevor er es ins Schloss stieß.
Was er tat, tat er gründlich. Immer. Schon seit jeher, schon beim ersten Mal. Gewissenhaftigkeit war erste Bürgerpflicht in seinem Job. Zuletzt dann das Zielfernrohr.
Harndrang und Herzklopfen – ja, so war das damals gewesen. Vor Angst?
Nein, Angst war es eigentlich nicht gewesen. Nie. Höchstens die unterschwellige Furcht zu versagen, okay. Beim ersten Mal jedenfalls. Gut, vielleicht auch noch bei zweiten und dritten Mal. Aber auch das verlor sich mit den Jahren. Wäre ja noch schöner ...
Behutsam legte er das Gewehr auf dem Teppich ab. Er schob den Gummibaum ein wenig zur Seite, zog einen Stuhl an die Wand, schob das Fenster hoch.
Ein gewisses Lampenfieber, klar doch, so ein leises Kribbeln hinter dem Brustbein und in der Kehle, okay, ohne das lief auch heute noch nichts.
Er setzte sich auf den Stuhl, legte das Gewehr an, spähte durchs Zielfernrohr. Die Balkontür stand offen, im Zimmer hielt sich keiner auf.
Nun, das würde sich bald ändern.
Er setzte das Gewehr ab, rückte den Stuhl ein Stück näher ans Fenster, legte das Gewehr aufs Neue an, spähte wieder durch die Optik. Gut so.
Er zog den Lauf ein wenig nach rechts. Himmel – er würde nie verstehen, wie man sich seine Bude mit diesen hellen Billigholz-Möbeln vollknallen konnte! Ein niedriger, dreifüßiger Tisch rückte in Schnittpunkt des Fadenkreuzes. Sehr gut so. Und jetzt den Lauf ein wenig nach oben ziehen. Da, das Telefon! Wunderbar ...
Natürlich überließ er nichts dem Zufall. Nie. Er wusste, dass dort drüben die Balkontür nur aufstand, wenn jemand zu Hause war. Er wusste auch, dass zwei Leute dort drüben wohnten. Und er wusste, wer von diesen beiden Leuten gestern mit welchem Flugzeug wohin geflogen war.
Solche Dinge zu wissen, zählte zur Routine in seinem Job.
Er setzte das Gewehr ab, klemmte es zwischen die Schenkel. Ein letzter Griff in den Koffer. Drei Handys lagen in einem Deckelfach. Gestohlen natürlich, gestern und heute. Ältere durfte man nicht verwenden. Nach seinen Erfahrungen kam auch der Dümmste spätestens am dritten Tag nach dem Verlust auf die Idee sein Handy sperren zu lassen.
Er stutzte, blickte hinüber. Auf der anderen Straßenseite tat sich was, auf dem Balkon ein Stockwerk darüber. Jemand trat heraus, schüttelte eine Decke aus, eine Frau.
„Verpiss dich, Alte", zischte er.
Die Frau sah auf die Straße hinunter, während sie die Decke zusammenlegte. Danach drehte sie sich um, verschwand wieder in ihrem Apartment.
„Na also ..."
Bei jedem anderen hätte er die Geschichte in einem Aufwasch erledigt. Sie hatten eine Altbauwohnung mit Schlössern aus Eisenhowers Zeiten dort drüben. Auch das zu wissen, gehörte zur Routine. Bei jedem anderen also wäre er hineingegangen in die gute Stube, hätte die Sache erledigen, das Material zusammengesucht, und Schicht.
Aber der Kerl dort drüben war nicht irgendjemand. Er war gefährlich. So gefährlich, dass man ihm ein paar Umwege, eine Menge Komplikationen und vor allem viel Zeit widmen musste. Zeit und Umwege, die weniger gefährliche Leute nicht gebraucht hätten.
Die Nummer wusste er auswendig. Wozu Papier, wenn man ein Hirn unter dem Scheitel spazieren trägt? Eines seiner Prinzipien: Notizen nur, wenn sie sich gar nicht vermeiden lassen.
Er wählte die Nummer, legte das Handy auf dem Teppich ab, legte das Gewehr an, spähte durchs Zielfernrohr.
Der Rest war Geduld, Konzentration und Routine.
Und da war es wieder, dieses Kribbeln hinter dem Brustbein, dieses Zucken in der Kehle. Aber er merkte es kaum. Es gehörte einfach dazu – der nötige Adrenalinstoß eben, ohne den man nur halb so konzentriert zur Sache geht.
Ist doch so, oder?
2
In den Wochen danach versuchte ich mich manchmal zu erinnern, wo ich in der Stunde gewesen bin, als Lennox starb, und was ich zu dieser Zeit getan habe.
Fragen Sie mich nicht warum. Schätze, die Sache hat mich ziemlich mitgenommen.
Lennox starb am frühen Abend eines Mittwochs. Zwischen 17.23 Uhr und 17.52 Uhr, um genau zu sein.
Wir konnten den Zeitpunkt ziemlich exakt eingrenzen, weil um 17.52 Uhr sein Anrufbeantworter den ersten von sieben Anrufen entgegennahm, bevor sie ihn fanden. Und um 17.23 Uhr nahm Lennox den letzten Anruf persönlich entgegen. Das letzte Mal in seinem Leben, dass er einen Anruf entgegennahm.
Aber eines nach dem anderen.
In dieser Zeit jedenfalls – an jenem Mittwoch zwischen halb sechs und sechs – stand ich in der Flughalle des La Guardia Airports. Das ist ziemlich sicher. Ich fragte: „Sehen wir uns wieder?"
„Inshallah", antwortete die Frau, der meine Frage galt.
Das sagte sie in jenen Tagen gern, diese Frau. Nicht nur, weil sie zu der Zeit Arabisch lernte, sondern weil ich sie in den drei Wochen zuvor zweimal versetzt hatte.
Wahrscheinlich war dieses >Inshallah< die späte Rache dafür, denn eigentlich hatten wir ein traumhaftes verlängertes Wochenende verbracht. Wirklich wahr: traumhaft.
Sie antwortete also: „Gott weiß es", stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte mir einen Kuss auf die Lippen.
Ich hielt sie fest, denn ich merkte, das sie einen unangemessen flüchtigen Kuss im Sinn hatte; ganz anders als ich.
Ich hielt sie fest und küsste sie so lange, bis sie sich atemlos von mir losmachte. Danach winkte ich ihr, bis sie das Drehkreuz der Gepäckkontrolle passiert hatte. Und wenig später noch einmal, bis sie im Gewühl der Fluggäste vor den Aufzügen verschwand.
Ja – genau das tat ich in den zweiundzwanzig Minuten, in denen Lennox starb. Komisch, oder?
Ich meine: Komisch, wie viele hässliche und schöne Dinge gleichzeitig geschehen auf der Welt. Wie viele bedeutende und unbedeutende Dinge, wie viele überraschende und gewöhnliche.
Alles zugleich, verstehen Sie?
Versuchen Sie sich das mal vorzustellen: Sie brühen sich einen Kaffee auf, und in der gleichen Straße wird zur gleichen Zeit ein Kind gezeugt. Sie blättern in einem Sport-Magazin, und auf der anderen Seite des Globus gewinnt einer zur gleichen Zeit eine Millionen Dollar in der Lotterie. Sie küssen Ihren Liebsten oder Ihre Liebste, und zur gleichen Zeit wird in der gleichen Stadt ein Mensch ermordet.
Ist doch seltsam, oder?
Nicht? Okay. Verzeihen Sie, das sind halt so die philosophischen Anwandlungen eines G-Man.
Die Frau, die ich an jenem Mittwochabend küsste, während in Greenwich Village in der Grove Street ein Mann namens Lennox starb, hieß übrigens Jessica Lewis. Sie war Lehrerin und lebte in Detroit. Ich lernte sie ein paar Monate zuvor während eines Kanada-Urlaubs kennen.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, dass Lennox noch lebte, als ich an jenem Mittwoch mit Jessica ins Parkhaus fuhr, ja, ganz bestimmt lebte er da noch. Und all die anderen auch, die in den folgenden Tagen sterben würden.
Keiner von ihnen wusste an jenem Mittwoch, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb. Davon jedenfalls gehe ich mal aus.
Und ich, wie gesagt, wusste nicht, was zwei oder drei Meilen