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Jakob der Träumer
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eBook224 Seiten3 Stunden

Jakob der Träumer

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Über dieses E-Book

Neben Frank an einer Bar steht der Tod. Der Tod ist unzufrieden. Er geht ständig seiner Tätigkeit nach, bestimmte Menschen von A nach B zu bringen. Dabei fragt er sich immer wieder, warum er gewisse Personen begleiten muss und andere wieder nicht. Was macht den Unterschied aus zwischen ihnen? Er denkt über Irgendwer nach, den Schöpfer, der ihm das alles eingebrockt hat, und das Paradies.
Auch Frank hat eine Geschichte zu erzählen, nämlich die seines verstorbenen Freundes Jakob. Dieser ist taubstumm seit Geburt. Frank und er haben sich in ihrer Kindheit angefreundet und bis an das Lebensende Jakobs viel Zeit miteinander verbracht, vor allem damit, ein Fluggerät zu konstruieren. Denn das Fliegen ist Jakobs großer Traum.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Aug. 2013
ISBN9783847649458
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    Buchvorschau

    Jakob der Träumer - Markus Sturm

    I

    Neben ihm an der Bar stand der Tod. Der Tod lehnte dort, in einer unbedeutenden Nacht. In der Nacht, in der es geschehen würde, eine dieser Nächte, die sich durch nichts Besonderes auszeichneten, die es zu tausenden gab und gegeben hatte, regnerisch, kühl, wolkenverhangen. Nur manchmal tauchte für einen kurzen Augenblick der Mond draußen diese Düsternis in fahles Licht. Ein Vollmond, der Tiere dazu veranlasste, mit offenen Augen zu schlafen, und Kinder, sich in ihren Betten von einer Seite auf die andere zu drehen. Oder manchmal, wenn ein schlimmer Traum sie plagte, nach ihren Eltern zu rufen.

    Neben ihm an der Bar stand der Tod. An einem Ort, der nichts Besonderes barg. Eine dieser Bars, wie es sie zu tausenden gab und gegeben hatte, ein Ort, wie er immer schon existierte, der sich durch nichts auszeichnete. Eine Bar, die war, seit es Orte gab, an denen die Menschheit zusammenkam, um das Vergessen zu suchen. Um die schlimmen Träume zu ertränken. Draußen fiel der Nebel ein, während drinnen sich die Gestalten enger aneinander drängten.

    Neben dem Tod also stand er. Er wusste davon, wer hier neben ihm Platz gefunden hatte und warum, wer sein Gesprächs-, sein Reisepartner werden würde in jener Nacht. Er wusste, dass es endete.

    Auch der Tod wusste dies. Der wusste sogar noch mehr, wusste, wie es weiterginge und was folgte. Allein, er erzählte es niemandem. Der Tod kannte nahezu alles Menschliche, wusste nahezu alles Menschliche, hatte nahezu alles Menschliche gesehen, wusste immer und überall, was gewesen war, was ist und sein wird. Weshalb der Tod nie grundlos daneben stand.

    So hatten einander zwei gefunden in dieser Nacht, an dieser Bar. Sie standen nebeneinander, warteten, tranken, blickten sich um. Zuerst der eine noch ein wenig ungläubig, später sicherer, verstehend. Ein Lokal, eine Bar, Stühle, Gläser, die im gedämmten Licht schimmerten. Flaschen, manche halbvoll. Oder halbleer, falls einer der beiden Pessimist gewesen wäre. Die Flaschen umgekehrt in ihren Halterungen hängend, farbige Flüssigkeiten, die je nach Bedarf Wege in Gläser fanden, die bald darauf geleert auf der Bar abgestellt werden würden. Auf dieser Bar, an der zwei einsame Gestalten lehnten, noch nichts Rechtes miteinander zu reden wussten, sich im Spiegel hinter den Flaschen und Gläsern vielleicht ein wenig misstrauisch betrachteten, beobachteten, wie sich langsam, und noch langsamer, und ganz langsam ein wenig aus einer dieser Flaschen ausgetretene Flüssigkeit zu einem Tropfen formte, sich von der Flasche löste, fiel. Irgendwohin. Einen Fleck hinterließ. Am Boden. Im Nirgendwo.

    Neben ihm an der Bar stand der Tod. So manches Mal war er schon gestanden, wenn die Stunden vergingen, sich zogen, Nächte zu erfüllen drohten. Nächte, in denen nicht wirklich etwas geschah, in denen vor allem nicht das geschah, was man erhoffte, was man erwartete, in denen man wartete, Unterhaltung suchte, sie nicht fand. All diese Männer im Raum, wie sie standen oder beisammen saßen: gepflegtes Äußeres, gedämmtes Licht, ein wenig Musik, im Hintergrund, nicht wild, still, fast verstummt. So viele im Raum, die sich nett unterhalten wollten, mit der einen oder anderen Dame, vielleicht mit einem anderen Herrn, ein Vorbeigehen, ein Zwinkern, ein Lächeln. In solchen Augenblicken fühlten all diese sich in ihrer Unterhaltung oder in ihrem Warten und Erwarten immer von den beiden an der Bar gestört. Die beiden, die nicht und nicht aufhörten - wenn sie einmal damit begonnen hatten – sich einander ihr Leben in stetig steigender Lautstärke zu erzählen. Solange, bis sie entweder genug getrunken und sich endlich, endlich dazu durchgerungen hatten, die Bar stolpernd zu verlassen, gemeinsam einander stützend. Oder sich einer alleine seinen Weg ertastete, den anderen zurücklassend, der irgendwann den Kopf in den Armen vergraben döste oder in Ohnmacht hoffte, nie wieder seinen Kopf aufrecht tragen zu müssen. Der Kellner entledigte sich dann irgendwann seiner. Vielleicht rief er den Türsteher. Vielleicht packte er mit an. Vielleicht räumte er auch alleine auf. Schloss ab, rechnete ab, zählte ab, nachdem jemand draußen vor der Tür zurückgelassen worden war. Mancher Zurückgelassene fand sein Ende auf diese Weise. Nicht oft. Aber immer wieder einmal. Denn nicht immer traf einer dieser Übriggebliebenen auf freundliche Menschen, die nur sein Geld nahmen. Manchmal nahmen sie auch sein Leben. Eine ungeschickte Bewegung im falschen Moment, ein Schrei des Erschreckens, gar nicht mit der Absicht, Hilfe herbeirufen zu wollen. Nur eine Reaktion auf etwas Unerwartetes, das einen gestört hatte, während man in Hypnos Armen sanft schlummerte - einfach als Resultat des Erwachens in einem ungünstigen Augenblick der ewige Schlaf. So kam bisweilen - der Tod. Nicht immer. Man war zwar immer tot, doch der Tod erschien nur, wenn es sich um jemanden Bedeutenden handelte. Der Tod räumte die Überbleibsel weg, nicht die sterblichen, realen Überreste, das Körperliche, sondern das geistige Abbild einer Person, das Wesentliche; das, was ein Wesen dazu machte, was es war oder gewesen war; nicht das, was jemand vorgab zu sein, sondern das, wie er oder sie oder es wirklich war. Der Tod entwesentlichte. Er führte das Wesentliche dorthin, wohin es gehörte. Meist dauerte es nur das Zwinkern eines Sterns lang, zögerte es sich das Aufblitzen eines Flügelschlags in der Sonne hinaus, bevor sich das Wesentliche auflöste, um für immer wohin auch immer zu verschwinden. Aber manchmal dauerte es länger - wenn das Sterben sich zog.

    Jedoch: Zurückgelassene gab es nie und also kein Zurückgelassenwerden an der Bar oder in der Gosse: Wenn der Tod neben jemandem stand, ging er nicht einfach so wieder, ließ niemanden einfach so zurück. Wenn der Tod neben jemandem stand, würde jemand mit dem Tod gemeinsam gehen, den Tod an der Seite, bis zuletzt. Gemeinsam, bis zu dem Zeitpunkt, bis in diese angebliche Ewigkeit, in der man endgültig entwesentlicht war. Wo es sich entschied, was man zuvor geglaubt hatte, oder besser glauben hätte sollen, oder niemals geahnt hatte, wo der Tod zurücktrat und einen alleine ließ. Und zu keiner Zeit hatte der Tod die eine letzte Frage beantwortet, die jeder stellte: Wie würde es weitergehen? Doch bis es soweit war, bis zu diesem einen Punkt, bis der Tod einen unendlich einsam weitergehen ließ, bis dorthin blieb der Tod dauerhafter Begleiter. Das aber war nicht schlimm, denn: War er ein unsympathischer Begleiter? Ein Knochengerüst? Dunkler Umhang? Altmodisches landwirtschaftliches Gerät? Nein, schon lange nicht mehr. Aber auch kein Rasenmäher. Nicht einmal eine Motorsense. Nicht, dass er keine Knochen gehabt hätte, keinen Schädel, keine Rippen, kein Rückgrat. Von Menschen erschaffen, gingen Menschen mit der Zeit; daher, meinte er, habe er sich verändert: ein moderner Tod für den modernen Menschen. Nur, dass die Zeit vielleicht mit ihm gehen würde. So also hatte er Beine, Arme, Rumpf, Kopf, war nicht unbedingt Körper, aber auch nicht nur Geist. Er war gepflegt, von der Phantasie eines jeden umhätschelt und umtänzelt. Das Sterben veränderte sich nie. Es konnte lang sein oder kurz, schmerzhaft oder scherzhaft, ironisch, aber schicksalhaft, sanft, schnell, in Schönheit, oder grässlich. Das wusste er. Aber es entsprang nicht der menschlichen Phantasie. Das Sterben war konkret. Und nach dem Sterben war man tot. Aus. Damit das Sterben eher vorstellbar wurde, glaubte er zu wissen, hatten die Überlebenden den Tod erfunden. Es bekam einen Namen. Es bekam Gestalt. Es veränderte sich. Es wurde Er. Tod. Der Tod war konkret geworden. Er war konkret geworden.

    Neben ihm an der Bar stand nun also der Tod. In jener Nacht erschien der Tod gepflegt, sein Lächeln wirkte ein wenig zynisch zwar, dennoch nett, ein wenig distanziert vielleicht, doch wen wunderte es? Als Tod schaffte man letztlich Distanz. Und egal, wie man den Tod sich vorstellte, das Sterben war unausweichlich. Bislang hatte der Tod es als professionell empfunden, distanziert zu bleiben. Das Sterben galt für ihn als eine Tatsache, die letztlich zum Leben dazugehörte. Sein Lächeln konnte also durchaus positiv betrachtet werden. Ein bestimmtes, ein bestimmendes Lächeln, gewiss, doch irgendwie nett, nicht hämisch, gar böse. Manchmal, wenn ihm Zeit blieb nachzudenken, verglich er sich mit jemandem, der Akten in den Reißwolf steckte. Hatte dieser Jemand Gefühle für das Papier? Lachte er böse dabei?

    Also lächelte er. Am ehesten hätte er es wohl als ein wissendes Lächeln beschrieben. Für den Tod stellte der Mensch nur ein beschriebenes Blatt Papier dar. Auf manchen dieser Blätter stand mehr geschrieben, auf manchen weniger, manche Blätter ergaben gebundene Bücher, andere waren sehr kurz ausgefallen, oft nur ein einzelnes Blatt, und in seltenen, besonders traurigen Fällen, fand sich sogar nur ein Satz auf ihnen. Manches war inhaltlich wertvoll, manches langweilig. Allein, es blieb Papier. Nur gelegentlich blieb ihm Zeit, mehr zu erfahren, manche Bücher tiefer zu ergründen. Er hatte im Grunde vorübergehendes Interesse an Sterblichen; dass es ihn gab, den Fährmann früherer Tage, diente den Menschen.

    So lächelte er, stand dort an der Bar, trank und nahm eigentlich von dem anderen daneben keine Notiz. Es schien, als wolle er nur seine Ruhe haben. Er sinnierte. Wäre er jemand an einem anderen Ort gewesen, wäre er jemand, nicht der Tod gewesen, man hätte denken können, ein anstrengender Arbeitstag läge hinter ihm: wie ein Arzt in Bereitschaft, momentan ohne Aufgabe, doch auf dem Sprung wieder zu einem Notfall zu eilen, sollte man seiner bedürfen. So wirkte der Tod, und so stand er da in Gedanken und man meinte, er wisse nicht, wann er wieder in die Pflicht genommen werden würde. Tatsächlich wusste er alles Menschliche, aber nie, wann die Pflicht wieder rufen würde. Zur Pflicht gerufen zu werden geschah plötzlich, indem er sich veränderte, indem der Ort sich veränderte, er zuerst hier war, dann dort, im nächsten Augenblick wieder woanders, und dazwischen war er - gar nicht? Gab es für ihn überhaupt eine Phase seiner Existenz, in der er gar nicht war? Konnte er sich jemals erinnern, nicht gewesen zu sein? Er war immer von einem zum Nächsten geeilt, seit Anbeginn an. Zeitweise, so wie in diesem Moment, in diesem einen Augenblick, als er an der Bar lehnte, verweilte er länger. Gar nicht absichtlich, er wurde nur hier und nirgends sonst gebraucht. Manchmal eben dauerte es länger, er begleitete jemanden ein längeres Stück des Weges, weil das Sterben länger dauerte. Und stets kümmerte er sich nur um die Bedeutenden. Es war nicht so, dass er alle Menschen geleitete, wohin auch immer, sondern nur die, die bedeutend waren. Die dem Mosaik dienlich waren, das Geschichte heißt, denn darum ging es. Zumindest nahm der Tod das an. Und Irgendwer machte diese Geschichte. Aber auch das vermutete der Tod nur.

    Irgendwer war nicht sein Vorgesetzter. Irgendwer war Irgendwer. Hatte es bei Irgendwer auch mit einer Idee begonnen, einem Gedanken, einem Gefühl eines Verlorenen? Oder hatte Irgendwer mit einem Gedanken begonnen? Der Tod kannte diese Antwort nicht. Irgendwer war älter. Der Tod traf Irgendwer selten. Früher war dies anders gewesen. Seine Aufgaben mochten weniger zahlreich gewesen sein, weniger anspruchsvoll. Vielleicht schienen die Kontakte mit Irgendwer damals deswegen besser. Für soziale Kontakte blieb dem Tod überhaupt leider wenig Zeit, da er tatsächlich nie wusste, wann er wieder jemand Bedeutenden abholen musste. Momentan war eine Ausnahme. Dieser Augenblick war zu einer Spanne geworden. Der Moment zu einem Warten. So lange dauerte es selten. Somit verblieb er im Grübeln. Irgendwer machte Geschichte und der Tod musste laufen, musste springen, musste sich verändern, musste sein Werk tun. Oder darauf warten. Da begann der Tod sich zu fragen. Fragte sich, wer sie waren. Wer war zum Beispiel er, der hier an der Bar neben ihm lehnte? Er überlegte kurz. Das wusste er. Aber warum musste er geholt werden und andere nicht? Warum mussten sie alle geholt werden, geleitet werden? Warum waren sie bedeutend? Er kannte ihre Geschichten, wenn er sie wissen wollte. Aber was war das Bedeutende an ihnen? An ihren Geschichten? Er wusste es nicht. Irgendwer kümmerte sich, so viel vermutete er, persönlich um die Kinder, und er selbst sich um die Bedeutenden. Aber warum waren sie bedeutend?

    Napoleon ja, aber wer war der Soldat links der Mitte in der zweiten Reihe, der von einer Kugel getroffen langsam bei Waterloo verblutete? Der Tod, hatte ihn abholen müssen, ohne zu wissen, warum, nur weil Irgendwer Geschichte machte und er bedeutend gewesen war. Warum, erfuhr der Tod nie, er war sozusagen nur das Bedeut-Ende. Alles andere als ein Zeitvertreib für den gefallenen Soldaten, doch möglicherweise nur Geschichte für Irgendwer. Eine Geschichte. Zeitvertreib im Angesicht der Ewigkeit. Zuerst ein wenig Spaß haben, spielen, dann herumexperimentieren mit Leben und schließlich draufkommen, dass alles nicht so einfach ist, nicht mehr nur Bienchen und Blümchen, sondern auch Fortpflanzung, Sex und Schweiß und Testosteron, und schließlich der gesamte Chemiebaukasten und plötzlich eigener Wille und Adams und Evas, die liefen und liefen und liefen und nicht mehr aufhörten damit. Dann unter Umständen ein Erkennen der Verantwortung. Am siebten Tage und so weiter. Einen Tag innehalten und sehen, was man angerichtet hatte. Alles über den Haufen werfen, oder weiterspielen? Noch einmal würfeln? Na ja, einmal noch. Und noch einmal. Dann die Namen. Irgendwer, dann andere. Und immer – der Tod. Der Anfang der Zeit, die allen Lebewesen blieb. Hier er, Irgendwer, der alles schuf, der schenkte, der den einen Plan kannte, diesen bedeutenden, wichtigen, großartigen Plan, den es doch hoffentlich gab. Dort der Tod, der nahm, der nur lief und schuftete und nichts vom großen Ganzen wollte und dabei Plan und Sinn aus den Augen verloren hatte. Möglicherweise besser, ging es ihm gerade durch den Kopf, dass er Irgendwer nicht so oft traf.

    Neben ihm an der Bar stand der Tod. So lächelte er und trank und nahm eigentlich von dem anderen daneben keine Notiz. Es schien, als wolle er nur seine Ruhe haben. Er sinnierte… „Zuviel bereits gesehen im Laufe der Zeit." Ein Schluck aus dem Glas, ein Blick in den Spiegel gegenüber hinter den Flaschen, ein Nicken, ein kurzer Satz. Ein Satz in die Luft gestellt. Ein Satz für sich, gar ein Selbstgespräch, und doch ein Ball. Ein anderer daneben an einer Bar. Ein Wort gehört, ein Wort genommen, ein Wort gegeben, den Ball gespielt, rauchgeschwängerte Luft, Alkoholdünste. Eigentlich keine Basis für ein wirkliches Gespräch. Und trotzdem - Geschichten. Erst Schneeball, dann Lawine.

    II

    „Zuviel bereits gesehen im Laufe der Zeit", sagte der Tod vermutlich einfach so dahin, ohne irgendwen, gar den anderen neben sich tatsächlich in ein Gespräch verwickeln zu wollen. Eine Aussage, für niemanden konkret bestimmt, von Gespräch keine Spur. Nicht einmal eine Höflichkeitsfloskel. Nur der Beginn eines intensiven Selbstgesprächs, typisch für einsame Personen an allen Bars der Welt. Der einzige Zuhörer der Barkeeper. Oder zumindest scheint der Barkeeper zuzuhören, Trinkgeld inklusive. Auch wenn er einen am Ende wegwischt mit diesem ekelhaften Tuch, mit dem er die Ränder der Gläser auf der allzu glatten Oberfläche der Theke entfernt. Einfach so die Spuren, die im Laufe eines Abends hinterlassen worden sind, ausgelöscht. Lebensspuren. Oft bleibt nichts zurück, dachte der Tod.

    „Eigentlich, wenn man es so betrachtet, setzte der Tod fort, „ist Irgendwer nichts anderes als ein sich selbst viel zu wichtig nehmender Barkeeper. Noch immer betrachtete er sich selbst im Spiegel. „Am Ende dreht er das Licht heller, es schmerzt in den Augen. Der Tod redete sich warm. „Kurz kommen noch Gedanken, dass man einen netten Abend verbringen wollte - doch irgendwie hat es nicht gepasst. Der Tod dachte nach: „Keine Stimmung, nicht die richtigen Leute. Oder ist man an diesem Abend einfach selbst nicht der Richtige?"

    „Ein dumpfer Schädel. Eine Wand, die an dir lehnt und nicht und nicht von dir weggeht. Die klebt, wie eine Klette. Eine Stiege in einem Hauseingang,

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