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Lingen in Geschichten: Erzählungen von Werner Tonske
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Lingen in Geschichten: Erzählungen von Werner Tonske
eBook215 Seiten2 Stunden

Lingen in Geschichten: Erzählungen von Werner Tonske

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Über dieses E-Book

Heiter, aber auch melancholisch; genau beobachtend, aber nie verletzend: So blickt
Werner Tonske auf Lingen und seine Bewohner. Seit dem Jahr 2010 veröffentlicht die
Lingener Tagespost die heimatgeschichtlichen Erzählungen des Autors über die Stadt,
über ihre Menschen und die Natur, die sie umgibt. Das Buch "Lingen in Geschichten"
ist eine Sammlung dieser beliebten Reihe, in der Tonske Lingen von der Nachkriegszeit
bis heute beschreibt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Nov. 2015
ISBN9783737568913
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    Buchvorschau

    Lingen in Geschichten - Werner Tonske

    Lingen in Geschichten

    erzählt von Werner Tonske

    Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG

    Breiter Gang 10 –16

    49074 Osnabrück

    Telefon: 0049 (0)541 310-360

    E-Mail: ebook@noz.de

    Registergericht: AG Osnabrück HRA 3551

    DIESER TITEL IST AUCH AUF shop.noz.de ERHÄLTLICH

    Sie finden uns im Internet unter: www.noz.de

    1. Auflage 2015

    © Neue Osnabrücker Zeitung

    Redaktion: Burkhard Ewert (Ltg.), Thomas Pertz, Werner Tonske, Carmen Vosgröne (Archiv), Julia Knieps (Koordination)

    Bildquellenverzeichnis:

    Stadtarchiv Lingen, Thomas Pertz

    Fotos, wenn nicht gesondert gekennzeichnet, aus der Sammlung Werner Tonske

    ISBN 978-3-7375-6891-3

    Vorwort

    Über Werner Tonske

    Von Thomas Pertz, Redaktionsleiter der Lingener Tagespost

    Vor fünf Jahren kam ein älterer Herr in die Redaktion und bat um ein Gespräch mit mir. Angekündigt hatte er sich nicht und Zeit hatte ich eigentlich auch nicht. Der nächste Artikel wollte geschrieben, die letzte Mail beantwortet werden und auch das Telefon würde wohl jeden Moment wieder einen Ton von sich geben. Ich nahm mir die Zeit doch – und sollte es nicht bereuen.

    Werner Tonske, der dann vor mir saß, ist ein besonderer Mensch. Ich habe in über 25 Jahren als Lokaljournalist noch keinen anderen erlebt wie er, der so sehr interessiert ist an den Mitbürgern, der Natur und was beide in ihrem innersten Kern zusammenhält. Er erzählte von Geschichten, die er über Ereignisse und Eindrücke aus Lingen geschrieben habe, über seine Erlebnisse im Krieg, über freudige und traurige Anlässe.

    Aus diesem ersten Kontakt entwickelte sich eine regelmäßige Veröffentlichung seiner Beiträge in unserer Zeitung – manches anlassbezogen, wie beim Kivelingsfest ein Rückblick auf das erste Fest nach dem Krieg, anderes aus der Zeit fallend, wie der Bericht über „Hühner-Heine" und seine Liebe zum Federvieh.

    Diese Geschichten sind in dem vorliegenden Buch zusammengefasst. Sie lassen noch einmal lebendig werden, wie große Tanzabende in den 50ern auf der Wilhelmshöhe Paare zu Lebenspartnern machten, wie bei Winkelmanns in der Burgstraße eingekauft wurde oder die Ems an heißen Sommertagen nach dem Krieg willkommene Abkühlung bot. Humorvoll, aber auch nachdenklich beschreibt Werner Tonske sich und seine Zeitgenossen. Und die Natur, deren großer Bewunderer er ist. Wer seine Beschreibung des Telgenkampsees in der Stadt gelesen hat, wird neugierig sein, einmal selbst die Schätze anzuschauen, die er dort entdeckt hat.

    Werner Tonske

    Damals war’s

    Als die Lok beim „Tooor"-Schrei tönte

    Viele Bürger, nicht nur aus Lingen, haben schon einmal das Weltkindertheater–Fest in den Anlagen der Wilhelmshöhe besucht. Ebenso kann man davon ausgehen, dass fast jeder Bewohner dieser Stadt einem Fremden den Weg zum Theater an der Wilhelmshöhe bzw. dem daneben befindlichen Filmpalast Cine-World weisen könnte. Wer aber weiß, dass sich an diesen Örtlichkeiten dereinst ein Sportplatz befand, auf dessen Schlackeboden die Sportvereine und Schulklassen ihre Wettkämpfe austrugen und die Feldhandballer vom TuS Lingen (in der damals höchsten Klasse, der Oberliga Nord, hochkarätigen Handball spielten?

    Davon dürften wahrscheinlich nur unsere älteren Mitbürger Kenntnis haben. Wo heute die breite, stark frequentierte Straße des Willy-Brandt-Rings verläuft, trennte damals eine langgezogene, grasbewachsene Böschung einen unbefestigten Fußweg von der Straße und dem Schienenstrang der Kleinbahn, die zu dieser Zeit noch in der Stadt verkehrte. Vom Kleinbahnhof kommend, beförderte sie Güter zur Papier- und Holzfabrik an der Meppener Straße. Den Sportplatz selbst grenzte zu dieser Zeit eine Betonwand längsseits ein. Die Tribüne befand sich gegenüber vor einem Hügel, den ein Maschendraht abschloss.

    Doch zurück zum Handball.

    Die verträumte kleine Beamten-Stadt Lingen war Ende der vierziger und fünfziger Jahre eine Handball-Hochburg, in welcher der TuS Lingen neben prominenten Gegnern wie THW Kiel, Polizeisportverein Hamburg, auch die Feldhandballer aus Bremen, Flensburg, Rheinhausen, Münster oder Osnabrück empfing. Auf allen Positionen gut besetzt, behauptete sich diese Kleinstadtelf in der Liga der Großstädter erfolgreich und war überwiegend auf den vorderen Plätzen der Tabelle zu finden. Einer wie ich, der 1949 in Lingen ansässig wurde und sich vorher nicht sonderlich für Handball interessierte, wurde augenblicklich von dieser schnellen Sportart gepackt und nicht mehr losgelassen.

     Mit 300 bis 4000 Lingener Fans (mehr fasste der Platz nicht) zitterte ich - begeisterte ich mich - litt und jubelte ich für unseren TuS. Eine unbeschreibliche Stimmung kam auf, wenn die wieselflinken Außenstürmer Kurt und Günther Köster mit blitzschnellem Ballwechsel über das Spielfeld wirbelten und ihre Tore machten oder zum Abschluss ihren wurfgewaltigen Mittelstürmer Herbert Meyer anspielten. Der beherrschte neben harten Torwürfen einen damals einmaligen Trick, mit dem er seinen Abwehrspieler, kurz links oder rechts ausweichend, täuschte, um nach einer Halbdrehung, mit dem Rücken zum Tor stehend, mit voller Wucht einen Rückhandwurf abzuziehen, der jedem Torhüter Probleme bereitete. Man könnte diese Wurftechnik mit einem Fallrückzieher im Fußball vergleichen. Die Stimmung schwappte über, wenn nach einem Tor vom TuS das Pfeifsignal der Kleinbahn-Dampflok wie eine Siegesfanfare in den Jubel der Lingener einfiel. Der Lokomotivführer muss wohl ein wahrer Lokalpatriot gewesen sein, dass er am arbeitsfreien Sonntag seine Lok unter Dampf setzte und mit einem angehängten Güterwagon, auf dem sich begeisterte Handball-Freunde drängten, zum Sportplatz dampfte, um dort seinen Gefühlsüberschwang für den Verein bei jedem Tor über die Dampflok herauszulassen.

    Das Interesse am Feldhandball ging bei den großen Handballnationen Ende der sechziger Jahre zusehends zurück. Wegen der schnelleren Spielweise, bedingt durch das kleinere Spielfeld, und der abwechslungsreichen Szenen wurde das Hallenhandballspiel dagegen immer beliebter. Ab 1974 gab es in Deutschland keine offiziellen Meisterschaften im Feldhandball mehr. Schade. Es war eine sportlich wunderschöne Zeit in Lingen, als die Lok beim „Tooor"-Schrei tönte.

    Der Sportplatz an der Wilhelmshöhe, wo sich heute das Kino befindet. Fußball und Handball wurde dort gespielt. (Stadtarchiv Lingen)

    Badefreuden an der Ems

    Die Schattenseiten der Straßen nutzend, flitzten die Kinder in den heißen Sommertagen von 1949 barfuß durch die Stadt zur Ems. Unter den Arm geklemmt das Badetuch mit eingewickelter Badekleidung und eine Flasche Regina, damals eine beliebte Limonade. Vorbei ging es an der „Mili", die Militärbadeanstalt, damals Lingens einzige städtische Badeanstalt. Obwohl dort die Tageskarte, wenn ich mich recht erinnere, nur 50 Pfennige kostete, wurde von den Wenigsten davon Gebrauch gemacht.

    Denn ein Jahr nach der Währungsreform zählte für ein Millionenheer von Arbeitslosen, zu denen auch ich gehörte, jeder Groschen. Kein Wunder, dass deswegen das kostenlose Badevergnügen an der Ems gern genutzt wurde. Zumal das damals noch weitgehend naturbelassene Ufer, mit seinen zahlreichen Schatten spendenden Büschen, Platz für viele Badegäste bot. Auch mich trieb es in jenem Bilderbuchsommer täglich hinaus aus der kochenden Stadt, hin zum Erfrischung spendenden Fluss.

    Ein schattiges Plätzchen fand sich schnell. Noch schneller entledigte sich ein jeder seiner Kleidung. Und dann nichts wie hinein ins Wasser. Herrlich, wie das kühle Nass die erhitzten Körper erfrischte. Sich von der Strömung wohlig treiben lassen oder zum gegenüberliegenden Ufer von Rheitlage schwimmen – jeder fand sein Badevergnügen.

    Für geübte Schwimmer blieb die Ems ungefährlich. Vorausgesetzt, man überschätzte die eigenen Kräfte nicht und mied die allgemein bekannten Stellen, an denen Strudel vorkamen. Ein sicheres, flaches Ufer fand man in Höhe der Ems-Badeanstalt. Es wurde gern von Familien mit Kleinkindern angenommen.

    Für die ganz Mutigen dagegen bot sich ein Sprung von der Brücke am alten Hafen in den nahe gelegenen Dortmund-Ems-Kanal an. Der einst rege Schiffsverkehr auf dem Kanal war, als Folge des Krieges, zu dieser Zeit erst in geringem Maße wieder aufgenommen worden. Ob nun am Kanal oder an der Ems, am Nachmittag brannte die Sonne unbarmherzig auf die ausgetrocknete Erde. Die Hitze machte schläfrig, lullte ein. Irgendwo dudelte leise ein Kofferradio, aus einem Kinderwagen meldete sich ein hungriges Baby und auf einer ausgelegten Decke hockten Karten spielende Kinder.

    Sich behaglich räkeln, entspannen und zwischendurch Abkühlung suchen: Unaufgeregt verlief solch ein Badetag bis in den späten Nachmittag. Dann leerten sich allmählich die Uferwiesen. Eine Clique von Mädchen und Jungen zwischen 17 und 21, zu denen auch meine Freundin und ich gehörten, blieb zurück. Wir hatten uns im Verlauf der Sommertage gefunden und viel Spaß miteinander bekommen. Vor allem mit Ernst, dem Jungen aus dem Sudetengau, der nach der Vertreibung mit seinen Eltern in Lingen eine neue Heimat fand.

    Er war unser Star. Ein Spaßvogel und Possenreißer, den jeder gern hatte. Dünn und fipsig, mit welligem Haar und tiefen Lachfalten im Schelmengesicht, entsprach er wahrlich nicht der Vorstellung vom Kraftprotz Tarzan, den er derart grotesk imitierte, dass wir uns vor Lachen bogen. Seine Urwaldnummer war einsame Klasse. Mit gespreizten Beinen und angewinkelten Armen sog er tief die Luft ein, bis die Rippen aus der hageren Brust drangen, um dann mit hohl vor dem Mund gehaltenen Händen wilde Schreie auszustoßen. Da hielt uns nichts mehr auf dem Boden. Wir wieherten und trampelten orgiastisch.

    Später, als die sinkende Sonne die Spitzen des Buchenwaldes von Rheitlage erreichte, sich erste Schatten auf die Ems legten, setzte Ernst seine Mundharmonika an die Lippen. Mit „Sentimental Journey" beginnend, blies er ein Potpourri der Schlager von einst. Die Jungen nahmen ihre Mädchen in die Arme und gaben sich ganz den Träumen einer warmen Sommernacht hin. So leben die jungen Leute zu allen Zeiten ihre Freiheit aus. Was Jugendliche heute jedoch oftmals von der gestrigen unterscheidet, ist der Verlust von Werten, resultierend aus den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre.

    Badefreuden_72.jpg

    Viele Familien zog es in den Nachkriegssommern in Lingen an die Ems.

    Das erste Kivelingsfest nach dem Krieg

    Das Schicksal pustete kräftig, als es meine Brüder und mich aus den angestammten Wurzeln riss und über das Land verstreute. Den Älteren über das von Krieg überzogene Europa und den Jüngeren und mich durch das zerrissene Nachkriegsdeutschland in eine fremde Stadt im Westen, die sich anschickte, ihr historisches Kivelingsfest wieder aufleben zu lassen. In dieser Stadt Lingen fanden wir uns nach jahrelanger Trennung wieder.

    Kivelingsfest? Wir konnten uns darunter nichts anderes vorstellen, als ein Heimatfest wie in unserer Geburtsstadt, ein Jahr vor Kriegsbeginn. Der Anlass war die soundsovielte Wiederkehr unserer erworbenen Stadtrechte. Alles was Beine hatte, war damals unterwegs. Musikkapellen, Fahnen und Vereine bewegten sich in Uniformen und bunten Trachten durch die Straßen zum Stadtpark. Dort erwarteten die froh gestimmten Menschen Riesenrad, Karussells sowie Nasch- und Spielbuden. Und am Abend ein Feuerwerk.

    Was also sollte dieses Kivelingsfest von unserem Heimatfest unterscheiden? Ich wollte es wissen und recherchierte. Im Gegensatz zu einem schlichten Volksfest verfügt das Kivelingsfest über eine jahrhundertealte Tradition. Die Kivelinge fanden ihren Ursprung in einer Wehrmannschaft unverheirateter Bürgersöhne, die 1372 zur Verteidigung der Stadt Lingen gegründet wurde. Traditionsgemäß findet daher alle drei Jahre zu Pfingsten, dem Gründungstag ihrer Vereinigung, der Bürgersöhne-Aufzug statt. Eine zwölfjährige Unterbrechung erfuhr das historische Geschehen durch den zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende, am 19. November 1945, genehmigte der hiesige Kommandant von der Britischen Besatzung die Wiederaufnahme des Vereinslebens der Kivelinge.

    Im Verlauf ihrer Geschichte bewiesen die Kivelinge oftmals ihre Verbundenheit mit der Heimat, auch wenn es nicht um die Verteidigung der Stadt ging. So im Jahr 1948, als Übergriffe und Diebstähle die Bürger verunsicherten und die Kivelinge aus eigenem Antrieb die Bewachung ihrer Stadt erfolgreich übernahmen.

    Vom ersten Kivelingsfest

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