Bonner Geschichte(n): Begebenheiten - Anektdoten - Lebensbilder aus Bonn und dem Rheinland
Von Paul Zurnieden
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Buchvorschau
Bonner Geschichte(n) - Paul Zurnieden
VORWORT
Sie kennen Beethoven. Kennen Sie auch seine Eltern?
Umspülte der Rhein wirklich das Bonner Münster?
Weshalb baumelte ein Bonner am Straßburger Galgen?
Wie war das noch, als Bonn Bundeshauptstadt wurde?
Welche Königin schrieb Gedichte über Bonn?
Wann grasten Kühe im Hofgarten?
Weshalb endete Liszts Festmahl im Chaos?
Antworten auf diese und andere Fragen finden sich in Paul Zurniedens „Bonner Geschichte(n)", die jetzt in einer überarbeiteten, ergänzten und völlig neu gestalteten Auflage vor Ihnen liegen.
Es gab also schon einmal ein gleichnamiges Büchlein, 1994 vom „General-Anzeiger" (Bonn) herausgegeben – eine eher schlicht gehaltene Zusammenfassung von Artikeln, die Paul Zurnieden, langjähriger Pressechef der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, im Laufe der Jahre zumeist anlässlich bestimmter Gedenktage für die Zeitung verfasst hatte.
Knapp 200 Seiten, Schwarz-Weiß-Fotos im Anhang, keine ISBN-Nummer, daher Verkauf nur über die wenigen Zweigstellen der Zeitung – und dann geschah das Unerwartete: Noch im gleichen Jahr musste die Broschüre dreimal nachgedruckt werden – bis schließlich zu einer 7. und letzten Auflage im Jahr 2000. Bis dahin hatten mehr als 10 000 Exemplare eine Käuferin, einen Käufer gefunden. Die „Bonner Geschichte(n)" waren ein lokaler Bestseller par excellence.
Dieser doch eher unerwartete Erfolg beweist vor allem Eines: Das Interesse von Alt- wie von Neubürgern, mehr über die Geschichte ihres Wohnortes, ihrer Region, ihrer Heimat zu erfahren, ist ungebrochen groß. Vor allem dann, wenn Historie und Histörchen – wie hier – in Form von kurzen, verständlich verfassten Episoden und Anekdoten angeboten werden.
Schon in der Erstauflage waren naturgemäß viele der im Buch zusammengefassten Jubiläen und sonstigen Stichtage längst wieder „gealtert, nicht veraltet war und ist jedoch die eigentliche „Geschichte
, auf die sich die einzelnen Beiträge beziehen. Also blieben alle Texte so, wie sie waren – einschließlich des damaligen Vorwortes.
Der Herausgeber hat allerdings dort, wo es ihm angebracht erschien, in kurzen Anmerkungen die „Geschichte(n)" quasi fortgeschrieben – zum besseren Verständnis und mit Blick auf die heutigen Gegebenheiten.
Wer weiß – vielleicht ereilt ja diese Neuausgabe das gleiche erstaunliche Schicksal wie ihre Vorgängerin…
Hans-Dieter Weber
VORWORT
Paul Zurniedens „Bonner Geschichte(n)" gehören für mich seit Jahren zu den Artikeln im General-Anzeiger, die ich mir ausschneide, weil ich sie lesen oder noch einmal nachlesen, also auf sie zurückgreifen will. Mit der Lektüre seiner vielfältigen Themen kommt man der Stadt und ihrer historischen Entwicklung näher. Er setzt damit eine Arbeit fort, die er schon vor vielen Jahren als Pressechef der Stadt begonnen hatte, als er gerade auch für uns Bundesbonner ein sympathischer und begabter Kommunikator war. Er verstand es, das Lokale mit dem Rheinischen und das Rheinische mit der Nation in Verbindung zu bringen. Paul Zurnieden ist für mich ein Historiker mit dem Gespür für Wesentliches und ein Journalist mit dem Sensus für Interessantes, das er kurzweilig zu beschreiben versteht.
Das Kästchen mit den ausgeschnittenen Artikeln von Paul Zurnieden ist nach dem vorliegenden Band über Begebenheiten, Anekdoten und Lebensbilder entbehrlich geworden. Ich kann nun nachschlagen, weshalb vor über 400 Jahren bayerische Truppen die Godesburg sprengten, welche Rolle die Habsburger spielten und warum Bonn und das Rheinland preußisch wurden. Paul Zurnieden verfolgt die Bonner Wege von Schumann und Beethovens Mutter, registriert das Bonner Wirken von Kinkel und Schinkel; man kann bei ihm nachlesen, wie Bonn zur Hauptstadt gewählt wurde, wer früher im Palais Schaumburg, dem alten Kanzleramt, lebte und vieles mehr.
Bravo und Dank an Autor und Verleger.
Reinhard Appel (Bonn, 1994)
Reinhard Appel gehörte zu Bonns Hauptstadtzeiten zu den bekanntesten Journalisten. Er arbeitete für die Stuttgarter Zeitung als Korrespondent, war drei Jahre lang Intendant des Deutschlandfunks und von 1976 bis 1988 Chefredakteur des ZDF. Der gebürtige Schlesier wurde mit der Zeit ein leidenschaftlicher Bonner – präziser gesagt: Kessenicher. Appel ist im Jahr 2011 im Alter von 84 Jahren verstorben.
SELBST DAS BONNER MÜNSTER STAND DAMALS UNTER WASSER
Rheinfluten brachten am 27. Februar 1784
„gräuliche Verwüstungen und äußerste Armut"
Dass der Bundestag mit einer gewissen Regelmäßigkeit nasse Füße bekommt, daran hat man sich inzwischen gewöhnt. Gerade vor ein paar Tagen noch zeigten Fernsehen und Zeitungen Bilder, wie das Wasser des Rheins die Straße vor dem Bundeshaus überflutet hatte und die Wellen des Flusses schon gefährlich bis zu den rheinwärts gelegenen Türen des „Hohen Hauses" schwappten. Im vergangenen Jahr meldete das Bonner Parlamentsgebäude gleich zweimal Land unter. Noch aber hat es Deutschlands Strom in der 35-jährigen Geschichte der Bundesrepublik nicht fertiggebracht, das Parlament lahmzulegen. Bisher blieb es dabei, dass fast jedes Jahr einmal die Eingänge vom Rhein aus gesperrt werden mussten und der Bundestagspräsident seine Diensträume nur auf Umwegen erreichen konnte.
Noch haben die Experten nicht ermittelt, was denn aus dem Bundestag geworden wäre, wenn ein Hochwasser wie vor 200 Jahren Bonn überflutet hätte. Im Jahre 1784, am 27. Februar, kam es in Bonn, wie am ganzen Mittel-und Unterrhein mit seinen Nebenflüssen, zu einer Hochwasserkatastrophe, von der Zeitgenossen berichtet haben, niemand, der sie erlebt habe, könne an sie ohne Schrecken denken. „Greuliche Verwüstungen, äußerste Armut, schierer Hunger, gewaltsamer Tod zeichneten, so der Zeitgenosse Professor Johann Leonhard Thelen aus Köln in einer ausführlichen Nachricht „von dem erschrecklichen Eisgange und den Überschwemmungen des Rheins im Jahr 1784
, den Winter dieses Jahres aus. Das Wasser des größten Stromes Deutschlands erreichte damals den Pegelstand von 14,30 Metern und schwappte im Bonner Münster. Als Zeuge befindet sich eine Hochwassermarke an der Treppe im Kreuzgang des Münsters.
Die Chronisten dieses jetzt genau 200 Jahre zurückliegenden Naturereignisses berichten dazu folgendes: Im Dezember des Jahres 1783 wechselten scharfer Frost und Tauwetter. Diese Witterung brachte das Eisschollentreiben mit sich. Die Mosel und auch Teile des Rheines bei St. Goar waren zeitweise mit einer festen Eisdecke überzogen, die bei „gelinder Witterung wieder brach und die Flüsse hinabtrieb. „Der Wetterwechsel führte uns also das Eis aus dem Oberrheine und Nebenflüssen von Tage zu Tage in solcher Menge zu, dass die Schollen sich gleichsam wie Berge aufhäuften; die durch ihre eigene Last gedrücket, vielerorts niedersanken und den gewöhnlichen Lauf des Stromes hemmeten.
Von Ende Januar bis zum 25. Februar war der Rhein bei Bonn so fest zugefroren, dass man mit schwerbeladenen Karren darüberfahren konnte. Auf dem Eis wurde Markt abgehalten. Bei einer Messung der Eisdecke am 22. Januar wurde eine Stärke von drei bis vier Metern festgestellt.
Als dann am 22. Februar große Regengüsse niedergingen, bahnte sich die Katastrophe an. Das Wasser stieg, und am Aschermittwoch, dem 25. Februar, brach der Rhein los. Die Wassermassen konnten wegen des Eises nicht abfließen. In der Nacht auf den 27. Februar erreichte die Flut ihren höchsten Stand. Die Rheinschiffmühle wurde vom Wasser und Eis gegen die Stadtmauer getrieben. Diese stürzte samt drei an sie angebauten Häusern ein.
Besonders schwer getroffen wurde Beuel. Über hundert Häuser zerstörte das Wasser, teilweise wurden sie völlig hinweggetrieben. In den zum Rhein gelegenen Straßen der Stadt trieben große Eisschollen, „die man dann später durch die Arrestanten aus dem Zuchthaus hat müssen zerschlagen lassen". Ein Flügel eines Stadttors war weggeschwommen, das städtische Schlachthaus und die Rheinwerft waren beschädigt.
Die Schäden und die Not waren so groß, dass die Obrigkeit eingreifen musste. Der Stadtrat stellte im Arbeitshaus und in Kasernen Notunterkünfte für 50 Menschen bereit. Der Kurfürst Friedrich ließ durch eine Sonderkommission insgesamt 150 Kronentaler, die zu einem Drittel bei den Mitgliedern des Rates und des Zwölferkollegiums gesammelt worden waren, an Geschädigte verteilen. Neben dieser Sonderkommission für Bonn setzte der Kurfürst für das Erzstift eine Entschädigungskommission ein, die im Mai die ihr zur Verfügung stehenden Mittel auf die Stadt Bonn, das Amt Bonn, Königswinter, Unkel, Erpel, Stadt und Amt Linz, Andernach und Beuel verteilte. Die größte Summe erhielt das Köln gegenüberliegende Deutz, nämlich 13146 Reichstaler. Beuel lag mit 11234 Reichstalern knapp dahinter. Für Bonn wurden 1935 Reichstaler Entschädigung gezahlt. Soweit die Katastrophen-Geschichte von 1784.
Im Zusammenhang mit dem zweimaligen Hochwasser des Rheines im vergangenen Jahr haben jetzt die Wissenschaftler Ulrich Schröder und Heinz Engel von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz eine Untersuchung angestellt. Im Ergebnisbericht heißt es unter anderem, allgemein liege die Wiederkehrzeit von Hochwassern, die bereits als katastrophal gelten, teilweise unter 20 Jahren. Und weiter: „Trotzdem ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass die Betroffenen vielfach durch neue Ereignisse überrumpelt werden und das als ungewöhnliche Katastrophe empfinden, was eigentlich eine mit Daten belegte ‚Normalität‘ darstellt. – Der Bundestag liegt seit 35 Jahren mit der „Normalität
gelegentlich nasser Füße am Rhein.
DER RHEIN UND DER „SCHÜRMANN-BAU"
In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es gleich zwei der sogenannten „Jahrhundert-Hochwasser" – 1993 und 1995. Beide Male war der Pegel (Köln) bis auf 10,63 bzw. 10.69 Meter angestiegen. Auch weite Teile von Bonn waren betroffen, vor allem das rechtsrheinische Beuel und das linksrheinische Graurheindorf. Die Schäden gingen in die Millionen – vor allem das zweite Hochwasser vernichtete vieles von dem, was nach dem ersten mühsam wieder hergerichtet oder neu gebaut worden war.
Doch vor allem das Hochwasser von 1993 bleibt den Bonnern besonders im Gedächtnis, sorgte es doch für ein weiteres Kapitel in der an Pleiten, Pech und Pannen nicht gerade armen Bau-Geschichte der Bundestadt. Das Stichwort heißt: „Schürmann-Bau, so genannt nach dem Kölner Architekten Joachim Schürmann. Der Name steht für ein Gebäude, das in der Gronau in unmittelbarer Nähe zum damaligen Bundestag zusätzlich zum „Langen Eugen
neue Büroräume für die Abgeordneten bereit stellen sollte.
Sollte. Denn dazu kam es nie. 1989 wurde mit dem Bau begonnen, dessen Fertigstellung für 1995 geplant war. Doch dann kam einiges dazwischen: Zum einen die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und damit zusammenhängend der Beschluss von 1991, die Bundeshauptstadt nach Berlin zu verlegen – womit die angedachte Nutzung eigentlich schon mehr oder weniger obsolet geworden war. Und dann kam das Hochwasser vom Dezember 1993.
Der Rhein stieg und stieg – und brachte schließlich den schon weit fortgeschrittenen Rohbau des Schürmann-Baus ins Schwimmen. Die Baustelle-Verantwortlichen hatten es (angeblich wegen Kompetenzgerangels) unterlassen, die Keller des etwa 300 Meter langen Komplexes rechtzeitig zu fluten. Als der Rhein wieder in sein Bett zurückkehrte, stand der Rohbau noch an seinem Platz, doch leider krumm und schief und ziemlich geknickt. Ein Millionenschaden.
Schließlich wurde nach vielen Jahren voller Klagen und Gegenklagen und Prozesse 1997 die Sanierung und der Weiterbau des Gebäudes beschlossen. Im Jahr 2000 feierte man Richtfest, 2002 die Fertigstellung. 2003 zog dann der deutsche Auslandssender „Deutsche Welle", bis dahin in Köln beheimatet, in den Schürmann-Bau ein – für Bonn sicherlich nicht die schlechteste Lösung.
Bei Wikipedia steht zu lesen: „Der Schürmann-Bau gilt mit geschätzten 700 Millionen Euro als eines der teuersten Gebäude der deutschen Nachkriegsgeschichte."
Nach diesen beiden „Jahrhundertfluten" in schneller Folge sagten etliche Klimaforscher voraus, solche Ereignisse würden in Zukunft weniger die Ausnahme, eher die Regel sein. Doch in den fast 20 Jahren seither hat es nie wieder ein Hochwasser dieser Dimension gegeben. Und so darf es auch gerne bleiben. Dennoch hat die Stadt Bonn, auch gefördert durch Landes- und Bundesmittel, in den letzten Jahren den Hochwasserschutz vorangetrieben, vor allem mit dem Ausbau der Dämme und Deiche im Stadtbezirk Beuel.
In den Schürmann-Bau ist 2003 die Deutsche Welle (DW) eingezogen
ANFANG VOM ENDE DES BUNDESDORFES
Beethovenhalle wurde am 8. September 1984
ein Vierteljahrhundert alt
Fast wäre die Beethovenhalle in Bonn, die am 8. September 1959, vor genau 25 Jahren also, eröffnet worden ist und im vergangenen Jahr durch Feuer schwer beschädigt wurde, schon vor Baubeginn, einer Überhitzung zum Opfer gefallen. Der Regierungspräsident in Köln als kommunale Aufsichtsbehörde ließ die Stadt Bonn, die am 2. Juni 1956 mit den Ausschachtungsarbeiten für die Halle begonnen hatte, mit Verfügung vom 8. Juni 1956 wissen: „Ich möchte schon jetzt darauf hinweisen, dass… der Bau der Beethovenhalle zurückgestellt werden muss, dass der Bau einer solchen Halle im augenblicklichen Zeitraum, der angefüllt ist von Debatten und Auseinandersetzungen über die sogenannte Überhitzung der Konjunktur… wohl kaum verantwortet werden kann. In diesem Augenblick scheint es mir wenig geraten, gerade in Bonn, dem Sitz der Bundesregierung, mit dem Bau einer solchen Halle mit einem Kostenaufwand von über acht Millionen Mark zu beginnen."
Die Baustelle Beethovenhalle im Jahre 1957
Diesem Machtwort des Regierungspräsidenten war ein jahrelanges Hin und Her um die Frage des Standortes, die Nutzung und die Finanzierung der neuen Halle vorausgegangen. Der Rat der Stadt hatte unter drei Standorten zu wählen: der Gronau im Regierungsviertel, an der Stelle, wo früher die Bonner Stadthalle gestanden hatte, im Volksmund „Bierkirche genannt; dem Platz des im Kriege zerstörten Hotels Königshof am Hofgarten und der Fläche am Rhein, auf der noch die Trümmer der zerbombten Universitätskliniken standen, dem heutigen Platz der Beethovenhalle also. Der Entschluss des Rates, die Halle am heutigen Standort zu errichten, war in der Bürgerschaft sehr umstritten. Er wurde damals von Bürgergruppen leidenschaftlich bekämpft. Das führte zu Verzögerungen des Baubeginns, zur Verunsicherung möglicher Geldgeber. Was das Bauprogramm anbetrifft, wollten sich manche Verantwortliche im Interesse eines schnellen Baubeginns und in Erinnerung an die alte, am 18. Oktober 1944 zerbombte Beethovenhalle mit einem Konzertsaal, einer „Kulturscheune
zufriedengeben. Perfektionisten vertraten das andere Extrem, bei der Gelegenheit ein großes Kulturzentrum mit Theater, Kunsthalle, Museen und Konservatorium zu schaffen. Nüchternes Nachrechnen und das dringende Bedürfnis, in der Bundeshauptstadt zusammen mit dem Konzertsaal eine Stätte für Tagungen, Kongresse und gesellschaftliche Veranstaltungen zu schaffen, führte zu der dann schließlich verwirklichten Entscheidung, zur Planung einer Konzert-und Tagungshalle.
Die Stadt Bonn, ohne jede finanzielle Unterstützung von Bund und Land für die ihr als Bundeshauptstadt zugewachsenen Aufgaben, konnte sich zudem den „Luxus", Millionen für eine Beethovenhalle abzuzweigen, jahrelang nicht leisten. Sie hatte andere Sorgen. Auf eigene Kosten musste sie in dem ersten Jahrzehnt nach ihrer Wahl zur Bundeshauptstadt Wohnmöglichkeiten für den Zuzug eines Heeres von Bundesbediensteten erschließen, für deren Kinder Schulen bauen, Versorgungsnetze ausbauen, Sporteinrichtungen schaffen und angesichts der lawinenartig anschwellenden Motorisierung versuchen, wenigstens die wichtigsten Verkehrswege zu bauen oder zu erweitern. Ärgerlich für die Stadt und ihre Bürger, sich dabei unablässig auch noch herbe Kritik wegen angeblicher Provinzialität und kommunaler Unzulänglichkeit anhören zu müssen. Der Bau und die Einweihung der Beethovenhalle brachten den Durchbruch.
Dem waren seit spätestens 1950 Diskussionen und Anstrengungen verschiedener Art vorangegangen. Weil die Stadt selbst kein Geld für eine Beethovenhalle hatte, verkaufte die Bonner Rundschau papierene „Bausteine" im Wert von 100 Mark, wobei Bundespräsident Theodor Heuss den ersten Stein erwarb. Bürger gründeten einen Stifterverband, der sich der ideellen und finanziellen Förderung des Wiederaufbaus der Beethovenhalle widmete. Die berühmte Pianistin und Bonner Ehrenbürgerin Elly Ney veranstaltete im In- und Ausland Konzerte zur Finanzierung der Beethovenhalle. Der Pianist Andor Foldes gab am 5. Dezember 1956 in der Carnegie Hall in New York ein Sonderkonzert zur Spendenwerbung für die Beethovenhalle.
Am 10. März 1956 hatte sich unter dem Vorsitz von Bundespräsident Theodor Heuss und des damaligen Bonner Oberbürgermeisters Peter Maria Busen das Kuratorium für den Wiederaufbau der Beethovenhalle konstituiert, dem 47 Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland angehörten, darunter Edouard Herriot, Präsident der französischen Nationalversammlung, der Wiener Oberbürgermeister Jonas, Künstler wie Claudio Arrau, Elly Ney, Yehudi Menuhin und auch Albert Schweitzer. Als der Regierungspräsident seinen Baustop Anfang April 1957 aufhob, wurde am 15. April mit den Bauarbeiten begonnen. Ein Preisgericht hatte bereits im August 1954 den internationalen Architektenwettbewerb entschieden, an dem sich 109 Architekten beteiligt hatten, und den Scharoun-Schüler, den damals 28-jährigen Siegfried Wolske aus Hamburg, zum ersten Preisträger bestimmt. Der Rat hatte sich im März 1955 für diesen Entwurf ausgesprochen.
Von den Baukosten von 9,5 Millionen Mark trug die Stadt 6,5 Millionen. Eine Million war durch Spenden zusammengekommen. Sensationell jedoch war die Tatsache, dass erstmalig der Bund sich an einem städtischen Vorhaben finanziell beteiligte und wie das Land Nordrhein-Westfalen eine Million Mark beisteuerte.
Briefmarken-Sonderblock der Bundespost
Als die Halle dann, nach zweieinhalbjähriger Bauzeit, am 8. September 1959 eingeweiht wurde, konnten die Stadtverwaltung, der Rat und die Bonner selbst mit Erstaunen feststellen: Die Beethovenhalle wurde der Anfang vom Ende des Bundesdorfes. Beim Festakt anlässlich der Einweihung erschien höchste Prominenz, darunter der