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Die Falle
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eBook88 Seiten1 Stunde

Die Falle

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Über dieses E-Book

Der Band erzählt zehn zum Teil heitere, zum Teil nachdenklich machende Kurzkrimis aus deutschsprachigen Landen. Von Norderney über den Bodensee bis nach Tirol, von Köln bis Erfurt reicht der Reigen der Orte, an denen kleinere und größere Gauner ihrem Handwerk mehr oder weniger erfolgreich nachgehen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Apr. 2013
ISBN9783847634218
Die Falle

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    Buchvorschau

    Die Falle - Attila Jo Ebersbach

    Eine Zwei mit sechs Nullen

    Heinrich August Siebert war ein rechtschaffener Mann. Vertrauenswürdig, sittlich gefestigt und unbescholten. Kundenberater bei einer großen Sparkasse in der Darmstädter Innenstadt. Ein Mann, korrekt vom Scheitel bis zur Sohle, wie man so sagt. Dazu grundehrlich und loyal.

    Zumindest bis vor Kurzem.

    Er war Anfang fünfzig, hager, mittelgroß und trug das schüttere, zu einem undefinierbaren Grau verblasste Haar sorgsam von einer Schläfe zur anderen gekämmt, um damit die voranschreitende Glatze zu verbergen. Sein Mund war schmal, die Nase ein klein wenig zu spitz, und seine Haut sah immer aus, als habe er die vorherige Nacht freiwillig im Leichenschauhaus verbracht.

    Seine stets etwas zu weiten mausgrauen Anzüge kaufte er, des Portos wegen immer drei Stück auf einmal, im Versandhandel. Ebenso seine weißen Nylonhemden und die dezent gestreiften Krawatten.

    Ein liebend Weib war ihm bislang versagt geblieben. Obgleich sonst mit sich und der Welt zufrieden, war dies eines der wenigen Dinge in seinem Leben, mit denen er sich noch nicht ganz abgefunden hatte. Immer wieder versuchte er mit Kolleginnen anzubandeln, doch ein ums andere Mal scheiterte er. Er war nun mal für die Damenwelt nicht attraktiv genug.

    So lebte er ein wohlgeordnetes, fehlerloses, aber langweiliges Leben ohne Höhen und Tiefen vor sich hin und ließ die Uhr seinen Tagesrhythmus bestimmen: Jeden Morgen stand er zur gleichen Zeit auf, benötigte genau dreiundzwanzigeinhalb Minuten für Morgentoilette und Frühstück, fuhr mit der Straßenbahn zur Arbeit, aß mittags um die gleiche Zeit am gleichen Stehimbiss eine Wurst – an „geraden Tagen eine Bratwurst, an „ungeraden eine Currywurst – kam jeden Tag um die gleiche Zeit nach Hause in sein Reihenhäuschen am Rande der Stadt, bereitete sein Abendbrot zu und ging pünktlich nach der Tagesschau zu Bett. Und er war stolz darauf, dass es in seinen fast 35 Berufsjahren nicht die geringste Unregelmäßigkeit an seinem Arbeitsplatz gegeben hatte.

    Bis er plötzlich eines Tages die Tristesse und Freudlosigkeit seines bisherigen Lebens vor Augen geführt bekam. Ein Kunde, den er wegen dessen zwielichtigen Geschäften zutiefst verachtete, amüsierte sich – selbst braun gebrannt – über sein blasses Aussehen und fragte ihn süffisant, warum er denn nicht mal Urlaub bei kaffeebraunen Señoritas mache und sich von ihnen verwöhnen lasse. Ob er ihm vielleicht ein paar Prospekte besorgen solle. Und er erzählte ihm lachend von seiner letzten heißen Eroberung an der Copa Cabana.

    Von der überheblichen, herablassenden Art dieses Kunden zwar angewidert, kam Siebert dennoch ins Grübeln und besorgte sich noch am gleichen Tag in einem Reisebüro um die Ecke Prospekte von Urlaubszielen jenseits des Meeres.

    Die studierte er am Abend ausgiebig und war sichtlich von den verlockenden, ein sorgloses Leben unter Palmen und in Gesellschaft heißblütiger Señoritas vorgaukelnden Bildern beeindruckt. Ein paar Abende lang kämpfte er mit seinen Grundsätzen. Je öfter er sich jedoch in die Prospekte vertiefte, desto mehr stieg der Drang nach Veränderung in ihm auf. Bis er nach einer schlaflosen Nacht zu einer Entscheidung kam und beschloss, nun auch bald weit weg ein neues Leben zu beginnen.

    Hans, der Portier, war der Erste, der Sieberts Verwandlung bemerkte, als dieser sich anschickte, das Bankgebäude zu verlassen. Irritiert verkniff er sich daher sein übliches „Auf die Minute, Herr Siebert! Schönen Feierabend!" und ließ Siebert schweigend passieren. Angespannt stierte der vor sich hin und hielt seine dünne, abgewetzte Aktentasche vor die Brust gepresst. In der Drehtür schaute er sich ängstlich um; dann eilte er aus dem Gebäude.

    Willy Nickmann, der Straßenbahnfahrer, war der Zweite, der sich wunderte. Sonst hatte Siebert stets ein paar freundliche Worte mit ihm gewechselt, sich auf seinen Stammplatz schräg hinter ihm gesetzt und Zeitung gelesen. Aber heute war er wortlos an ihm vorbeigestürmt und hatte sich auf der hintersten Bank in die äußerste Ecke verkrochen. Was war los mit seinem Fahrgast? Mittlerweile kannten sie sich doch auch schon ein paar Jahre. Achselzuckend brachte Willy seine Straßenbahn in Fahrt.

    Derweil rutschte Siebert unruhig auf der Bank hin und her und blickte sich ständig ängstlich nach allen Seiten um. Verkroch sich tief ins Polster, als ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht und Sirene die Bahn überholte, und stieß hörbar erleichtert die Luft aus, als dieses nach links in eine andere Straße abbog.

    An seiner Haltestelle angekommen stürzte Siebert grußlos aus der Bahn, überquerte rasch die Fahrbahn und eilte zu seinem Reihenhaus. Er hastete die Stufen hoch, immer zwei auf einmal nehmend. Zog im Schlafzimmer einen bereits gepackten Koffer aus dem Schrank, öffnete ihn und stopfte den Inhalt seiner Aktentasche zwischen Socken und Wäsche. Fünftausend US-Dollar in Fünfzigern. Ein Bündel Zehner und Einer steckte er in die Brieftasche. Dieses Geld musste fürs Erste reichen, bis er an das andere, das große Geld kam. Jene zwei Millionen Dollar, die er heute noch kurz vor Dienstschluss auf eine Bank auf den Bahamas transferiert hatte.

    Er musste, ganz gegen seine Gewohnheit, grinsen, als er an den gelungenen Coup dachte, der ihn nun bald zu einem freien Mann machen würde. Zu einem reichen freien Mann. Und ihm fiel auf, dass es wie Fesseln von ihm abfiel und sich eine seltsame, noch nie gefühlte Leichtigkeit seiner bemächtigte. War er bereits ein anderer Mensch geworden? Hatte die Aussicht auf das viele Geld ihn schon verändert?

    Fast schien es so.

    In größter Eile duschte er, zog frische Wäsche und Kleidung an und rief ein Taxi. Aus alter Gewohnheit vergewisserte er sich, dass alle Fenster geschlossen und Herd und Geschirrspüler abgeschaltet waren. Sorgsam verschloss er die Haustür und stieg in das Taxi. In knapp einer halben Stunde bin ich in Frankfurt, drei Stunden später in London, dachte er während der Fahrt zum Darmstädter Hauptbahnhof. Und von dort würde es nur noch etwa zehn Stunden dauern, bis er in Nassau auf den Bahamas endlich sein neues Leben beginnen konnte.

    Zufrieden lehnte er sich im Sitz

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