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Cuba Linda: Stories 3
Cuba Linda: Stories 3
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eBook192 Seiten2 Stunden

Cuba Linda: Stories 3

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Über dieses E-Book

In diesen Geschichten führt uns Hans Herbst direkt hinein in den kubanischen Alltag, fernab jeglicher Klischees. Er hat eine große Liebe zu den Menschen und ihrer Musik und einen ebenso großen Abscheu vor jedem totalitären Regime. Der Weltenbummler kann sich hier von seiner besten Seite zeigen: "Cuba Linda" ist eine Hommage an die Menschen in Kuba, zeigt aber auch die Kehrseite der Medaille, die eben nicht so hübsch blankpoliert ist wie bei Buena Vista Social Club.
SpracheDeutsch
HerausgeberPENDRAGON Verlag
Erscheinungsdatum17. Feb. 2012
ISBN9783865322937
Cuba Linda: Stories 3

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    Buchvorschau

    Cuba Linda - Hans Herbst

    Das Rumherz

    Kuba, Havanna 1991

    El Africano sah den jungen Mann als Erster. Sie nannten ihn so, weil er sehr schwarz war und irgendeine Rolle bei den Santerias spielte.

    »Sieh dir das an«, sagte er und deutete nach vorn durch die verschmierte Scheibe.

    Sein Partner hob den Blick von der Zigarette, die er aus Granma-Papier drehte, und folgte mit den Augen dem ausgestreckten Zeigefinger.

    »Könnte was dran sein«, sagte er und fuhr mit der Zunge über das Papier.

    Der Afrikaner ließ den Wagen an.

    Der junge Mann ging langsam die Infanta hinunter in Richtung Malecon. Er hielt den Kopf gesenkt, aber ihm entging nichts. Über seiner linken Schulter trug er eine Tasche mit der Aufschrift einer ausländischen Sportartikelfirma. Als er den Polizeiwagen aus der Calle D in die Infanta einbiegen sah, wusste er, das er etwas falsch gemacht hatte.

    Er hätte diese auffällige Tasche nicht mitnehmen sollen. Er sah, dass der Wagen von der Brigada Especial war. In ihr dienten die Härtesten und Grausamsten und dabei die Intelligentesten. Sie fuhren auf der anderen Straßenseite langsam in Richtung Cerro, und er dachte, dass alles in Ordnung war. Er zwang sich, nicht den Kopf zu drehen und ging schneller.

    Am Ende der Straße, hinter dem Malecon, sah er das Meer, grau, mit hohen Wellen und weißer Gischt, die über die Ufermauer drängte. Der Himmel darüber war niedrig, fast schwarz. Es war Dezember und sehr stürmisch und kühl. Als er das Motorengeräusch hinter sich hörte, wusste er, dass nicht alles in Ordnung war. Er lächelte ein wenig und fühlte sich müde.

    Sie stoppten ihn vor dem schmutzigblauen Gebäude von Radio Progreso – eine weiße Hand, die sich ihm durch das Seitenfenster des Wagens entgegenstreckte und eine nachlässige Geste vollführte. Er blieb stehen und sie stiegen aus. Sie kamen ihm irgendwie lächerlich vor in ihren zu engen blauen Uniformen. Es war ihnen verboten, dick zu werden, weil es keinen Stoff gab, um sie neu einzukleiden. Ihre Augen und die tschechischen Automatiks an ihren Hüften waren so lächerlich wie der Tod. Er stand still und sah ihnen entgegen.

    Der afrikanisch aussehende Mann war klein und hager und hatte drei Streifen auf dem Ärmel, der andere war ein Weißer mit hellen Augen und zwei Streifen. Sie bewegten sich, als hätten sie alle Zeit der Welt.

    »Wie heißt du?«, fragte der Afrikaner.

    »Juan Velasquez«, sagte der junge Mann. Er war spanischer Abstammung und der Afrikaner nahm es wahr. Er sah es in seinen Augen.

    »Was hast du in deiner Tasche?«

    Juan Velasquez biss sich auf die Unterlippe und wich den Augen des Mannes aus. »Mein Herz«, sagte er leise.

    Der Weiße lachte. Es klang nicht spöttisch oder bedrohlich, er stand einfach nur da, mit den Händen an den Hüften, und lachte. Der Afrikaner bewegte eine Hand, und Juan gab ihm die Tasche.

    »An den Wagen.«

    Er kannte die Zeremonie, er legte beide Hände gegen die Dachkante und spreizte die Beine. Der Weiße hörte mit dem Lachen auf und klopfte ihn ab, und als er das Schweizer Messer fand, sagte er: »Ein Luxuskubaner.« Seine Stimme war tief und dunkel und ohne die üblichen harten Kanten. Juan Velasquez spürte Kälte zwischen den Schulterblättern, die langsam über sein Rückgrat kroch. Er starrte angestrengt über das Dach des Polizeiwagens und sah die Cafeteria Las Vegas auf der anderen Straßenseite mit der Schlange von Leuten davor. Es schien Kaffee zu geben. Einige blickten kurz herüber und drehten sich dann schnell wieder weg.

    »Oka«, hörte er die dunkle Stimme. Er löste sich von dem Wagen und wandte sich um.

    Der Weiße hielt sein Messer und seinen Ausweis in den Händen und der Afrikaner zog den Verschluss der Tasche auf.

    »Wie ich’s mir gedacht habe«, sagte er ruhig, »ein mieser kleiner Schwarzhändler.«

    Eine Flasche vom besten Añejo-Rum verließ die Sporttasche und der Afrikaner stellte sie mit dramatischer Langsamkeit auf die Kühlerhaube des Wagens.

    »Ein echter Kubaner, das muss ich schon sagen. Ein Herz aus Rum. Das hast du ganz nett gesagt, mein Sohn.«

    »So echt ist der gar nicht, ich habe noch nie einen Kubaner getroffen, der so ein Ding in der Tasche hatte, und mit Taschen kenne ich mich aus.«

    Der Weiße hatte das Schweizer Messer aufgeklappt und sein Erstaunen war echt beim Anblick der nützlichen Gerätschaften, die nach und nach aus den roten Griffschalen klickten. Zwei Messerklingen, Dosenöffner, Korkenzieher, Flaschenöffner, eine kleine Schere, eine Säge, Schraubenzieher, Dorn, eine Lupe, Pinzette, Zahnstocher und einiges mehr.

    »Und sein Rumherz hat einen Haken«, sagte der Afrikaner. In seiner Stimme war eine kleine, harte Kante. »Diesen Rum gibt es nur in Devisenläden zu kaufen, und wie dir sicher bekannt ist, dürfen Kubaner keine Dollars besitzen. Wo hast du ihn her?«

    Er war einen Schritt näher getreten und blickte Juan in die Augen. Du würdest es verstehen, wenn ich es dir erzähle, dachte der junge Mann, diese Dinge passieren jeden Tag in Havanna, du kennst sie besser als ich, aber ich muss Celia aus der Sache heraushalten, und was wirklich geschehen ist, würdest du sowieso nicht verstehen.

    Juan Velasquez schloss für einen Moment die Augen und er fühlte den Wind, der an seiner dünnen Jacke zerrte und kalt über seine Haut strich. An einem solchen Tag, mit dem Wind, den sie El Norte nennen, hatte er Celia kennengelernt. Er war von der Arbeit gekommen und am Hotel Habana Libre vorbeigegangen, und sie hatte ihn angesprochen, schüchtern und mit leiser Stimme, eine zierliche Mulata mit grünen Augen. Im ersten Augenblick hatte er sie für eine von den Jineteras gehalten, die immer um das Hotel herumstreichen, aber dann war ihm eingefallen, dass Huren keine Kubaner ansprechen, weil die keine Dollars haben. Und sie benutzte die offizielle Anrede, »Compañero«, Genosse.

    »Compañero, entschuldige, ich kenne mich nicht mehr aus, vielleicht kannst du mir helfen.«

    Er hatte sie angesehen, ruhig und genau, wie es seine Art war, und als er den Wind nicht mehr spürte, hatte er gedacht, wenn hier einer Hilfe braucht, bin ich es, Chica. Als er sprach, achtete er sorgsam auf seine Worte, er wollte alles richtig machen und nichts verderben.

    Sie war vor zwei Tagen aus einem Dorf im Landesinneren gekommen und wohnte bei einer Freundin in La Quintica im Barrio Cerro. Sie hatte sich verlaufen und wusste nicht, welchen Bus sie nehmen musste, um zurückzufahren.

    »Gar keinen«, hatte er gesagt und Verstehen und Zustimmung in ihren grünen Augen gesehen. In La Quintica konnte man nicht leben. Wer in dieser Elendssiedlung hauste, die von den Leuten Suciolismo genannt wurde, war ganz unten angekommen.

    »Ich werde mir Arbeit suchen«, sagte sie, »arbeiten kann ich, und wenn ich genug Geld gespart habe, miete ich mir eine Wohnung. Sie muss nicht groß sein, aber sie muss ein richtiges Bad haben.«

    Den Traum vom Bad trug sie mit sich herum, seit sie in einem Film eine Schauspielerin in einer Badewanne gesehen hatte, die ganz mit Schaum gefüllt war.

    »Diesen Schaum muss ich haben, ohne den geht es nicht, und wenn ich eine Tienda überfallen muss, das Zeug muss her.«

    Sie mussten beide lachen, aber er erzählte ihr nicht, dass sie keine Wohnung finden würde. Es gab keine. Wenn sie doch eine fand, würde irgend jemand eine solide Bestechungssumme von ihr verlangen. Und sie würde sehr viel Geld verdienen müssen, um alle nötigen Dinge auf dem Schwarzmarkt einzukaufen. Er sagte ihr nicht, dass sie keine Chance hatte, und diese keine Chance dachte er weiter und weiter und es war schrecklich am Schluss, und er musste es abschütteln wie ein nasser Hund.

    Am Abend hatte sie ihre Wohnung. Sie standen an der niedrigen Ufermauer des Malecon und er hielt sie in seinen Armen, und das Meer unter ihnen war glatt und still, als hätte es den Wind nie gegeben. Die frühe Dunkelheit schützte sie und er konnte ihr alles sagen, was er sich aufgespart hatte für einen solchen Augenblick.

    In der Mittagspause am nächsten Tag fuhr er mit dem Lastwagen der staatlichen Zementfirma, für die er arbeitete, raus nach La Quintica und holte sie ab. Sie freute sich, als er kam, und während der Fahrt nach Centro Habana verwechselte er einige Male die Gänge, es krachte furchtbar in dem alten Getriebe, aber das war nur, weil sie ihn küsste und in seinen schwarzen Locken herumspielte und wunderbare Dinge sagte.

    Als sie in der Calle Espada ankamen, sagte sie: »Ich habe ein bisschen Angst.«

    Er küsste die Innenfläche ihrer Hand. »Das ist ganz natürlich, und wenn du mir genau sagst, wovor du Angst hast, kann ich besser auf dich achtgeben.«

    »Vor deiner Mutter.«

    »Ay, Chica, sie ist eine wunderbare Frau, eine Campesina vom Land mit großem Herzen.«

    »Aber sie ist weiß, und ich bin eine Negerin.«

    »Du bist die hässlichste alte Negerin, die ich kenne und meine Mutter hasst alte Negerinnen, weil die Zigarren rauchen und Rum trinken und auf die Santerias gehen.«

    Für die Dauer eines Wimpernschlags sah er tiefes Erschrecken in ihren Augen, aber dann war es weg und sie sagte: »Du widerlicher Spanier mit deinem widerlichen schönen, weißen Gesicht.«

    Als sie die Wohnung betraten, sagte Juans Mutter: »Komm rein, hija, und fühl’ dich wie zu Hause.« Sie war eine rundliche Frau mit grauen Strähnen in dem schwarzen Haar und Lachfalten in den Augenwinkeln.

    Das Mädchen lächelte und sagte: »Ich danke Ihnen, Señora.«

    Juan zeigte ihr das Zimmer. Es war groß genug für zwei, wenn sie sich lieben, sehr hell, mit roten Vorhängen an den Fenstern, einem kleinen Bücherregal, einem Schrank und einem breiten, bequem aussehenden Bett. Alles sah sehr aufgeräumt und wie frisch geputzt aus.

    An einer Wand hing ein hoher Spiegel mit geschnitztem Holzrahmen. Sie stellten sich davor und fanden, dass sie mit Sicherheit das bestaussehende Paar im ganzen Viertel waren. Nur zum Anziehen braucht sie ganz schnell etwas Neues, dachte Juan, in diesen alten, zerschlissenen Klamotten kann ein Mädchen sich nicht wohlfühlen.

    Er führte sie über den Flur, an dessen Ende er eine Tür öffnete. »Zu Ihren Diensten, meine Dame.«

    Es war ein Bad, rosa und blau gekachelt, mit einer Badewanne, in der zwei Leute, wenn sie gern eng beieinander lagen, ausreichend Platz fanden.

    »Das ist noch schöner, als ich mir vorgestellt habe«, sagte sie leise.

    »Das freut mich, aber es fehlt das Wichtigste.« Sie sah ihn fragend an. »Der Badeschaum.«

    »Du Quatschkopf.« Sie legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn, und der Nachbar von gegenüber, der sie durch das geöffnete Fenster sah, drehte ein bisschen an dem Lautstärkeregler seines Radios. Ein Bolero klang zu ihnen herüber, die weiche, warme Stimme des Brasilianers Roberto Carlos, und sie vergaßen für eine Weile den Badeschaum und einiges mehr.

    Als Juan Velasquez ein paar Tage später wieder klar denken konnte, rief er eine Nummer in Habana Vieja an und fragte nach Manuel. Am Abend klopfte er an die Tür eines verfallenen Hauses aus dem 18. Jahrhundert und eine alte Frau führte ihn in ein anderes verfallenes Haus, in dem er eine längere und ernsthafte Konferenz mit zwei Männern abhielt, die ihm eine Zigarette anboten.

    Am nächsten Abend erhielt er einen Anruf und traf sich mit einem der beiden Männer in der Buchhandlung Maxim Gorki. Von dort fuhren sie in einem alten Buick nach San Francisco de Paula, und als Juan wieder zu Hause war, trieb ihn aufgeregte Eile.

    Er hatte Glück, es gab gerade Wasser. Er traf seine Vorbereitungen, und als er fertig war, rief er: »Es ist angerichtet, Princesa de los ojos verdes.«

    Sie kam herein, und ihre Augen wurden groß. »Du musstest es nicht für mich tun«, sagte sie ohne viel Stimme.

    Er grinste. »Ich hab’s für mich getan.«

    Sie sah ihn an, ein wenig scheu, schamvoll, als gehöre es sich nicht, vor einem Mann im hellen Licht der Lampe die Kleider herunter zu lassen, und er sagte: »Rein mit dir.«

    Seine Stimme klang heiser. Sie knöpfte langsam ihre Bluse auf, streifte sie über die Schultern und ließ sie fallen, immer mit den Augen auf seinem Gesicht, und dann glitt sie aus dem Rock, mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, und aus dem kleinen Nichts, das sie darunter trug.

    Seine Kehle wurde eng. Er erblickte sie so zum ersten Mal außerhalb des Halbdunkels seines nächtlichen Zimmers, sah die vollkommen glatte, dunkle Haut, auf der ein zarter Glanz lag, die filigrane Eleganz der Gliedmaßen, die eine Spur zu lang schienen, und diese apfelförmigen Rundungen, wie sie nur die Mulatas haben.

    Sie trat langsam an die Badewanne, hob das rechte Bein und tauchte die Zehen hinein, vorsichtig wie eine Katze, die ihre Krallen nach etwas Unbekanntem ausstreckt.

    Juan Velasquez setzte sich auf den Rand der Badewanne und über Wolken von Schaum leuchteten sonderbar hell die grünen Augen, und er vergaß sehr schnell, dass er ein Viertel seines Monatslohnes ausgegeben hatte.

    Er musste jetzt mehr verdienen, das war ihm klar.

    Mit den freiwilligen Überstunden, zu denen sie alle im Betrieb verpflichtet waren, brachte er es auf 160 Pesos. Die Hälfte davon gab er seiner Mutter. Den Rest schluckte der Schwarzmarkt. 10 Pesos für eine Schachtel Zigaretten Populares, die offiziell 1,60 kostete, 40 Pesos für eine Flasche gepanschten Rum. Manchmal erwischte er ein halbes Huhn oder ein Pfund Bohnen. Selten etwas Milchpulver oder gemischten Kaffee. Hinter all diesen bolsa negra-Geschäften stand die Angst vor dem Gefängnis. Er hatte gelernt, damit zu leben, aber oft lag er nachts wach und dachte, dass er es vielleicht schaffen könnte bis Miami. Viele hatten es geschafft, aber viele waren auch ertrunken auf dem Weg nach drüben in ihren kleinen Booten und auf den Flößen und Gummischläuchen. Die meisten wurden von der Küstenwache abgefangen und landeten in Gefängnissen oder Arbeitslagern. Er dachte an seine Mutter und seine Schwester und daran, dass sie den Druck und die endlosen Verhöre nicht durchstehen würden, wenn er sich absetzte.

    Jetzt hatte er eine Sorge mehr, aber die hatte grüne Augen und wenn er sie in seinen Armen hielt, nachts, in dem bequemen alten Bett, war alles gut.

    Er machte jetzt noch mehr freiwillige Überstunden und brachte 190 Pesos nach Hause. Einige Male war er am Steuer des alten Zementlasters fast eingeschlafen. Aber er hatte ein Ziel. Ein Paar Schuhe für sein Mädchen. Dafür brauchte

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