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Irma: Riskante Bühne für Chauffeur Lars Maibach
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Irma: Riskante Bühne für Chauffeur Lars Maibach
eBook316 Seiten3 Stunden

Irma: Riskante Bühne für Chauffeur Lars Maibach

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Über dieses E-Book

Die 93-jährige US-Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Irma
Mitteldorff soll auf ihrer Deutschlandreise in Berlin von
einem Profi-Killer getötet werden. Lars Maibach ist ihr
Chauffeur. Er lernt die Lebensgeschichte der alten Dame
und die Gründe für ihre Auswanderung aus dem Nachkriegsdeutschland
in die USA immer besser kennen.
Während der Killer zum Schlag ansetzt, sind ihm längst die
Geheimdienste auf der Spur. Irmas Reise nach Deutschland
wird aber noch von einem anderen Geheimnis
begleitet.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum24. Nov. 2013
ISBN9783847662587
Irma: Riskante Bühne für Chauffeur Lars Maibach

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    Buchvorschau

    Irma - Michael Tycher

    New York

    Winzig wirken die Miniaturbäume im Kontrast zu den beiden Wolkenkratzern. Die Ecke Albany Street und South End Avenue gehört zur Battery Park City am südlichen Ende Manhattans nicht unweit vom World Trade Center und ist eines der besseren Büroviertel in New York City. Hier werden unfassbare Gewinne erzeugt und Reichtum gesammelt, Kriege angezettelt und Börsen beeinflusst. Jeden Morgen, wenn Caiden die Büroräume der LCSCN Consulting Group betritt, Fahrer und Limousine sich entfernen, schüttelt er den Kopf über diese lächerlichen Straßenbäume.

    Caidens Aufstieg begann als Investmentbanker, mit ein paar geschickten Schachzügen und mit schmierigen Kontakten zu Politik, Militär und Kultur machte er sich in den achtziger Jahren selbstständig und sahnte glänzende Gewinne ab. Nach wenigen Jahren galten seine Investitionsstrategien als bares Gold. Es waren nicht nur sein goldenes Händchen und die hervorragenden Verbindungen, die ihm immer zum Erfolg verholfen haben. Es war auch der Wille, Dinge zu steuern oder zumindest so weit zu beeinflussen, dass Profite entstehen konnten. Vorzeitige Kenntnisse und die passende finanzielle Investition seiner Klienten bei einem Militärputsch in Südamerika oder einem Umsturz in Afrika und schon wurden Rohstoffe anders bewertet. Ja, Caiden hatte das Abzocken im Griff, der zweimalige Crash an den Börsen zählte zu seinen besten Zeiten, zumindest finanziell. Es wurde Kasse gemacht. Jetzt steht die LCSCN Consulting Group mit ein paar Partnern, die in Caidens Augen bessere Deppen sind und minimale Anteile am Ganzen besitzen, bestens aufgestellt da und greift nach den Gewinnen der neuen vernetzten und digitalisierten Welt, nach den Sternen. Mit Mitte sechzig mag er sich nicht mehr an allen Fronten kampfbereit präsentieren, das können seine Adlaten machen, doch seine Finger nimmt er nicht aus dem Spiel.

    „Guten Morgen, Mr. Caiden!"

    Mrs. Roonberg, die Empfangsdame von LCSCN, eine Bilderbuch-Blondine, deren Kleiderschrank gleichzeitig eine prall gefüllte Boutique sein muss, arbeitet seit fünf Jahren für Caiden und seine Partner. Als Empfangsdame legt sie sehr viel Wert auf ihr Äußeres. Der Glencheckrock im matten Grau liegt die vorgeschriebene Handbreit über ihren Knien und passt vorzüglich zur Bluse in hellrosa. Caiden sieht sie, wenn er in New York ist, nur morgens und abends; er wirft gerne einen Blick auf Roonberg. Die Handbreite sollte er mal vergrößern.

    „Guten Morgen, ich hoffe, es gab die letzten zwei Tage nichts Wichtiges hier?"

    „Nein, Mr. Caiden, alles lief rund. Hatten Sie erfolgreiche Meetings in Singapur?"

    „Alles zu meiner Zufriedenheit, ich bin sehr erfolgreich gewesen", und schon eilt Caiden in sein Büro.

    Dieses Projekt wird mir für alle Zukunft den Rücken frei halten, denkt er. Bestimmte Geschäfte sind auf einen sehr kleinen Personenkreis begrenzt: Auftraggeber, Täter und Opfer. Und prompt reduziert sich dieser Personenkreis um eine Figur.

    Caiden verschließt das Büro und ordnet an, von niemand gestört zu werden, auch von seinen Partnern nicht. Ein frisches Mobiltelefon mit einer ausländischen SIM-Karte, deren Herkunft, Käufer und Weg zu ihm nie verfolgt werden können, startet. Ein paar chinesische Schriftzeichen verraten einen Hersteller. Das Netz ist aufgebaut, Caiden tippt eine SMS hinein:

    „Pl02jslkB23 2903"

    Die Nummer des Empfängers wird hinzugefügt, er hat sie im Kopf, sie hat ihn oft gerettet und große Probleme gelöst. Nachdem die Nachricht gesendet worden ist, schaltet Caiden das Handy aus. Er wird es komplett mit Karte in den East River werfen. Zufrieden öffnet er die Bürotür und ruft seinen Partner Brodney an, er möge antreten.

    Los Angeles (Kalifornien)

    „Irma, could we talk …"

    „Wir sprechen in diesem Hause Deutsch, wenn wir beide alleine sind, liebe Cathy. Du hast es versprochen und ein wenig Kultur kann nicht schaden. Ich will mich nicht über das amerikanische Wesen äußern, also über was möchtest du mit mir reden?"

    Prof. Dr. Irma Mitteldorff ist mit ihren 93 Jahren geistig fit wie kaum jemand in ihrem Alter. Die körperlichen Beschwernisse nimmt sie tapfer hin. Seit einem halben Jahrhundert bewohnt sie dieses Haus, das auffällt, da es mit seinem Landhausstil so gar nicht in das Straßenbild der Coronado Avenue auf Long Beach passen will. Sie und Wilhelm hatten es damals günstig erworben und saniert, heute werden in dieser Lage Schwindel erregende Preise gezahlt.

    „Das mit der Reise, hast du dir das gut überlegt?" Cathy massiert sanft Irmas Rücken, auf dem sich die Spuren eines langen Menschenlebens abbilden. Sie ist nicht Pflegekraft, sie liebt die alte Dame und für ihr Germanistikstudium ist Irma das Beste, was ihr passieren konnte. Es ist eine Win-Win-Situation.

    „Meine Liebe, ich sage es heute, ich habe es vor Wochen schon im Kulturverein gesagt, und ein paar Tage vor der Abreise wird sich daran nichts ändern: Ja, ich reise für ein paar Wochen nach Deutschland! Wollt ihr mich alle etwa fesseln und einsperren in dieses Haus hier?"

    Noch immer kann Irma emotional hochgehen, sich aufplustern. Wenn sie sich mit ihrer zierlichen Gestalt so ins Zeug legt, dann sollte man den Kopf einziehen, denkt Cathy. Sie legt das Massageöl beiseite und tritt vor Irma.

    „Irma, es ist eine lange Reise, alleine schon der Flug, das Ungewisse, und du warst lange nicht mehr in Deutschland gewesen, dort hat sich auch einiges verändert und …"

    „Dass ich bis auf einen kurzen Besuch vor ein paar Jahren zur Beerdigung einer alten Freundin ewig nicht in meiner Heimat gewesen bin, hat andere Gründe, du kennst sie. Aber du willst mir doch nicht weismachen, das Deutschland ein Entwicklungsland ist, nur weil wir hier in den Nachrichten kaum etwas über die deutsche Gesellschaft zu hören bekommen. Kindchen, Baseball und diese Dinge mögen interessant sein, aber die USA sind ein medialer Kokon, der sich vordergründig nur mit sich selbst befasst, das darfst du nicht vergessen. Und dieses tolle Massageöl hier gibt es ganz bestimmt auch in Berlin, frag mal dein Internet ab!"

    Cathy gießt den frisch gepressten Orangensaft in die Gläser und versucht beiläufig zu wirken, aber es ist ihre letzte Karte.

    „Man darf dein Alter nicht unterschätzen …"

    „Was sagst du da?"

    Cathy ist es falsch angegangen.

    „Ich meine wegen der …"

    „Halt, ich habe mit diesem Trottel von Arzt, wie heißt er gleich …"

    „Dr. Warner!"

    „Ja genau, der immer eine so wichtige Miene aufsetzt, wenn er mir ein homöopathisches Mittel verordnet. Der tut dann so, als ob ein verdammt schwerer chirurgischer Eingriff bevorsteht. Ich habe ihn bis jetzt überlebt und seine üppigen Honorare bezahle ich auch. Der wäre im Theater besser aufgehoben und könnte mit seinem Ausdruck in Strindbergs Totentanz als Edgar auftreten, der seine Frau tyrannisiert hat."

    Irma redet sich in Rage, doch sie merkt, dass Herz und Kreislauf dieses Tempo nicht mehr so richtig mitmachen wollen. Sie holt tief Luft und wischt mit einer Handbewegung Cathys Versuch beiseite, das Wort zu ergreifen.

    „Aber genau dieser Heiler, dieser Warner, hat mir attestiert, dass nichts gegen eine Reise spricht. Meine altersbedingten Leiden sind nun mal da und der Tod rückt näher. Jedoch spricht keines dieser Leiden gegen eine Fernreise. Das hat dieser Scharlatan bestätigt und mir die Freigabe erteilt."

    „Was willst du um Gottes Willen alles unternehmen in Deutschland, und wie vor allen Dingen?" Cathy mustert jetzt eindringlich die Miene der alten Dame.

    „Du möchtest doch mitkommen, meine Liebste. Das geht aber nicht, jemand muss auf das Haus aufpassen und die Post überwachen. Ich brauche dich hier. Und in Berlin wartet jemand auf mich, der mich begleiten wird."

    „Was? Wer? Wohin denn begleiten?"

    „Cathy, das mit dem Leben ist wie eine Bergbesteigung. Du kommst in den Jahren immer höher und höher. Dadurch erlangst du mehr Überblick, manche nennen es Weisheit. Den Begriff finde ich übertrieben, aber da ist schon was dran. Und ich bin schon fast am Gipfelkreuz angelangt." Irma legt eine Pause ein.

    Cathy rückt näher ran und beendet endgültig die Massage, versteht aber nicht den Sinn der letzten Worte. Sicher die alte Dame hatte ihr Leben lang mit Kultur, vor allem mit dem Theater zu tun gehabt und neigt manchmal zu theatralischen Ausführungen.

    „Ich glaube nicht, dass du schon am Gipfelkreuz angelangt bist, da gibt es noch einiges zu erleben für dich."

    „Mag sein Cathy, aber ich möchte noch zwei Dingen in meinem Leben geklärt sehen. Ich möchte die Orte sehen, an denen Wilhelm und ich unsere intensivste Zeit verbracht haben, wo wir uns kennen gelernt haben und von wo wir vertrieben worden sind, weil man uns nicht wollte. Es ist kein Schlussstrich, nenne es späte visuelle Bestandsaufnahme! Zufrieden Kindchen?"

    „Nein, du hast von einer zweiten Sache gesprochen, die du klären möchtest. Um was handelt es sich dabei?"

    Irma greift ihren Stock und wackelt in die Küche. Cathy ärgert sich, weil Irma das Gespräch abrupt abgebrochen hat. Sie findet es unverschämt.

    „Das ist nicht fair Irma, du hast mir noch nicht alles erzählt, was ist da noch zu klären?", ruft sie hinterher.

    Irma dreht sich langsam um.

    „Ein schöner Tag heute, wir gehen ein bisschen an den Strand, mit den Füßen im Wasser, man soll viel mehr barfuß im Leben laufen, das sagen …"

    „Professor Mitteldorff!"

    Cathy kann ihre Wut über ihre Geringschätzung kaum verbergen und greift zu Irmas offizieller Bezeichnung, sie weiß, dass die alte Dame das gar nicht mag.

    „Cathy, ich werde es dir erzählen, nicht heute. Es gibt Dinge im Leben, die erzählt man nicht einfach zwischen Massage und Strandspaziergang. Aber ich muss mich von etwas befreien, was mich mein Leben lang begleitet hat. Noch ist der Zeitpunkt dafür nicht gekommen. Und jetzt ist Schluss mit der Diskussion, ich reise nach Deutschland."

    „Okay ich fange nicht wieder damit an, versprochen, aber wie bewegst du dich dort fort? Eine Triathletin bist du ganz sicher nicht?"

    „Brauche ich auch nicht zu sein. Es gibt gewisse Hilfsmittel, die ich mir leisten kann und auf die ich gerne zurückgreife."

    „Ja ???"

    „Hatte mir bei meinen Kurzbesuch in Berlin auch schon sehr geholfen."

    „Du kennst den heißen Brei Irma, wie ihr Deutsche immer sagt. Du redest da jetzt aber ganz heftig herum. Wer ist es?"

    „Ein Chauffeur!"

    Durban (Südafrika)

    Die Saunders Avenue im Stadtteil Isipingo liegt südwestlich der City von Durban. Von dort ist die Entfernung zum King Shaka International Airport noch akzeptabel, ein Autobahnanschluss rundet die günstige Lage ab. Es ist ein Villenvorort, der aber nicht zur Übertreibung neigt. Gediegene Häuser und Apartmenthäuser, eben das, was Pierce als Basis auf der Südhälfte der Erde braucht. Eine unauffällige Tätigkeit als Handelsvertreter einer Software-Entwicklungsfirma für Verwaltungsanwen-dungen mit Sitz in London erklärt viele Reisen, und Fragen nach seiner Tätigkeit werden kaum gestellt. Manchmal ist Pierce für längere Zeit auf Reisen, die Nachbarn haben sich daran gewöhnt, das Verhältnis zu ihnen ist freundschaftlich, aber distanziert. Die gekaufte Wohnung in der Villenanlage ist schlicht eingerichtet, Pierce übernahm sie möbliert und veränderte nur wenig.

    „Hey Pierce, ein kleines Bier haben wir uns doch verdient, oder?" Brodney, der wie Pierce den ganzen Nachmittag im Garten der Anlage Pflanzen beschnitten hatte, möchte den Feierabend einleiten. Für Pierce ist die Gartenarbeit mehr als nur Entspannung. Mit Freude beobachtet er die Natur, betrachtet Pflanzen wie sie wachsen, in ihrer Pracht blühen und wieder eingehen. Es ist wie in einem Menschenleben, manchmal wird nachgeholfen, genau wie in der Natur. Pierce sieht seinen Job in dieser Welt als Menschengärtner, es gibt Verhältnisse, die neu geordnet werden müssen, so wie in einem Blumenbeet.

    „Brodney, ich mache hier nur noch diese Reihe fertig, dann bin ich bei dir."

    Brodney hat als Soldat bei der britischen Royal Navy gedient, jetzt ist er pensioniert und verbringt einen Teil des Jahres mit seiner Frau in Südafrika. Pierce stammt aus Detroit, über seine Zeit bei einer Einheit der US Special Operations Forces gibt er dem alten Brodney nur wenig und verändert Auskunft, obwohl dieser immer wieder neugierige Fragen stellt, man sei ja schließlich ein enger Verbündeter, und zudem arbeitet Pierce für ein englisches Unternehmen.

    „Hier Kamerad, das ist so eiskalt, damit kannst du einen Eskimo noch verblüffen. Haben die bei euch auch in der Army gekämpft?"

    „Danke Brodney, na klar, die Jungs gehören doch zur USA, das weißt du doch."

    „Na, wie waren die drauf?"

    Pierce spürt das sanfte Brummen seines Mobiltelefons in seinen Khaki-Shorts.

    „Sorry, da möchte jemand etwas von mir", erklärt er Brodney und zieht das Gerät heraus.

    „Pl02jslkB23 2903"

    Die SMS enthält nur diese Ziffernfolge. Pierce kennt den Absender, es ist Caiden, der einzige Auftraggeber, den er persönlich kennt. Niemals hatte er bisher Kontakt zu seinen Kunden. Doch Caidens und seine Wege trafen sich, als beide in ihren Geschäften noch nicht zu den Besten zählten. Pierce suchte damals ein neues Betätigungsfeld, in dem er seine Talente neu einsetzen konnte. Heute verflucht sich Pierce dafür, dass ein Mensch auf dieser Welt weiß, dass er nicht Pierce heißt und welches wirklich sein Geschäftsfeld ist.

    „Es riecht nach Arbeit, nicht wahr du alter Profigärtner?"

    „Ja, ich werde morgen abreisen, es gibt ein Problem bei einem Kunden mit seiner Software."

    Pierce lässt das Gespräch mit Brodney langsam aber bestimmt auslaufen, beendet es und verabschiedet sich.

    „Ich wünsche euch eine schöne Zeit hier, ich muss noch einige Vorbereitungen treffen, mein Job soll professionell erledigt werden."

    Der Code „Pl02jslkB23 2903" beruht auf einem System, dass nur sehr wenige Verbindungsleute auf der Welt kennen. Und Pierce ändert ihn in unregelmäßigen Abständen. Sicherheit ist alles, ganz besonders bei diesem Beruf. Die Ziffern bedeuten: Neuer Auftrag, Dringlichkeitsstufe bis drei Wochen, Details hinterlegt in Singapur, Bukit Brown Cemetery, Grabnummer.

    Pierce sollte diesen Übergabeort für zukünftige Aufträge baldigst ändern. Hier heißt es: Dreißig Zentimeter hinter dem benannten Grab findet er in zwanzig Zentimeter Tiefe ein zusammengerolltes und eingeschweißtes Dokument mit Informationen zur Zielperson und dem Ort. Caiden wird alles perfekt und unauffällig abgelegt haben, der Job kann beginnen. Und er wird auch schon die Anzahlung auf seinem Konto haben, Caiden hält sich penibelst an die Regeln. Ein Blick mit dem Tablet auf sein Cayman-Konto bestätigt seine Annahme: 100.000 US-Dollar, Eingang gestern.

    Hamburg

    „Schatz! Ist das Trägerlose nicht ein wenig mutig?"

    Britta sieht darin aus wie ein Traum. Lars weiß gar nicht, warum sich Frauen zum Ausgehen immer so elegant, reizend und toll rausputzen, dass man vor lauter Appetit am liebsten gleich daheim zur Hauptspeise schreiten möchte. Doch leider ist es dann oft so, dass der Abend interessant ist und lang dauert und schließlich fällt die Erotik der Müdigkeit zum Opfer.

    „Du sieht damit hinreißend aus, meine Liebste, ich würde es anbehalten und wenn du nur einen Gedanken daran verschwendest, es jetzt wechseln zu wollen, dann hole ich es dir vom Leib, das geht dann schneller und wir sollten sodann beide etwas Aufregendes davon haben."

    Britta schlüpft in ihre Pumps.

    „Heute Nacht, mein Süßer, wir müssen los, wir sind spät dran."

    Es geht mir, seit ich von Berlin nach Hamburg in Brittas große Eppendorfer Altbauwohnung gezogen bin, richtig gut, denkt Lars erfreut. Britta kennt er schon seit ihrer gemeinsamen Studienzeit, hat sie aber zwischenzeitlich aus den Augen verloren. Erst als er in Schwierigkeiten gekommen ist, weil quasi vor seinen Augen ein Fahrgast abgeknallt wurde, sind sie sich nähergekommen. Die Erinnerungen an diesen Pharma-Fall kommen Lars immer mal wieder. Wie gut, dass er damals Britta an seiner Seite hatte. Aber auch die Juristen Bert und Johann, die beiden anderen Studienfreunde, halfen mit vollem Einsatz bei der Lösung des Falles.

    „Herr Chauffeur! Können wir heute den Polo nehmen oder steht da wieder so eine Angeberkutsche?"

    Britta stichelt ganz gerne, wenn es um Lars Arbeitsgerät geht. Oft nimmt Lars die großen schwarzen Limousinen mit zu Britta. Meist, wenn die Aufträge nahtlos ineinander übergehen oder er einen Fahrgast für längere Zeit betreut und dieser den Chauffeur gerade nicht benötigt.

    „Da muss sich die Starjournalistin mit ihrem Trägerlosen in den Polo setzen, sorry. Zurzeit herrscht Auftragsflaute in Hamburg. Aber am Horizont rollt schon eine Riesenwelle Arbeit auf mich zu. Deshalb genieße ich die autofreie Zeit. Übrigens, würde es mich in höchste Freude versetzen, wenn du das Vehikel fahren würdest. Nicht, dass du das Fahren gänzlich verlernst."

    „Wie fürsorglich du bist, das kann nicht unwidersprochen bleiben, mein Lieber. An deinem Sakko fehlt ein Knopf, ich würde es wechseln. Okay, ich fahre."

    Lars betastet das braune Sakko.

    „Tatsächlich, ich ziehe das graue an, wenn es recht ist?" Schwarze Anzüge kann Lars in seiner Freizeit nicht mehr sehen, es ist seine Berufskleidung.

    „Klar, aber Tempo, wenn ich bitten darf."

    Mit dem Polo geht es zügig in Richtung Hamburger Rathaus. Der prächtige Bau beherbergt die Hamburger Bürgerschaft und den Senat. Britta steuert das Kfz problemlos durch die von Autos geplagte Innenstadt.

    „Was steht da heute eigentlich an? Du hast dich ja ziemlich aufgebrezelt."

    Lars kommt öfter mit zu Brittas Presseterminen, er findet es interessant, wie sie ihre Arbeit macht, und beobachtet gerne die Menschen, die sich dort wichtig tun oder sich einfach für Dinge rechtfertigen, die sie verbockt haben. Bei heiklen Terminen darf er nicht mit, dann sind nur akkreditierte Pressevertreter zugelassen, aber oft genug klappt es. Britta hatte Lars schon mal als ihren Assistenten ausgegeben, das funktionierte problemlos. Wenn es Häppchen oder ein Glas Sekt gratis gibt, dann sagt er nicht nein.

    „Im Rathaus wird heute eine Ausstellung eröffnet. Wir als großes deutsches Nachrichtenmagazin stehen automatisch auf der Presseliste. Wir werden sicher nicht sofort darüber berichten, aber Anwesenheit, gerade bei diesem sensiblen Thema, ist von der Chefredaktion erwünscht."

    „Was für ein Thema? Das klingt ja geheimnisvoll."

    „Die versteckten Juden in Hamburg", erklärt Britta.

    „Während der NS-Gewaltherrschaft wurden die deutschen Juden in die Vernichtungslager nach Osten deportiert. Das Reich sollte judenfrei sein, so wollten es Hitler und seine Mörderbande. Die meisten hat es dann auch erwischt. Entweder sind sie freiwillig zu den Sammelpunkten gekommen und wollten an einen Arbeitseinsatz im Osten glauben oder die Gestapo hat sie gewaltsam abgeholt."

    „Halt Moment mal, es handelt sich also um ein NS-Thema, richtig?"

    „Ja, Herr Chauffeur, sie haben es erkannt. Ich hoffe, das führt weder bei ihnen zu einer intellektuellen Überforderung noch zu dem ‚Ich kann es nicht mehr hören, außerdem war ich nicht dabei."

    Lars fühlt sich ertappt. Genau in diese Richtung wollte er gerade lospoltern. Doch auch er hatte als Chauffeur in Berlin viel mit Juden und Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Holocaust zu tun gehabt. Er erinnert sich an ein altes Pärchen, das er durch die Ausstellung der Wannsee-Villa geführt hatte. Dabei blieb ihm oft fast die Luft weg, als er schwarz auf weiß in den Protokollen der Wannsee-Konferenz nachlesen konnte, wie eiskalt logistisch der Mord an Menschen mit jüdischem Glauben durchgeführt worden ist. Ein paar Tage später ist Lars

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