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Der rasierte Fisch: Management und Intrigen
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Der rasierte Fisch: Management und Intrigen
eBook279 Seiten3 Stunden

Der rasierte Fisch: Management und Intrigen

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Über dieses E-Book

Neid und Machtmissbrauch sind die Parameter, die das Leben des Managers prägen. Kann man davon ausgehen, dass Leistung und Einsatzwille dem engagierten Manager helfen? Diese Frage stellt sich der aus dem Management kommende Autor.
Es scheint so zu sein, dass persönliche Interessen über denen der eigentlich verbindenden Basis eines Unternehmens rangieren.
Richard Benn, ein außerordentlich erfolgreicher junger Manager, wird für einen weltweit operierenden Konzern engagiert und dort für ein Schlüsselprojekt am Standort Berlin verantwortlich. Benns Chef im Vorstand, Dr. Hartweich, ist es bisher nicht gelungen, dieses Projekt erfolgreich zu realisieren. Er möchte aber an den erhofften Lorbeeren partizipieren. Hierzu bedient er sich unterschiedlicher fragwürdiger Mittel.
Ein spannungsreiches Romandebüt über ein Leben auf einem schmalen Pfad zwischen Persönlichkeit und Funktion.
Lorbeeren,spannungsreicher Roman,Pfad zwischen Persönlichkeit und Funktion
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Jan. 2013
ISBN9783847626831
Der rasierte Fisch: Management und Intrigen

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    Buchvorschau

    Der rasierte Fisch - Gert Podszun

    1

    Wieder ein Umzug. Richard Benn packte selbst mit an. Zwölf Stufen bis zum Lift. Die Treppenstufen hier in Valencia waren anders als andere. Anders als in der letzten Wohnung in Berlin. Er hob den von der Schwiegermutter geerbten antiken Spiegel vom Umzugswagen. An einer Stufenkante stolperte er. Das wertvolle Erbstück rutschte in seinen feuchten Händen. Kippte aus seinem Griff. Es klirrte.

    Mit den letzten herunter fallenden glitzernden Splittern und deren Zerknirschen unter seinem Tritt fiel eine Last von ihm. Er dachte an seinen allerersten Umzug, besser den Auszug. Damals. Vor dieser Erbgeschichte. Als er aus dieser fremden Wohnung gehen musste. In Berlin.

    „Das war wie ein Erdbeben!"

    Ihre Worte hatten sich in ihn eingegraben. Mit Wurzeln, die sich rasch in ihm verzweigten und ihre Nahrung fanden. Und er versorgte sie, diese Wurzeln. Auch später noch. Ihm schmeckte diese Nahrung der Erinnerung. Ein Geschmack, wie der Saft einer immer frischen Frucht.

    Sie hatte ihre von der Sommerschwüle schweißnassen Brüste mit beiden Händen bedeckt und war mit einem fordernd zweifelnden Blick erst auf ihn zu und dann an ihm vorbei gegangen. Er hatte damals gewusst, dass er alles zu vergessen haben würde, nicht daran denken durfte und trotzdem daran denken würde. Einen letzten gefühlten Eindruck trug er seitdem wie ein Paket mit sich: sie war ganz nahe zu ihm, aber dann doch an ihm vorbei gegangen. Der Duft ihres Körpers hatte ihn eingehüllt. Wie in einen süßen Nebel. Ein Nebel, der mit dem aufkeimenden Tageslicht rasch verfliegen sollte. Er verweilte damals noch eine kleine Weile in diesem Dunst.

    Ein erstes und letztes Mal war er davon eingefangen. Dachte er. Sie blieb damals im Bad. Vor etwa zehn Jahren. Er erinnerte sich an das Ende dieses gewesenen Morgens. Die leicht schleifenden Geräusche der Straßenbahnräder in den alten Schienen unmittelbar vor dem Haus, in dem sie wohnte, stiegen an der Häuserwand hoch in sein Ohr und mahnten ihn an die Zeit. Die Zeit der Fahrpläne, die manches Leben wie ein Gitternetz überziehen. Und an die Zeit der Arbeit, der Pläne für die Arbeit.

    Sie duschte bestimmt lange. Er wäre ihr gerne nachgegangen. Aber eine unsichtbare Hand drückte dergestalt gegen seine Brust, dass ihm der Atem auszugehen schien. So mächtig war die Kraft des gerade vergangenen Erlebnisses. Seine Hände verließen ihre bisher ohnmächtig hängenden Positionen an seinem Körper und kramten seine Kleidungsstücke zusammen. Die abgekühlten Finger nestelten die blind gefundenen Verschlüsse seiner Kleidungsstücke nahezu automatisch zusammen und griffen zuletzt nach der Krawatte. Er wusste in diesem Moment nicht genau, ob er sie selbst gekauft hatte oder ob sie ein Geschenk war. Etwas Endgültiges zwängte ihn durch die Ausgangstür. Sie wusste ja, dass er gehen würde.

    Die immer noch fremde Luft des Treppenhauses ummantelte ihn mit einem kratzigen Gefühl, welches sich erst legte, als die erste Ampel ihm mit ihrem Rot die Botschaft des Alltages sandte. Das war seine letzte Erinnerung an Berlin. Es war während der Stundentenzeit. Und ein tief sitzendes Gefühl! Mit Erdbeben.

    Er war nach dem Abschluss des Studiums auf der Suche nach beruflichen Aufgaben aus Berlin fort gegangen und hatte ein fahles Bild des Treppenhauses in sich mitgenommen. Schließlich war er in Bielefeld gelandet. Er, Richard Benn, war jetzt wieder auf dem Weg nach Berlin. Etwa zehn Jahre nach dem Erdbeben.

    2

    Richard Benn stand vor einem der Badezimmerspiegel im Hotelzimmer des Intercontinental in der Budapester Straße in Berlin und strich sich seinen blonden Schnauzbart mit Daumen und Zeigefinger. In seinem Kopf surrten noch die jüngsten Informationen der zuletzt gehörten Nachrichten aus der Wirtschaft über Steuerhinterziehungen, Leergeschäfte mit Derivaten, weit verteilter Gier und Verschiebungen von Verantwortlichkeiten. Richard gab sich kurz kritischen Gedanken hin. Fast jeder ist ein möglicher Steuerhinterzieher, Feind des Systems der so genannten Sozialen Marktwirtschaft und nutzt es doch für sich selbst. Ob arm oder reich. Der Mensch ist eine Gefahr für sich. Es gibt ja so viel Gier und Korruption. Sie gefährden das gesamte Wirtschaftssystem. Ich will da nicht mitmachen. Ich werde nicht so sein wie die anderen Manager.

    Im Spiegel sah Richard sich, den zukünftigen Marketing Manager der SignaTec AG, einem international arbeitenden Technologieunternehmen im IT-Bereich. Gegen eine ganze Schar von Mitbewerbern um diese Position hatte er sich durchgesetzt. Er hatte gewonnen. Er fühlte sich wohl wie ein Fisch im Wasser. Sein fachliches Wissen hatte er sich ohne jegliche Protektion und nur durch besondere Leistungen angeeignet und war stolz auf seine bisherigen Erfolge. Kein stützendes Netzwerk, dem er etwas schulden müsste. Er wollte seinen eigenen Stil beibehalten. Sollten doch die anderen Manager sein und handeln wie immer sie wollten! Er wollte dem aktuellen durch die Finanzkrise geschädigten Klischee von Managern nicht entsprechen.

    Als vor wenigen Tagen der Anruf aus Berlin gekommen war, hatte er gerade seiner Frau Angelika und den Kindern, Andrea und Julian, erklärt, dass sie vielleicht von zu Hause in Bielefeld nach Berlin umziehen würden. Dort habe er studiert und würde die Stadt kennen. Das sei vor über zehn Jahren gewesen. Nach diesem Anruf ging alles sehr schnell. Richard stimmte sich mit dem Chef der Personalberatungsgesellschaft, Dr. Willy Bladade, wegen der Flugverbindungen und eines letzten vorbereitenden Gespräches ab. Er rief seinen ehemaligen Studienkollegen Ernst Friedrich Peters, der auch seine Frau Angelika seit einem gemeinsamen Urlaub kannte, an und teilte ihm mit, dass er zu einem entscheidenden Vorstellungsgespräch nach Berlin müsse. Ernst Friedrich erkundigte sich nach dem genauen Zeitplan.

    „Das würde ja prima passen. Wir haben gerade an dem Tag Deines geplanten Besuches in Berlin eine Party geplant. Wenn es klappt, dann kommst Du mit Angelika zu uns und wir feiern zusammen."

    „Ich wollte eigentlich alleine fliegen."

    „Es ist besser, wenn Angelika mitkommt."

    „Das hat der Personalberater auch gesagt. Manchmal wollen sie die Frau des Kandidaten sehen."

    „Also, abgemacht! Wenn Du willst, seid Ihr mit auf der Party. Ihr könntet auch hier schlafen. Und – es wird einen Überraschungsgast geben."

    Richard erinnerte sich gerne an die gemeinsame Studienzeit. Ernst Friedrich und er waren damals gemeinsam auf vielen der Studentenfeste gewesen. Da würde es sicher viel zu erzählen geben. Würde. Zunächst musste das entscheidende Vorstellungsgespräch stattfinden. Erfolgreich. Dr. Willy Bladade, Geschäftsführer der Personalagentur, traf sich mit Richard vor dem Gespräch bei der SignaTec AG im Foyer des Hotels Intercontinental. Richard hatte sich entschieden, nicht bei Ernst Friedrich zu übernachten, sondern mit Angelika in ein Hotel zu gehen. Sie würden im Erfolgsfalle noch über das Wochenende in Berlin bleiben. Dafür hatte Angelika ihre Freundin Gisela zu Hause als Babysitter eingeladen. Dr. Bladade gab Richard Benn noch einige letzte Hinweise vor dem entscheidenden Gespräch mit dem Vorstand.

    „Es ist gut, dass Ihre Frau mitgekommen ist. Ein separates Gespräch mit ihr wird wahrscheinlich nicht stattfinden. Trotzdem ist es gut, wenn der zuständige Vorstand weiß, dass Ihre Frau sich mit Ihrer beruflichen Entwicklung identifiziert. Diesen Vorstand, Ihren zukünftigen Chef, kenne ich schon seit einigen Jahren. Er orientiert sich in aller Regel nach meinen Empfehlungen. Prägen Sie sich bitte seinen Namen ein: Dr. Ferdinand Hartweich. Er ist ein alter Hase und seit einigen Jahren als Vorstand im Konzern. Technologisch ist er nicht unbedingt an vorderster Front, aber dafür hat er ja seine Leute.

    Und hier sollen Sie mit Ihren speziellen Kenntnissen über Fernüberwachungssysteme wirksam werden. Es gab bereits früher ein Projekt zu diesem Thema. Das war augenscheinlich nicht sehr erfolgreich. Jetzt wird es neu aufgelegt. Sie können dieses Projekt als Fachmann leiten. Und das ist oder wird kurzfristig eine Schlüsselfunktion im Konzern. Es passt zu Ihrer bisherigen beruflichen Entwicklung. Es gehört zu den strategischen Projekten des Konzerns und wird im Erfolgsfalle Ihrer Karriere gut tun."

    Richard hatte während seines Studiums eine besondere Zusatzausbildung für Fernüberwachungssysteme erfahren und kannte sich in dieser Welt besonders gut aus. Er war Spezialist auf diesem Gebiet.

    „Sie sind unser Mann."

    Das war der entscheidende Satz aus dem Munde des Vorstandes, den sich Richard hier im Badezimmer des luxuriösen Hotels in der Budapester Straße wieder und wieder vorsagte. Er konnte stolz auf sich sein. Er ist als Marketing Manager bei der SignaTec eingestellt worden. Er strich sich mit den Fingern durchs Haar und kehrte in das großräumige Hotelzimmer zu seiner Frau Angelika zurück.

    „Wenn Du willst, können wir jetzt zu der Party gehen."

    „Gut, gehen wir!"

    3

    Richard und Angelika trafen gleichzeitig mit zwei geladenen Paaren vor dem Hause seines Freundes ein. Sie ließen die beiden Paare vorgehen und schauten über deren Schultern in den großen Wohnraum der Beckers.

    „Herzlichen Glückwunsch! Du hast den neuen Job! Ich freue mich, dass Ihr kommen konntet. Kommt in meine Arme! Glückwunsch! Ich freue mich! Vielleicht habe ich sogar eine Überraschung. Mehr sage ich nicht. Es ist eine bemerkenswerte Frau, sage ich Dir!"

    Erst nach dieser Begrüßung von Richard ging Ernst Friedrich auf Angelika zu und nahm sie freundlich in den Arm.

    „Entschuldige, aber ich musste ihm zuerst gratulieren. Einen neuen Job bekommt man ja nicht alle Tage. Wie geht es euren Kindern? Sie sind doch gesund, oder?"

    Angelika nickte.

    „Danke, alles prima. Den ersten Gruß hat Richard ja heute verdient, oder?"

    Eine Mitarbeiterin der Cateringfirma reichte Getränke.

    „Stößt Du mit mir an?"

    Ernst Friedrich nahm sie in den Arm und überreichte ihr ein Glas Crémant. Angelika nahm den ersten Schluck. Sie musterte seine Krawatte. Die hatte rosafarbene und grau geneigte Querstreifen. Richard hielt ein Glas Rotwein in der Hand.

    „Sag mal Ernst Friedrich, was ist das für ein Überraschungsgast? Du erwähntest, dass es eine Frau ist. Kenne ich sie? Vielleicht von früher?"

    „Eine Überraschung wird nicht verraten, mein Freund. Sonst wäre es ja keine."

    Richard schaute sich in der geladenen Gesellschaft um und hoffte, ein paar bekannte Gesichter von früher zu sehen. Wie sehen Gesichter aus, die man über mehr als zehn Jahre nicht gesehen hat? Aber er konnte kein bekanntes Gesicht entdecken. Sein Blick schweifte dann neugierig immer wieder zur Eingangstür. Wer kann wohl diese Frau, der Überraschungsgast, sein? dachte er bei sich und leerte sein Glas.

    „Eigentlich ist das ja egal. Ich bin ja schließlich hier bei Dir, um meine neue Position zu feiern."

    Er nahm ein neues Glas und schob sich langsam zwischen die nahe beieinander stehenden Gäste. Ob ich auch einmal solche Feste geben werde, wenn ich erst einmal hierher gezogen sein werde? fragte er sich und nippte an seinem Glas.

    Eines der vielen Gesichter in der Menge kam ihm bekannt vor. Vielleicht ein Studienkollege? Während er versuchte, dieses Gesicht einem der Bilder seiner Vergangenheit zuzuordnen, wurde es merklich still im Raum und viele Blicke richteten sich auf die Eingangstür. Richard erfasste schnell das Gesicht der eintretenden Frau, suchte es unter den Gesichtern in seinem Gehirn und prüfte, ob es wirklich eine Überraschung war. Er war unsicher, ob er dieses Gesicht kennen würde, ihm wurde spontan etwas wärmer. Er schaute in ihre Richtung und überlegte: Ist sie alleine gekommen? Könnte ich sie kennen? Ich muss näher an sie heran kommen, wissen, ob ich sie kenne, vielleicht von damals. Eigentlich sollte mir das egal sein.

    Ernst Friedrich begrüßte die Dame überherzlich und warf dabei kurz einen Blick in Richards Richtung. Richard hatte den Eindruck, dass Ernst ihn gezielt neugierig machen wollte. Er reagierte nur in Gedanken. War diese Frau vielleicht damals während des Studiums auch bei den Studentenfesten? Er hatte sein Glas inzwischen geleert und nahm sich noch einen Drink von einem der angebotenen Tabletts.

    Angelika war mit Elvira in ein Gespräch vertieft. Richard konzentrierte sich darauf, die Schritte und Bewegungen der gerade eingetretenen jungen Dame zu verfolgen. Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Gäste. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Eingangstüre erneut und ein großer Herr mit hellen grauen Haaren trat ein. Es war Dr. Ferdinand Hartweich. Er überragte mit seiner Körperlänge alle Gäste. Viele Blicke richteten sich auf den neuen Gast. In die dadurch aufkommende kurze Ruhepause lauschte Richard nach der Stimme der jungen Dame. Er hörte sie nicht wirklich und dachte insgeheim fürchtend und hoffend zugleich. Das könnte vielleicht Jeannette sein!

    Sie ist, wenn sie die Vermutete ist, damals oft Gast bei den Studentenfesten gewesen und wurde von den Kommilitonen sehr begehrt. Richard spitzte seine Ohren in ihre Richtung.

    „Endlich bis Du da! Ich freue mich!"

    Sie drängte sich dem neuen Chef von Richard zu einer vertrauten Umarmung entgegen. Dr. Ferdinand Hartweich küsste sie sanft auf die Stirn und gab ihr eines von den dargebotenen Champagnergläsern. Danach prostete er ihr mit einem weiteren Glas zu.

    Richard blieb stehen und hatte das Gefühl, dass er sich an seinem Glas festhalten müsse. Angelika kam auf ihn zu:

    „Meinst Du, dass zu Hause in Bielefeld alles in Ordnung ist? Ich bin ein wenig in Sorge."

    „Deine Freundin Gisela passt doch auf unsere Kleinen auf. Da musst Du Dir doch keine Sorgen machen. Gisela ist doch ein Schatz. Sie hat bisher doch immer gut aufgepasst. Und sie hat unsere Mobilnummer. Mache Dir bitte keine Sorgen. Wir haben schließlich heute etwas zu feiern!"

    Richard bekam plötzlich das Gefühl, die dicht gedrängte Gesellschaft der Partygäste verlassen und allein ins Hotel fahren zu müssen. Die junge Dame Überraschungsgast kann mir doch egal sein! Doch das Bild der vielleicht noch unbekannten Frau an der Seite von seinem neuen Chef und die Erinnerungen an die Zeiten des Studiums in Berlin hielten ihn fest. Außerdem würde es seinem neuen Chef vielleicht nicht gefallen, wenn er verfrüht gehen würde. Zudem verließ ihn diese unangenehm bohrende Neugierde, die er nicht beherrschen konnte, nicht. Er wollte der jungen Frau noch an diesem Abend in die Augen sehen. Er musste zwingend wissen, ob es Jeannette war.

    Dr. Ferdinand Hartweich erblickte Richard und wandte sich an die Dame:

    „Schau’ doch mal, da ist Herr Diplom-Ingenieur Benn. Er fängt bei uns als Marketing-Manager an."

    Richard ergriff die dargebotene Hand der Dame und beugte sich mit einem gehauchten Handkuss darüber.

    „Ich freue mich!"

    Er suchte ihre Augen. Das Licht dieser Augen kann man nicht umschminken. Er schwieg. Das könnte Jeannette sein. In seinem Kopf lief ein Film ab. Über die Feste während des Studiums. Dort hatte er Jeanette kennen gelernt. Er konnte sie jetzt natürlich nicht daran erinnern. Er war doch noch unsicher. Das Ende seines immer noch in ihm ablaufenden Films über damals hatte mit einer schlierigen Fensterscheibe zu tun. Die Bilder waren noch nicht so klar. Er schaute erneut in ihre Augen:

    „Ich freue mich, Sie zu sehen. Auch bin ich auf die neue Aufgabe in der Firma gespannt. Sie haben sicherlich etwas miteinander zu besprechen. Ich kümmere mich um meine Frau. Wir werden uns bestimmt noch begegnen."

    Richard verneigte sich und drehte sich um, um seine Frau zu suchen. In diesem Moment hörte er die etwas erhöhte Stimme von Dr. Hartweich:

    „Passen Sie doch auf! Haben Sie mich nicht gesehen?"

    Richard drehte sich zu der Stimme um und sah, dass das Sakko von Dr. Hartweich angefeuchtet war. Augenscheinlich hatte ihn jemand angerempelt. Dabei war ein Teil des Inhalts seines Champagnerglases auf sein Sakko geschwappt. Durch die dadurch erzeugte Abwehrbewegung hat er eine neben ihm stehende junge Dame etwas geschubst und in der Folge eine Rückwärtsbewegung ausgelöst, wodurch der hinter der Dame stehende Herr die Spitze eines hochhackigen Schuhs auf dem seinen zu spüren bekam. Richard erhaschte in diesem Moment einen Blick der Überraschungsdame und sagte sich: Jeannette, Du bist es! Er drehte sich schnell. Suchte Angelika. Es wird Zeit, die Party zu verlassen. Auf dem Weg durch die Gästeschar fragte er sich, wo und wie er Jeannette allein finden können würde.

    Richard sah seinen Freund an. Dachte an die Anmerkung über den besonderen Gast. Fühlte Zorn und Zwang zugleich. Und war wie magnetisch von seinem Freund angezogen. Ernst Friedrich bemerkte diesen Blick zunächst nicht. Aber Richard hob sein Glas hoch über sich in die Luft, machte sich schlank und drängte sich durch die Gästeschar, um ihm eine Frage stellen zu können. Er hatte nur noch Augen für den kürzesten Weg zu ihm und hastete weiter. Er fragte ihn von hinten:

    „Wo wohnt Jeannette?"

    Ernst Friedrich drehte sich um und sagte: „Angelika möchte noch ein Gläschen. Ich kümmere mich."

    Richard trat zur Seite und sah Angelika vor sich, die durch den Körper von Ernst Friedrich verdeckt gewesen war.

    „Was wolltest Du von Ernst Friedrich wissen?" fragte sie, und Richard hielt sein Glas an den Mund:

    „Wir beide sollten endlich etwas zusammen trinken. Vielleicht tanzen wir noch ein wenig."

    „Aber Du wolltest vorhin doch schon gehen."

    „Wo ist Elvira? Hast Du mit ihr schon über Wohnungen oder Häuser gesprochen? Kennt sie Makler?"

    „Ja, sie kennt einige Möglichkeiten. Aber bei diesem Trubel können wir das natürlich nicht ausreichend vertiefen. Und was wolltest Du von Ernst Friedrich wissen?"

    „Auch einige Adresse von Maklern in Berlin. Er kennt da mehrere."

    „Ach so."

    Richard nippte an seinem Glas und nahm Ernst Friedrich das dargebotene Glas für Angelika ab und prostete ihr zu:

    „Ich freue mich über diese Party und über die nahe Zukunft."

    Er nahm sie in den Arm und schaute über ihre Schulter nach, wo Jeannette und der Doktor sich befanden.

    „Sollten wir nicht mal wegen der Kinder anrufen?"

    Angelika schaute ihn erstaunt an.

    „Eben wolltest Du noch tanzen. Was also willst Du?" Immer wenn sie also in ihre Sätze einflocht, wusste Richard, dass er eine Entscheidung zu treffen hatte.

    „Du hast Recht, Gisela passt ja auf unseren Nachwuchs auf. Komm, wir tanzen!"

    Während des Tanzes prüfte Richard um sich blickend, wo sich Jeannette befand. Sie war immer noch in der Nähe seines zukünftigen Chefs. Er konnte sich ihr nicht nähern, solange der Doktor in ihrer Nähe war. Eins war für ihn sicher. Er wollte

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