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Neues vom Heiligenschein: Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden
Neues vom Heiligenschein: Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden
Neues vom Heiligenschein: Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden
eBook257 Seiten3 Stunden

Neues vom Heiligenschein: Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden

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Über dieses E-Book

Achims abenteuerlicher Glaubensweg geht weiter. Im ersten Band "Der Heiligenschein im Vollwaschgang" hatte er seinen Platz in der Gemeinde gefunden, die zahlreichen Diskussionen mit Jesus hatten ihm dabei die göttliche Führung ein kleines Stück näher gebracht.
Jetzt, nach erfolgreicher Adoption in Südamerika, werden er und Judith aus dem Kreis der Kinderlosen in den Kreis der Kindergesegneten aufgenommen. Doch was so segensreich beginnt, entwickelt im Laufe der folgenden 20 Jahre eine ungewollte Eigendynamik. Achim und sein ebenso gesegneter Freund Heinz mühen sich mit Pubertät und Sinnfindung ab. Und Jesus? "Herr, jetzt komm mir nicht wieder mit der Ich-bin-der-gute-Hirte-Masche." Mit diesem Spruch beginnt Achims Gebet, wenn mal wieder alles quer läuft. Jesus hat es dann nicht leicht, ihm klar zu machen, was Gottvertrauen bedeutet.
Und das hat Achim dringend nötig, denn sein Kollege Makowiz setzt mal wieder alles dran, ihn mit seinem Glauben zu provozieren. "Sind die da alle so verklemmt bei euch im Tempel?" Solche Sprüche von Makowiz bringen Achim zur Weißglut, und er wartet nur auf eine passende Gelegenheit, ihm das heimzuzahlen. Dass sich dadurch der Hausbibelkreis von einem waschechten Gepard bedroht fühlt, ist nicht beabsichtigt. Heinz wird derweil von seinem pubertierenden Sohn Jens an die Belastungsgrenze gebracht, als eine aufregende Französin erscheint. Gemeinsam mit Achim unternimmt er alles, um das Chaos perfekt zu machen. Jahre später hat sich Heinz' Kontakt zu seinem Sohn auf ein Minimum reduziert. Bruder Seidler schafft es in gewohnt fundamental-pietistischer Manier, dieses Problem weiter hoch zu kochen.
Damit sich alles zum Guten wendet, muss Jesus mal wieder viele Gespräche mit Achim führen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Sept. 2013
ISBN9783847655756
Neues vom Heiligenschein: Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden

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    Buchvorschau

    Neues vom Heiligenschein - Erwin Schröder

    Die Adoption

    Wie uns der Klapperstorch boykottiert und Jesus die Vertrauensfrage stellt

    Bild 76854 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    „Jesus, fragte ich, „warum können wir unser Kind nicht bekommen wie andere Leute auch?

    „Glaubst du, ein selbst geborenes wäre besser als das, was jetzt auf euch wartet?", erwiderte Jesus.

    „Nein, das nicht unbedingt, aber beim selbstgeborenen wäre alles mehr wie ein Geschenk aus deiner Hand, und jetzt … ähh, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll …"

    „Du weißt, dass du Unsinn redest, sagte Jesus. „Es wäre ehrlicher, du würdest dir deine Angst vor dieser Reise eingestehen.

    „Na hör mal, so ganz ohne ist eine Auslandsadoption wirklich nicht. Man weiß ja nie, was für ein Kind … also, wie der später mal einschlägt."

    Jesus schmunzelte; das tat er öfters bei mir. Ich konnte es natürlich nicht sehen, diese ganzen Gespräche mit ihm waren ja nur fiktiv, in meinem Kopf gewissermaßen; aber doch wieder so real, dass ich mir seine Gemütsregungen gut vorstellen konnte. Und dass er in letzter Zeit so oft schmunzeln musste, behagte mir gar nicht.

    „Vielleicht beruhigt es dich ein wenig, fuhr er fort, „wenn ich dir sage, dass euer Kind eine Mischung aus Tante Leni und Onkel Ludger geworden wäre.

    Das war nun gerade die Aufmunterung, die ich gebraucht hatte. Judiths Tante Leni, glühende Verehrerin von Marcel Lefèvre. Das war dieser Erzbischof, der sich seinerzeit mit dem Papst überworfen hatte, weil er dieses ganze moderne Zeug in der Kirche nicht mochte und seine Messen lieber lateinisch gehalten hatte. Und dann mein Onkel Ludger. Für den waren alle Pfaffen Lügner und Verbrecher. Die kamen direkt nach den Politikern, und die wiederum direkt nach den Handwerkern. Es hatte einige wenige Familienfeiern gegeben, auf denen sich die beiden begegnet waren. Und wir waren inzwischen alle froh, wenn sie sich nur mit Missachtung straften. Es war mir absolut unvorstellbar, wie sich so unterschiedliche Veranlagungen in einem Menschen vereinigen könnten. Bei der Befruchtung im Mutterleib würde es wahrscheinlich schon zur ersten großen Auseinandersetzung kommen.

    „Jesus, begann ich wieder, „willst du damit sagen, dass Judith und ich Träger dieses familiären Erbgutes sind?

    „Wenn du in die Tiefen deiner Seele blicken könntest, sagte Jesus, „wärest du erschrocken, was du alles zu sehen bekommst. Aber wir kommen vom Thema ab, Achim. Warum kannst du denn der Adoption nicht mit der gleichen Zuversicht entgegenblicken wie einer Geburt?

    „Herr, hast du eine Ahnung, was da alles schiefgehen kann?"

    „Hast du denn gar kein Vertrauen zu mir?"

    „Ja … eigentlich schon." Da war sie wieder, diese Vertrauensfrage. Natürlich, eigentlich hatte ich schon Vertrauen, aber was hieß das schon? Hatte ich von Jesus etwa die Gewähr, dass alles gut gehen würde? Hatte er mir versprochen, dass wir alle Formalitäten erfolgreich abwickeln würden? Konnte ich mir sicher sein, dass das Kind bei unsrer Ankunft überhaupt noch da war? Und welche Zusagen hatte ich über die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes? Vielleicht war der Vater Alkoholiker, die Mutter drogenabhängig, das Kind im Mutterleib schon vorgeschädigt. Vielleicht gab es schlimme Erbschäden, die erst im Teenie-Alter zu Tage treten würden. Und dann die soziale Integration. Worauf konnte ich mich denn da verlassen bei Jesus? Vielleicht würde das Kind gehänselt und geärgert. Vielleich würde die dunkle Hautfarbe doch mehr auffallen, als wir uns dachten. Vielleicht gab es jetzt schon so ein paar superblonde Säuglinge in unsrer Stadt, die nur darauf warteten, unserem Kind später in der Schule irgendwas Gemeines nachzurufen. Und da fragte Jesus mich so einfach, ob ich denn kein Vertrauen hätte!

    Und wie in Gedanken murmelte ich erneut meine Antwort: „Ja … eigentlich schon, aber …" Dieses Aber – es saß einfach drin in meinem Kopf.

    „Vertrauen ist mehr, sagte Jesus, „mehr als die Gewissheit, dass sich alles nach deinen Wünschen entwickeln wird.

    „Ich weiß", sagte ich leise, aber eigentlich wusste ich gar nichts. Im Moment hätte mir diese kleine Stück Gewissheit auf jeden Fall sehr gut getan.

    Wie wir mit guten Ratschlägen überschüttet werden und ein Toyota uns göttliche Weisung geben soll

    Bild 76856 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    Unser Weg bis zur Adoption war schon lang und steinig gewesen. Bereits vor zwei, drei Jahren war der Kinderwunsch bei uns gewachsen, und wir hatten mit viel Elan und Fantasie versucht, auf natürliche Art zu einem Kind zu kommen; Tage zählen und Candle-Light-Dinner inklusive. Aber all unsere Bemühungen hatten nicht gefruchtet … im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei waren Judiths mütterliche Ambitionen immer stärker geworden, nicht zuletzt beim Anblick des Kindersegens in unserer Gemeinde. Und bei mir lagen schon umfangreiche Pläne für eine Modelleisenbahn in der Schublade, die nur darauf warteten, endlich in Produktion gehen zu dürfen. Doch Monat um Monat verging, ohne dass sich der gewünschte Erfolg einstellen wollte.

    „Kinder sind eine Gabe des Herrn, so etwas muss erbeten sein", war der erste gute Ratschlag, den wir erhielten. Es erschien auch mir absolut logisch, dass so ein elementarer Lebensabschnitt durch ein Gespräch mit Gott Unterstützung finden sollte.

    „Jesus, du weißt schon, warum ich mit dir reden muss, fing ich eines Tages an. „Das mit unserem Kind, beziehungsweise, dass wir kein Kind … Wo wir doch jetzt alles tun, damit endlich … Du verstehst, was ich meine.

    Ich lauschte in die Stille, lauschte in mich hinein, konnte jedoch keine spontane Reaktion Jesu erkennen.

    „Schau mal: Wie viele Paare kriegen Kinder und wollen gar nicht! Wie viele Frauen werden mit Kindersegen überschüttet, ohne dich ein einziges Mal zu konsultieren. Und wir, wir möchten liebend gerne, und nichts tut sich! Du musst zugeben: Das ist nur schwer zu begreifen."

    Ich machte eine kurze Pause und schob dann schnell hinterher: „… aus menschlicher Sicht, meine ich natürlich."

    Da ich Jesu Stimme immer noch nicht hörte, wurde ich etwas offensiver.

    „Jesus, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, warum du uns den Kinderwunsch abschlagen solltest. Schließlich bieten wir doch gute Voraussetzungen für ein Kind … Judith als Pädagogin und dann bei all ihrer Mutterliebe. Es kommt mir manchmal so vor, als verteilst du deinen Segen nach dem Gießkannenprinzip."

    Ich hielt wieder inne. Warum antwortete Jesus mir nicht? Wenn ich gar nichts von ihm hörte, war das weitaus schlimmer, als wenn er schmunzelte. Natürlich, ich konnte mir seiner Nähe sicher sein, auch wenn ich seine Stimme nicht direkt hörte. Die Sonne scheint auch, wenn der Himmel bewölkt ist, man kennt das ja … rein theoretisch wenigstens.

    Aber warum? Warum bekam ich keine Antwort? Eine Sache, die mich schon immer beschäftigt hatte. Wie höre ich Gottes Stimme? Wie erkenne ich seinen Willen? Wann und warum redet er zu mir? Wann und warum schweigt er? Und das Wichtigste: Wann, wie und wo kann ich ein Stück seiner Nähe ergattern? Ein unerschöpfliches Thema, mit dem ich mich demnächst noch mal auseinander setzen sollte. Doch im Moment fühlte ich mich wie jemand, der mit nassen Haaren und Föhn in der Hand verzweifelt die Steckdose sucht.

    Ein paar Wochen später erhielten wir dann den zweiten guten Ratschlag: „Es gibt Schuld in eurem Leben, die nicht bereinigt ist. Der Herr kann nicht segnen, solange ihr nicht die volle Vergebung eurer Sünden habt."

    Ich muss zugeben, dass die Sache mit der Sündenvergebung nie ein großes Thema für mich gewesen war. Ich war ein Mensch und als solcher automatisch mit Schwächen, Fehlern und Verfehlungen behaftet. Und ich wusste: Wie sehr ich mich auch abmühen würde, beim besten Willen könnte ich nicht fehlerfrei werden. Natürlich wusste ich auch, dass Gott das wusste. Und dann war da noch das Kreuz. Theoretisch war mir alles klar, die Sache mit der Sündenvergebung. Es gab ja auch genug Gleichnisse und Geschichten, die einem die Symbolik erklären sollten: Der Herrscher, der dem Verurteilten gegenübersteht und aus dem Konflikt zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit heraus die Strafe auf sich nimmt …

    Natürlich – so klang es direkt logisch, die Sache mit dem Kreuz. Aber ich hatte mich einmal im Gespräch mit Jesus zu einer fatalen Äußerung hinreißen lassen. „Jesus, hatte ich gesagt, „ich glaube, ich habe das mit der Sündenvergebung endlich verstanden. Eigentlich ist es ganz einfach.

    „Für mich, hatte Jesus geantwortet, „war es alles andere als einfach. Und dabei hatte er so einen komischen Unterton in der Stimme gehabt, dass mir mit einem Schlag bewusst wurde, wie wenig ich verstanden hatte. Doch irgendwann hatte ich aufgehört, mir zu viele Gedanken über Sünde, Schuld und Vergebung zu machen. Nicht zuletzt hatte ich das traurige Beispiel einzelner Geschwister vor Augen, die sich jahrelang mit Versündigungsgedanken herumquälten.

    Trotzdem blieb dieser gut gemeinte Ratschlag bei mir nicht ohne Folgen. Sollte es möglich sein, dass es eine Schuld gab, die nicht unter Gottes Generalamnestie fiel, sondern für die man eine Sonderbegnadigung brauchte, quasi auf speziellen Antrag hin?

    Genau in dieser Zeit, als ich mein Sündenregister näher unter die Lupe nahm, kam von einem Bekannten aus der Gemeinde ein dritter gut gemeinter Ratschlag: „Ihr müsst mit eurem Kinderwunsch in der rechten Demut vor den Herrn treten."

    Sollte hier vielleicht eine unerkannte und somit unvergebene Schuld vorliegen? Mangelnde Demut hatte ich bis dahin nie für mein Hauptproblem gehalten, aber je länger ich darüber nachdachte, umso mehr fielen mir Schwachpunkte meiner inneren Haltung auf. Hatte ich unseren Kinderwunsch nicht wie eine Selbstverständlichkeit eingefordert? Hatte ich Judith und mich nicht als hoch qualifiziertes Elternpaar dargestellt wie bei einem Bewerbungsgespräch? Und dann die Sache mit dem Gießkannenprinzip, was war mir das peinlich! Wie hatte das nur passieren können? Ich hatte Gott Vorschriften und Vorwürfe gemacht. Wie zum Zeichen tiefer Reue kramte ich meine Bibel hervor und schlug das Buch Hiob auf. Hinten am Ende, da gab’s doch die Antwort Gottes auf Hiobs Bemerkungen … da, ich hatte den zentralen Satz gefunden: „Wer ist’s, der den Ratschluss verdunkelt mit Worten ohne Verstand? Und dann folgte eine endlose Litanei von Naturgewalten, die Gottes Allmacht bezeugen sollten. Schließlich stieß ich auf einen Satz, den ich wie ein Stoßgebet zum Himmel schickte: „Siehe, ich bin zu gering; was soll ich antworten? Und dann noch als Schlusswort: „Dein Wille geschehe."

    Natürlich war diese innere Einkehr ein zweischneidiges Schwert. Denn kaum hatte ich mein kurzes Gebet gesprochen, fand ich mich selbst ganz schön demütig. Und so viel Demut verdiente eigentlich eine Belohnung.

    Wieder vergingen Monate. Wieder warteten wir auf den gewünschten Erfolg, und wieder wuchs die Enttäuschung. Da erreichte uns der vierte gute Ratschlag.

    „Euer Glaube soll geprüft werden. Wer nicht von ganzem Herzen glaubt, der empfängt auch nichts."

    Damit befand ich mich natürlich in einer geistlichen Zwickmühle. Liebend gern war ich bereit, von ganzem Herzen an die Erfüllung eines Gebetswunsches zu glauben ... wenn er denn irgendwann auch erfüllt würde. Aber wie sollte ich blind vertrauen, wenn ich schon so oft enttäuscht worden war. Na schön, zugegeben, enttäuscht war nicht das richtige Wort, aber irgendwie doch ... manchmal ... so ein bisschen.

    Ich wandte mich an Jesus in der Hoffnung, diesmal eine klare Antwort zu erhalten.

    „Herr, ich glaube ja, dass wir in deiner Hand geborgen sind. So im Allgemeinen habe ich damit auch keine Probleme, aber manchmal wünsche ich mir auch etwas Konkretes. Wenn wir keine Kinder haben sollen, dann will ich das ja gerne aus deiner Hand nehmen …" (Hätte ich das gerne jetzt lieber weglassen sollen?) „Aber ich will ja nicht nur für mich reden. Schau mal, Judith gerät über kurz oder lang in eine Krise, wenn das so weitergeht. Wie wäre es, wenn du uns direkt sagst, was jetzt dran ist, so mit einem Zeichen, du weißt schon, was ich meine."

    Die Idee mit dem Zeichen war nicht schlecht. Das hatte was Konkretes, da würde mir das Glauben schon leichter fallen.

    „Jesus, du musst ja nicht gleich ein Wunder tun … ich weiß, dass du mit solchen Sachen sehr zurückhaltend bist. Wir könnten ja unter Wahrung der Naturgesetze etwas vereinbaren. Wie wäre es mit ..." Ich sah mich suchend um, mein Blick fiel auf die Ablage unter dem Fernseher. Unter der Programmzeitschrift schaute eine Ecke meiner Bibel hervor. Ich könnte den Finger blind auf einen Bibelvers legen und den dann als Antwort auf meine Frage sehen: Kind ja oder Kind nein.

    Ich wollte schon aufstehen und nach dem Buch der Bücher greifen, da zögerte ich. Es gab ja so endlos viele Verse, die mehr allgemein blieben. Was wäre, wenn ich zum Beispiel auf „Der Herr ist mein Hirte" oder etwas Ähnliches tippen würde? Da wäre ich so schlau wie vorher. Nein, ich musste etwas finden, was kategorisch nur ein Ja oder ein Nein zuließ. Gab’s da nicht diese Bibelstelle mit dem Fell? Jemand hatte über Nacht ein Fell vor die Tür gelegt, und je nachdem, ob es am nächsten Morgen mit Tau bedeckt war, bedeutete das ein Ja oder ein Nein von Gott. Ich hatte schon von Leuten gehört, die so was gemacht hatten, ob mit Erfolg, war mir jetzt entfallen. Aber Judith besaß leider keinen Pelzmantel; wahrscheinlich hätten die Nachbarn auch seltsam geguckt, wenn ich ihn vor die Tür gelegt hätte. Nein, ich musste etwas Einfacheres finden. Wie wäre es mit einem Blick aus dem Fenster, und das nächste Auto ... ja, das war’s!

    Ich stellte mich ans Fenster und sah hinaus. Unsere Straße lag einsam und verlassen da. Ich hatte plötzlich ein bedeutungsvolles Gefühl im Bauch.

    „Jesus, begann ich feierlich, „ich trete jetzt vor dein Angesicht und bitte dich um Klarheit. Auf dein Wort wollen wir hören und deinen Weisungen folgen. Deinen Willen wollen wir erkennen und nach deinem Weg fragen. In aller Demut wollen wir uns unter deine leitende Hand stellen und uns nach deiner Führung ausstrecken ... Mann, Jesus, ich halte diese Ungewissheit nicht mehr aus. Pass mal auf, ich habe mir das folgendermaßen überlegt: Die Farbe des nächsten Autos, das hier vorbeifährt, ist deine Antwort. Ein rotes Auto bedeutet ‚Ja, ihr bekommt ein Kind’, jede andere Farbe bedeutet ‚Nein, ich habe andere große Aufgaben für euch‘.

    Jetzt war’s raus. Noch nie hatte ich an Gott so eine konkrete Anfrage gerichtet. Natürlich war ich mir unsicher, ob das Ganze überhaupt biblisch legitim war, aber die Sache mit dem Fell hatte mir dann doch Mut gemacht.

    Unsere Straße war eine Nebenstraße, es könnte leicht passieren, dass ich eine Viertelstunde auf das nächste Auto warten müsste. Die Minuten verstrichen, und nichts passierte. Ein einsamer Radfahrer kam vorbei. Ich trat zwei Schritte vom Fenster zurück, um nicht gesehen zu werden.

    Eigentlich hatte ich mit meiner Aufgabenstellung die Chancen schon zu unseren Ungunsten verteilt. Der prozentuale Anteil roter Autos am gesamten Straßenverkehr lag ja weit unter fünfzig Prozent. Bedeutete das nicht, dass ich die Aussichten auf ein Kind entsprechend niedrig angesetzt hatte? Vielleicht hätte ich es umgekehrt machen sollen, rot heißt „Nein, alles andere heißt „Ja. Aber jetzt noch tauschen? Nein, wie hätte das ausgesehen vor Gott? Schließlich stand ich hier nicht am Roulette-Tisch, sondern vor Gottes Angesicht. Sollte er diese ungleichen Spielchancen doch ruhig als Beweis sehen für meinen tiefen Glauben an seine Führung.

    Ein Motorgeräusch näherte sich. Es war soweit, in wenigen Sekunden würde Gott zu mir reden, würde diesen ahnungslosen Autofahrer zu einem Werkzeug seines Wirkens machen. Da ... jetzt ... der Wagen, gleich würde er ... und schon sauste er vorbei, ein älterer Toyota ... Farbe: orange ... Eigentlich richtig orange, genau genommen ein rötliches Orange, ein Orange, das sich auf der Farbskala deutlich im rotstichigen Bereich bewegte ... Aber eigentlich nicht richtig rot.

    Wie konnte man nur ein Auto so lackieren! Noch nie hatte ich solch eine seltsame Farbe gesehen, einfach schauderhaft. Bestimmt hatte da jemand selbst mit Pinsel und Farbe rumgekleckert. Wahrscheinlich war die Originallackierung purpurrot gewesen.

    Aber es half nichts. Mein Ärger über diese Farbe sollte ja nur von meiner Unsicherheit ablenken, wie ich das Ganze zu bewerten hätte. War das ein rotes Orange gewesen oder ein orangefarbenes Rot? Die Frage benötigte dringend eine wissenschaftliche Klärung. Hatte ich nicht in meinem Zeichenschrank im Keller diese große Farbpalette liegen? Na klar, das gesamte Farbspektrum mit allen denkbaren Schattierungen war da vertreten. Chromorange und cadmiumrot lagen denkbar dicht nebeneinander.

    Ich rannte los, riss die Kellertür auf und sprang die Stufen hinunter. Gleich würde ich Klarheit haben. Auf dem letzten Treppenabsatz traf mich dann die Stimme Jesu. Sie war wesentlich gewaltiger als sonst, fast wie ein kleiner Donnerschlag. Man hätte auch meinen können, es wäre die Stimme von Gottvater gewesen, obwohl es natürlich Quatsch ist, so was an der Stimmlage auszumachen.

    „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, rief mir Jesus zu, „ich würde es nicht glauben, was du da gerade tust.

    Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Herr, ich dachte doch nur ...", stammelte ich, doch Jesus unterbrach mich, was sonst gar nicht seine Art war, mitten im Satz.

    „Wenn du so weitermachst, wirst du dir deine Lebensfragen alle selbst beantworten und sogar noch fest daran glauben, du hättest deine Weisheit von mir bekommen. Jetzt habe ich dir mit diesem komischen Toyota schon eine Antwort gegeben, die selbst du verstehen könntest. Ich hätte mich auch raushalten können und zusehen, wie du dir mit dem erstbesten Wagen deine Antwort zusammenbastelst. Wann begreifst du das endlich? Glauben heißt nicht Wissen. Glauben heißt mehr als Wissen."

    Es war wieder still. Ich stand immer noch wie angewurzelt am Fuß der Kellertreppe.

    „Jesus?, fragte ich vorsichtig, doch ich bekam keine Antwort. Anscheinend hatte er mir alles gesagt, was gesagt sein musste. „Glauben heißt mehr als Wissen, wieder einer von seinen schwer verdaulichen Sprüchen. Warum war das alles nur so kompliziert?

    Als ich die Treppe langsam wieder hochging, kam mir aber doch noch ein passender Bibelvers in den Sinn, den ich wie ein Stoßgebet nach oben schickte.

    „Ich glaube, hilf meinem Unglauben." Wer hatte das noch gesagt und warum? Müsste ich bei Gelegenheit mal nachsehen.

    Wie Bruder Ernst Mahler am Globus dreht und mein Schulatlas im Regal verstaubt

    Bild 76857 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    Als wir beim Thema „Auslandsadoption" angekommen waren, lag bereits eine Menge hinter uns: Zahlreiche Besuche bei verschiedenen Ärzten, der Gang zum Jugendamt wegen einer deutschen Adoption und schließlich die Anfrage bei diversen Organisationen, die eine Auslandsadoption vermitteln. Wir wollten uns aber nicht nur auf amtliche Stellen verlassen, sondern versuchten auch privat, Kontakte ins Ausland zu knüpfen.

    In unsrer Gemeinde gab es schließlich Ernst Mahler, einen alten Missions-Hasen, schon seit längerer Zeit aus dem Dienst ausgeschieden, aber immer erfreut, wenn man seine Hilfe in Anspruch nahm. Als er unser Informationskonto mit Ratschlägen und Kommentaren auffüllte, drehte er vor seinem geistigen Auge den Globus herum wie einen Ansichtskartenständer.

    „Die Philippinen würde ich empfehlen, ein wunderschönes Land ... sehr intelligente Menschen, die Filipinos ... Da müsste doch was zu machen sein ... Oder wie wäre es mit Bangladesch? Ein Land mit großer Armut und noch größerem Kindersegen ... Die Hautfarbe wäre natürlich dunkler als bei den Filipinos ... Wenn das ein Problem ist wegen der sozialen Integration und so ... Unter diesem Gesichtspunkt wäre Schwarzafrika natürlich auch zu überdenken, obwohl

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