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Der Königsring: Furuks Erbe Band 3
Der Königsring: Furuks Erbe Band 3
Der Königsring: Furuks Erbe Band 3
eBook433 Seiten6 Stunden

Der Königsring: Furuks Erbe Band 3

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Über dieses E-Book

Noch ist Mauro weit davon entfernt, König zu sein. Rebellen im eigenen Land und begehrliche Nachbarn bedrohen seinen Anspruch auf den Thron. Auch kennt er die ungeschriebenen Gesetze nicht und kann Freund von Feind nicht unterscheiden. Als Getriebener taumelt er von einer Herausforderung zur nächsten. Er will zu schnell zu viel verändern und überfordert damit sich und seine Mitstreiter. Erst allmählich entwickelt er ein Gefühl für die wirklich wichtigen Dinge. Doch für jede abgegebene Aufgabe wachsen zwei neue nach.
Die spirituellen Aufgaben eines Königs führen Mauro an die Grenzen der Realität: Lebt er sein Leben oder träumt er es nur? Und wenn ja, macht es einen Unterschied? Er wird konfrontiert mit Erinnerungen aus vorangegangenen Leben, mit uralten Feindschaften und Verbündeten. Im Ritual durchschreitet er den Schleier zwischen den Welten und erfährt die tröstliche Nähe des Ewig-Göttlichen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum22. März 2017
ISBN9783742792303
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    Buchvorschau

    Der Königsring - Solveig Kern

    Kapitel 1: An der Schwelle zum Abgrund

    Schlobart hatte mit dem Reisen längst keine Mühe mehr. Seine energetische Konstitution war so durchlässig geworden, dass er an jedem beliebigen Ort erscheinen konnte. Sein Ziel war diesmal Furukiyas Hauptstadt Mandrilar. Rund drei Monde waren ins Land gegangen, seit er anlässlich der Waffenstillstands-Verhandlungen mit Mauro zusammengetroffen war. Nun stattete er dem ehemaligen Weggefährten einen Besuch in dessen neuer Heimat ab.

    Schlobart war in Sorge. Mauros energetische Signale, die er über hunderte von Meilen wahrnehmen konnte, waren in letzter Zeit schwach und widersprüchlich gewesen. Zuletzt erschienen sie ihm wie ein Hilferuf. Irgendetwas stimmte nicht. Er entschied, nicht direkt im Palast zu erscheinen. Das könnten die schwarzen Zauberer rund um Mauro als Provokation auffassen. So materialisierte er sich in einer ruhigen Seitenstraße. Seinen Stab als Spazierstock nutzend schritt er gemächlich auf den Palast zu. Mit einem Zauber bewegte er die Wachen am Tor, ihn ungehindert passieren zu lassen. Während er durch den Garten ging, ließ er die Atmosphäre auf sich wirken. Spannung, Hektik, Aggression. Das ließ nichts Gutes erwarten.

    Im Vorhof zum Hauptgebäude zankten sich zwei junge Zauberer. Der zornige Wortwechsel ging bald in eine handgreifliche Auseinandersetzung über. Shui traktierte den jüngeren Yvo mit Energiewirbeln und aggressiven Verwünschungen, die dieser mühelos abblockte. Yvo konterte mit einem bemerkenswerten Repertoire an Schreckgespenstern, die er Shui an den Hals hetzte.

    Yvo war auf bestem Wege, den Sieg davonzutragen. Shui röchelte unter dem Würgegriff eines blutrünstig aussehenden Monsters. Da schritt Schlobart ein. Mit seinem Stab breitete er eine Atmosphäre des Friedens aus. Die Streithähne hielten augenblicklich inne. „Aber, aber! Wer wird mit hässlichem Gezänke die Atmosphäre dieses Ortes vergiften? sagte er mit gütiger Stimme. „Können mir die Herren Zauberer sagen, wo ich den Herrscher dieses Palastes finde? Ich möchte ihm meine Referenz erweisen.

    Shui sprang auf. Mit finsterem Blick stellte er sich Schlobart in den Weg und nahm eine bedrohliche Haltung an. Es beschämte ihn, dass ein fremder Zauberer unbemerkt bis in den Innenhof vordringen konnte. Nun hatte er etwas gut zu machen.

    Schlobart ließ gar nicht erst zu, dass Shui den strengen Wächter hervorkehrte. Mit einer beschwichtigenden Zaubergeste nahm er ihm den Wind aus den Segeln: „Mein Name ist Schlobart, Druide aus dem Winterland. Ich komme als Freund. Ist Prinzessin Morriell in der Nähe? Oder Meister Hamon? Bringt mich zu ihnen, sie kennen mich."

    Shui nickte unwillig. Natürlich wusste er, wer Schlobart war. Er winkte dem Besucher, ihm zu folgen.

    Schlobart hatte gehofft, die negativen Schwingungen rührten vom Streit der beiden Jungzauberer her. Doch die gleiche gespannte Atmosphäre strömte ihm im Inneren des Palastes entgegen. Hamon, der sich bald darauf zu ihm gesellte, bestätigte seine Befürchtungen. „Er steht nicht gut um Mauro. Er ist gesundheitlich schwer angeschlagen und steht unter gewaltigem Druck. Nicht einmal seine engsten Freunde kommen an ihn heran. Kommt mit und seht selbst." Er führte Schlobart in den großen Thronsaal.

    Dort hielt Mauro Hof, nahm die Berichte seiner Untergebenen entgegen und erteilte Anweisungen. Die Atmosphäre war aufgeladen mit Aggression. Gerade brüllte Mauro einen Mann an. Der fiel angstvoll auf die Knie und neigte seinen Kopf mehrfach in den Staub. Mit einer zornigen Geste schickte der König ihn hinaus. Der Mann sprang auf die Beine und lief zur Tür. Dort warf er sich nochmals in den Staub und verschwand. Mauro hob den Kopf und bemerkte Hamon und Schlobart. Er machte ein Zeichen des Erkennens und bedeutete ihnen, ein wenig zu warten. So konnte Schlobart die Atmosphäre studieren und sich ein Bild von der Situation machen. Mauros diffuses Energiefeld erzählte von Stress, Unbehagen und Erschöpfung.

    Einige Zeit später führte Mauro den Besucher durch seine Privatgemächer. Der Palast von Mandrilar war großzügiger und prächtiger als alles, was Schlobart bisher gesehen hatte. Mauro hatte eine Flucht von Räumen zu seiner Verfügung. Einen Teil davon bewohnten jetzt Hamon, Morriell und seine jungen Zauberer. An der Möblierung hatte er wenig verändert. Pomp und Prunksucht des Vorgängers starrten dem Betrachter entgegen. „Es ist an der Zeit, dass ich mich von diesem Plunder befreie! Mauro wies mit abfälliger Geste auf die angesammelten Kunstwerke. „In Hamons Augen sind das unermessliche Schätze. Auf mich hingegen wirkt dieser Prunk bedrückend. Ballast, den ich gerne loswerden würde. Mir fehlt bloß die Zeit und die Energie, mich darum zu kümmern.

    Er führt sie in ein kleines Kaminzimmer, das er ausräumen und mit Bastmatten auslegen lassen hatte. Einziger Einrichtungs-Gegenstand war eine Truhe, in der er seine persönliche Habe verwahrte. Rund um das gemütlich prasselnde Kaminfeuer lagen weiche Teppiche und Sitzkissen. Er schickte den Diener weg, der ihm beim Umkleiden geholfen hatte und lud Schlobart und Hamon ein, Platz zu nehmen. Die kethischen Wächter bezogen vor der Türe Position. Jetzt waren die drei unter sich.

    Mauro schloss die Augen und ließ die Wärme des Kaminfeuers auf sich wirken. Eine Weile lang sagte er gar nichts. Schlobart betrachtete ihn. Jetzt, wo er nicht mehr in Aktion war, kam die Erschöpfung noch deutlicher zum Vorschein. Er war stark abgemagert und hatte tiefe Furchen im Gesicht. Die Ringe unter den Augen zeugten von zu wenig Schlaf. Seine Haut hatte eine bleiche, ungesunde Färbung und die Lippen waren rissig und aufgesprungen.

    „Was soll ich Euch sagen, Schlobart? Ich dachte, Knyssar wäre schlimm gewesen, doch das hier ist schlimmer. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. In diesem Lande funktioniert nichts. Das Volk leidet Not und die Fürsten sitzen auf ihren gefüllten Speichern und mästen sich. Kaum hatte ich es geschafft, Saatgut an die Bauern zu verteilen, damit sie wieder eine Lebensgrundlage haben, da trat der Feuerfluss über die Ufer und schwemmte einen Teil davon weg. Zuerst haben wir wie die Besessenen gegen die Fluten angekämpft und auch einige Erfolge erzielt. Doch dann kam das Fieber. Die Menschen starben wie die Fliegen. Ich versuchte, Hilfe zu schicken, doch ein Loch, das ich stopfe, reißt das nächste auf. Die Staatsdiener hier sind nicht daran gewöhnt, Entscheidungen zu treffen. Sie stehen geduldig und warten auf meine Befehle. Es sind einfach zu viele Dinge, um die ich mich kümmern muss. Ich arbeite so hart wie nie zuvor, doch alles, was ich tue, erscheint mir wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Auf eine Sache, die erledigt ist, kommen zehn, die darauf warten, begonnen zu werden."

    Schlobart nickte: „Das alles geht gegen Eure Gesundheit und Euer Wohlbefinden."

    „Das Wasser hier ist verdorben. Es riecht schon faulig, wenn sie es bringen. Ich war todkrank, litt unter Übelkeit und Krämpfen. Seit ich frisches Quellwasser holen lasse, kann ich wenigstens etwas Nahrung bei mir behalten. Des Nachts quälen mich Alpträume. Ich wage kaum, die Augen zu schließen. Habe ich etwas vergessen? Ach ja: wenn ich ein wenig Zeit zum Verschnaufen habe, kommt Morriell mit ihren Vorwürfen und zieht mir den letzten Rest von Energie ab. Aber es soll nicht klingen, als ob ich mich beklagen wollte."

    „Das hätte Euch gewiss keiner unterstellt", sagte Schlobart ohne einen Anflug von Lächeln. Er spürte wohl, wie bedrückend Mauros Lage war.

    Mauro warf Schlobart einen verzweifelten Blick zu: „Ich habe den Kontakt zu meiner inneren Führung verloren. Die Stimmen, die mich mein ganzes Leben über geleitet haben, schweigen plötzlich. Ich rufe nach meinen Schutzgeistern, bettle meine Seelenfamilie um Unterstützung, doch ich kann ihre tröstende Nähe nicht mehr spüren. Ich sehe mir selbst zu, wie ich Dinge tue, die ich zutiefst verachte. Beinahe hätte ich neulich im Zorn einem Mann den Kopf abgeschlagen. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig bremsen. Das ist nicht der Friede, den ich schaffen wollte. Wenn ich so weiter mache, bin ich bald dort, wo mein Feind Barren mich gesehen hat – der schrecklichste Zauberkönig von allen. Ich stehe an einer Schwelle, die ich niemals überschreiten wollte und fühle, wie die Dunkelheit nach mir greift."

    „Eure Stärke war immer gewesen, dass Ihr wisst, wann Ihr Hilfe braucht. Und dass Ihr diese Hilfe dann auch annehmen könnt. Ich bin froh, dass Ihr mich gerufen habt. Ihr steckt bereits zu tief im Morast, um Euch aus eigener Kraft zu befreien. Ich werde Euch helfen", bot Schlobart an.

    „Ich danke Euch, Meister Schlobart. Schon dass Ihr hier seid, verschafft mir ein wenig Luft."

    „Als erstes möchte ich, dass Ihr Ruhe findet. Kommt her und lasst Euch in meine Arme fallen." Schlobart breitete die Arme aus.

    Mauro sah Schlobart überrascht an. Etwas in ihm signalisierte Gefahr. Mauro registrierte mit Verwunderung eine innere Reserve gegen den obersten Druiden, die er nicht zu erklären vermochte. Schließlich war er selbst es gewesen, der um Hilfe gebeten hatte.

    „Kommt schon her. Lehnt Euch zurück und vertraut Euch mir an."

    Mauro tat, wie der alte Zauberer ihn geheißen hatte. Er legte seinen Kopf an Schlobarts Schulter. Sein Rücken und seine Schultern berührten Schlobarts Brust, erst noch vorsichtig und zögerlich. Allmählich ließ er sich auf die Nähe des anderen ein und gab nach. Tiefer und tiefer ließ er sich in die schützende Wärme einsinken, bis sie ihn ganz umfing. Für eine Weile nahm er bewusst den Trost und die Unterstützung entgegen, die ihm dargeboten wurden. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf.

    Hamon fragte bewundernd: „Habt Ihr ihm einen Schlafzauber gegeben? Ich hätte nicht gedacht, dass das so einfach ist."

    „Ich habe gar keinen Zauber gebraucht, nur seine Bereitschaft, Hilfe anzunehmen. Zum Glück ist dieses Tor noch offen geblieben. Ihr als sein bester Freund konntet ihn nicht mehr erreichen, und auch für mich wäre es nicht mehr lange möglich gewesen. Je mehr er unter Druck gerät, desto mehr schottet er sich ab. Bald hätten wir ihn endgültig verloren."

    Hamon nickte: „Am Anfang hörte er auf meinen Rat. Doch es gab immer mehr, mit dem ich nicht einverstanden war. An irgendeinem Punkt habe ich versäumt, ihn bei all der Kritik, die ich anzubringen hatte, meines Rückhaltes zu versichern. Da habe ich wohl sein Vertrauen verloren."

    „Er besitzt einen untrüglichen Instinkt dafür, wann er Unterstützung braucht. Das macht ihn so stark. Nachdem er Euch als Verbündeten verloren glaubte, hat er wohl mit mir Kontakt aufgenommen. Hätte er alleine weitergekämpft, wäre er untergegangen. Von außen können wir beide sehen, wo die Probleme liegen. Dazu reichten schon die wenigen Sätze, die er gesagt hat. Ich werde ihm helfen, seine Täuschungen zu erkennen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Mehr braucht er nicht. Die Lösung kennt er selbst am besten."

    Schlobart rückte ein wenig zur Seite, denn Mauro war ihm schwer geworden. Er ließ den Schlafenden direkt neben sich auf den weichen Teppich gleiten und legte ihm eines der Kissen unters Haupt. Mauro rollte sich zusammen und schnaubte ein wenig. Schlobart legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und er schlief weiter.

    „Wollen wir in den Nebenraum gehen, damit wir ihn nicht aufwecken? fragte Hamon, „Dann stören wir ihn nicht mit unserer Unterhaltung.

    „Auf keinen Fall, antwortete Schlobart. „Wir werden uns hier unterhalten. Lasst unser Essen hierher bringen und sagt Morriell, Jago und Rüdiger Bescheid. Sie wollen sicher dazu kommen. Und lasst für Mauro eine Decke bringen.

    Auf Hamons fragenden Blick erläuterte der alte Zauberer: „Wann denkt Ihr, wird einer wie Mauro jemals einen Raum für sich gehabt haben? Als Hamon immer noch verständnislos dreinblickte, fügte er hinzu: „als Kind in der Schmiede von Brig sicher nicht, denn er hatte sechs oder sieben Geschwister. Auf der Zauberschule oder später als Krieger auch nicht, denn da schläft man dicht aneinander gedrängt mit den Gefährten. Auch nicht in Shio Bans Haus, denn da hatte er eine Gefährtin an seiner Seite. Als er mit uns zog, lagt Ihr immer alle nahe am Feuer, während draußen die Wachen standen. Alleine schläft so einer doch nur auf Reisen. Und da ist er ständig in Gefahr. Er muss auf sich selbst aufpassen, jedes Geräusch wahrnehmen, im Schlaf Feinde erkennen und jederzeit bereit sein, darauf zu reagieren. Wie soll er da in einem fremden Palast, in einer steinernen Gefängniszelle, deren Mauern seine Wahrnehmung kaum durchdringen kann, ruhig schlafen?

    Hamon schlug sich auf die Stirne: „Deshalb kommt er hier so schlecht zurecht. Früher hatte er nie Probleme mit dem Schlafen."

    „Sorgt künftig dafür, dass er nicht alleine in einem Raum schlafen muss."

    „Das mit der Gefährtin ist ein Problem. Irgendeine Frau nimmt er nicht, denn er fürchtet sich vor Krankheiten und Hexerei. Für die Damen der Gesellschaft hat er keinen Blick, so wie er im Moment unter Druck steht. Sein Herz gehört wohl immer noch Shio Ban."

    „Dann findet eine andere Lösung, bis er sich eine Gefährtin erwählt hat."

    Mauro schien Schlobarts Einschätzung zu bestätigen. Der Diener brachte die Decke und Schlobart breitete sie über den Schlafenden, ohne dass er sich auch nur ein einziges Mal rührte.

    Morriell, Rüdiger und Jago kamen, man begrüßte sich und schwatzte über die Ereignisse der vergangenen Monde. Schlobart erfuhr ein wenig darüber, was sich in Knyssar ereignet hatte – zumindest soweit Morriell darüber sprechen mochte. Danach hatten sich die Gefährten getrennt. Mauro war mit seinen neuen Begleitern nach Norden geritten und hatte das Heer heimgeschickt. Darüber wusste Schlobart mehr, denn er war beim ostkethischen Heer auf der anderen Flussseite gewesen. So konnte er über Mauros großen Feuerzauber berichten und darüber, wie es dem frischgebackenen König gelungen war, eine für beide Seiten annehmbare Übereinkunft zu erzielen. Die Gegenseite stand zu ihrem Wort. Nun war es an Mauro, bis zum Winter seinen Beitrag zu liefern.

    Hamon und Rüdiger waren bei der verletzten Morriell in Knyssar zurückgeblieben. Sie hatten Mauro erst einige Wochen später in Mandrilar wieder gesehen, als er auf Ratschlag seiner Heerführer die Hauptstadt besetzte, ehe der aufständische Herzog von Alicando ihm zuvorkommen konnte. Sie erzählten, dass der Herzog von Anbeginn an schlechte Karten hatte. Einige Clanchefs wechselten frühzeitig zu Mauro. Die alten Geschlechter hielten sich an den Spruch von Knyssar gebunden. Die beiden Juroren des Ithrynmaeth, Torren von Tolego und Val d’Ossar, riefen ihre Krieger zurück nach Hause. Die Almanen brachte Alicando gegen sich auf, indem er beim Rückzug ihre Dörfer plünderte. Die Xalmeidas, alte Feinde der Alicandos, verweigerten dem Herzog ihre Gefolgschaft. Zuletzt gewann Mauro noch den mächtigen Fürsten von Dares, einen der wenigen Nicht-Zauberer, indem er ihn gegen die Flut unterstützte. So brach der Aufstand zusammen, noch ehe er richtig begonnen hatte. Der Herzog von Alicando verschanzte sich in der Hafenstadt Qatraz und Mauro ging daran, sein Reich unter Kontrolle zu bringen.

    Mit dieser Aufgabe kam er bald an seine Grenzen, denn die Probleme waren riesig. Mauro wollte zu schnell zu viel erreichen und überforderte seine neuen Untertanen, seine Getreuen und bald auch sich selbst. Die Staatsdiener, die den alten König überlebt hatten, verhielten sich aus Gewohnheit passiv. Auf diese Weise vermieden sie es, Fehler zu machen. König Curon hatte wegen jeder Nichtigkeit Köpfe rollen lassen. Nicht umsonst hatten sie ihn „Erain Norn" genannt, den strengen König.

    Bald war auch Mauro ob seines Jähzorns gefürchtet. Noch wusste er nicht, wem er trauen konnte. So lag die ganze Last bei seinen wenigen Weggefährten, bei Hamon, Rüdiger und Jago sowie den fünf jungen Zauberern, den Ithryn, die er in Knyssar gerettet hatte. Zum Glück waren da noch seine kethischen Garden, die zumindest für ein wenig äußere Sicherheit sorgten.

    Das Tempo, das Mauro vorgab, war für sie alle zu hoch, doch sie wagten nicht, es ihm zu sagen. Sie waren tüchtige junge Männer, aber je mehr sie leisteten, desto mehr bürdete er ihnen auf. Und doch wuchsen die Probleme beständig. Wenn sie etwas anpackten, kamen stets neue Aufgaben dahinter zum Vorschein. Sie waren allesamt an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, die Nerven lagen blank. Der Ton untereinander war ruppig geworden und das Misstrauen groß. Die Auseinandersetzung zwischen Yvo und Shui, deren Zeuge Schlobart geworden war, war nur eine der unvermeidbaren Entladungen in dieser explosiven Atmosphäre. Ähnliche Reibereien gab es zwischen Sedh und Ingram, die einander beständig ins Gehege kamen. Andor litt häufig unter schlimmen Kopfschmerzen und Liu zog sich zurück, wann immer er konnte.

    Rüdiger genoss als Mauros Schüler eine Sonderstellung. Ihn beeinträchtigten die Reibereien nicht so sehr, wenngleich er mit dem herrischen Sedh auch nicht gut stand. Der Almane hatte eine ziemlich dicke Haut. So erzählte er Schlobart mit großer Begeisterung, dass er in den vergangenen Monden schneller vorangekommen war als in den Jahren zuvor. Er stand Mauro loyal, doch kritisch gegenüber und lernte begierig aus dessen Fehlern.

    Jago hingegen, der Konflikte nicht ertragen konnte, litt arg unter den Spannungen. Er versuchte, zwischen den Streithähnen zu vermitteln, doch er wurde regelrecht zwischen den Fronten aufgerieben.

    Schlobart nickte bedächtig. Das Bild, das er sich von der Situation gemacht hatte, begann sich abzurunden. Noch lange führten sie ihre Unterhaltung fort, ehe Schlobart sich neben Mauro auf den Matten zur Ruhe bettete.

    Mauro verschlief fast den ganzen darauf folgenden Tag. Schlobart gab strikte Anweisung, ihn unter keinen Umständen zu wecken. Kein Geschäft konnte so wichtig sein, als dass man ihn dafür hätte stören mögen.

    In der Zwischenzeit sah Schlobart sich ein wenig um. Zuerst unterhielt er sich länger mit Morriell und hörte sich ihre Klagen an. Bald merkte er, wie verfahren die Situation zwischen Mauro und ihr war. Sie konnte nicht verwinden, dass Mauro ihr verschwiegen hatte, König Curons Sohn zu sein. In dieses wichtige Detail nicht eingeweiht gewesen zu sein empfand sie als Verrat an der gemeinsamen Sache. Schlobart selbst hatte Mauro damals empfohlen, gegenüber Morriell Stillschweigen zu bewahren. Nun versuchte er, ihr seine Gründe darzulegen. Seine gut gemeinten Versuche, der Dame den Blick für Mauros schwierige Situation zu öffnen, gingen ins Leere. Morriell war für rationale Argumente nicht zugänglich. Letztendlich ermüdeten ihn die fruchtlosen Diskussionen. Er mochte Morriell und wusste um ihre schwierige Persönlichkeit. Auch wollte er nicht herunterspielen, was sie für ihre gemeinsame Sache geleistet hatte. Doch ihre Gewohnheit, die Schuld immer bei den anderen zu suchen, ging ihm gegen den Strich. So empfahl er sich und ging hinaus ins Freie, um ein wenig Luft zu schnappen.

    Die schwüle Sommerluft nahm ihm fast den Atem. Der Unterschied zwischen den kühlen Räumen und der durch die Mauern verstärkten Hitze im Hof war beklemmend. Schlobart ging hinaus in den Garten und versuchte, sich mit geschlossenen Augen zu adaptieren. Da spürte er die Anwesenheit eines anderen starken Zauberers, der offenbar mit ihm Kontakt aufnehmen wollte. Er ging durch das Labyrinth aus stacheligen Sträuchern bis zum Springbrunnen. Dort erschien ihm die Hitze erträglicher. Er setzte sich auf den Brunnenrand und wartete.

    Bald schon kam der andere wie zufällig hinter der Hecke hervor. Seine Gestalt war hager und er ging leicht nach vorne geneigt. Das auffälligste an ihm waren seine wasserblauen Augen. Sie konnten einmal kalt und stechend, dann wieder verschlagen und heimtückisch blicken. Mitfühlend sah man sie nie. Er war deutlich jünger als Schlobart, zwischen Mitte und Ende fünfzig. Die dominante, hoheitsvolle Ausstrahlung wies ihn als einen Mann aus, der zu befehlen gewohnt war. Sie grüßten einander mit einer knappen Verbeugung. „Mein Name ist Goswin, Fürst von Malfar und Gildemeister von Orod Ithryn", stellte der fremde Zauberer sich vor.

    Schlobart erwiderte kühl die erwiesene Höflichkeit und stellte sich als Hüter des Elfenbeinturms vor. Einen Augenblick lang hatte er den Eindruck, als hätte Malfarin etwas anderes zu hören erwartet. Jetzt sagte dieser ohne sichtliche Gemütsregung: „Seid mir gegrüßt. Ich hörte die Kunde und konnte es kaum glauben. Selten verirrt sich ein Meister der weißen Zünfte so weit in den Süden."

    Neugierde war gewiss nicht der Grund, dass der Gildemeister den Kontakt mit Schlobart gesucht hatte. Beide waren gewiefte Verhandler, die nicht sofort mit der Tür ins Haus fielen. Sie tauschen weiter Höflichkeiten und Gemeinplätze aus, während sie einander belauerten wie zwei Raubtiere. Keiner von ihnen gab sich dem Irrglauben hin, dass der andere ein leichter Gegner wäre.

    Malfarin warf schließlich den ersten Stein in den See: „Unser König ist ein Schüler weißer wie schwarzer Zauberschulen. Man sagt, weiße Zünfte aus dem Norden hätten ihn in seinem Kampf gegen den Erain Norn unterstützt."

    „Das haben auch schwarze Zünfte getan", entgegnete Schlobart vorsichtig.

    „Ich weiß. Weder der Altmeister von Orod Ithryn noch die Hexenkönigin sind große Freunde des Erain Norn gewesen."

    Natürlich würde Malfarin als Gildemeister wissen, dass Mauro sich nach seinem Besuch in Minox für Orod Ithryn entschieden hatte. Auch die Unterstützung der Hexenkönigin war kein Geheimnis. Doch was wusste Malfarin über Mauros Verbindung zum Elfenbeinturm und über sein ambivalentes Verhältnis zum Herrn des Eispalastes? Wahrscheinlich wenig, sonst wäre er jetzt nicht hier. Also hielt Schlobart sich bedeckt: „Es liegt in unser aller Interesse, dass Furukiya wieder zu einem berechenbaren Partner in der Region wird. Das zu bewerkstelligen war auch Anliegen der weißen Zünfte."

    „Und jetzt seid Ihr gekommen, Euren Lohn dafür einzufordern." Malfarin formulierte das nicht als Frage, sondern als Feststellung.

    Obwohl Malfarin ein ausgezeichneter Verhandler war, in dessen Gesicht man nichts von seinen Absichten lesen konnte, wusste Schlobart instinktiv, dass sie jetzt am Kernpunkt angekommen waren. Allmählich verstand er: der Gildemeister wollte wissen, inwieweit die weißen Zünfte ihren Einflussbereich nach Süden auszudehnen beabsichtigten.

    „Der Elfenbeinturm ist nicht auf Expansion aus. Wir haben kaum genügend Meister für unsere eigenen Aufgaben. Die Tradition der Zauberei hat sich bei uns nicht so lebendig erhalten wie in Eurem Lande." Das war die traurige Wahrheit. Aufgrund der hohen Anforderungen, die der Elfenbeinturm an Talent und moralische Festigkeit seiner Schüler stellte, hatte man dort schon seit einiger Zeit Nachwuchssorgen. So kam es, dass mittlerweile auch kethische Druiden wie Schlobart zu Hütern des alten Wissens berufen wurden.

    „Umso interessanter könnte es für Euch sein, in unserem Teich zu fischen", meinte Goswin.

    „Unser Teich ist nicht leer. Weiter im Norden werden noch genügend junge Zauberer in der Tradition des Eispalastes ausgebildet." Der Eispalast hatte in der Tat keine Nachwuchs­Sorgen, denn jenseits des Sundes war Zauberei so selbstverständlich wie hier im Süden. Doch die Philosophie unterschied sich in wesentlichen Punkten von der reinen Lehre des Elfenbeinturmes. Der Eisfürst sah sich zwar auch Bannerträger der weißen Magie, doch was noch weiß war, definierte er eher großzügig. Darin unterschied er sich nicht vom Altmeister von Orod Ithryn, der schwarze Magie als unvermeidbares Übel seiner Zunft ansah. Er unterwies seine Schüler im Umgang mit Schadenszaubern, ermutigte sie jedoch nicht zur Anwendung schwarzmagischer Praktiken. Beide Schulen waren stolz auf ihr solides ethisches Fundament, das den Zauberlehrlingen als moralischer Wegweiser dienen sollte.

    „Was führt Euch dann hierher?" fragte Malfarin direkt. Ihm war bekannt, dass Mauro das Zauberzeichen des Eispalastes trug und stellte nun mit Erstaunen fest, dass der Besucher von einem Orden kam, den er nicht im Spiel wähnte. Die Weisen vom Elfenbeinturm waren ihm als die Hüter des alten Wissens bekannt. Er dachte bislang, dass man dort eher spirituelle Ziele verfolgte als Machtpolitik machte.

    „Ich bin gekommen, um einem Freund und einem großen Kollegen in einer schwierigen Situation Beistand zu leisten. Er hat sich viel vorgenommen für dieses Land. Noch weiß er nicht, wem von seinen neuen Untergebenen er trauen kann."

    Nach einer Weile sagte der Gildemeister: „Er sollte sich mit uns arrangieren. Es tut nicht gut, wenn er sich nur mit Leuten aus dem Norden umgibt. Es wächst kein Vertrauen zwischen ihm und dem Land."

    Schlobart pflichtete aus Überzeugung bei: „Das muss er unbedingt tun. Doch es wird nicht leicht werden. Die mächtigen Zauberer in Knyssar standen ihm als Feinde gegenüber. Ihnen wird er so schnell nicht trauen."

    „Kein Gildemitglied von Orod Ithryn war in Knyssar dabei, entgegnete Malfarin nicht ohne Schärfe. Sofort tat ihm Leid, dem anderen eine Blöße aufgezeigt zu haben. Er machte eine Pause, ehe er fortfuhr: „Wir sind ebenso auf seiner Seite wie Ihr. Er sollte uns mehr Gehör schenken.

    „Warum sollte der König in den Machtkampf der schwarzen Gilden eingreifen? Was würde er dadurch gewinnen?"

    „Er ist einer der unseren, er trägt den Wolf von Orod Ithryn. Er ist auf uns angewiesen. Der Elfenbeinturm als spirituelles Zentrum hat keine Machtbasis, ihr könnt ihm hier nicht helfen. Von seinen eigenen Leuten im Eispalast bekommt er keine Unterstützung. Wie ich höre, hat der Eisfürst in Knyssar sogar einen Gegenkandidat ins Rennen geschickt. Er hält offenbar keine großen Stücke auf seinen Schüler." Das war ein Bluff. Malfarin wusste nichts über Mauros getrübtes Verhältnis zum Eispalast und auch nichts darüber, dass Mauro sich mittlerweile für Orod Ithryn entschieden hatte. Er besaß bloß die Information, dass seine Tochter Kayla nach dem Ithrynmaeth dem ziemlich ramponierten Astralkörper eines Eiszauberers geholfen hatte, zu entkommen. Von Beor wusste er, dass Mauro in Moringart seine Heerführer vor den Kombat-Zauberern des Eisfürsten im gegnerischen Lager gewarnt hatte. Das ergab keinen Sinn, wenn diese seine Mitstreiter waren. Nun setzte er die Brocken zusammen, die man ihm zugespielt hatte, und testete ihre Wirkung.

    Schlobart folgerte, dass Malfarin Bescheid wusste und bestätigte diesem damit seine Vermutung. „Ich vertrete hier nicht die Belange des Eisfürsten. Euer Anliegen überzeugt mich. Welch treuere Verbündete könnte der neue König haben als die, die den gleichen Meister ehren."

    Den gleichen Meister ehren – das war eine interessante Information. Malfarin war sich über Mauros Einstellung gegenüber Orod Ithryn keineswegs so sicher gewesen. Er wusste, dass dieser dereinst ohne Abschluss von der Schule gewiesen worden war. Nun bekräftigte er: „Es sollte unser gemeinsames Anliegen sein, zum Besten aller Beteiligten. Ihr im Elfenbeinturm hütet das Vermächtnis der Unsterblichen, das auch unseren Lehren zu Grunde liegt. Wir müssen nicht gegeneinander arbeiten, wir nehmen gerne Eure Vermittlung in Anspruch."

    Schlobart wusste ebenso wie Malfarin, dass dieses Argument zwar logisch richtig war, doch von keinem von ihnen nachempfunden wurde. Schwarze und weiße Gilden betrachteten einander seit Generationen mit tiefem Misstrauen. Wo kein Kontakt besteht, blühen die Vorurteile. Selbst wenn beiden Männern bewusst war, dass ihre Lehren auf einer gemeinsamen Basis aufbauten, hatten sie teilweise abstruse Vorstellungen, was die jeweils andere Seite daraus machte. Sie trauten einander noch lange nicht über den Weg. Einzig Mauro, der beide Seiten kannte, wusste, wie ähnlich sie einander tatsächlich waren.

    „Vielleicht kann ich vermitteln. Ich werde ein Gespräch zwischen dem König, dem Gildemeister von Orod Ithryn und meiner Wenigkeit anregen, um über die Zukunft aller Zauberer in dieser Region zu sprechen", schlug Schlobart vor.

    „Das erscheint mir ein guter Weg", pflichtete Malfarin ihm bei.

    „Überschätzt meinen Einfluss nicht. Ich kenne ihn erst wenige Monde lang und bin nicht sein Lehrmeister." Es erschien Schlobart sinnvoll, seine Position gegenüber Malfarin zu relativieren.

    Malfarin wusste wohl, dass der andere seine Rolle herunterspielte. „Der Macht der Logik wird der König sich nicht verschließen."

    Sie verabschiedeten sich ebenso kühl, wie sie sich begrüßt hatten.

    Malfarin war hoch zufrieden. Er mochte Schlobart nicht besonders, doch das ging mehr allgemein gegen den weißen Zauberer als gegen die Person, die er für absolut integer hielt. Vor allem verband sie ein gemeinsames Interesse. Wie Schlobart wünschte auch Malfarin, dass Mauro sich als Herrscher von Furukiya durchsetzen möge. Unter Mauro sah er für Orod Ithryn wieder eine Chance, zurück ins Zentrum der Macht zu rücken. Die Großmeister der schwarzen Rose waren durch den unfairen Kampf in Knyssar in Misskredit geraten, das hatte Schlobart ihm bestätigt. Der alte Druide war selbst keine Konkurrenz, er erkannte in ihm den spirituellen Führer an Mauros Seite. Dass er keinen Einfluss hatte, glaubte er ihm nicht. Hauptsache, er war kein Eiszauberer. Den hätte er fürchten müssen, denn der machthungrige Eisfürst wäre sicher bestrebt gewesen, seinen Einfluss nach Süden auszudehnen. Dass Mauro im Eispalast keinen Rückhalt hatte, betrachtete Malfarin als gute Nachricht. Ihm war nicht klar gewesen, welches der beiden in einander verwobenen Zauberzeichen, die der König trug, seine Loyalität stärker band. Der Andeutung, dass Mauro den Altmeister von Orod Ithryn >als seinen Meister ehrte<, würde er umgehend nachgehen. Es erschien ihm einleuchtend, denn Orod Ithryn pflegte enge Beziehungen zur Hexenkönigin. Innerlich fluchte er vor sich hin, dass der Altmeister von Orod Ithryn es nicht der Mühe wert fand, ihn über sein Verhältnis zu Mauro ins Bild zu setzen. Viel wertvolle Zeit für das Sammeln von Informationen hätte er sich sparen können, hätte er gewusst, dass der neue König von vorne herein mit ihm im selben Boot saß.

    Als Schlobart in den Palast zurückkehrte, erwarteten Sedh, Shui und Ingram ihn bereits. „Ihr habt den König mit einem starken Zauber außer Gefecht gesetzt und lasst nun niemanden zu ihm, sagt man mir, schnaubte Sedh wütend. „Das kann ich nicht hinnehmen. Ich bin für seine Sicherheit verantwortlich und möchte sofort wissen, was geschehen ist. Bedrohlich baute er sich vor Schlobart auf. Sedh ließ keinen Zweifel daran, dass er die Konfrontation mit dem Altmeister nicht scheuen würde, selbst wenn dieser ihm als Zauberer haushoch überlegen war.

    Schlobart hatte keinerlei Intention, Sedh zum Äußersten zu treiben. Er lächelte freundlich und sagte: „Ich habe ihn nicht bezaubert, er schläft nur. Kommt und seht selbst." Die drei folgten ihm in Mauros Privatgemach. Sedh und Ingram rempelten einander unsanft an, weil jeder von beiden als erster bei Mauro sein wollte. Sedh setzte sich durch und stieß Ingram zur Seite. Er ließ sich neben dem auf dem Boden liegenden Mauro nieder und fühlte seinen Puls. Mauro knurrte etwas, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter. Sedh sah Schlobart erstaunt an.

    „Ich denke, es war an der Zeit, dass er ein wenig Ruhe findet", meinte der alte Zauberer.

    „Verzeiht, Meister, ich war in Sorge…"

    „Ihr habt Eure Pflicht getan. Es ist gut, wenn Ihr wachsam bleibt, Meister…."

    „Sedh. Sedh von Yian Mah. Sedh verneigte sich vor dem Altmeister. „Das ist mein Neffe Shui. Dann wurde er des mit finsterem Gesicht daneben stehenden Ingrams gewahr und fügte widerwillig hinzu: „Und das ist Hauptmann Ingram von Morlox, des Königs kethischer Wachhund."

    Schlobart bemühte sich, den Zwist zwischen den beiden nicht weiter anzufachen. Er begrüßte erst Ingram und Shui mit einer leichten Verneigung, ehe er seine volle Aufmerksamkeit wieder auf Sedh richtete: „Meister Sedh. Ich habe viel von Euch gehört und freue mich, Euch nun persönlich kennen zu lernen. Bis vor kurzem hätte Schlobart drei Bannzauber aufgewendet, um sich vor den bösen Geistern der Hexenkönigin zu schützen. Mittlerweile war er nicht mehr so sicher, dass alles, was von dort kam, schlecht war. Die beiden jungen Männer sahen zwar wie Geschöpfe der Schattenwelt aus mit ihrem pechschwarzen Haar, das mittlerweile etwas nachgewachsen war, und ihren schmalen, schräg stehenden Augen. Schlobart erinnerte sich noch gut, wie Shigat mit seinem Mannen ihnen vor Westgilgart zu Hilfe gekommen waren. Eine Horde Dämonen hätte nicht mehr Schrecken verbreiten können. Bei näherer Betrachtung hatte er allerdings nichts Dämonisches an Shigat finden können. Auch in den beiden Steppenreitern hier sah er in erster Linie tapfere Krieger. Allmählich war er bereit, seine Vorurteile zu revidieren und ging freundlich auf den Sohn der Hexenkönigin zu: „Darf ich mich vorstellen – Schlobart, Druide und Wächter des Ordens vom Elfenbeinturm. Mit einem freundlichen Kopfnicken bezog er Ingram mit ein.

    „Ich erinnere mich an Euch, sagte Ingram misstrauisch. „Ihr wart Herzog Eginors Dolmetscher…

    „Er ist ein Freund des Königs und ein Hüter des alten Wissens wies Sedh Ingram zurecht. Mit einem betont freundlichen Lächeln wandte er sich wieder Schlobart zu: „mein Bruder Shigat hat mit großer Hochachtung von Euch gesprochen. Verzeiht meine Heftigkeit.

    „Es ist gut, wenn Ihr wachsam bleibt. Schlobart nickte Ingram bestätigend zu, ehe er sich wieder Seth zuwandte: „Kommt, setzt Euch zu mir und vertreibt mir ein wenig die Zeit, bis der König unsere Dienste wieder in Anspruch nimmt. Erzählt mir von Eurer Heimat und ihren Menschen.

    Sedh war kein großer Erzähler, doch Shui konnte mit Worten wunderbare Bilder malen, die Schlobart einen Eindruck vom Leben im Hexenkönigreich vermittelten. Er sprach vom Steppenwind, der Geschichten erzählen konnte, von schnellen Pferden, die mit dem Sturm um die Wette ritten, von blühenden Apfelbäumen, deren Blütenblätter wie Schnee über die Mauern herabrieselten, von Melodien, die den Mond zum Weinen brachten und von schwarzäugigen Frauen, die stolz ihre Männer erwählten. Zuletzt sprach auch Sedh, von seinem Vater, den er nicht retten konnte. Von dessen Heldentaten und von der Lücke, die er hinterlassen hatte. Schlobart fühlte seine Sehnsucht und die Hingabe, mit der er an seiner Heimat hing – seiner Heimat, in die er nicht zurückkehren durfte. >Sie sind nicht anders als wir< dachte er bei sich, >Menschen aus Fleisch und Blut mit den gleichen Träumen, Hoffnungen und tiefen Gefühlen<.

    „Haltet ein, Ihr bringt mich um." Mauro war zwischenzeitlich erwacht und hatte ihm eine Weile lang zugehört. Shuis Bilder aus Yian Mah mischten sich mit seinen eigenen Erinnerungen, die der heraufbeschworene Steppenwind mit sich brachte. Er setzte sich auf und wandte sich den

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