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Der Wettkampf der Zauberer: Furuks Erbe Band 2
Der Wettkampf der Zauberer: Furuks Erbe Band 2
Der Wettkampf der Zauberer: Furuks Erbe Band 2
eBook344 Seiten4 Stunden

Der Wettkampf der Zauberer: Furuks Erbe Band 2

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Über dieses E-Book

Furuks Erbe ist ein neunbändiges Fantasy-Epos mit mehreren Ebenen:
Die offensichtliche Ebene ist die Heldenreise: Mauro stellt sich dem Unvermeidlichen und schultert die Bürde, die ihm seine Herkunft auferlegt. Im Labyrinth der 1000 Schrecken sieht er den eigenen Ängsten ins Gesicht. Als ihm gelingt, seinen Schatten zum Verbündeten zu machen, triumphiert er über die Tücke übermächtiger Gegner.
Die zweite Ebene ist die Auseinandersetzung mit den Prinzipien der Führung: Was legitimiert den Sieger, in einem fremden Land Befehle zu erteilen? Wie findet er unter den ehemaligen Feinden Verbündete? Schafft er es, das Heer der Furukim heimzuschicken, ohne dass ihm die ehemaligen Weggefährten in den Rücken fallen?
Auf der dritten Ebene geht es um energetische Prozesse: Zaubern ist eine kraftraubende Angelegenheit. Mauro hat Mühe mit dem Dosieren und neigt dazu, sich zu verausgaben. Mitunter ist ein Pferd das kraftsparendere Transportmittel. Wenn es allerdings darauf ankommt, vermag die Imagination Berge zu versetzen, und die vier Elemente werden zu gefährlichen Distanzwaffen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Feb. 2017
ISBN9783742799111
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    Buchvorschau

    Der Wettkampf der Zauberer - Solveig Kern

    Kapitel 1: Die Weiterreise zum Tempel von Knyssar

    Auf Adlers Schwingen

    Sie durchquerten die Hochebene bis zu deren anderem Ende und verließen die Elfenstadt durch einen energetischen Vorhang, der das Siedlungsgebiet des schönen Volkes vor den Menschen verbarg. Ihr Elfenführer geleitete sie durch die Berge bis zu einem Punkt, wo es nicht mehr weiterging. Sie standen auf einem Hochplateau, über dem sich ein mächtiger Berggipfel erhob. Unter ihnen fiel eine Wand fast senkrecht 600 Mannhöhen tief ins Tal ab.

    „Der steinerne Reiter, sagte Llewin andächtig, als er hinauf zum Gipfel sah. „Schon oft habe ich ihn von unten bewundert. Aus einem bestimmten Winkel betrachtet scheint er ein Gesicht zu haben, dessen Nase nach Westen weist. Wir stehen jetzt auf seinem Kragen. Er schaut hinüber zum Steinernen Sattel, wo sein Pferd auf ihn wartet. Er erreichte es nicht mehr, weil ein Fluch ihn erstarren ließ. So muss er ewig hier Wache stehen, hoch über dem fruchtbaren Melgortal. Er ist der Schutzpatron des Seekethlandes. Meine Heimat liegt zu seinen Füßen. Welch wunderbares Naturschauspiel, wenn sich die untergehende Sonne in seiner senkrechten Südwand fängt.

    „Wieso Seekethland?" wollte Mauro wissen. Ihm war nicht bekannt gewesen, dass südlich des grauen Gebirges kethische Stämme hausten.

    „Im Zentrum der fruchtbaren Ebene liegt ein riesiger, fischreicher See. Sechs kethische Stämme leben in dieser Ebene. Mein Vater ist ihr gewählter König. Er deutet in südliche Richtung: „Dort unten, seht nur, fließt der Melgor. Weit hinten am Horizont mündet er in den See – dort liegt meine Heimatstadt Sexten. Von hier oben sieht man nur die nördliche Festung Melgart. Sie folgten seinen Hinweisen und konnten tatsächlich tief unten einen Fluss und weiter hinten eine Ansiedlung erkennen.

    „Wir müssen nach Melgart, doch von hier oben führt kein Weg…" Llewin schaute ihren Elfenführer fragend an.

    „Ein Weg führt hier nicht, bestätigte dieser. „Ihr könnt zu Tale schweben.

    „Seid Ihr sicher, dass wir das können?" fragte Morriell skeptisch.

    „Wäre ich mir dessen nicht sicher, hätte ich euch nicht hierher geführt, entgegnete der Elfe mit einem freundlichen Lächeln. „An diesem Berg gibt es Winde, die euch sanft zu Tale tragen. Hier, verwendet diese Tücher. Sie wirken wie Flügel und bremsen Euren Fall. Er zeigte ihnen, wie sie die Tücher und die daran befestigten Seile handhaben sollten.

    „Was machen wir mit unseren Pferden?" wollte Jago wissen.

    „Das ist einfach, antwortete Shigat. „Wir machen dasselbe wie damals, als wir Euch gegen Malwin zu Hilfe kamen. Unsere Pferde wurden dank unserer Suggestion zu bissigen Kampfhunden. Nun verwandeln wir sie in Vögel und überzeugen sie, dass sie fliegen können.

    Rüdiger hatte Zweifel: „Wenn das nur gut geht!"

    Mauro mit seiner Höhenangst fand die Idee gar nicht witzig: „Gibt es nicht doch einen anderen Weg, da runter zu kommen?"

    „Nicht, wenn Ihr rechtzeitig zum Ritual in Knyssar sein wollt. Der Abstieg über den steinernen Sattel nimmt mindestens eine Woche in Anspruch. Vom Norden kommt schlechtes Wetter. Bei Schneefall ist der Weg gefährlich. Nutzt den Sonnentag und vertraut Euch den Winden an."

    „Wir scheinen keine Wahl zu haben, seufzte Mauro. „Fangen wir mit den Pferden an. Wie wäre es mit einer Verwandlung zu Flugdrachen?

    „Keine gute Idee. Sie betrachten Akila womöglich als Frühstück. Ein Happ und weg ist sie", warnte Shigat.

    „Nicht nur Akila, gab Rüdiger zu bedenken, „Auch wir könnten für einen Flugdrachen ein willkommenes Frühstück sein.

    Shigat hatte eine bessere Idee: „Wir verwandeln sie in Raben, und Akila wird sie geleiten. Im Schwarm wagt kein Raubvogel, sie anzugreifen."

    „Es sei denn, er glaubt nicht daran, dass Raben Schwarmvögel sind", witzelte Llewin.

    Sie stellten sich im Kreis um ihre Pferde auf, um den Zauber zu bewerkstelligen. Schon bald tummelte sich eine Schar Raben auf den Felsen. Doch die Vögel zeigten keinerlei Ambitionen, sich vom Boden hinwegzuheben.

    Mauro versuchte, Äsekiel den Abflug schmackhaft zu machen. Gerade er war dafür nicht der Richtige. Die Stute sah ihn mit ihren klugen Augen an und spürte seine Höhenangst. Sie blieb lieber auf festem Boden.

    Akila wusste Rat. Sie zettelte mit dem Alpha-Hengst Streit an. Dieser ging sofort auf sie los. Sie lotste ihn geschickt in die Nähe der Klippen und schwang sich in die Lüfte. Der Hengst spurtete hinter ihr her. Ehe er sich’s versah, flog auch er. Auf diese Weise brachte die kluge Rabendame nach und nach alle Pferde vom Boden weg. Nur Äsekiel stand stocksteif, Auge in Auge mit ihrem Herren, als wollte sie sagen: >das meinst Du doch wohl nicht ernst<.

    „Doch, Äsekiel, das meine ich ernst", sagte Mauro zu der Raben-Stute. Er schnappte sie unter seinen Arm, nahm einen Anlauf und sprang mit ihr hinaus ins Nichts.

    „Himmel, er hat sein Tuch vergessen", schrie Jago entsetzt auf.

    „Das braucht er nicht, klärte ihn Shigat auf. „Als Zauberer sollte er in der Lage sein, sich mit dem Element zu verbinden, das er für seine Reise nutzt. Wenn seine Höhenangst das nicht zulässt, nutzt ihm auch das Tuch nichts.

    Jago sah den beiden nach. Bald schon segelten Pferd und Reiter Seite an Seite gemütlich in die Tiefe. >Siehst Du, es ist gar nicht so schlimm<, meinte Mauro klopfenden Herzens zu seiner Stute. Oder sagte sie es zu ihm?

    Nun nahm auch Shigat Anlauf und segelte davon. Zum Spaß schraubte er sich noch höher in die Lüfte und rief den anderen zu: „Kommt schon, es ist herrlich da oben. Ich fühle mich wie ein Adler!"

    Rüdiger und Jago waren noch unschlüssig, ob auch sie auf das Tuch verzichten sollten. „Keine Heldenaktionen, beschloss der vorsichtige Rüdiger. „Stellen wir sicher, dass wir heil unten ankommen.

    Jago pflichtete ihm bei. Während die beiden überlegten, nahm Morriell Llewin bei der Hand und sagte: „komm mit, ich zeige Dir, wie man fliegt!" Sie schnappte sich einen Stock, den sie mit ein paar Gräsern und Borsten in einen Besen verwandelte und lud ihren Gespielen ein, hinter ihr Platz zu nehmen. Dann startete sie durch, zog den Besenstiel vorne hoch und erhob sich in bester Hexenmanier in die Lüfte.

    „Das reicht, sagte Jago entschlossen. „Von der lasse ich mir nichts vormachen. Mit einem Salto katapultierte er sich hinaus ins Bodenlose.

    Auch Hamon fackelte nicht lange. Trotz seines beträchtlichen Gewichtes erhob er sich mühelos in die Luft und drehte eine Ehrenrunde über dem Kopf des steinernen Reiters.

    „Los, Jungs. Ziehen wir uns unsere Flügel an", meinte Rüdiger zu Shigats Männern. Die sahen ihn verständnislos an und sprangen einer nach dem anderen ohne Hilfsmittel in die Tiefe. Sie alle waren ausgebildete Zauberer und wussten die Elemente zu nutzen.

    „Nein, das mache ich nicht. Zeigt mir nochmals genau, wie man den Gleitschirm benutzt, verlangte Rüdiger von ihrem Elfenbegleiter. Dieser erklärte ihm detailliert die Handhabung der einzelnen Leinen und Taue, die an dem Stoff befestigt waren. Rüdiger ging im Kopf nochmals alles durch. „Ich glaube, ich habe verstanden. Das ist machbar. Wie bekommt Ihr Euer Fluggerät hinterher wieder? Das ist schließlich eine große Leinwand. Selbst eine Elfe muss lange daran weben.

    „Macht Euch darum keine Sorgen, meinte der Elfe begütigend. „Das ist nichts weiter als verdichtete Energie. Sie zerfällt und kann wiedergewonnen werden. An solchen Dingen müsst Ihr nicht festhalten. Werft sie einfach in die Höhe, wenn Ihr unten seid.

    Rüdiger war zufrieden und begab sich in Startposition. Zum letzten Mal rekapitulierte er die Anweisungen. Dann schloss er die Augen und sprang ab. Nachdem er sich in seiner ungewohnten Position unter dem bauschigen Schirm zurechtgefunden hatte, riskierte er einen Blick auf die Schönheit der vorbeiziehenden Landschaft. So schlecht war es gar nicht, das Fliegen. Rüdiger beschloss, die ungewöhnliche Transportart zu genießen.

    Mittlerweile waren allerdings die Adler auf die Bewegung aufmerksam geworden. Hungrig vom langen Winter sahen sie nach, ob etwas Essbares herumflog. Ein riesiges Exemplar entschied, dass sich unter dem aufgebauschten Stoff etwas Leckeres befinden musste. Seine Partnerin unterstützte ihn bei der Jagd. Die beiden Raubvögel griffen an, hakten im Sturzflug ihre Krallen in das gespannte Tuch und zerrten es auseinander. Dabei rissen sie einen großen Fetzen heraus.

    Enttäuscht betrachteten die Adler ihre Ausbeute. Nestbaumaterial, in Ordnung, aber davon wurden sie nicht satt. Da musste noch ein wenig Fleisch dran, und das hing offenbar weiter unten. Sie nahmen einen zweiten Anlauf.

    Rüdiger hatte gerade mit einem Zauberspruch das entstandene Loch notdürftig geflickt. Nun musste er die Leinen loslassen, um die Adler abzuwehren. Danach konnte er gerade noch einen Zipfel fassen. Der bauschige Schirm verwandelte sich in ein flaches Segel, das den freien Fall kaum abbremste. Mit dem schwerelosen Schweben war es vorbei. Hurtig ging es abwärts. Der Boden kam rasant näher.

    Gerade rechtzeitig fiel Rüdiger ein, was Shigat oben gesagt hatte. Er war schließlich ein Zauberer, der sich mit den Elementen zu verbinden vermochte. Buchstäblich in letzter Minute gelang es ihm, sich auf das Element Luft einzulassen. Er spürte, wie die Schwingen der Windsbraut seinen Körper erfassten und überließ sich ganz ihrer Macht. Sie wirbelte ihn ein paar Mal um die eigene Achse, ehe sie ihn nochmals hinauftrug auf den Berg. Dort stand der hilfreiche Elf und sah sichtlich amüsiert zu, wie Rüdiger unfreiwillig Purzelbäume im Himmel schlug. Rüdiger breitete die Arme aus und versuchte, den Flug ein wenig zu steuern. Schließlich bekam er die Situation in den Griff und schwebte langsam in spiralförmigen Kreisen der Erde entgegen.

    Unten standen die lachenden Gefährten und applaudierten seiner gelungenen Darbietung. Rüdiger bekam einen hochroten Kopf und warf das, was von dem guten Tuch noch übrig war, in weitem Bogen in die Luft. Tatsächlich erhob es sich, füllte sich von unten mit Luft und stieg anmutig nach oben. Der Elfe nahm es in Empfang und winkte ihnen von oben zu: „Gute Weiterreise!"

    Die Sonne stand schon weit im Westen. Sie hielten Ausschau nach einem geeigneten Quartier. Unter einem Felsvorsprung einigermaßen vor Wind und Wetter geschützt richteten sie ihr Nachtlager ein. Da sie auf kethischem Boden unterwegs waren, mussten sie die Entdeckung nicht fürchten. Zum Schutz vor unliebsamen Überraschungen teilten sie dennoch Nachtwachen ein. Sie aßen von den Vorräten, die ihnen die Elfen mitgegeben hatten und plauderten angeregt über die Erlebnisse der vergangenen Tage.

    „Ich werde Königin werden! brüstete sich Morriell. „Ich habe es in der Schale gesehen. Ich ritt auf einem Schimmel neben einem mächtigen König eine prachtvolle Straße entlang. Sobald ich in ihre Nähe kam, fielen meine Untertanen vor mir auf die Knie! Dabei sah sie Llewin erwartungsvoll an.

    „Dann waren Deine Untertanen keine Seekethen, entgegnete dieser. „Unser stolzes Volk beugt sich vor niemandem. Wir knien nur vor unseren Göttern. Unseren König bestimmt die Ratsversammlung, das Thing. Ihr gehören Vertreter aller sechs Stämme an. Warum sollten wir vor jemandem in den Staub sinken, den wir selbst wählen?

    „Sie werden es schon noch lernen", entgegnete Morriell schnippisch.

    „Vielleicht wird Morriell Königin der Feuerländer. König Curon gibt sich nicht damit zufrieden, dass seine Untertanen vor ihm niederknien. Er verlangt in der Tat, dass sie wie Würmer vor ihm im Staube kriechen!" sagte Shigat bitter.

    „Das ist nicht verwunderlich, erläuterte Jago. „König Curon fürchtet ein Attentat. Er wäre nicht der erste König der Furukim, der eines gewaltsamen Todes stirbt. Liegen die Menschen auf den Knien, sind sie leichter zu kontrollieren. Will einer sein Schwert gegen den König ziehen, muss er sich erst erheben. Das kostet Zeit und gibt dem Angegriffenen einen Vorsprung.

    „Ein nettes Land, wo der König jederzeit mit der Attacke eines Vasallen rechnen muss. Kein Wunder, dass sie dabei Angstexperten geworden sind", lästerte Mauro mit vollem Mund.

    „Schwertattacken sind un-subtil, gab Morriell zum Besten. „Ich würde Gift bevorzugen.

    „Typisch Frau, ätzte Mauro zurück. „Ich sollte mich wohl in Zukunft hüten, Speisen aus Eurer Hand zu essen.

    „Was habt Ihr denn aus dem Spiegel erfahren? fragte Morriell Llewin. Dieser wollte nicht antworten, doch sie bedrängte ihn: „Sagt schon. Ward Ihr der König an meiner Seite?

    Llewin wollte seine Erfahrungen nicht preisgeben, schon gar nicht auf diese Art. Er nahm Zuflucht zu einem Scherz: „Ob ich ein König sein werde, konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls sah ich mich im Ringkampf mit einer feurigen Gespielin!"

    Morriell schnappte nach Luft und wollte schon weiter bohren, doch Mauro kam Llewin mit einer flapsigen Bemerkung zu Hilfe: „Ähnlich erging es mir, doch ich habe nur das Ergebnis des Ringkampfes gesehen: eine nette Ehefrau und eine Stube voller Töchter!"

    „Töchter? rief Hamon entsetzt. „Ich hoffe, Du wirst nicht nur eine Ehefrau haben!

    „Was ist gegen Töchter einzuwenden? fragte Shigat erstaunt. „In Yian Mah kommt Ihr damit groß raus!

    „Töchter sind schon in Ordnung, denn auch an sie vererbt sich die Macht der Zauberer, erwiderte Mauro eingedenk der Weissagung. „Für einen Kethen ist eine Ehefrau genug, Gott bewahre. Wie viele hast denn Du?

    Hamon zählte an den Fingern ab: „Insgesamt habe ich fünfmal geheiratet. Eine hat die Strapazen unserer Flucht nicht überlebt, und eine starb vor der Zeit im Kindbett. Eine weitere verlor ich kurz nach der Hochzeit, als in unserem Lande die Revolte losging. Sie geriet zwischen die Fronten, als sie zum Markt wollte. Sie wurde niedergemetzelt – kein schöner Anblick. Im Moment sind es zwei, die erste und die jüngste – die habe ich unterwegs aufgegabelt, eine wahre Schönheit mit feurigen Augen und pechschwarzen Locken. Sie brauchte Schutz. Ich erbarmte mich ihrer."

    „Wie großherzig. Und wie viele weitere Ehefrauen hast Du im Spiegel gesehen, alter Nimmersatt?" lachte Mauro.

    „Ich weiß es nicht, doch es mögen noch einige hinzukommen. Ich sah mich als gemachten Mann in einem gemütlichen Heim, im Kreise meiner Lieben. Ich hatte den Eindruck, dass ich tat, was ich am besten kann: verwalten und organisieren. Alles war üppig und prächtig, wie ich es gerne mag. Es gab keinen Mangel und vor allen Dingen war es nicht kalt und feucht wie hier! Ich brauchte mich nicht mehr auf einem Pferderücken durch die Lande zu quälen, wo ich den Gürtel beinahe täglich ein Stückchen enger schnallen muss. Ich durfte in Ruhe Speck ansetzen und von vergangenen Heldentaten erzählen, die ich mit meinem lieben Freund Mauro erlebte!"

    Mauro schüttelte verständnislos den Kopf: „Hamon, Hamon, kaum vierzig Winter alt und Du möchtest schon Moos ansetzen? Da ist noch eine halbe Welt, die darauf wartet, von uns erobert zu werden."

    „Ich helfe Dir ja gerne, Mauro. Doch wenn ich die Wahl hätte, täte ich das lieber vom Schaukelstuhl aus! Wie Du richtig bemerkst, bin ich keine fünfundzwanzig mehr. Dein Tatendrang strapaziert mich."

    „Wer hat weitere gute Nachrichten zu erzählen? Was habt ihr anderen gesehen?"

    Rüdiger hatte etwas beizutragen: „Da war ein Almanenfest. Es wurde gesoffen und gefeiert, wie nur Almanen das vermögen. Ich denke, zwei verfeindete Stämme stießen auf einen guten Handel an. Alle waren zufrieden. Ich hatte eine wichtige Rolle, war ein geachteter Mann, dem die Häuptlinge Respekt zollten. Und da war noch dieses Mädchen mit den enormen Brüsten … ich wollte beinahe darin versinken. Rüdiger lief rot an: „Mehr weiß ich nicht, brach er rasch ab.

    Shigat lachte herzlich: „Täusche ich mich oder habt Ihr alle nur eins im Kopf? Da kann ich nicht mithalten. Offenbar bin ich der einzig seriöse in diesem Kreis. So hört: ich stand auf den Zinnen des Hexenhorstes und blickte hinunter ins weite Land. Es war Frühling und die Apfelbäume entlang der Burgmauer blühten. Im Hofe hinter mir hörte ich Kinderlachen. Nicht ein Kind, sondern Dutzende. Sie spielten ein altes Reigenspiel. Unten im Tale zogen die Hirten mit ihren Herden. Shigats Augen gingen träumerisch in die Ferne. „Große, wohlgenährte Herden. Die Stämme waren aus der Steppe zurückgekehrt.

    „Das klingt nach Frieden…" meinte Mauro andächtig.

    „Ich habe etwas ähnliches beizutragen, ließ sich Jago vernehmen. „Ich saß mit vielen anderen, jungen und alten Magiern, Hexen und anderem bunten Zaubervolk vor einem halbverfallenem Tempel. Wir woben einen energetischen Teppich aus unseren Hoffnungen und Gebeten. Ein mir unbekannter Mann sammelte die pure Kraft unserer Gedanken in einer Wolke und leitete sie in den Tempel. Mir ward, als würde etwas Großes daraus entstehen. Die Stimmung war so … ich kann es nicht in Worte fassen. Alles schien möglich. Als könnten wir gemeinsam Wunder vollbringen. Jago war zutiefst ergriffen von dem, was er gesehen hatte.

    Es folgte ein Moment des Schweigens, wo jeder seinen Eindrücken nachspürte. In die Stille hinein sagte Mauro: „Ist euch klar, was das bedeutet? Habt ihr kapiert? Er rüttelte Hamon aufgeregt an den Schultern, als müsste er ihn wecken. „Wir alle haben Bilder von Frieden gesehen. Der Plan der Unsterblichen ist, dass unsere Mission Erfolg hat! Sie wollen den Frieden. Denkt ihr, sie hätten sich die Mühe gemacht, Szenen für unsere Zukunft zu entwerfen, wenn der bevorstehende Krieg unsere Welt verschlingen sollte?

    „Mauro, Du weißt, wie das mit solchen Weissagungen ist. Sie zeigen Dir nur das, was für Deine nächsten Schritte hilfreich ist. Oft können wir ihre Botschaft gar nicht richtig interpretieren…" Hamon versuchte, den Freund wieder auf den Boden zurückzuholen.

    „Das weiß ich doch. Natürlich haben wir keine Garantie. Die Freiheit, zu versagen, wird uns keiner nehmen. Doch mit einer fairen Chance im Kreuz kämpfe ich lieber, als wenn der Untergang der Helden schon im ewigen Buche festgeschrieben wäre. Wir haben das Recht auf Zukunft. Unser Unterfangen ist alles andere als aussichtslos!"

    „Natürlich ist unser Unterfangen nicht aussichtslos, wunderte sich Jago. „Hätten wir nicht an den Erfolg geglaubt, wären Llewin und ich niemals zu dieser Reise aufgebrochen. Dann säßen wir heute nicht hier.

    „Ihr hattet eine vage Hoffnung. Nun haben wir eine konkrete Chance. Wir müssen sie bloß nutzen!" Mauro versuchte, die anderen in seiner Begeisterung mitzureißen.

    Llewin blieb skeptisch: „Ich sehe den Unterschied nicht. Habt Ihr etwa einen konkreten Plan, König Curon zu besiegen? Im Moment hängen wir immer noch am Prinzip Hoffnung."

    „Ich werde ein Wunder vollbringen, was denn sonst", feixte Morriell.

    „Ihr versteht mich nicht, seufzte Mauro. „Da ist ein Riesenunterschied… Doch er verzichtete darauf, es ihnen nochmals zu erklären.

    Shigat legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte leise: „ich sehe den Unterschied. Die Unsterblichen sind mit Euch. Ihr werdet siegen."

    In dieser Nacht konnte Mauro nicht schlafen. Zu sehr ging ihm das Erlebte im Kopfe umher. Hamon schnarchte neben ihm friedlich vor sich hin. Um ihn nicht zu wecken, stand er auf und vertrat sich die Beine. Dabei traf er auf Llewin, der ebenfalls keine Ruhe fand. Sie hocken sich neben einander und lauschten für ein Weilchen den Geräuschen der Nacht. Dann sagte Llewin: „Ich nehme an, Ihr erwartet von mir, dass ich Morriell heirate."

    „Warum um alles in der Welt sollte ich das von Euch erwarten?"

    „Weil Ihr doch ihr Vater seid. Ich meine... ich bin mit ihr zusammen. Alle wissen es. Das könnt Ihr nicht so einfach hinnehmen."

    „Ich will Dir einmal etwas sagen, Junge. Morriell ist eine freie Hexe und alt genug, ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Wenn das hier vorbei ist, werde ich meiner Wege gehen. Vielleicht kehre ich zurück nach Yian Mah, vielleicht verschlägt es mich anderswo hin. Auf jeden Fall werde ich schnellstmöglich vergessen, dass ich ihr jemals begegnet bin. Wenn Ihr von mir einen Rat wollt, so solltet Ihr das Gleiche tun. Nehmt mich bitte nicht als Rechtfertigung, wenn Ihr Euch gegen jeden Sinn und Verstand mit ihr vermählt. War das deutlich genug?"

    „Ja, das hat an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen. Schade, dass Ihr keine väterlichen Gefühle für sie empfindet. Ihr könnt wohl immer noch nicht vergeben, dass sie Euch zu Beginn unserer Reise gedemütigt hat."

    „Väterliche Gefühle empfinde ich genug, sonst wäre ich nicht mehr hier, erwiderte Mauro unwirsch. „Wie ist das mit Euch? Liebt Ihr sie denn?

    „Ich weiß es nicht."

    „Erzählt mir doch nichts. Vor einiger Zeit hörte ich Euch sagen, dass Ihr nur mit ihr zusammen seid, weil sie sich um Eure leiblichen Bedürfnisse kümmert. Als Grund für Liebelei kann ich das akzeptieren. Für eine lebenslange Ehe reicht es nicht. Könnt Ihr Euch vorstellen, jeden Morgen neben dieser Frau aufzuwachen?"

    „So einfach ist das nicht."

    „Was ist nicht so einfach?"

    Llewin schwieg eine Weile, er fand die richtigen Worte nicht. Schließlich sagte er stockend: „Die Weissagung. Ihr erinnert Euch, die Sache mit der Silberschale..." Er zögerte.

    „Ich erinnere mich sehr wohl. Was ist mit der Silberschale?"

    „Ich habe Morriell in der Silberschale gesehen."

    „Wie könnt Ihr so sicher sein, dass es Morriell war? Ich habe in der Weissagung keine konkreten Personen gesehen, nur energetische Abdrücke."

    „Weil Ihr die Personen noch nicht kanntet. Ich bin mir sicher, dass es Morriell gewesen ist. Wir waren zusammen, und wir waren glücklich."

    „Das waren Momentaufnahmen. Warum solltet ihr keine glücklichen Momente teilen? Ihr habt eine Menge Spaß miteinander."

    „Wenn ich einen der glücklichsten Momente meiner Zukunft mit Morriell teile... dann sollte ich sie heiraten. Vielleicht war das ein Zeichen, das mich zur Entscheidung zwingt."

    „Ich würde mir eine solche Entscheidung nicht von einer flüchtigen Spiegelung aufzwingen lassen. Bedenkt, wie weittragend die Verpflichtung ist. Ein Kethe hat nur eine Ehefrau. Die Beziehung muss vielleicht bis an Euer Lebensende halten."

    „Wäre ich mir sicher, dass es falsch ist, würde ich es nicht tun. Ich mag sie, mit all ihrer Zickigkeit. Im Grunde ihres Herzens ist sie kein schlechter Mensch. Sie ist nur – unsicher. Vielleicht sollte ich ihr helfen…."

    „... Und sie erretten vor sich selbst. Ein hehres Ziel. Glaubt mir, das funktioniert nicht. Niemals können wir einen anderen vor sich selbst erretten. Schminkt Euch das ab. Keiner rettet Morriell, wenn sie es selbst nicht tut."

    „Ihr seid unangemessen hart mit ihr, weil Ihr sie nicht mögt. Keiner hier mag sie. Morriell geht allen auf die Nerven. Dabei hat sie durchaus ihre liebenswerten Seiten. Wer soll sich um sie kümmern, wenn nicht ich?"

    „Tut, was Ihr für richtig haltet. Ich werde Euch nicht hindern, doch die Entscheidung trefft Ihr alleine."

    „Was meint Ihr zu der Weissagung? Ich meine ... Ihr glaubt doch an das, was wir in der Schale gesehen haben?"

    „Ja, ich glaube daran. In einer Weissagung steckt immer ein Körnchen Wahrheit. Doch dieses Körnchen ist oft gut verborgen, hinter einem doppelten Sinn. Bei manchen Prophezeiungen habe ich bis heute nicht herausgefunden, was sie mir sagen wollten. Mitunter erkannte ich die Wahrheit erst, wenn ich schon mitten drinnen im Schlamassel steckte. Großartig, wenn dann einer sagt: >ich habe Dich gewarnt<. Prophezeiungen tendieren dazu, sich selbst zu erfüllen – vergesst das nicht. Wenn Ihr heiratet, bloß weil Ihr es in der Schale gesehen habt, dann bewahrheitet sich die Weissagung allein durch Eure Entscheidung."

    „Was bedeuten dann die Bilder in der Schale?"

    „Ihr saht Euch selbst glücklich, in inniger physischer Verschmelzung mit einer Dame. Ihr seid überzeugt, dass es Morriell war. Ihr mögt Sex und Ihr mögt Morriell. Warum sollte Euch das nicht als günstige Perspektive angeboten werden?" fragte Mauro zurück.

    „Das ist es nicht. Llewin versuchte, seine Bedenken in Worte zu fassen: „Ihr anderen saht Dinge, die weit in der Zukunft liegen – zum Beispiel Eure Töchter, die noch nicht einmal geboren sind. Meine glücklichste Stunde zeigt etwas, das ich bereits genossen habe. Wie soll ich das interpretieren?

    Mauro verstand Llewins Bedenken und sagte ehrlich: „Ich habe keine Ahnung. Alles, was ich jetzt hineininterpretieren wollte, wäre aus der Luft gegriffen."

    Llewin nickte verständnisvoll: „Ich danke Euch, dennoch, für Eure ehrlichen Worte."

    „Überlegt es Euch gut – die Sache mit Morriell. In Eurem Alter neigt man dazu, mit dem Schwanz zu denken. Glaubt mir, mit dem Kopf erzielt man bessere Resultate."

    Das Tal verbreiterte sich und vor ihnen lag Melgart. Alle Nordrouten führten an dieser befestigten Ansiedlung vorbei. Wanderer, die den Steinernen Sattel überquerten, machten gerne dort Rast. Es gab alles, was ein Reisender auf seinem Weg über die rauen Berge benötigte.

    Um diese Zeit kamen allerdings kaum Wanderer des Wegs. Der Steinerne Sattel war höher als der weiter östlich gelegene Wolkenpass. Im Sommer spielte das keine große Rolle, doch im Winter machten Eis, Schnee und Lawinen die Passage für viele Wochen unpassierbar. Umso überraschter waren die Bewohner, als Llewin mit seiner bunt zusammen gewürfelten Truppe Einzug hielt.

    „Hier sind wir Gäste des Nordstammes. Sie nennen sich die Biberjäger, erläuterte Llewin. „Biber gibt es mehr als genug in dieser Gegend. Sie sind wohlschmeckend.

    Der Häuptling der Biberjäger hieß den Sohn ihres Königs und dessen Begleitung standesgemäß willkommen. Mauro wunderte sich, dass Llewin hier ein gerne gesehener Gast war. Im Norden lagen die Stämme untereinander die meiste Zeit in bitterer Fehde.

    „Früher war das auch bei uns so, erläuterte Llewin. „Doch die ständige Bedrohung durch die Feuerfresser jenseits der Hügelkette schweißte die Stämme der Seekethen zusammen. Sie haben begriffen, dass sie nur gemeinsam bestehen können. So wählen sie stets den stärksten unter den Häuptlingen zu ihrem König. Seine Aufgabe ist es, Streitigkeiten zu schlichten und das Heer anzuführen, wenn die Furukim mal wieder lüstern auf die fruchtbare Ebene schielen. Bisher haben wir uns mit Erfolg behauptet.

    „Heißt das, es ist nicht sicher, dass Ihr der nächste König der Seekethen sein werdet? fragte Morriell enttäuscht, „obwohl Ihr König Iolairs ältester Sohn seid?

    „So ist es, werte Dame. Die Thing-Fürsten bestimmen, wer nach meinem Vater König wird. Ich kann bloß hoffen, in die engere Wahl zu kommen. Seid Ihr enttäuscht?"

    „Nein", sagte Morriell, doch ihr Gesichtsausdruck verriet etwas anderes.

    „Nun wollt Ihr nicht mehr die meine werden?" fragte Llewin hoffnungsvoll. Die Gelegenheit erschien ihm günstig, ein >nein< zu kassieren.

    Morriell zögerte ein wenig. Dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht: „Habt Ihr eben um meine Hand angehalten? Das ist ja ... Ja, ich will, rief sie entschlossen aus. „Lasst uns sogleich Hochzeit feiern!

    Llewin wurde blass. So hatte er das nicht gemeint. Alles ging ihm viel zu schnell: „Meine Sippe würde mir verübeln, wenn ich heimlich in ihrer Abwesenheit heiratete. Natürlich brauche ich die Zustimmung meiner Eltern

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