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Brautwerbung: Furuks Erbe Band 5
Brautwerbung: Furuks Erbe Band 5
Brautwerbung: Furuks Erbe Band 5
eBook315 Seiten4 Stunden

Brautwerbung: Furuks Erbe Band 5

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Über dieses E-Book

Furuks Erbe ist ein neunbändiges Fantasy-Epos mit mehreren Ebenen.
Die offensichtliche Ebene ist die Heldenreise: Nach dem gewonnen Krieg geht Mauro daran, sein Reich zu ordnen. Im Geiste sieht er sich an der Seite seiner Herzdame zur Krönung nach Mandrilar reiten. Doch so einfach ist die Sache nicht. Sigrun steht den Interessen mehrerer starker Frauen im Wege. Die Brautwerbung gerät zum Hindernislauf.
Auf der zweiten Ebene geht es um Führung: Macht wird durch Erfolge legitimiert. Der gewonnene Krieg ermöglicht Mauro, Veränderungen durchzusetzen. Doch auch ein König kann sich nicht über alle Konventionen hinwegsetzen.
Auf der dritten Ebene geht es um energetischen Ausgleich. Der König prägt die Stimmung im Land. Das Wohl des Volkes ist untrennbar mit seinem Wohlergehen verbunden. Macht es unter dieser Voraussetzung Sinn, wenn Mauro sein privates Glück opfert, um dem Land zu dienen?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum6. Juli 2017
ISBN9783742781840
Brautwerbung: Furuks Erbe Band 5

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    Buchvorschau

    Brautwerbung - Solveig Kern

    Kapitel 1: Am Birkensee

    Heimkehr der Sieger

    Als Mauro mit seinen siegreichen Truppen in Alicando einritt, war der Krieg vorbei.

    Die Stadt Alicando begrüßte ihre Helden. Trommelwirbel und Fanfaren begleiteten ihren Weg. Die Bürger jubelten ihnen mit der gleichen Begeisterung zu, die Mauro schon bei seinem ersten Besuch erfreut hatte. Es fühlte sich gut an, als Sieger in diese schöne Stadt zurückzukehren. An Mauros Seite ritt Uluk, der mit großem militärischem Geschick das feindliche Restheer manövrierunfähig gemacht hatte. Dahinter folgten Pado, Alagos und Tuagh, die ebenfalls maßgeblich am Sieg beteiligt gewesen waren. Hanok ritt weit hinten unter den Mittelländern. Er, der die Herzogwürde schon in greifbarer Nähe wähnte, konnte froh sein, überhaupt noch am Leben zu sein.

    Auf der Treppe vor der Burg stand, festlich gekleidet und mit einem einladenden Lächeln auf den Lippen, die Dame Zeldis. Ihr Anblick gemahnte Mauro an die Folgen von Chojas Liebestrank. Er war morgens zwischen zwei Frauen aufgewacht und erinnerte sich nicht, wie es dazu gekommen war. Damals hatte er bewusst darauf verzichtet, die Dame, die durch die gemeinsame Nacht zu seiner Nebenfrau geworden war, formell zu entlassen. In den darauffolgenden Tagen hatten sie einige heiße Nächte miteinander verbracht. Die Erinnerung zauberte ein sinnliches Lächeln auf sein Gesicht. Merkwürdig, dass er nicht mehr an Zeldis gedacht hatte. Jetzt konnte er ein wenig Aufmunterung gebrauchen. Beschwingt nahm er ihren Arm und ließ sich von ihr in die Burg geleiten.

    In der ehemaligen Fluchtburg, die nun Königsburg von Alicando hieß, wartete viel Arbeit auf den neuen Hausherrn. Es galt, gemeinsam mit den Fürsten und den Heerführern eine Nachkriegsordnung zu schaffen und das Land auf den Frieden vorzubereiten. Damit hatte Furukiya keine Erfahrungen, denn seit Menschengedenken befand man sich ständig im Krieg. Entsprechend nervös waren die Togweds. Es war voraussehbar, dass der König in Friedenszeiten kein so großes stehendes Heer unterhalten würde. Im Mannschaftslager spähten die fähigsten Krieger nach Togweds, die zusätzliche Leute suchten. Es gab mehr Bewerber als Engagements. Abwarten oder lieber schnell das nächstbeste Angebot annehmen? Diese Fragen bewegten all jene, die nichts als das Kriegshandwerk kannten.

    Mauro diskutierte gerade mit seinen Heerführern über die königliche Garde. Er hatte begriffen, dass er eine leistungsfähige Truppe benötigte, die zahlenmäßig groß genug war, um ihn zu schützen. Das hatte die Erfahrung von Passar und von den Distelfeldern gelehrt. Andererseits scheute er sich, einen Tross hinter sich herzuschleppen, der seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Er wollte nur dreihundert Mann zulassen.

    „Wenn Ihr dreihundert Mann als angemessene Begleitung betrachtet, dann solltet Ihr doppelt so viele einstellen. Die Leute müssen manchmal schlafen!" meinte Eryndîr.

    Mauro überging den Einwand und rechnete: „Jede königstreue Provinz stellt mir 25 handverlesene, voll ausgerüstete Reiter zur Verfügung. Da wäre einmal das Sommerland: Xalmeida, Qatraz, Ikenar. Dann die Maiyar-Fürstentümer Maikanar, Ossar und Aglar."

    Alagos war hocherfreut. Mit der Nennung von Aglar als eines der Maiyar-Fürstentümer hatte Mauro die Absicht durchblicken lassen, seinem Clan die Souveränität über die Kupferberge zurückzugeben.

    „Dann Malfar, Vedar und Dares. Die Bärenheimer und Yian Mah hätte ich fast vergessen. Ob Tolego auch Leute schickt, weiß ich nicht. Mauro war nicht begeistert, Männer aus Tolego in seine Truppe aufzunehmen, doch er durfte es ihnen nicht verwehren: „Ich werde es Fürst Torren freistellen.

    „Ich glaube nicht, dass Fürst Torren eine Ausnahmeregelung für sich beanspruchen wird", erwiderte Vreden. Mauros Angebot an die Fürsten, Vertrauensleute in seiner direkten Umgebung zu platzieren, war für beide Seiten von Nutzen. Alle Fürstentümer würden ihre besten Leute schicken, denn sie standen untereinander im Wettbewerb.

    „Was ist mit der Stadt Mandrilar?"

    „Nein, danke, keine Mandrilanen. Lieber rüste ich selbst Krieger aus. Eryndîr muss ohnedies Wächter für meine Burg hier rekrutieren, da soll er ein paar mehr nehmen. Mauro rechnete alles zusammen: „Insgesamt komme ich auf 400 Reiter.

    „Zu knapp", insistierte Eryndîr.

    Hanok brauste auf: „Worüber reden wir hier? Wir feilschen um 100 Mann, während vor den Toren der Burg 20.000 um ihre Existenz bangen!"

    Mauro sah ihn verwundert an: „Wieso? Können sie nicht heimkehren?"

    „Heimkehren wohin? Diese Leute haben nichts als das Kriegshandwerk gelernt. Viele von ihnen kennen kein anderes Leben. Als Ihr mir vor einem Jahr den Auftrag gabt, dem Herzog von Alicando nach Süden zu folgen, nahm ich alle diese heimatlosen Krieger in mein Heer auf. Sie sind Strandgut aus allen Teilen des Landes, unterstehen keinem Fürsten, der sich für sie stark macht. Nun haben sie plötzlich keine Zukunft mehr. Ich bin zwar nicht mehr Condir, doch ich fühle mich für sie verantwortlich!" Hanok war ziemlich erregt. Für ihn war unvorstellbar, dass Mauro dieses drängende Problem nicht im Blick hatte.

    „Herrenlose Krieger sind eine Gefahr für das Land. Geben wir ihnen kein Brot, werden sie Banden bilden und uns berauben, mahnte Alagos von Aglar. „Dann brauchen wir Wächter, die uns vor ihnen schützen.

    „Ja, ich habe verstanden, erwiderte Mauro unwirsch. „Ich sollte mir um sie Gedanken machen. Doch wohin mit ihnen?

    Eryndîr wusste Rat: „Nun, Herr, Ihr habt den Nachbarn im Norden die Sicherung der Verkehrswege zu den Häfen im Süden zugesichert. Ihr braucht Truppen, die den Händlern Geleitschutz geben. Ihr braucht Zollgesetze, die verhindern, dass sie in jeder Provinz von neuem ausgeplündert werden und Krieger, die über deren Einhaltung wachen. Wenn ein Fürst sich querlegt, braucht Ihr unabhängige Truppen, um ihn zu disziplinieren. Und Ihr braucht Meldereiter, die Nachrichten von Stadt zu Stadt transportieren. Da bleiben nicht mehr viele übrig, die heimgeschickt werden müssen." Eryndîr war der einzige in der Runde, der Vorstellungen von einer Friedensgesellschaft hatte.

    Mauro atmete auf: „Ich wüsste gerne, wie viele Krieger wir für diese Aufgaben brauchen. Die Beamten sollen ausrechnen, aus welchen Mitteln wir sie bezahlen. Dann beginnen wir mit dem Rekrutieren."

    „Ich mache mich umgehend an die Arbeit, versicherte Hanok. „Die Zeit drängt. Die Männer sind nervös. Die Besten unter ihnen suchen bereits nach neuen Engagements. Wir sollten ihnen rasch eine Perspektive aufzeigen.

    Mauro ließ widerspruchslos zu, dass Hanok diese schwierige Aufgabe an sich zog. Wer hätte es sonst machen sollen?

    In den nächsten Tagen überließ Mauro den Großteil der Arbeit seinen Leuten und schonte sich. Es erwies sich als hilfreich, dass er Zeldis bei sich behalten hatte. Vor allem in den schlaflosen Nächten leistete sie ihm wertvollen Beistand. Die Alpträume quälten ihn immer noch, und sein Herz machte ihm zu schaffen.

    Die Annehmlichkeiten, die ihm Zeldis bereitete, machten ihn keineswegs Sigrun vergessen. Im Gegenteil, seine Gedanken wanderten immer wieder zu seiner fernen Geliebten. Oft malte er sich aus, wie er nach getaner Arbeit in Sigruns Arme fallen, ihre Zärtlichkeit genießen und die Ereignisse des Tages mit ihr teilen würde.

    Regelmäßig kommunizierten die beiden über den Mondstein. Mauro übermittelte Bilder von seinem Einzug in Alicando und von der Schönheit des Sommerlandes.

    „Die Frauen des Sommerlandes sind sicher auch wunderschön?" wollte Sigrun wissen.

    „Ja. Sie sind wunderschön, erwiderte Mauro mit einem Seitenblick auf Zeldis, die eben zu ihm herüberlächelte. „Doch keine von ihnen kann Euch das Wasser reichen. Er sandte ihr eine Woge der Zuneigung und einen Kuss.

    Sigrun sah sein Gesicht im Stein. Deutlich fühlte sie seine Liebe. Ihr war, als würden seine Arme sie zärtlich umfangen. Als sie merkte, dass er weitersprach, konzentrierte sie ihr Bewusstsein auf den Stein und versuchte, mit ihm zu verschmelzen, wie die Alte es sie gelehrt hatte. Diesmal gelang es. Deutlich hörte sie den Widerhall seiner Worte in ihrem Kopf: „Nur noch ein paar Tage, bis meine Brautwerber bei Eurem Bruder eintreffen. Wenige Wochen später seid Ihr in Mandrilar. Ich kann es kaum erwarten, Euch in meinen Armen zu halten!"

    Sigrun lauschte atemlos. Sie hatte es geschafft, sie konnte ihn hören! Nun wusste sie, dass er die Brautwerbung auf den Weg gebracht hatte. „Eilt Euch, mein Geliebter. Das Leben ist kurz und meine Sehnsucht groß…"

    Hanok gönnte sich keine Schonung, was seiner Heilung nicht zustattenkam. Seine Füße waren immer noch wund, die Sohlen bedeckt von eitrigen Schwären. Selbst mit übermenschlicher Selbstbeherrschung brachte er es nicht fertig, darauf auch nur ein paar Schritte zu gehen. Er musste sich damit abfinden, getragen zu werden. Diese kleine Erleichterung linderte zwar die Schmerzen, doch sie half nicht gegen die nächtlichen Alpträume. Die Nachwirkungen von Barrens Labyrinth machten ihm zu schaffen. Dennoch ließ Hanok keine einzige Sitzung aus. Er arbeitete konzentriert und spielte seine überlegene Intelligenz gegenüber den anderen Togweds aus.

    „Warum schindet Ihr Euch so?" fragte Kayla, die in Mauros Auftrag Licht in die Vorgänge auf den Distelfeldern bringen sollte. Sie verbrachte viel Zeit mit Hanok. So unvernünftig sie ihn einerseits fand, so sehr imponierte ihr andererseits seine Selbstdisziplin.

    „Was würdet Ihr an meiner Stelle tun? fragte er zurück. „Ich kämpfe um mein Leben. Dieser König hat uns wiederholt gezeigt, dass vor seinen Augen nur die Stärksten Gnade finden. Wenn ich mich trotz meiner Schmerzen nicht schone, nötige ich ihm zumindest Respekt ab. Wenn es mir darüber hinaus gelingt, mich unverzichtbar zu machen, habe ich eine Überlebenschance.

    Kayla empfand diesen Härtekult als übertrieben: „Wir betrachten Krankheit als notwendigen Begleitumstand seelischen Wachstums. Eine erzwungene Pause ermöglicht die Verinnerlichung wichtiger Erfahrungen. Der König will Euch gewiss nicht vernichten. Er hat Euch ein faires Gerichtsverfahren zugesagt…"

    „Und ich tue alles, um diese Chance zu nutzen. Ich wäre ein Narr, zu glauben, dass ein anderer als er selbst über den Ausgang des Verfahrens entscheidet. Doch ich brauche Eure Hilfe. Ihr seid es, die für mich sprechen wird. Ihr könnt den letzten Rest von Zweifel in seiner Brust zerstreuen, gab Hanok zurück. „Werdet Ihr mir helfen, heil aus dem Verfahren herauszukommen, Prinzessin Kayla? Er beugte sich ein wenig in ihrer Richtung und sah ihr in die Augen.

    Kayla wurde unwillkürlich rot und schämte sich dafür. In den Wochen, die sie miteinander gearbeitet hatten, war so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen entstanden. Oder war es mehr?

    „Ich werde dafür sorgen, dass Euch Gerechtigkeit widerfährt." Kayla mühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. Doch Hanok hatte ihr Zögern bemerkt. > Sie ist klug, aber auch nur eine Frau < schoss ihm durch den Kopf. Schade, dass ihm in seinem Zustand nicht der Sinn nach einer Liebschaft stand.

    Die Brautwerber

    Viele Tagesritte weiter nordöstlich näherten Fremde sich Dietrichs Winterlager. Ihr Anführer herrschte die Wächter barsch an: „Meldet mich Eurem Herrn. Wir kommen im Auftrag des Rigländischen Königs."

    Sie warteten nicht ab, bis sie hereingebeten wurden. Noch ehe Dietrich seinen Festtagsornat überwerfen konnte, standen sie vor ihm.

    Dietrich war irritiert. Besucher um diese Jahreszeit waren ungewöhnlich. „Was wollt Ihr?" fragte er misstrauisch.

    „Wir sind Abgesandte des Königs Rigbert von Rigland. König Rigbert entbietet dem edlen Dietrich seinen Gruß. Ich habe eine Nachricht für seine Schwester Sigrun." Der Ton, in dem der Fremde sprach, ließ erkennen, dass er gewohnt war zu befehlen.

    Sigruns Herz klopfte bis zum Hals. Waren Mauros Brautwerber schon bei Rigbert gewesen? Dann waren sie schneller, als sie erwartet hatte. Auch erkannte sie unter den Fremden keinen von Mauros Leuten. Sie ließ sich ihre Aufregung nicht anmerken und sprach mit fester Stimme: „Was ist meines Bruders Begehr?"

    „Euer Bruder hat die Brautwerbung akzeptiert. Der Bräutigam erwartet Euch schon…" der Sprecher machte eine kunstvolle Pause.

    Sigrun fühle Freude in sich hochsteigen. Sie waren tatsächlich bereits angekommen…

    „in Brig, vollendete der Mann den Satz. Mit einem süffisanten Lächeln fügte er hinzu: „Fürstin Morriell kann es kaum erwarten, Euch im Winterland willkommen zu heißen. Der glückliche Bräutigam ist ihr Oheim Nolan.

    „Das muss ein Irrtum sein, stammelte Sigrun entsetzt. „Niemals würde mein Bruder mich gegen meinen Willen verheiraten! Mein Herz gehört einem anderen…

    „Wie bedauerlich, dass ich nicht die Kunde bringe, die ihr offenbar erwartet habt, werte Dame, sagte der Bote mit kaum verhaltenem Spott. „Von einem anderen Galan ist mir nichts bekannt. Ich habe den Auftrag, Euch nach Brig zu geleiten. Das weiß ich gewiss, denn dafür gibt es reichen Lohn. Fürstin Morriell zahlt in Gold!

    „Gold kann auch ich Euch geben. Sigrun versuchte zu verhandeln. „Bringt mich zu meinem Bruder. Ich will mit ihm sprechen!

    „Das will aber ich nicht, sagte der Fremde mit süßlicher Stimme. „Ich hasse es, wenn man sich mir widersetzt. Folgt Ihr mir freiwillig, oder muss ich Euch zwingen?

    Sigrun war empört: „Ihr könnt mich nicht zwingen. Seit Stammesmutter Ragnhilds Zeiten wurde bei uns keine Prinzessin gegen ihren Willen verheiratet!"

    „Wetten, dass ich kann? Mit einer flinken Bewegung zog der Fremde sein Messer. Er bannte die Umstehenden, sodass keiner eingreifen konnte, und packte Dietrichs Tochter. Mit geübter Handbewegung schnitt er ihr ein Ohr ab und hielt es Sigrun unter die Nase: „Wie weit wollt Ihr gehen? Wollt Ihr das zweite Ohr auch noch? Wir können noch ganz andere Dinge mit ihr machen. Es ist Eure Entscheidung. Ihr sagt, wann es genug ist.…

    Sigrun wurde ganz ruhig. „Ich habe verstanden, sprach sie mit fester Stimme. „Lasst sie in Ruhe. Ich beuge mich der Gewalt.

    „Kluges Mädchen, sagte der Anführer und tätschelte ihre Wange. Sigrun fuhr zurück. „Aber, aber, nicht so unfreundlich. Ich verstehe: Ihr seid ein wenig verstört. Kein Wunder. In Brig kennt Ihr niemanden. Wäre es nicht nett von mir, wenn ich für Euch eine Hofdame mitnehme? Das Mädel hat zwar nur ein Ohr. Das macht sie nicht hübscher, doch Euch zu Diensten sein kann sie immer noch – und uns vielleicht auch!

    Der Fremde stieß Dietrichs blutüberströmte Tochter hinüber zu seinen Leuten. Die grölten ihre Zustimmung und betatschten das Mädchen.

    „Wenn die Prinzessin eine Gesellschafterin von Stand an ihrer Seite haben soll, dann ist das meine Aufgabe, intervenierte Sigruns Base Ortrud. „Lasst das Mädel daheim.

    Der Anführer musterte Ortrud prüfend. Sie erwiderte keck seinen anzüglichen Blick. Der Anführer lachte: „So eine seid Ihr! Auch gut, wir nehmen euch beide mit!" Auf sein Zeichen packten seine Männer die drei Frauen und zerrten sie fort.

    Im Gehen sagte einer seiner Kumpane: „Seht ihr das fette Vieh auf den Weiden? Die Kühe und einige von diesen strammen Weibern brächten uns komfortabel über den Winter!"

    „Halts Maul, herrschte ihn der Anführer an. „Wir sind offizielle Gesandte, keine Wegelagerer!

    Der Mann lachte. „Wenn Ihr es sagt…"

    Dietrich sah ihnen mit sorgenvollem Blick nach.

    Ein Hilferuf

    Im fernen Alicando schien es Mauro, als hörte er einen verzweifelten Hilferuf. Inmitten der Betriebsamkeit, die ihn umgab, lauschte er hinaus in die Ferne. Doch die Stimme war verstummt. Er glaubte an eine Sinnestäuschung und wischte den Eindruck beiseite. Dennoch erfasste ihn eine seltsame Unruhe. Mit einem Mal hatte er Mühe, sich auf die Ausführungen der Fürsten zu konzentrieren, die ihm ihre Vorstellungen über den künftigen Grenzschutz darlegten. Der Punkt war kritisch, denn seine Interessen wichen von den ihren ab. Als sie nach langem Tauziehen die Einigung vertagten, war der flüchtige Eindruck längst vergessen.

    Spät abends, als er todmüde ins Bett sank, hockte der Schatten einer Bedrohung wie ein hungriges Tier auf seiner Bettkante und raubte ihm den Schlaf. Er dachte zu allererst an Yvo, der sich mittlerweile längst auf Rigländischem Boden befand. War er in Gefahr? Mauro nahm sofort mit ihm Kontakt auf.

    Doch Yvo war wohlauf. Er berichtete von ihrer Reise: Die Stimmung in der Reisegruppe war gut. Größere Schwierigkeiten hatte es keine gegeben. Iorghe hatte ihm unterwegs viel beigebracht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten waren sie unzertrennlich. Sascha verstand sich ausgezeichnet mit Hartmuts Sohn Hartuin. Bald würden sie das Winterlager der Rigländer erreichen.

    Mauro war zufrieden, den Bruder wohlauf zu wissen. Doch die Unruhe legte sich nicht. >Sigrun< flüsterte eine leise Stimme.

    Mauro wischte den Gedanken beiseite: >Unsinn. Sigrun ist bei ihrem Oheim Dietrich in Sicherheit. Wenn sie jemand zu schützen vermag, dann dieser alte Kämpe.<

    >Dietrich ist kein Zauberer…< mahnte die Stimme. Widerstrebend holte Mauro den Mondstein hervor. Sein müder Geist sträubte sich, eine Bedrohung für die Geliebte in Erwägung zu ziehen. Doch er wollte sich vergewissern…

    Sigrun antwortete nicht. Kein Wunder, beruhigte Mauro sich. Es war schließlich späte Nacht. Sie schlief sicher schon tief und fest.

    Am nächsten Morgen, gleich beim Aufstehen, war das ungute Gefühl wieder da. Als Mauro auch im Laufe des Tages keine Verbindung zu Sigrun aufbauen konnte, wurde die Ahnung langsam zur Gewissheit: etwas Schreckliches war geschehen.

    Da er über den Mondstein nicht mit ihr kommunizieren konnte, musste er einen anderen Weg finden. Am liebsten wäre er auf der Stelle an ihre Seite geeilt. Doch die Kunst, den Körper mit auf Reisen zu nehmen, wie Torren oder Schlobart es zu tun pflegten, beherrschte Mauro noch nicht. Selbst der Einsatz seiner Willenskraft und Liebe machte den Vorteil mentaler Wandelbarkeit und energetischer Durchlässigkeit, den die alten Meister besaßen, nicht wett. In der Blüte seiner Jahre war Mauro zu kompakt. Also blieb ihm nur die Möglichkeit, sich mit seinem Astralkörper von seinem physischen Leib zu entfernen. Das war technisch nicht schwierig, doch mit einigen Gefahren verbunden. Yvo konnte ein Lied davon singen. Bei einem Ausflug ins Heerlager von Yian Mah hatte er zu viel gewagt. Beinahe wäre die Verbindung abgerissen und Yvo hätte nicht mehr zurückkehren können. Mauro, der mit dieser Technik viel weniger Erfahrung besaß als sein Bruder, war sich der Risiken wohl bewusst. Die Reise musste gut vorbereitet werden.

    Wie bereitete man sich vor mit dem ständig wachsenden Druck, dass der Liebsten ein Leid geschah? Mit der Sorge, dass Barren sie zum Spielball seiner Bosheit gemacht haben könnte? Mit der Angst, zu spät zu kommen, wie damals bei Shio Ban? Mauro drehte sich im Kreis. Er schaffte es nicht an diesem und auch nicht am darauffolgenden Tag, sich aus seinem Körper zu lösen. Bald meinte er, vor Sorge den Verstand zu verlieren.

    Er brauchte Hilfe. Doch wer konnte ihm beistehen? Der Reihe nach ging er alle alten Zauberer durch. Er fand keinen, dem er sich anvertrauen mochte.

    Keinen? Doch, es gab einen: Altmeister Schlobart. Mit ihm konnte Mauro ohne Scheu von seiner Sorge um die Liebste sprechen. Ihn konnte er um Hilfe bitten.

    „Es ist leichter, als Ihr denkt, ermutigte ihn der alte Meister. „Die Technik, Euch aus eurem Körper zu lösen, beherrscht ihr längst. Ihr seid doch öfters in die Anderwelt gereist.

    Mauro seufzte: „Der Übergang zwischen den Welten fällt mir leicht. Doch diesmal muss ich mich durch die Alltägliche Wirklichkeit bewegen und mich vor Sigrun, einer Nichtzauberin, sichtbar manifestieren. Das ist ungewohnt für mich."

    „Es ist auch nicht schwieriger, als sich in anderen Dimensionen zurechtzufinden, erklärte Schlobart. „Hier wie dort gibt es Gefahren. Die Sorge um Eure Liebste macht Euch angreifbar. Es ist besser, ich begleite Euch und passe auf Euch auf! Schlobart machte sich auf den Weg zu Mauro und führte ihn durch die Vorbereitung.

    Bald schon flogen sie Seite an Seite über die weite Ebene. Sie folgten dem Feuerfluss nach Norden und überquerten das Graue Gebirge. Der Gilgor tauchte unter ihnen auf und verschwand ebenso schnell. Die Strecke von Westgilgart nach Glancanas glich einem Flügelschlag. Bald schon erstreckten sich die dichten Wälder des Elfengebirges zu ihren Füßen. Mauro meinte gar, den Birkensee in der Ferne schimmern zu sehen. Unbeirrbar folgte er dem Signal, das ihn zu seiner fernen Geliebten führte.

    Schließlich landeten sie in einem dichten Wald. Vor lauter Bäumen konnte Mauro erst nichts sehen. Dann erspähte er Sigrun. Mit ein paar anderen Frauen stand sie an einer Quelle. Sie war gerade dabei, sich zu waschen. Die Röcke hatte sie hochgeschürzt und das Mieder geöffnet. Wie sie sich eine Strähne ihres widerspenstigen Haares aus der Stirn strich, sah sie allerliebst aus.

    Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr Mauro: ihr war kein Leid geschehen. Während er noch überlegte, ob er sie ansprechen durfte, wurde sie seiner gewahr. In ihrer Miene meinte er Erschrecken zu lesen. Natürlich, sie in diesem leicht bekleideten Zustand zu überraschen war höchst ungebührlich. Er winkte sie zur Seite und bedeutete ihr, dass er nicht hinsehen würde, bis sie sich wieder bedeckt hatte. Schlobart lenkte inzwischen die Gefährtinnen ab, um ihnen eine ungestörte Unterhaltung zu ermöglichen.

    Als er ihr gegenüber stand, merkte er sofort, dass es nicht nur das Erschrecken über sein plötzliches Auftauchen gewesen war. „Was ist Euch, Liebste? fragte Mauro besorgt. „Ihr wirkt so verstört?

    Sie sah ihn voller Verzweiflung an: „Mein Herr, es ist vorbei."

    „Was heißt das: es ist vorbei? fragte Mauro irritiert. „Ich wähnte Euch in großer Not. Nun bin ich über die Maßen glücklich, Euch wohlbehalten hier zu sehen…

    „In der Tat bin ich in großer Not. Mein Bruder hat entschieden, mich einem anderen Manne zur Frau zu geben!" stieß Sigrun verzweifelt hervor.

    „Konntet Ihr Euch nicht dagegen verwahren?"

    „In diesem Falle nicht, sagte Sigrun betrübt. „Sie haben meines Oheims Tochter als Geisel genommen.

    „Die Tochter von Dietrich vom Birkensee, Eurem Gastgeber?" fragte Mauro ungläubig.

    „Sie drohen, Ihr ein Leid anzutun. Dietrichs gesamte Sippe wollen sie zur Rechenschaft ziehen, wenn ich nicht gehorche."

    „Dann habt Ihr mich vor einigen Tagen tatsächlich um Hilfe gerufen? fragte Mauro niedergeschlagen. „Ich wünschte, ich wäre früher gekommen.

    Sigrun verstand nicht: „Ich wollte Euch rufen, wollte berichten, was vorgefallen ist. Doch der Anführer hat mir den Mondstein weggenommen, das Pfand Eurer Liebe. Ohne ihn kann ich nicht mit Euch kommunizieren!"

    „Den Mondstein weggenommen? Wie kommt er darauf? Was sind das für Brautwerber, die Euch mit Gewalt bedrohen?" Mauro dachte sofort an Barren. Doch woher wusste Barren von dem Mondstein? Sorgfältig prüfte er die Atmosphäre. Wenn Barren hier wäre, würde er es wissen.

    Der Herr der 1000 Schrecken war nirgendwo in der Nähe. Dafür nahm er die Präsenz eines anderen Zauberers wahr – eines, den er kannte. Mauro wusste nicht gleich, woher, bis er ihn zwischen den Bäumen umhergehen sah. Es war Malwin, mit dem er auf seiner Reise von Brig in den Süden mehrmals aneinandergeraten war. „Malwin hat Euch aus Dietrichs Lager entführt? Was hat dieser Bandit mit Euch zu schaffen? Sorgt Euch nicht, Liebste, ich werde Euch befreien! Gegen diesen Schurken kämpfe ich nicht das erste Mal…" rief er und wollte sich schon auf Malwin stürzen.

    Doch Schlobart bremste ihn: „Ein Astralkörper ist ein viel zu fragiles energetisches Gebilde. Damit könnt ihr nicht in den Kampf ziehen wie mit Eurem richtigen Körper. Der Gegner würde Euch auf tausend kleine Partikel zerstäuben, die sich nie mehr zusammenfinden. Das dürft Ihr nicht einmal denken! Außerdem wird es allmählich Zeit, zurückzukehren. Ihr verbraucht Eure Energiereserven viel zu schnell!"

    „Ein bisschen noch, bat Mauro. „Sprecht, Liebste, was ist geschehen?

    „Malwin kam als Brautwerber im Auftrag meines Bruders zum Birkensee. Fürstin Morriell und Rigbert haben sich darauf verständigt, dass ich einen Verwandten von ihr ehelichen soll. Nun bringt Malwin mich nach Brig."

    „Nach Brig, wiederholte Mauro. Eiskalte Gewissheit erfasste ihn: „Morriell macht mit diesem Banditen gemeinsame Sache. Sie weiß, dass Ihr niemals freiwillig nach Brig kommt. Darum lässt sie Euch mit Gewalt entführen. Ich hätte sie töten sollen, als ich die Chance dazu hatte. Nur Mut, Allerliebste. Niemals lasse ich zu, dass meine missratene Tochter sich zwischen uns stellt!

    „Herr, Ihr versteht nicht… Mein Bruder hat entschieden, und ich muss gehorchen. Ihr könnt nichts mehr tun", wehrte Sigrun ab. Als sie merkte, dass Mauro ihre Einschätzung nicht teilte, beschwor sie ihn: „Wolltet Ihr die Braut eines Anderen rauben, wäre der Bräutigam verpflichtet, Vergeltung zu üben. Darauf wartet Morriell nur. Sie will Krieg, und ich kann nicht verantworten, dass meinen Freunden ein Leid geschieht. Stets

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